Die Mitte der 1920er Jahre markiert eine Zeitenwende speziell am deutschen Automobilmarkt.
Bis dahin herrschten noch formale Konzepte vor, die sich bis 1913/14 zurückverfolgen lassen – vor allem repräsentiert durch mehr oder weniger spitz zulaufende Kühler, zwar bereits in Kombination mit elektrischer Beleuchtung, aber noch ohne Vorderradbremse.
Von wenigen Ausnahmen abgesehen war damit ziemlich genau im Jahr 1925 Schluss. Die Kühler wurden ab dann flach ausgeführt, Vorderradbremsen wurden Standard und wer bis dahin noch nicht auf Linkslenkung umgestellt hatte, tat es spätestens dann.
Was vielleicht nach Unterschieden in technischen Details klingen mag, ging mit einem unübersehbarem Wandel im Erscheinungsbild einher. Von einem Jahr auf’s andere sahen vor 1925 gebaute deutsche Autos “richtig alt” aus.
Diese Zeitenwende wird auch für den von derlei Feinheiten unbelasteten Betrachter auf folgendem Foto unmittelbar deutlich:
Hansa und Fiat im Januar 1925; Origimalfoto: Sammlung Michael Schlenger
Diese von alter Hand auf Januar 1925 datierte Aufnahme mag technisch nur mittelprächtig sein, für uns Vorkriegsauto-Archäologen stellt sie einen Glücksfall dar.
Sicher wird mancher den links zu sehenden Hansa zunächst als Typ C 8/24 PS von 1913-14 oder als Typ D 10/30 PS ansprechen wollen, wie er im 1. Weltkrieg öfters anzutreffen war.
Doch ein Detail spricht dagegen – das auf die linke Seite gewanderte Lenkrad, welches sich erst beim Hansa 8/26 PS findet, der von 1921-24 gebaut wurde:
Zusammen mit Audi gehört Hansa zu den wenigen deutschen Autobauern, die schon Anfang der 1920er auf Linkslenkung umstellten.
Doch davon abgesehen, ist der Hansa 8/26 PS äußerlich kaum von seinem ab 1913/14 gebauten Vorläufer zu unterscheiden. Zwar wurden damals meist noch Gasscheinwerfer verbaut, doch optional gab es bereits elektrische Beleuchtung ähnlich der, die an diesem Nachkriegsexemplar zu sehen ist.
Typisch für noch in der Zeit vor dem 1. Weltkrieg verwurzelte traditionelle Konstruktionen war die mittig geschwungene Vorderachse, welche später einer gerade ausgeführten wich. Die Gründe dafür wird sicher ein fahrwerkstechnisch versierter Leser nennen können.
Das Fehlen von Stoßdämpfern ist ein weiteres Merkmal der damaligen Vorkriegstradition.
Völlig anders stellt sich nun der ebenfalls mit Tourenwagenaufbau versehene, doch deutlich größere Wagen auf der rechten Seite dar. Meines Erachtens handelt es sich um einen Fiat:
Die wesentlich modernere Anmutung dieses Wagens ergibt sich aus dem Zusammenspiel mehrerer Elemente.
Am markantesten ist sicher der flache Kühler, doch auch die Doppelstoßstange ist ein typisches Detail, das sich erst um die Mitte der 1920er Jahre durchsetzt.
Die mächtigen Scheinwerfer sind nun hochglänzend vernickelt, nicht bloß lackiert. Zudem machen sie durch ihre bessere Ausleuchtung der Fahrbahn die kleinen Zusatzscheinwerfer überflüssig, die sich um 1920 noch bei vielen Wagen finden.
Wer genau hinschaut, erkennt unterhalb der Stoßstange am vorderen Rahmenende die trommelförmigen Stoßdämpfer, deren Funktion auf der Reibung von Scheiben beruhte, die variabel gegeneinander gepresst werden konnten.
An den Vorderrädern, die nun Speichen aus Stahl statt solche aus Holz besitzen, fallen die sehr großen Trommelbremsen ins Auge. Sie sind der Hinweis dafür, dass wir es mit einem leistungsstarken Modell zu tun haben.
Vorausgesetzt, dass meine Fiat-These stimmt, kommt damit die 1925 eingeführte Flachkühlerausführung des nur vierzylindrigen Fiat 505 nicht mehr in Betracht. Es dürfte sich eher um einen der parallel angebotenen Sechszylindertypen handeln.
In Frage kommt zum einen der 1925 ebenfalls mit Flachkühler angebotene “kleine” Sechszylinder-Fiat 510 mit 46 PS aus 3,5 Litern. Zum anderen könnte es sich um das Spitzenmodell 519 handeln, das einen 77 PS starken 4,8 Liter-Motor besaß.
Ich tendiere zu dem ganz großen Typen, überlasse das Feld hier aber gern den Kennern unter meinen Lesern (bitte Kommentarfunktion nutzen).
