Lädierter Bote der Vorkriegszeit: Hanomag „Rekord“

Zu den am häufigsten besprochenen Vorkriegsautos auf diesem Oldtimerblog gehören PKW des Maschinenbaukonzerns Hanomag.

Das ist keiner Vorliebe des Verfassers geschuldet, der sich unterschiedlos für alle Fahrzeuge interessiert, die einst die Straßen im deutschsprachigen Raum befuhren.

Wieso also sind Hanomags hier so stark vertreten (Bildergalerie)? Es wurden von 1925-41 doch keine 95.000 Stück gebaut.

Eine Erklärung ist die, dass es Autos nach Maschinenbauerart waren – da wurde nicht am Kunden herumexperimentiert, sondern nur Bewährtes und Dauerhaftes produziert.

Jedenfalls folgten nach dem skurrilen Hanomag „Kommissbrot“ nur noch grundsolide Konstruktionen. Sie waren nicht billig, was einer größeren Verbreitung entgegenstand, aber offenbar waren sie kaum kaputtzukriegen.

So finden sich heute noch zahllose Fotos von Hanomags aus den 1930er Jahren, aus der Zeit des 2. Weltkriegs und aus der Nachkriegszeit wie das folgende:

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Hanomag „Rekord“ aus Sammlung Michael Schlenger

Mag sich der Hund des Fotografen noch so sehr in den Vordergrund drängen – „Ah, man macht ein Foto von mir vor meinem Wagen – da zeige ich mich von meiner besten Seite“ – das Auto lässt sich eindeutig als Hanomag identifizieren.

Der genaue Typ erschließt sich erst bei näherem Hinsehen. Die für Winterbetrieb unverzichtbare Kühlerverkleidung, die zum schnelleren Warmwerden des Motors beitrug, lässt die Partie frei, auf der das Hanomag-Flügelemblem angebracht war.

Auffällig ist, dass der stilisierte Adler und die Mittelstrebe in Wagenfarbe lackiert und nicht verchromt sind, wie das eigentlich der Fall sein sollte. Auch die Scheinwerfer sollten eigentlich Chromringe tragen:

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Das Besatzungskennzeichen, das in der Britischen Zone Rheinland (BR) ausgestellt wurde, verweist darauf, dass dieser Hanomag nach 1945 aufgenommen wurde.

Möglicherweise handelt es sich um einen Wagen, der einst beschlagnahmt wurde und bei der Wehrmacht im Einsatz war, wo man Chromteile meist überzulackieren pflegte, um verräterische Reflektionen zu vermeiden.

Dem einstigen Militäreinsatz könnte auch die nicht originale Vorderstoßstange geschuldet sein. Die wird wohl der private Besitzer nach 1945 – der auf welchen Wegen auch immer an das einstige Militärfahrzeug gekommen war – montiert haben.

Er könnte auch für einen interessanten Umbau verantwortlich gewesen sein. So verfügen die Vorderkotflügel dieses Hanomag über seitliche „Schürzen“, die auffallend spitz zulaufen – das war so eindeutig nicht ab Werk verfügbar.

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Auch die hintere Partie des Wagens lässt vermuten, dass an dem Wagen in der Nachkriegszeit einige Modifikationen vorgenommen wurden.

Die Scheibenräder mit den großen Radkappen gab es nur bei Hanomags der Typen „Kurier“ und „Rekord“, die von 1934-36 gebaut wurden, danach wurden gelochte Stahlfelgen verbaut.

Doch die Heckpartie mit dem integrierten und nicht länger angesetzten Kofferraum passt nicht zu einem so frühen Baujahr. Diese Karosserieform gab es nur von 1936-38.

Die Scheibenräder können später montiert worden sein, weil keine Originalteile verfügbar waren. Zudem wissen wir nicht, wie die Vorderräder aussahen, dazu hat sich der Hund zu geschickt platziert.

„Herrchen muss an meinem Hanomag endlich vier gleiche Räder montieren – wie sieht das denn aus – ich stell‘ mich mal vor die gelochte Felge…“.

Für den Kenner bleibt die gar nicht so einfache Frage: Ist das ein Hanomag „Rekord“ oder ein parallel gebauter „Kurier“?

Die Modelle unterschieden sich in erster Linie durch die Motorisierung. Der „Kurier“ musste mit 23 PS aus 1100ccm auskommen, während der „Rekord“ immerhin 32-35 PS aus 1500 ccm leistete und damit knapp 100 km/h schaffte.

Der Verfasser plädiert angesichts der doppelten Scheibenwischer für einen „Rekord“, wenngleich alle übrigen Details auch beim Modell „Kurier“ zu finden waren.

Den Hund, der es sicher genau wusste, können wir leider nicht mehr befragen. Er hat längst – wie wahrscheinlich auch der Hanomag – das Zeitliche gesegnet.

Was bleibt, ist ein Foto aus dem langen Leben eines Vorkriegsautos, das nach Maßstäben deutscher Originalitätsfanatiker dringend in den Auslieferungszustand zurückversetzt werden müsste.

Für Klassikerfreunde mit historischem Gespür dagegen wäre genau das ein Fahrzeug, wie es authentischer kaum sein könnte…

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