Dieser Oldtimerblog befasst sich mit alten Aufnahmen von Vorkriegsautos aus dem deutschsprachigen Raum – ohne dabei einer Marke den Vorzug zu geben.
Hier wird einfach vorhandenes historisches Fotomaterial aufbereitet und der Verfasser ist oft selbst überrascht, wie abwechslungsreich das Bild ist, das sich auf dieser Grundlage zeichnen lässt.
Wann wurden zuletzt in einem der hiesigen Klassikermagazine einer der hervorragenden Wagen österreichischer Marken behandelt? Die großen Namen wie Austro-Daimler, Gräf & Stift und Steyr werden leider meist übergangen.
Hier dagegen befassen wir uns wieder einmal mit einem Wagen des im oberösterreichischen Steyr ansässigen Waffenfabrikanten, der einst auch Automobile bester Qualität fertigte – Konkurrent Simson aus Suhl lässt grüßen:
© Steyr Typ VII Limousine, Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Dieses Prachtstück von einer Limousine – sieben Personen fanden darin Platz – ähnelt formal einigen Autos von Marken aus dem deutschsprachigen Raum aus der Zeit nach dem 1. Weltkrieg.
Die markanten Spitzkühler fanden sich damals bei etlichen Herstellern wie Adler, Benz, Dürkopp oder Opel. Man muss schon genau hinschauen, um den Wagen von zeitgenössischen Konkurrenten abgrenzen zu können.
Im vorliegenden Fall handelt es sich eindeutig um einen Steyr Typ VII, wie er ab 1925 gebaut wurde:
Steyr-typisch sind – neben dem sehr scharf geschnittenen Kühler – die Form der Nabenkappen und die Gestaltung des Kühlwasserverschlusses.
Die Literatur (Hubert Schier: Die Steyrer Automobil-Geschichte, 2015) enthält Bilder entsprechender Steyr-Wagen zweier Modelle, des Typs V und seines Nachfolgers VII (der Zwischentyp VI war ein Sportwagen).
Zwar sahen die Typen V und VII zumindest von der Seite fast identisch aus. Obige Ausschnittsvergrößerung liefert aber zum Glück ein Detail, das es nur beim Typ VII (als Option) gab, nämlich Vorderradbremsen.
Die großen Bremstrommeln sind auf dem Foto gut zu sehen. Was man nicht erkennt, ist die Tatsache, dass sie zwecks besserer Kühlung auf der Außenseite verrippt waren – ein aus dem Rennsport übernommenes Detail.
Von der Bremse und einer breiteren Spur abgesehen zeichnete sich der Steyr Typ VII gegenüber dem Typ V durch souveränere Motorisierung aus. Der Sechszylinder behielt zwar seinen Hubraum von 3,3 Litern und die Ventilsteuerung durch eine obenliegende Nockenwelle. Doch statt zuvor 40 PS leistete das Aggregat nun 50 PS.
Durch die höhere Leistungsausbeute verwandelte sich die gesamte Charakteristik des Wagens. Der Steyr Typ VII zeichnete sich durch hohe Elastizität und besonderes Steigvermögen aus, bei nach wie vor kultiviertem Motorlauf.
Damit empfahl sich die neue Generation der Steyr-Wagen für eine anspruchsvollee Klientel. Bis 1929 konnten 2.150 Exemplare dieses Typs abgesetzt werden – für einen Konzern, der Automobile nur nebenher baute, ein beachtliches Ergebnis.
Auf unserem Foto einer Steyr-Limousine des Typs VII kündigt sich auch in anderer Hinsicht ein Generationenwechsel an:
Wir wissen es nicht genau, doch vielleicht dokumentiert diese Aufnahme die Übergabe des Steyr durch den bisherigen Chauffeur an seinen Nachfolger. Der kauzige Alte mit Schnauzer und pelzbesetzem Mantel schaut nicht gerade begeistert.
“Jetzt kommt mein Steyr also in die Hände dieses Milchgesichts. Ich geh’ besser noch mal den Schmierplan mit ihm durch. Und wenn er das richtige Ventilspiel nicht kennt, zieh’ ich ihm die Ohren lang. Na ja, er wird sein Handwerk schon beherrschen. Hat mich gleich nach gefragt, ob der Steyr bereits eingefahren ist.”
Unterdessen denkt sich der hoffnungsfrohe junge Aspirant:
“Heute ist mein Glückstag – die erste Anstellung und gleich ein feiner Sechszylinder. Der Alte meint wahrscheinlich, nur weil er noch im Kutschenzeitalter großgeworden ist, hätte er mir etwas voraus. Bestimmt fragt er mich nach dem Ventilspiel: 0,25mm natürlich. Die Zigarre zum Abschied wird ihn schon gnädig stimmen…”
So könnte es vor über 90 Jahren gewesen sein. Die beiden Chauffeurskollegen haben längst alles Irdische hinter sich gebracht. Doch wo sind nur diese schnittigen Sechsylinder-Steyr geblieben?