Festzuhalten bleibt, dass dieses Foto uns nach bald 100 Jahren zum Zeitzeugen einer Zäsur macht, die sich im Straßenbild binnen kurzem unübersehbar bemekrbar machte. Dass meine Sympathie auch den damals rasch aussortierten traditionellen – und oft charakterstärkeren – Modellen gehört, bleibt davon unberührt.
Der Fortschritt braucht keine Nachhilfe – was überlegen ist, setzt sich von alleine durch. Doch die Bewahrung des Vertrauten und Verlässlichen, das dem Einzelnen oft genügt oder ihm schlicht ans Herz gewachsen ist, das erfordert Engagement – damals wie heute…
Michael Schlenger, 2023. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.
Ende November, die Tage werden kürzer und kürzer, fast jeden Tag fällt Regen von einem bleigrauen Himmel. Gestern zogen die letzten Zugvögel über die Wetterau – meine Heimatregion in Hessen – gen Westen, bevor sie am Taunus-Gebirge nach Süden abbiegen.
Sie machen sich keine Illusionen: höchste Zeit, in angenehmere Gefilde aufzubrechen, auch wenn das eine enorme Kraftanstrengung bedeutet – überhaupt: Was Zugvögel zu leisten vermögen, ist atemberaubend.
Die nächsten Monate werden unerfreulich, machen wir uns keine Illusionen. Auch Mitte Februar nächsten Jahres wird es günstigstenfalls ebenso demoralisierend vor der Haustür und anderswo aussehen wie derzeit, auch wenn die Tage dann wieder länger sind.
Mitte Februar vor knapp 110 Jahren war es, als diese Postkarte nach Lübeck geschickt wurde – die Stimmung darauf war miserabel, aber das Foto ist dennoch großartig:
Hansa Typ A oder B von 1912/13; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Wer die Automobil-Prospekte der Zeit vor dem 1. Weltkrieg kennt, sieht in Gedanken endlose Aufreihungen von der Seite abgebildeter Wagen in diversen Karosserieausführungen vor sich – leblos, ohne jede Spannung.
Die Wirklichkeit sah abwechslungsreicher aus, die freien Fotografen, die nicht die Vorlagen für die Herstellerbroschüren liefern mussten, waren weit einfallsreicher. Viele wählten die Perspektive “schräg von vorn”, bei welcher die Kühlerpartie abgebildet wurde, die damals praktisch das einzig Markentypische war.
Auf obiger Aufnahme hat jemand aber eine andere Auffassung vertreten: Das Automobil wird interessant erst durch den Menschen, der es beherrscht und damit Zeit und Raum überwindet. Ohne ihn bleibt es eine leblose Schöpfung, die nutzlos herumsteht.
Also muss so ein Wagen auch aus denkbar ungünstiger Perspektive wirken, solange jemand am Lenkrad sitzt und unsere Aufmerksamkeit auf sich zieht:
Keine Illusionen – das scheint der kalte Blick des Fahrers auszusagen, der uns hier schmallippig fixiert. Seine Arbeit war eine durchaus exklusive und gut bezahlte im Vergleich zu vielen anderen Tätigkeiten, aber sie war auch mit Härten verbunden.
Im Februar die Herrschaften im offenen Tourenwagen umherzufahren, das gehörte zu seinem Geschäft, wobei der Fahrer mit seiner Nähe zum wärmespendenden Motor und Getriebe sowie der Position hinter der Windschutzscheibe die bessere Position hatte.
Keine Illusionen machte sich dieser Mann für den Fall, dass er die Besitzer des Wagen irgendwo “abliefern” musste, wo es es warm und auch sonst angenehm war – während er mit seinen Chauffeurskollegen draußen auf die Rückkehr der Herrschaften wartete.
Was aber war das überhaupt für ein Auto, welches dieser Fahrer seinerzeit lenkte und mit erheblichem Aufwand und Können betriebsfähig hielt?
Nun, sicher ist aus meiner Sicht nur, dass es ein Hansa der gleichnamigen Werke aus der niedersächsischen Kleinstadt Varel (Oldenburg) war. Die in Frage kommenden Typen waren der Hansa A 6/18 PS und das Schwestermodell C 8/20 PS von 1912.
Wie kommt der Kerl darauf? Machen Sie sich keine Illusionen, ich kann nicht hellsehen, aber die Motorhaube mit zwei oben am vorderen und hinteren Ende angebrachten Griffmulden gab es damals so nur bei Hansa-Automobilen.
Und da die Postkarte Anfang 1913 auf die Reise ging, dürfen wir von einem Modell des Jahres 1912 ausgehen. Dazu passen aus meiner Sicht am ehesten die beiden genannten Motorisierungen, wobei man den größeren Typ D 10/30 PS nicht ganz ausschließen darf.
