Wer als Besucher dieses Oldtimerblogs einen Blick auf die Marken in der Schlagwortwolke rechts unten wirft, könnte meinen, dass hier zumindest die Hersteller aus dem deutschsprachigen Raum umfassend vertreten sind.
Tatsächlich findet man zwischen Audi und Wanderer auch etliche Namen der zweiten Reihe wie Brennabor, NAG, Protos und Stoewer.
Doch tun sich im Detail einige (vorläufige) Lücken auf – was man aber nur weiß, wenn man von Marken wie Freia, MAF, Oryx usw. schon mal gehört hat…
Ein Hersteller, der dagegen heute noch geläufig ist, obwohl die Autos selbst kolossale Raritäten sind, fehlte aber bislang: Maybach. Das wollen wir heute ändern, und zwar anhand dieses historischen Originalfotos:

Maybach W5 27/120 PS; Originalaufnahme aus Sammlung Michael Schlenger
Der einsame Rang der Marke Maybach verdankt sich wie so oft in der Geschichte der Innovation nicht dem Zusammenspiel irgendwelcher “Manager” und ihren “Teams”, sondern dem Genie einer einzelnen Person.
So war es einst Wilhelm Maybach, der für die Daimler-Motoren- Gesellschaft die Probleme des Einsatzes des Otto-Motors in einem kompakten Fahrzeug gewissermaßen am laufenden Band löste.
Maybachs Leistung gipfelte in der Konstruktion des ersten “Mercedes” zur Jahrhundertwende. Ansonsten ist anzumerken, dass sich sein Können als Konstrukteur bei seinem Sohn Karl wiederfand.
In Karl Maybach haben wir ein schönes Beispiel für die geglückte Kombination aus vererbtem schöpferischem Talent und gelungener Erziehung.
Anfänglich arbeitete er noch mit seinem Vater als Entwickler für die Daimler-Motoren-Gesellschaft. Dann schlug er aber seinen eigenen Weg ein, der ihn in wahrstem Sinne in bis dahin unerreichte Höhen führte.
Karl Maybachs erste Großtat war nämlich die Entwicklung neuartiger Motoren speziell für die Zeppelin-Luftschiffe:

Motorgondel von LZ 127; Postkarte aus Sammlung Michael Schlenger
Daneben produzierte die seit 1912 in Friedrichshafen ansässige Maybach Motorenbau auch Flugzeugmotoren.
Dieses zweite Standbein sicherte der Firma im 1. Weltkrieg das Überleben, da sich die vom Heer eingesetzten Luftschiffe als leicht zu bekämpfende Ziele erwiesen hatten und von der Front abgezogen wurden.
Mit seinem 300 PS-starken Hochleistungsflugmotor stellte Karl Maybach 1917 ein überlegenes Konzept hervor, dass alle bisherigen Modelle überholt machte.
Nach der Kapitulation Deutschlands im Jahr 1918 war es jedoch vorbei mit Antriebsaggregaten für Luftschiffe und Flugzeuge. Mit dem Bau von Industriemotoren hielt sich Maybach über Wasser.
1919 beschloss Maybach dann, sich auf die Fertigung von Automotoren zu verlegen. Die erste Konstruktion – der 70 PS leistende W1 – fand allerdings noch keine Abnehmer.
Dann landete man einen Beinahe-Erfolg mit einem Motor, den man 1920 im Auftrag der holländischen Marke Spyker entwickelt hatte.
Spyker war jedoch wegen finanzieller Schwierigkeiten nicht in der Lage, die bestellten Motoren zu bezahlen. Maybach stieg angesichts der bereits getätigten erheblichen Investitionen selbst in den Automobilbau ein.
1921 stellte man den ersten Maybach-Wagen vor. Die Typbezeichnung W3 leitete sich daraus ab, dass sich darin die dritte Generation des von Maybach entwickelten Automobilmotors befand.
Das 5,7 Liter große 6-Zylinder-Aggregat mit Doppelzündung leistete satte 70 PS und kam ohne Gangschaltung aus – darauf kommen wir noch zurück. Mit dem 110 km/h schnellen Wagen definierte Maybach , wo man hinwollte: nach ganz oben.
Den Nachfolger dieses ersten Maybach-Automobils, das seinerzeit je nach Aufbau mindestens 25.000 Reichsmark kostete, sehen wir auf dem eingangs gezeigten Foto:
So unscharf diese Ausschnittsvergößerung auch ist, erkennt man das dreieckige Maybach-Emblem auf dem markanten, großflächigen Kühler, der von stattlichen Scheinwerfern flankiert ist.
Diese Ausführung kennzeichnet den Maybach W5, von dem zwischen 1926 und 1928 lediglich 300 Exemplare gebaut wurden. Bereits daran lässt sich ermessen, was für ein Glücksfall dieses zeitgenössische Foto darstellt.
