Winter adé, der Frühling kann kommen: BMW 327

Auch wenn’s derzeit in der Region des Verfassers – der hessischen Wetterau – noch nicht umwerfend frühlingshaft zugeht, wollen wir heute (20. März 2017) den Winter verabschieden – zumindest bildlich.

Nebenbei befassen wir uns mit einer der letzten Lücken in der Vorkriegsgeschichte der Automarke BMW auf diesem Oldtimerblog – dem Modell 327.

Zum Typ nur kurz so viel: Der 1937 vorgestellte BMW 327 war die Sportvariante des erfolgreichen 6-Zylindertyps 326, den wir hier bereits vorgestellt haben.

Der 327 bot zum einen bei unverändertem Hubraum von 2 Litern eine auf 55 PS gesteigerte Leistung, die ein Spitzentempo von 125 km/h ermöglichte.

Zum anderen erhielt der 327 eine eigenständige Karosserie von hinreißender Eleganz, die als Coupéversion und in offener Ausführung erhältlich war.

Wie es der Zufall will, liefert der Fundus dazu passend zwei sehr schöne Originalaufnahmen. Hier zunächst die geschlossene Variante:

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BMW 327 Coupé; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Die fröhliche junge Dame, die es sich auf dem Kühler bequem gemacht hat, hält uns nicht davon ab, erst einmal den Wagentyp identifizieren.

Vom zahmeren BMW 326 unterscheidet sich der 327 an der Frontpartie durch die in die Karosserie integrierten, liegenden Scheinwerfer. Die Tarnüberzüge verraten, dass die Aufnahme nach Kriegsausbruch 1939 entstanden ist.

Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal gegenüber dem BMW 326 sind die schlichten geteilten Stoßstangen.

Auf dem Kennzeichen sieht man hinter dem Kürzel „IM“ (Zulassungsbezirk: Sachsen) einen nach unten zeigenden Winkel. Diesen erhielten während des 2. Weltkriegs Fahrzeuge von Privatleuten, die beruflich auf ihren Wagen angewiesen waren, zum Beispiel Ärzte oder Firmenvertreter.

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Kurios sind die beiden unterschiedlichen Hupen, die nicht zur Originalausstattung gehörten. Im vorliegenden Fall stören sie nicht sonderlich, da die Vorderansicht ohnehin unter der Kühlerverkleidung aus Kunstleder leidet.

Demnach muss diese Aufnahme einst in der kalten Jahreszeit entstanden sein, in der man so eine schnellere Erwärmung des Kühlwassers nach dem Kaltstart erreichte.

Dessen ungeachtet schaut unsere hübsche Auto-„Besetzerin“ ganz zuversichtlich in die Zukunft. Vielleicht lag schon ein Hauch Frühling in der Luft, wer weiß?

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Möglicherweise haben wir es hier mit einem Paar zu tun, dass durch die Gunst der Umstände von den Schrecknissen des Kriegs weitgehend verschont blieb.

Wer sich von dem charmanten Fotomodell losreißen kann, wird an der Frontscheibe hinter ihr einen von innen angebrachten Heizrahmen bemerken und die verchromte Mittelstrebe der leicht gepfeilten Scheibe.

Mit der geschlossenen Ausführung des nur in knapp 1.400 Exemplaren gebauten BMW 327 sagen wir auch dem Winter adé und wenden uns der offenen Variante zu:

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EMW 327/2 Cabriolet; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Das ist ein starker Kontrast zum vorherigen Bild und das nicht nur wegen des geöffneten Verdecks.

Hier herrscht heller Sonnenschein und vor allem: Der Krieg ist vorbei, man hat sich selbst und einigen Besitz gerettet. Auch das 327er Cabriolet steht makellos da.

Aber ist an dem Wagen nicht etwas merkwürdig? Werfen wir auch hier einen näheren Blick auf die Details der Frontpartie:

BMW_327_Cabriolet_a_Frontpartie

Hier sieht man die markante Doppelniere endlich ohne störendes Beiwerk. Die für den Typ 327 typischen in die Karosserie integrierten Scheinwerfer sind aus dieser Perspektive ebenfalls gut zu studieren.

Es stören auch keine außen montierten Hupen, die bei dieser geglätteten und geschlossenen Karosserieform ein Stilbruch wären. Was auf den ersten Blick wie nachgerüstete Blinker aussieht, sind tatsächlich serienmäßige Positionsleuchten.

Irritierend wirkt auch die durchgehende Stoßstange. Zwar gibt es zeitgenössische Fotos des BMW 327, die damit ausgestattet waren, doch hier wirkt sie wuchtiger.

Vielleicht am auffallendsten ist die flach aufliegende einteilige, nicht mehr seitlich nach unten reichende zweiteilige Motorhaube.

Den Schlüssel zu diesem rätselhaften Erscheinungsbild liefert das Kennzeichen.  Demnach war der Wagen ab 1953 im Raum Leipzig zugelassen.

Zwar hatten in der DDR auch einige Vorkriegsexemplare des BMW 327 überlebt, doch hier haben wir es praktisch mit einem Neuwagen zu tun.

