Der Winter kann kommen: BMW 326 Cabriolet

Wir leben in Zeiten, in denen man sich auch bei Minusgraden morgens in ein vorgewärmtes Auto setzen kann, dessen Motor sofort einen ruhigen Leerlauf hat – sofern die Batterie intakt ist.

Solcher Luxus wird für selbstverständlich genommen – und dann wird gejammert, wenn man mal keinen Parkplatz direkt vor der Haustür bekommt – es ist ja so kalt!

Da ist es heilsam, sich zu vergegenwärtigen, welchen Herausforderungen Automobilisten noch vor zwei Generationen ausgesetzt waren. Zugefrorene und beschlagende Scheiben, keine Heizung und: Anlasserorgeln, bis die Batterie leer ist.

Das folgende Originalfoto versetzt uns in diese Vergangenheit, die außerdem ein paar Härten ganz anderen Kalibers bereithielt:

bmw_326wh_galerie

© BMW 326 Cabriolet, aus Sammlung Michael Schlenger

Da liegt ja gar kein Schnee – wieso soll das Foto im Winter entstanden sein?

Nun, der Kühler des Wagens ist mit einer Kunstledermanschette abgedeckt – einst ein klassisches Zubehör bei Minusgraden. Und an der Innenseite der Frontscheibe sind Heizrahmen befestigt, auch das ein Hinweis auf die Jahreszeit.

Doch mehr als dieses Zubehör, das von etlichen Lieferanten erhältlich war, interessiert uns das Auto selbst. Es ist eines der wenigen Beispiele dafür, dass ein Vorkriegswagen auch ohne sichtbaren Kühler auf Anhieb identifizierbar ist.

Die Frontpartie weist gleich mehrere markante Elemente auf:

bmw_326wh_frontpartie

Die Form der seitlichen Luftschlitze in der Motorhaube war typisch für die ab 1936 gebauten eleganten 2 Liter 6-Zylinder-BMW. Sie zeichneten sich zudem durch das bis auf die Stoßstange hinunterreichende Blech zwischen Vorderkotflügeln und Kühlerpartie aus. Hier kündigt sich das Ende der freistehenden Schutzbleche an.

Die doppelte Stoßstange verrät, dass wir es mit einem BMW des Typs 326 zu tun haben, der von 1936 bis 1941 gebaut wurde. Er war der erste Vertreter dieser modernen Linie, die das Bild der Vorkriegs-BMWs bis heute prägt.

Mit 50 PS, vier Gängen und hydraulischen Bremsen waren die BMWs nur sieben Jahre nach Vorstellung des ersten Autotyps der Marke erwachsen geworden. Formal stellten sie eine Klasse für sich da und genossen entsprechendes Prestige.

Der BMW 326 auf unserem Foto war ausweislich des Kennzeichens im Dienst des Heeres der deutschen Wehrmacht unterwegs (daher das Kürzel WH) und war zum Aufnahmezeitpunkt schon recht mitgenommen.

Dass es ein beschlagnahmter Privatwagen aus Vorkriegstagen war, verrät der abblätternde mattgraue Lack auf der verchromten Stoßstange. Die Anlasserkurbel lässt vermuten, dass es um Batterie und Anlasser nicht zum besten stand.

Der Soldat neben dem BMW scheint sich am stark gebrauchten Zustand des Wagens nicht gestört zu haben. Dass er wohl keinen persönlichen Bezug zu dem Heeresfahrzeug hatte, ergibt sich aus seiner Uniform:

bmw_326wh_soldat

Die Jacke ohne aufgesetzte Tasche und die Schwingen auf dem Kragen lassen erkennen, dass unser Mann zur Luftwaffe gehörte. Welche Funktion genau er dort hatte, wissen wir nicht.

Der Winkel auf dem Ärmel steht für den zweitniedrigsten Mannschaftsgrad, einen Gefreiten. Dazu will das Pistolenholster am Koppel nicht so recht passen, doch vermutlich war der Soldat am Tag der Aufnahme zum Wachdienst eingeteilt, dann wäre das plausibel.

Ansonsten deutet alles auf eine Situation fernab des Kriegsgeschehens hin. Auch der BMW trägt nicht die ab 1939 obligatorischen Tarnüberzüge auf den Scheinwerfern. Das Foto kann nur in einer entlegenen Gegend entstanden sein, wo Frieden herrschte – beispielsweise im besetzten Norwegen – oder in einer außerhalb des Radius gegnerischer Flugzeuge liegenden Gegend im Osten.

Leider gibt das Foto selbst keinen weiteren Hinweis. Dass es auf einem Stützpunkt irgendwo im Hinterland gemacht wurde, dafür spricht auch die schemenhaft zu erkennende Frau hinter dem Fenster im Hintergrund.

Dass dieser friedliche Moment irgendwann vor über 70 Jahren nicht von Dauer war, wissen wir. Ein Grund mehr, mit vermeintlichen Unzuträglichkeiten des modernen Daseins gelassener umzugehen…

Kommentar verfassen