Machen wir uns keine lllusionen: Solange es zu einer deutschen Marke wie Hansa keine umfassende Darstellung der einst verfügbaren Typen gibt – fast schon ein Muster bei deutschen Fabrikaten der zweiten Reihe – solange müssen wir mit der Ungewissheit leben.
Aber das ist im Fall eines dermaßen ausdruckstarken Dokuments verkraftbar…
Michael Schlenger, 2022. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.
Bald ist Ende Juli – hochsommerliche Temperaturen herrschen hierzulande, wie Sie jeder kennt, der schon länger auf Erden weilt. Mein Maßstab sind der verbrannte Rasen und die Verbote, den Garten zu wässern, an die ich mich aus den frühen 1980er Jahren erinnere.
Nun haben wir jedoch amtlicherseits eine “Hitzewelle” und die offenbar für unterbelichtet gehaltenen Untertanen werden ermahnt, bloß genug zu trinken und ja die Sonne zu meiden.
Bei so viel Betreuungsbedarf will ich nicht zurückstehen und möchte Ihnen heute ebenfalls eine Erfrischung anbieten. Dazu passend geht gerade ein ergiebiger Sommerregen in meiner Heimatregion Wetterau nieder.
Freilich muss ich Sie bitten, selbst zum Kühlschrank zu gehen und sich für das Folgende ein kühles Getränk ihrer Wahl bereitzustellen – denn die Erfrischung, die ich meine, ist nur im übertragenen Sinne zu verstehen.
Woran denken Sie bei typischen deutschen Autos der 1930er Jahre? An zweitaktende DKWs, solide Opels, brave Fords oder gediegene Mercedes-Wagen? Vielleicht kommen Ihnen noch die sportlichen BMWs und die konservativen Wanderer in den Sinn.
Exoten wie Audi, Horch oder Stoewer waren eine Klasse für sich, die bekam man damals selten zu sehen – teils waren sie zu teuer, teils waren die Stückzahlen zu gering.
Geht man das Alphabet durch, kommt man noch auf Hanomag, vor allem der “Rekord” war recht präsent. Alles gute und auf ihre Weise interessante Wagen, doch gab es daneben noch etwas, was erfrischend anders daherkam und das fing schon am Heck an:
Hansa 1100 oder 1700; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Eine solche an britische Vorbilder erinnernde Gestaltung von Dach und Heck bekam Mitte der 1930er Jahre nur Hansa aus Bremen hin. Zugelassen war dieser Wagen übrigens im Landkreis Stolp (Pommern).
Selten hat man bei Vorkriegswagen den Fall, dass sich ein Modell auf Anhieb aus rückwärtiger Perspektive identifizieren lässt, obwohl Markenembleme oder Typenschriftzüge fehlen.
Diesen Viersitzer mit coupéhaft anmutender Karosserie gab es ab 1934 als Hansa 1100 mit schmalbrüstigem 28 PS-Vierzylinder oder als Hansa 1700 mit souveränerem Sechszylinder (40 PS).
Äußerlich unterscheiden ließen sich die beiden Varianten anhand der Zahl der Luftfklappen in der Motorhaube – bei obiger Aufnahme verborgen. Auch diese ließen den Hansa erfrischend anders erscheinen – mancher mag hier an den Citroen 11CV denken:
Hansa 1100; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Dieser Hansa 1100 – als solcher erkennbar an den vier statt fünf Luftklappen – dürfte wohl noch in der frühen Nachkriegszeit seinen Dienst verrichtet haben, jedenfalls vermute ich das aufgrund des Fehlens der Radkappe hinten links.
Hier kann man schön die Durchgestaltung des Aufbaus studieren: Der Neigungswinkel der Kühlerpartie spiegelt sich in der Form der Luftklappen, des hinteren Endes der Motorhaube, der A- und B-Säule sowie im hinteren Türabschluss wider.
Mir gefällt dieser Stil ausgezeichnet und gern wüsste ich, wer für dieses Gestaltungskonzept verantwortlich war, welches unter deutschen Fabrikaten seinesgleichen sucht. Offenbar hatte Hansa-Chef Carl Borgward auch in dieser Hinsicht eine glückliche Hand.
Zum Abschluss kann ich Ihnen noch eine erfrischend andere Aufnahme bieten, welche den Hansa aus der Frontalen zeigt – jedoch nicht mit Fokus auf den Wagen selbst, sondern eher mit einem natürlich erscheinenden Blick auf die Insassen:
Hansa 1100 oder 1700: Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Diese Aufnahme hat aus meiner Sicht nicht nur erfrischende, sondern auch therapeutische Wirkung: Wer an den Gestaltungsprinzipien des gegenwärtigen Automobilbaus verzweifelt, findet hier Halt.
Genießen Sie die Eindeutigkeit der Linienführung, die Harmonie der Proportionen und die geschmackvoll gesetzten Glanzeffekte an diesem Wagen, der einst eigentlich gar nichts Besonderes war, aber erfrischend anders daherkam, ohne zu provozieren.