Im alten BMW-Werk in Eisenach wurde nämlich in den 1950er Jahren in wenigen hundert Exemplaren noch einmal das alte Modell gebaut.

Technisch gab es dabei kaum Änderungen, nur die beschriebenen Modifikationen an der Karosserie verraten, dass wir es mit einem dieser Fahrzeuge zu tun haben, die aus rechtlichen Gründen als EMW 327/2 verkauft – oder besser: verteilt – wurden.

Denn nur Personen in privilegierten Positionen konnten im Arbeiter- und Bauernstaat einen solchen Luxuswagen erhalten. Übrigens stammte die Karosserie nun von Gläser aus Dresden anstatt wie vor dem Krieg von Autenrieth in Darmstadt.

Hier noch ein weiteres Foto desselben Fahrzeugs mit seinen lupenreinen Vorkriegslinien:

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EMW 327/2 Cabriolet; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Unser Dank gilt bei dieser Gelegenheit René Förschner, einem Kenner der einstigen Autoproduktion in Eisenach (siehe auch der Blogeintrag zu Dixi).

Zu guter letzt noch ein passender Schlager aus den 1930er Jahren, gesungen vom damals populären Rudi Schuricke.

Der Menschenfreund, der diesen Schellackschatz und zahllose andere aus der Vorkriegszeit ins Netz gestellt hat, hat dabei auch an uns Altautofreunde gedacht.

Nicht nur, dass er die Musik mit originalen Farbaufnahmen vom damals beschaulichen Geschehen auf der Reichsautobahn kombiniert hat. Es kommt zwischen 0:37 und 0:54 Min. auch ein BMW 327 Coupé vor!

© Videoquelle YouTube; hochgeladen von Deutschlandsender

© Michael Schlenger, 2017. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and http://www.klassiker-runde-wetterau.com with appropriate and specific direction to the original content.

4 Gedanken zu „Winter adé, der Frühling kann kommen: BMW 327

  1. Danke für das Lob. Übrigens habe ich erfahren, wem das 327 Coupé einst gehörte und: Das Auto existiert noch! Daraus mache ich demnächst eine separate Geschichte…

  2. Hallo Michael,
    danke für die Erwähnung, passt schon. Aber der Kenner für 327 bin ich leider nicht. Mein Opa hat mal einen restauriert, daher hab ich schon mal einen gesehen 😁.
    Die EMWs wurden auch in den 90ern gern auf BMW umgelabelt, weil die Preise für „echte“ BMW damals noch deutlich höher waren. Heute erfahren auch die Nachkriegsmodelle eine ihrer tollen Form entsprechende monetären Anerkennung. Leider in Sphären ausserhalb meiner Reichweite.

    Ich freue mich jeden Tag auf ein altes spannendes Modell welches von dir vorgestellt wird. Also bitte weiter so. Dein Blog ist Klasse.
    Grüße, René

  3. Hallo René, besten Dank für die Korrekturen – wieder was gelernt! Ich habe den Beitrag entsprechend angepasst und Dich darin ausdrücklich erwähnt – hoffe, das ist ok!
    Viele Grüße
    Michael

  4. Hallo Michael, bei der offenen Ausführung des 327 auf diesen Bildern handelt es sich nicht mehr um einen Vorkriegs-Bmw als vielmehr um einen von 1952 bis 1955 gebauten EMW.
    Wie viele andere Hersteller griffen auch die Eisenacher nach dem Krieg auf bewährte Vorkriegsmodelle zurück und montierten 1949/50 noch aus Restteilen 16 Exemplare des BMW 327 welcher sich auch bei den russischen Offizieren großer Beliebtheit erfreute. Dieses Fahrzeuge waren noch nahezu identisch mit der Vorkriegsversion. Nachdem man in Eisenach jedoch mit der Einführung des Typs 340 gut zu tun hatte wurde das Projekt erst 1952 wieder aufgegriffen.
    Nach verlorenem Rechtsstreit um die Namensrechte BMW mit München produzierte man den 327/2 als Cabrio und 327/3 als Coupe bei Gläser in Dresden. Das Chassis und Motor kamen weiterhin aus Eisenach. Bei diesen Typen wurden ggü. dem Vorkriegsmodell einige Dinge geändert. So erhielt der 327/2 eine nach hinten zu öffnende Motorhaube die nicht mehr bis in die Seite des Fahrzeugs reichte (Alligatorhaube) anstatt der Schmetterlingshaube. Weiterhin wurden die wuchtigeren Stoßstangen verbaut und die Winker wechselten ihre Position von vor der Tür in die B-Säule und die serienmäßigen Positionleuchten unter den Scheinwerfern wurden eingebracht. Die Rückleuchten und Armaturen wurden ebenfalls geändert.
    Diese ersten Merkmale sind an dem Fotos vom offenen Wagen gut zu erkennen. Es ist auch der Grund für den guten Zustand des Autos nach dem Krieg, handelt es sich doch um einen Neuwagen.
    Der Neid der Volksgenossen war einem mit einem solchen Wagen sicher dennoch gewiss, fuhr doch sogar Dichter und Kulturminister Johannes R. Becher einen solchen Wagen. Für 17740 Mark gingen solche Autos überwiegend an ausgewählte Bedarfsträger…

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