Im Maybach W5 wurde ein neuentwickelter 6-Zylindermotor mit 7 Litern Hubraum verbaut. Das 120 PS starke Aggregat war bewusst langhubig ausgelegt worden, um ein Fahren ohne Kupplung und Schaltung zu ermöglichen.
Zum Anfahren trat man ein Pedal, das den elektrischen Anlasser aktivierte, der von zwei 12-Volt-Batterien mit je 140 Amperestunden Kapazität gestartet wurde. Mit der Kraft des Anlassers setzte sich der schwere Wagen in Bewegung.
Nahm man den Fuß vom Anlasserpedal, konnte man den Wagen dann dank des enormen Drehmoments des Motors im direkten Gang ohne Schalten bereits aus Schrittgeschwindigkeit hochbeschleunigen.
Für starke Steigungen stand ein Berggang zur Verfügung, der durch Durchtreten des erwähnten Startpedals eingelegt wurde.
Um eine höhere Endgeschwindigkeit (bis zu 130 km/h) bei verträglicher Drehzahl zu ermöglichen, wurde dem Maybach W5 später ein Schnellgang spendiert, der ähnlich einem Overdrive ohne Kupplung zuschaltbar war.
Für diese konstruktiven Wunderwerke gab es preisbedingt nur eine sehr kleine Kundschaft. Auf unserem Foto sehen wir Paul von Hindenburg auf dem Rücksitz des Maybach W5.
Der altgediente Militär war 1925 zum Reichspräsidenten gewählt worden. Vermutlich zeigt die obige Aufnahme ihn bei einem öffentlichen Auftritt Ende der 1920er Jahre – wo genau, wissen nicht.
Noch vor der 1848er Revolution in Posen geboren steht Paul von Hindenburg wie kaum ein anderer für die Tragik der jüngeren deutschen Geschichte.
Als 19-jähriger Leutnant nahm er 1866 an der Schlacht von Königgrätz teil, in der die Armeen Preußens und Österreichs aufeinandertrafen und in der erstmals moderne Transport- und Kommunikationstechniken eingesetzt wurden.
1870/71 erlebte er den von Frankreich angezettelten deutsch-französischen Krieg, in dem der mechanisierte Bewegungskrieg seinen Vorläufer fand.
Im 1. Weltkrieg stieg er dann in die deutsche Militärführung auf und wurde von der Propaganda als Sieger der Schlacht bei Tannenberg aufgebaut, in der 1914 die nach Ostpreußen eingebrochene russische Armee zurückgeschlagen werden konnte.
Tatsächlich war der Sieg den Planungen seines Stabschefs Erich Ludendorff zu verdanken. Hindenburg selbst sagte später, er habe die Schlacht verschlafen…
Nach seiner Wahl zum Reichspräsidenten 1925 hielt sich von Hindenburg bis 1930 an die demokratische Weimarer Verfassung. In den folgenden politischen Wirren ließ sich der Hochbetagte nach anfänglichem Widerstand aber von den deutschen Eliten zu einer Unterstützung radikaler Kräfte unter Hitler bewegen.
Anfang 1933 setzte von Hindenburg Hitler als Reichskanzler ein. Nach der Auflösung des Reichstag im Februar 1933 fanden die letzten freien Wahlen statt. Die Nationalsozialisten gewannen erneut keine Mehrheit unter den Deutschen.
Dass das nicht geholfen hat und wie fatal die Sache ausgegangen ist, wissen wir. Dass es besser sein dürfte, das Volk über Fragen seiner Existenz und über Krieg und Frieden entscheiden zu lassen und nicht Politikercliquen, mag man daraus lernen.
An soviel Glanz und Elend deutscher Geschichte zugleich kann ein altes Automobilfoto erinnern…
Literatur: Harry Niemann, Karl Maybach – seine Motoren und Automobile, 2004
Besten Dank, Herr Fischmann, wieder was gelernt! Ich passe die Typbezeichnung in meiner Maybach-Galerie an. MfG, Michael Schlenger
Guten Tag Herr Schlenger,
per Zufall auf Ihren sehr schönen und informativen Beitrag gestoßen. Noch kurz zwei Ergänzungen / Korrekturen: Die Aufnahme stammt vom 21. September 1925 und zeigt den Reichspräsidenten bei einem Besuch in Düsseldorf. Bei dem Fahrzeug handelt es sich allerdings um einen W3, nicht um einen W5, übrigens mit Karosserie von Fa. Papler aus Köln (nachzulesen bei “Distanz zur Masse”, Graf Metternich, S. 57).
Das Firmenemblem war von Beginn an auf den Kühlermasken angebracht, allerdings hatten die W3 lediglich einen flachen Kühlerverschluß, wie hier zu sehen. Den W5 kann man an der Kühlerfigur (Doppel-M auf einem Kugelsockel) erkennen. Die Plakette vor dem Kühler stammt vmtl. vom Kaiserlichen Automobil-Club.
Schöne Grüße vom Maybach-Club
F. Fischmann