Wenn Ihnen der Sinn nach dieser Art Erfrischung in Zeiten heißlaufenden Irsinns steht, dann schaffen Sie sich einen Vorkriegswagen an.
Oder schauen Sie demnächst wieder hier vorbei – für nach ästhetischer Immunisierung dürstende Zeitgenossen habe ich endlos Impfstoff parat…
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Vor nicht allzu langer Zeit habe ich unter dem Motto “Ganz’ netter Versuch” den Kleinstwagen Standard Superior vorgestellt – ein am Markt vorbeikonstruiertes Gefährt nach Entwurf des eigenwilligen Ingenieurs und Motorjournalisten Josef Ganz.
Heute ist ein auf den ersten Blick ganz ähnliches Auto an der Reihe, das jedoch meines Wissens nicht auf Ganz’ direkten Einfluss zurückgeht.
Tatsächlich wurde das Konzept solcher heck- bzw. mittelmotorgetriebener Kleinwagen mit Einzelradaufhängung und Stromlinienoptik seit den 1920er Jahren von etlichen Konstrukteuren verfolgt.
Sie mögen sich einander beeinflusst haben, waren wie Ferdinand Porsche und Hans Ledwinka beispielsweise auch gut miteinander bekannt, aber setzten doch letzlich alle individuelle Akzente bei ihren Entwürfen auf gemeinsamer Basis.
So kam es, dass auch C.F. Borgward 1933 einen auf den Massenmarkt abzielenden Kleinwagen entwickeln ließ, der mit luftgekühltem Zweizylinder-Zweitakter und glatter Karosserie Ähnlichkeiten mit dem zeitgleich erscheinenen Standard Superior aufwies.
Dass die Rechnung nicht aufging, sieht man schon daran, dass der Wagen nur bis 1934 gebaut wurde und zeitgenössische Fotos davon äußerst selten sind. Kürzlich ist es mir gelungen, an eines heranzukommen, das nach einigen Ausbesserungen präsentabel ist:
Hansa 400 oder 500; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Bei aller Ähnlichkeit der Karosserieform fällt sofort auf, dass der Hansa wesentlich erwachsener wirkt. Tatsächlich war er dank 40 cm längeren Radstand ein vollwertiger Viersitzer, was sich vom Standard Superior nicht behaupten ließ.
Dass es sich beim Hansa nicht um einen primitiven Kleinstwagen handelte, sieht man auch am Vorhandensein einer Stoßstange und großer Chromradkappen. Äußerlich hatte Borward hier alles richtig gemacht.
Was die Motorisierung angeht, lagen der Standard Superior und der Hansa jedoch nahe beieinander. Die ersten Versionen besaßen beide einen 400ccm Zweizylinder-Zweitaktmotor mit 12 PS.
Geliefert wurde das Aggregat im Fall des Hansa von Ilo, während der Standard Superior mit einem Motor aus eigener Fertigung ausgestattet wurde. Der kleinere und leichtere Standard hatte einen Geschwindigkeitsvorteil von 5 km/h, doch das war vernachlässigbar.
Letztlich mussten sich beide von der Effizienz her ihrem stärksten Konkurrenten geschlagen geben, dem DKW F2. Dieser war nicht sehr viel teurer, war schneller und sparsamer, bot mehr Platz und war überdies in der beliebten Ausführung als Cabrio-Limousine erhältlich.
Für die begrenzte Zahl der deutschen Haushalte, für die überhaupt ein eigener Kraftwagen in finanzieller Reichweite war, erwies sich das DKW-Angebot als das rundherum überlegene. Da kam es auch auf 2-300 Reichsmark Preisdifferenz nicht an.
So sagt der zufriedene Gesichtsausdruck dieses Besitzerehepaars neben ihrer DKW F2 Limousine bereits alles über das Angebot von Hansa: “Gut, aber für uns nicht gut genug.”
DKW F2; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Nicht unerwähnt bleiben darf, dass DKW mit dem Frontantrieb auch das in dieser Klasse zukunftsweisendere Antriebskonzept bot.
Das dürfte Käufer in bergigen Regionen zusätzlich überzeugt haben dürfen, erst recht bei Schnee wie auf dieser Aufnahme aus meinem Fundus, welche ich hier erstmals zeige. So populär und adrett die DKW-Fronttriebler auch waren, verdienen aber auch die zum Scheitern verurteilten Versuche alternativer Kleinwagen die Dokumentation.
