Dieser Oldtimerblog speziell für Vorkriegsautos “lebt” vom Fundus an historischen Originalaufnahmen, den der Verfasser zusammengetragen hat.
Neben einer möglichst vollständigen Dokumentation verblichener, aber heute noch bekannter deutscher Marken wie Adler, DKW, Hanomag, Horch und Wanderer sollen hier auch Wagen einstiger Hersteller der zweiten Reihe publiziert werden.
Damit sind angesehene Marken wie NAG, Protos, Röhr und Stoewer gemeint, aber mehr noch Fabrikate, die schon immer nur ein Nischendasein geführt haben: Apollo, Ehrhardt, Koco, Loreley, MAF, Oryx, Rex…
Davon schlummern etliche bislang unpublizierte Fotos im Fundus und bei einigen Exemplaren wird man feststellen, dass von ihnen in der Literatur kaum brauchbare Bilder existieren – ein Motiv mehr für diesen Blog.
Zu den Autobauern, deren Modellgeschichte nur dürftig dokumentiert ist, gehören die Hansa Automobilwerke in Varel (Oldenburg).
Das gilt zwar nicht für die nach der Übernahme durch Borgward ab 1929 gebauten Hansa-Wagen. Doch nur eine handvoll Aufnahmen sind nach Kenntnis des Verfassers vom folgenden Typ der 1920er Jahre publiziert:

Hansa Typ P 8/36 PS; Originalaufnahme aus Sammlung Michael Schlenger
Einer der Gründe dafür, dass man kaum eindeutig identifizierte Fotos dieses Typs findet, ist die ans Beliebige grenzende Schlichtheit des Wagens.
Wer sich ein wenig mit deutschen Autos der 1920er Jahre auskennt, mag hier auch an Modelle von Faun oder NSU denken. Tatsächlich sind es nur winzige Details, die einen Indizienbeweis zulassen (abweichende Meinungen willkommen!).
Erschwert wird die Sache durch die Kühlerabdeckung, die auf eine Entstehung der Aufnahme in der kalten Jahreszeit hindeutet. Zudem irritiert die Stoßstange:
Die Stoßstange ist ein Zubehörteil, das für sich genommen schon wieder interessant ist. Weiß jemand etwas über Hersteller und Konstruktion? Immerhin gab es solche Teile sogar bereits mit stoßabsorbierender Funktion.
Denkt man sich die Stoßstange weg, die heute wohl als “Abstandhalter” oder “Einparkassistent” bezeichnet würde, dann klärt sich der Blick und einige Elemente treten hervor, die uns weiterhelfen.
Da wäre zunächst der hoch aufragende Kühler im klassischen Stil des Dreiecksgiebels eines antiken Tempels. So unterschiedliche Marken wie Rolls-Royce und Fiat nutzten dieses Element – beide können wir hier ausschließen.
Die deutsche Firma Faun – ein weiterer Exotenhersteller, von dem allenfalls die Nutzfahrzeuge bekannt sind – verwendete eine ganz ähnliche Kühlerpartie:

Faun Typ K3 6/30 PS; Abbildung aus: “Die Motorfahrzeuge”, 1928
Doch weder die Gestaltung der Vorderschutzbleche noch der Luftschlitze in der Motorhaube “passen”. Auch die Ausführung der Felgen weicht deutlich ab.
Außerdem fehlen die markanten Griffmulden oberhalb der Luftschlitze, die zudem auf unserem Foto nach innen und nicht nach außen geprägt waren.
Damit wären wir bei Details, die sich wohl nur an Hansa-Wagen der Zeit nach dem 1. Weltkrieg finden. Leser dieses Blogs mögen sich daran erinnern, dass wir auf diese Elemente schon einmal hingewiesen haben – in der Rubrik Fund des Monats.
Dort hatten wir eine Chauffeur-Limousine des Typs Hansa P 8/36 PS vorgestellt. Der Aufbau war zwar ein anderer, doch das bedeutet bei solchen in Kleinserie gefertigten Wagen ebensowenig wie etwa abweichendende Scheinwerfer.
Nach der Lage der Dinge haben wir es hier mit einem weiteren Exemplar dieses von 1924-28 gebauten konventionellen Vierzylindertypen zu tun.
Mit einer Leistung von 36 PS aus 2,1 Litern Hubraum war der Wagen für deutsche Verhältnisse durchaus konkurrenzfähig – die Höchstgeschwindigkeit von 90km/h war völlig ausreichend.
Dass es wahrscheinlich ein Hansa der 1920er Jahre ist, darauf weist auch das auf dem Foto erkennbare ovale Emblem auf der Nabenkappe der Räder hin.
Dasselbe Detail findet sich beim Nachfolgertyp Hansa 13/60 PS, der 1927/28 in kleiner Stückzahl mit einem 6-Zylindermotor von Continental gebaut wurde:

Hansa TypA6 13/60 PS; Abbildung aus: “Die Motorfahrzeuge”, 1928
Hier findet man außerdem neben den zehnspeichigen Stahlfelgen mit fünf Radbolzen annähernd dieselbe Kühlerpartie wider.
Wie gesagt, die Zuschreibung beruht auf Indizien, aber immerhin einer ganzen Reihe davon. Wer es besser weiß, ist aufgerufen, seine Sicht der Dinge darzulegen, sie wird hier gern berücksichtigt.
Letztlich geht es darum, bei der Dokumentation seltener Vorkriegswagen über den Stand der teilweise jahrzehntealten Literatur hinauszugehen und Lücken zu schließen, um eines Tages ein vollständigeres Bild zeichnen zu können…
© Michael Schlenger, 2017. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://www.klassiker-runde-wetterau.com with appropriate and specific direction to the original content.