Ein Adler Tourenwagen mit Reifen von Peter’s Union

Wenn man der Statistik dieses Oldtimerblogs trauen darf, schätzen Adler-Freunde im In- und Ausland die Fotogalerie mit historischen Originalfotos von Wagen der einst so angesehenen Frankfurter Marke besonders.

Bei der Gelegenheit darf ganz unbescheiden festgestellt werden, dass es nach Kenntnis des Verfassers im Netz keine vergleichbare chronologische Sammlung originaler Adler-Autofotos gibt.

Vielleicht schafft es der sonst so rührige Adler Motor Veteranen Club irgendwann einmal, für Adler-Interessenten eine mit aussagefähigen Bildern versehene lückenlose Typenhistorie aufzubauen – Material muss ja vorhanden sein.

Bis dahin betrachten wir das Defizit als Aufforderung, selbst dazu beizutragen, Lücken in der Dokumentation früher Adler-Automobile zu schließen. Und das tun wir mit folgender Aufnahme:

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Adler Doppel-Phaeton; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Das ist ein Wagen nach dem Geschmack der Freunde richtig alter deutscher Autos. Denn hier haben wir es mit einem Typ aus der Zeit vor dem 1. Weltkrieg zu tun.

Aufgenommen wurde das Bild wohl Anfang der 1920er Jahre, dafür spricht jedenfalls das Erscheinungsbild der vier jungen Männer in dem Auto.

Hat man sich die insgesamt nicht vielen, aber zumindest halbwegs aussagefähigen Abbildungen früher Adler-Wagen in der Literatur schon öfters zu Gemüte geführt, so ist die Ansprache der Marke ein Kinderspiel.

Versetzen wir aber uns in die Lage eines Adler-Novizen, wie der Verfasser vor kurzem auch noch einer war, und tasten wir uns schrittweise heran:

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Der auf den ersten Blick rechteckige Kühler weist bei genauem Hinsehen überall geschwungene Linien auf. Aus dem spitzen Winkel auf der Aufnahme sieht man gut, wie die obere Einfassung des Kühlernetzes leicht nach unten durchhängt.

Auch der obere Abschluss der Kühlermaske ist weich und lebendig geformt, so etwas fiel nicht aus einer Stanze, sondern wurde von kundiger Hand gefertigt.

Aus der nach vorn abfallenden Oberseite ragt der Kühlwasserstutzen empor, der einen Adler mit ausgebreiteten Schwingen trägt.

Zu einem Adler aus der Zeit vor dem 1. Weltkrieg passen die zylinderförmigen Nabenkappen mit sechs Befestigungsmuttern und das aus einem gedoppelten Blech aufgebaute Vorderschutzblech, das hinter dem Rad nach unten abknickt.

Für sich genommen wäre keines der Elemente ein ausreichendes Indiz, doch in der Summe ergibt sich so das stimmige Bild eines Adler der Baujahre 1912-14.

Ein identisches Fahrzeug ist auf Seite 26 des Standardwerks „Adler Automobile“ von Werner Oswald abgebildet. Dort ist das Auto als Typ 12/30 PS bezeichnet.

Denkbar sind auch stärkere Motorisierungen, die zeitgleich verfügbar waren, beispielsweise das 15/40 PS-Modell. Äußerlich unterschieden sich diese Mittelklassetypen allenfalls durch den Radstand.

Gemeinsam waren ihnen Vierzylindermotoren mit seitlich angebrachten Ventilen, die direkt von der Nockenwelle gesteuert wurden – was zwar präzise war, aber einen strömungsungünstigen Einlasstrakt mit sich brachte.

Die Höchstleistung war eine Funktion des Hubraums, der bei den größeren Adler-Modellen vor dem 1. Weltkrieg von gut 3 bis über 9 Liter reichte.  Ansonsten gab es ein 4-Gang-Getriebe, auf das auch die Außenbackenbremse wirkte.

Nach dem 1. Weltkrieg baute Adler erst einmal die alten Modelle weiter, jedoch mit dem noch 1914 eingeführten modischen Spitzkühler. Daher können wir hier sicher sein, dass wir es mit einem Vorkriegsmodell zu tun haben.

Doch die lässige Attitüde, mit der der junge Mann neben dem Chauffeur seine Zigarette im Mund hält, verweist auf die Nachkriegszeit. Wer vier Jahre Materialkrieg überstanden hatte, gab auf die alten Umgangsformen nichts mehr.

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Uns interessiert aber an dieser Stelle etwas anderes: der Kunstlederüberzug des Reserverrads mit der Aufschrift „Peters Union“. Wenn jemand da mit den Achseln zuckt – das ist keine Bildungslücke.

Die Firma Peters ist eine längst vergessene Reifenfabrik aus Frankfurt/Main, die sich selbst als „Älteste Pneumatikfabrik Deutschlands“ bezeichnete. Vollständig lautete der Firmenname „Mitteldeutsche Gummiwarenfabrik Louis Peter„.

Der Gründer des Unternehmens hieß Friedrich Ludwig Peter und stammte aus Nordhessen. Seine Reifenfirma gehörte eine Weile zu den führenden deutschen Herstellern, wurde aber Ende der 1920er Jahre von Continental geschluckt.

Übrigens fertigt Continental noch heute im alten Korbacher Werk der Peters Union AG Autoreifen – ein schönes Beispiel für industrielle Kontinuität.

Der Vollständigkeit halber ein abschließender Blick auf die Heckpartie unseres sechssitzigen Adler-Tourenwagens:

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Nur selten kann man die Details der Hinterachspartie eines über 100 Jahre alten Wagens so gut erkennen wie hier: Adler-typisch sind in jener Zeit die zwölf Befestigungsbolzen des Hinterrads und dessen recht kleine Nabenkappe.

Ungewöhnlich klar ist die hintere Blattfederaufnahme wiedergegeben, die bei Nachkriegsmodellen von einem Blechgehäuse verdeckt wurde. Typisch für die Zeit vor dem 1. Weltkrieg ist zudem der flotte Schwung des Schutzblechs nach hinten.

Eine derartig detailreiche Aufnahme eines frühen Adler-Modells ist bereits eine Rarität. Ob es überhaupt ein überlebendes Fahrzeug dieses Typs gibt, ist zweifhaft.

Doch in der Hinsicht ist alles möglich – Adler-Automobile wurden einst weltweit verkauft – vielleicht schlummert noch irgendwo eines…

© Michael Schlenger, 2017. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and http://www.klassiker-runde-wetterau.com with appropriate and specific direction to the original content.

2 Gedanken zu „Ein Adler Tourenwagen mit Reifen von Peter’s Union

  1. Auch wegen solcher interessanten Details veröffentliche und bespreche ich diese Fotos – oft steckt mehr darin als nur ein altes Auto…

  2. Sehr schöne Aufnahme. Mich überrascht besonders der Kunstlederüberzug mit der Aufschrift Peters Union. Die Firma ist mir zwar bekannt, aber eine Werbung auf dem Ersatzrad habe ich so noch nicht gesehen. Herr Kleyer hatte auch maßgeblich für den Aufbau von Dunlop in Hanau gesorgt und somit für den Aufbau eines Wettbewerbes im Frankfurter Raum zu Peter gesorgt.

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