Im Fall des Hansa 400 (nach einem Jahr auf 500ccm erstarkt) handelte es sich immerhin um ein Fahrzeug der Kategorie “Ganz gut”, während es beim Standard Superior aus meiner Sicht leider nur für die Note “Ganz nett” reichte…
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Der Erste Weltkrieg stellt in vielerlei Hinsicht eine noch größere Zäsur in der europäischen Geschichte dar als der zweite:
Der Adel verlor die meisten seiner Privilegien (oft auch sein Vermögen), Frauen erhielten das Wahlrecht und entwickelten ein neues Selbstbewusstsein, Zweckmäßigkeit gewann die Oberhand gegenüber der gefälligen Form und Technik begann den Alltag zu dominieren.
Doch wie immer in der Historie sind solche im Rückblick zu konstatierenden Umbrüche nur Teil eines vielschichtigeren Geschehens – denn vieles Neues kündigt sich bereits vorher an, und vieles Altes lebt noch eine ganze Weile fort.
Das gilt für den Übergang von der Antike zum Mittelalter ebenso wie für den Beginn des Industriezeitalters. Damit gingen im nachhinein klar erkennbare strukturelle Veränderungen auf allen Ebene der Gesellschaft einher, doch bei keinem dieser Phänomene ist sich “die Wissenschaft” einig, wann genau diese anzusetzen sind.
Tatsächlich findet man in solchen Zeiten des Übergangs reiches Anschauungsmaterial für das Beharrungsvermögen des Alten und das Einbrechen des Neuen – selbst in einem scheinbar so sachlichen Phänomen wie dem Automobilbau.
Das will ich heute anhand einiger Dokumente illustrieren, die Wagen der norddeutschen Marke Hansa aus der Zeit kurz vor dem Weltkrieg bis in die 1920er Jahre zeigen. Den Anfang macht diese reizvolle Aufnahme:
Hansa Typ C oder D: Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Der Wagen ist anhand der Kühlerform und den seitlich an der Motorhaube angebrachten Griffmulden leicht als Hansa zu identifizieren. Die elektrischen Positionsleuchten im “Windlauf”blech vor der Frontscheibe legen eine Datierung um 1913 nahe.
Der Größe nach zu urteilen, könnte es sich um das Modell C 8/20 PS handeln, ich will aber auch den stärkeren Typ D 10/30 PS nicht ausschließen, der bei etwas größeren Abmessungen ähnliche Proportionen aufwies.
Wir merken uns auf jeden Fall die Gestaltung des Kühlers mit den beiden senkrechten Streben auf dem Grill und die Ausführung der Motorhaube. Betrachten wir nun die nächste Aufnahme (aus Sammlung von Leser Klaas Dierks):
Hansa Typ D 10/30 PS von 1913/14; Originalfoto aus Sammlung Klaas Dierks
Hier haben wir nun eindeutig ein Exemplar des Hansa Typs D 10/30 PS, übrigens ein Wagen des Kraftfahrbataillons Berlin-Schöneberg, aufgenommen im August 1915.
Der Wagen wirkt ganz anders, doch das täuscht. Das “Windlaufblech” zwischen Motorhaube und Frontscheibe mit den elektrischen Lampen ist identisch (man hat lediglich zusätzliche Gaslaternen für den Fall montiert, dass die Batterien für die Positionslichter leer sind).
Ebenfalls vorhanden sind die bei anderen Marken nur ganz selten so weit oben angebrachten Griffmulden zum Anheben der Motorhaube. Die sechs Luftschlitze sind nach vorne gewandert, aber das will bei Hansa nicht viel heißen.
Der Kühler wirkt wesentlich wuchtiger, da das Oberteil nun schnabelartig vorkragt – eine reine Modeerscheinung bei einige deutschen Marken wie beispielsweise Horch ab 1913. Vertraut sind dann wieder die beiden senkrechten Streben auf dem Kühlergrill.
Auf dieser Aufnahme, die uns bereits in die Zeit des Ersten Weltkriegs transportiert, erkennt man ansatzweise ein Oval, das den Markennamen “HANSA” einfasst. Dieses Detail merken wir uns zusätzlich zu den bisherigen.
Bevor wir einen Zeitsprung machen, bestaunen wir noch die ungewöhnlich großen Scheinwerfer – die Löcher an der Oberseite verraten, dass sie mit Karbidgas betrieben wurden, bis zum Ersten Weltkrieg der Regelfall.
Nun geht es mit einem Satz in die frühen 1920er Jahre – und das verdanke ich Mathias Wolkewitz, der mir freundlicherweise diese schöne Aufnahme aus dem Album seiner Familie zur Verfügung gestellt hat:
Hansa Typ P 8/26 PS; Originalfoto aus Familienbesitz (via Mathias Wolkewitz)
Zwar konnte Herr Wolkewitz seine Vorfahren auf dem Foto identifizieren, aber wegen des Wagens nahm er Kontakt mit mir auf. Ich erhalte mehrere solcher Anfragen monatlich und stürze mich stets mit Begeisterung darauf.
Zum einen erhalte ich auf diese Weise immer wieder sehr interessantes, mitunter einzigartiges Material für meinen Blog und meine Markengalerien. Zum anderen ist es stets ein Vergnügen, mit der Identifikation der Wagen die Situation, in der die Altvorderen einst abgelichtet wurden, zeitlich einzuordnen und noch greifbarer zu machen.
Bisher war noch jeder hin und weg, wenn er erfuhr, mit welchem Auto der Uropa im Krieg aufgenommen wurde oder am Steuer welches Wagens einst die Großmutter als junges Mädchen fotografiert wurde.
So kann ich heute hoffentlich auch Herrn Wolkewitz und seiner Familie eine Freude machen, wenn ich mehr zu dem Automobil erzählen kann, das wir hier vor uns sehen.
Werfen wir zunächst einen Blick auf die Frontpartie des im Regierungsbezirk Kassel zugelassenen Tourers:
Auf Anhieb bekannt kommt uns natürlich der Schnabelkühler mit dem markanten Hansa-Schriftzug im Oval und den beiden senkrechten Streben vor.
An diesen schon fast archaisch anmutenden Elementen hielt man bei Hansa nach dem 1. Weltkrieg unbeirrt noch einige Jahre fest. Auch in technischer Hinsicht erfand man das Rad erst einmal nicht neu, sondern baute Vorkriegstypen weiter – wie übrigens fast alle deutschen Autohersteller.
Fortgesetzt wurde zunächst die Fertigung des im 1. Weltkrieg häufig anzutreffenden Hansa des Typs D 10/30 PS (siehe das oben gezeigte Foto aus Sammlung Dierks).
Doch da in der Notzeit nach 1918 auch die Bessersituierten, die sich ein Auto leisten konnten, kleinere Brötchen backen mussten, ging man ab 1921 dazu über, die steuerlich und verbrauchsmäßig günstigere Vorkriegsmotorisierung 8/20 PS zu reaktivieren.
Das ging bei unverändertem Hubraum mit einer Leistungssteigerung auf 26 (später 30 PS) einher, sodass sich die Fahrleistungen dem größeren Typ D 10/30 PS annäherten.
Unterdessen waren die markanten, außen aufgesetzten Griffmulden zwei nach innen aufgehenden Klappen gewichen – eine hübsche Lösung, die ich bei anderen Marken noch nicht mit Bewusstsein gesehen habe.
Gut gefällt mir an dem Hansa aus dem Album der Familie Wolkewitz außerdem der facettierte Abschluss der Vorderkotflügel – auch für dieses raffinierte Detail wüsste ich kein Vergleichsstück.
Luftschlitze in der Motorhaube sind zwar nicht zu erkennen, lediglich einige nach hinten kleiner werdende Entlüftungsschlitze in der Flanke hinter der Haube. Doch sind die Haubenschlitze bloß aus diesem Blickwinkel nicht zu erkennen, da sie im Unterschied zu den Vorkriegsmodellen von Hansa weiter unten angebracht waren.
Zum Vergleich bietet sich diese Aufnahme eines ganz ähnlichen Hansa-Tourenwagens (wiederum aus Sammlung Klaas Dierks) an:
Hansa Typ P 8/26 PS; Originalfoto aus Sammlung Klaas Dierks
Sofort erkennt man den Schnabelkühler und die beiden Griffklappen zum Anheben der Motorhaube wieder. Wer genau hinsieht, wird auch die nach hinten kleiner werdenden Schlitze hinter dem Ersatzrad (ein nicht seriemäßiges Zubehör) erahnen.
Legt man diesen Befund zugrunde, haben wir es bei dem Hansa auf dem Foto von Mathias Wolkewitz sehr wahrscheinlich mit einem Exemplar des 1921 eingeführten Typs P 8/26 PS zu tun, der in der Literatur in einigen wenigen Exemplaren dokumentiert ist.
Die Gestaltung des übrigen Aufbaus variierte je nach Baujahr geringfügig. Hier ist der obere Abschluss der Seitenlinie stärker nach innen gezogen.
Für diese Ausschnitttsvergrößerung waren einige Retuschen erforderlich. Leider konnte ich der jungen Dame auf dem Trittbrett nur bedingt ihr ursprüngliches Antlitz zurückgeben, doch vielleicht entschädigt die Spiegelung ihrer Silhouette in der Wagenflanke ein wenig dafür.
Die übrigen Personen – einschließlich des braven Schäferhunds – haben sich für ihr Alter ziemlich gut gehalten, meine ich.
Ob unserereins nach 100 Jahren noch so ein Bild abgibt, wage ich zu bezweifeln, da die meist nur digital festgehaltenen Erinnerungen dann wohl verloren sein dürften. Vielleicht ein Anreiz, den Nachkommen auch ein klassisches Fotoalbum zu hinterlassen.
Mit diesem Dokument sind wir freilich noch nicht ganz am Ende. Denn nachdem wir das “Gestern” und die kurzlebige Zwischenwelt nach dem Krieg anhand dieser Aufnahmen studiert haben, bleibt die Frage, wie denn das “Morgen” für die Hansa-Autos aussah.
An dieser Stelle weiß einmal mehr mein Sammlerkollege Klaas Dierks mit dem passenden Puzzlestück aufzuwarten, denn auch Hansa nahm zur Mitte der 1920er Jahre Abschied vom Vorkriegskühler und präsentierte seinen Typ P8, auf 36 PS erstarkt, mit moderner Linie:
Hansa Typ P 8/36 PS; Originalreklame aus Sammlung Klaas Dierks
Doch auch mit dem Übergang zum Flachkühler hielt man – zumindest in dieser Anzeige – einem vertrauten Element aus der alten Welt die Treue – dem oval eingefassten Hansa-Emblem.
Ob das Logo auch noch auf den Kühlern des 1924 modernisierten Hansa Typ P auftauchte, konnte ich bisher nicht herausfinden. Jedenfalls ist es auf keiner der wenigen mir vorliegenden Fotos dieses Typs zu erkennen.
Vielleicht verbirgt es sich ja unter der in der kalten Jahreszeit angebrachten Kühlerabdeckung dieses Hansa Typ P 8/36 PS in Limousinenausführung:
Hansa Typ P 8/36 PS; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
An diesem Wagen von Mitte der 1920er Jahre ist die einzige verbliebene Reminiszenz an die Vorkriegshansas die Anbringung der Haubengriffe – ansonsten hat sich eine neue Zeit mit strenger Linienführung durchgesetzt.
Dass auf diese Ära der automobilen Nüchternheit wenige Jahre später eine unfassbare Blüte an Opulenz im Karosseriebau folgen sollte und dass der totgeweihten Marke Hansa eine unerwartete Renaissance beschieden sein sollte, das ist eine andere Geschichte…
Nachdem der Sommer 2021 in unseren Gefilden unterkühlt und regenreich war – wohl die Revanche für die reichlichen Sonnenstunden der letzten Jahre – steht pünktlich zum 21. September der Herbst vor der Tür.
Dazu passend habe ich eine Fotoserie herausgesucht, die ebenfalls im September entstand – allerdings vor über 80 Jahren. So verlockend die Cabriolets und Cabriolimousinen der 1930er Jahre auch sind, ist dieses Mal ein geschlossener Aufbau die bessere Wahl.
Das geht keineswegs auf Kosten des Aussehens – ganz im Gegenteil. Vielmehr gehen wir mit einem der für mich attraktivsten deutschen Wagen der oberen Mittelklasse auf die Piste – in einem Hansa 1700.
Mit seinem 40 PS leistenden Sechszylinder war das 1934 vorgestellte Modell des mittlerweile zum Borgward-Konzern gehörenden Bremer Traditionshersteller nicht nur in punkto Fahrkultur attraktiv.
Auch die gelungene Form des nur als Zweitürer verfügbaren Hansa ist zu loben – und das sogar in der sonst häufig problematischen Rückansicht:
Hansa 1100 oder 1700; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Ob es sich beim vorliegenden Exemplar mit Zulassung im Landkreis Stolp (Pommern) um das Sechszylindermodell 1700 oder den parallel verfügbaren Vierzylindertyp 1100 mit 28 PS handelte, lässt sich nicht sagen – aus dieser Perspektive sahen beide Ausführungen identisch aus.
Jedenfalls kommt hier die elegante Coupékarosserie sehr schön zur Geltung, deren Dachlinie an englische Vorbilder erinnert und dessen schräg nach hinten geneigte B-Säule (der Türabschluss also) bei deutschen Wagen einzigartig war.
Nur selten hat man den Fall, dass sich ein Vorkriegsauto aus diesem Blickwinkel auf Anhieb identifizieren lässt, obwohl keine Embleme oder Schriftzüge auf Marke und Typ hinweisen.
Schwieriger wird es indessen, wenn man sich im Wagen selbst befindet und nach vorne hinausschaut:
Hansa 1700 auf der Autobahn; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Die vollverchromten Scheinwerfer könnten zu allem Möglichen gehören – beim Hansa 1700 waren sie Serienausstattung, wie es scheint (siehe die Fotos in meiner Hansa-Galerie).
Dass wir uns hier tatsächlich in einem Hansa 1700 befinden, werden wir gleich sehen. Doch um dem Titel “Begegnungen auf der Autobahn” gerecht zu werden, gilt es hier, auch dem Wagen Aufmerksamkeit zu schenken, der uns gerade links überholt hat und nun der beachtlichen Steigung entgegenstrebt, die vor uns liegt.
Die Gestaltung der Heckpartie mit verchromten Kofferraumscharnieren und aufgesetztem Ersatzrad spricht stark für einen Opel ab Mitte der 1930er Jahre. Die Fähigkeit, den Hansa zu überholen, lässt eigentlich nur den Typ “2 Liter” mit Sechszylindermotor in Betracht kommen. Wie der Hansa 1700 war der Opel für 100 km/h Spitze gut.
Kommen wir nun aber zu einer aussagefähigeren Ansicht unseres Fortbewegungsmittels, das uns dergleichen “Begegnungen auf der Autobahn” ermöglicht:
Hansa 1700; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Hier sehen wir den Wagen nicht ganz vollständig, aber aus vorteilhafter Pespektive.
Kühler, Frontscheibe und B-Säule sind im selben Winkel geneigt und geben dem knapp 1,1 Tonnen schweren Wagen eine windschnittige Anmutung. Die fünf nebeneinander liegenden Luftklappen in der Haube finden sich nur beim Typ 1700, beim etwas kürzeren Vierzylindermodell Hansa 1100 waren es deren vier.
Die profilierten Radkappen unterscheiden diese Ausführung von den frühen Exemplaren mit glatten Radkappen, während der in den unteren Ecken spitz zulaufende Frontscheibenrahmen gegen die späte Ausführung spricht (abgerundeter Scheibenrahmen).
Jetzt aber runter vom Rastplatz und vorwärts zur nächsten Begegnung auf der Autobahn. Eine Weile regnet es zwischendurch und wir reduzieren die Geschwindigkeit, da wir noch keine Erfahrung damit haben, wie sich der Hansa auf dem neuen Beton der Autobahn bei Nässe fährt.
So können wir rechtzeitig bremsen, als wir an der nächsten Raststelle eine junge Dame allein mit einem schweren Motorrad erblicken – vielleicht benötigt sie ja Hilfe. Doch rasch klärt sich die Situation, sie macht bloß eine kurze Pause:
Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Wir nutzen die Gelegenheit zu einem kurzen Erfahrungsaustausch. “Wie fährt sich denn Ihre Maschine auf der Autobahn, ist sie vollgasfest?” wollen wir wissen. “Ganz ausgezeichnet“, erwidert die Motorrad-Amazone.
“Meine 350er NSU schafft bis zu 110 Stundenkilometer. Lasse ich sie mit hundert laufen, sind die Vibrationen nicht so stark und trotzdem komme ich schneller voran als viele Autos. Bloß der Regen ist ein wenig lästig.“
“Donnerwetter, junge Frau, unseren Respekt haben Sie. Wo geht die Reise denn hin? Haben Sie noch weit zu fahren?“
“Naja, eine Weile werde ich noch unterwegs sein. Ich will in Hildesheim ankommen, bevor es dunkel wird, bis dahin sind noch ein paar Steigungen zu absolvieren. – Würden Sie mir einen Gefallen tun und ein Foto von mir machen? Ich habe meine eigene Kamera dabei.“
Sie zieht eine brandneue Contax-Kleinbildkamera aus ihrer Montur, stellt Blende und Belichtung ein und reicht sie hinüber. “Hier können sie scharfstellen“, erklärt sie uns, die wir dieses Wunderwerk nur vom Hörensagen kennen.
“Und machen Sie bloß nichts Langweiliges“, lacht sie charmant. “Sie haben doch sicher von der Frauenbewegung gehört, der fühle ich mich zugehörig. Ich laufe jetzt von hinten auf die NSU zu und wenn ich das Hinterrad erreiche, drücken Sie den Auslöser, ja?“
Etwas irritiert von dieser selbstbewussten Anweisung nehmen wir die Kamera in Empfang und tun, wie uns geheißen – leider verwackeln wir vor Aufregung etwas, aber immerhin:
Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
So eine Situation darf man nicht verstreichen lassen, auch wenn man von Kopf bis Fuß auf Vorkriegsautos eingestellt ist. Fast hätten wir vergessen, die Contax zurückzugeben, so sehr hat uns diese Begegnung auf der Autobahn mitgenommen.
Dann tritt die junge Dame die NSU gekonnt an, legt den ersten Gang ein, dreht den Einzylinder etwas hoch, lässt die Kupplung schnalzen und donnert grußlos davon – ach, hätten wir uns doch ihre genaue Adresse geben lassen.
So könnte es gewesen sein im September 1937, als diese Fotos entstanden. Vermutlich war es aber etwas anders, denn die Fotos des Hansa und der NSU stammen aus einer Serie, die mit derselben Kamera aufgenommen wurde, mit ein paar Tagen Abstand.
Ob die Besitzer des Hansa und der NSU ein und dieselben Personen oder miteinander bekannt waren, wird sich nicht mehr in Erfahrung bringen lassen. Reizvolle Dokumente von Begegnungen auf der Autobahn sind es allemal.
Doch ganz am Ende bin ich noch nicht. Auch dieses Foto gehört zur selben Serie:
Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Das ist eine Aufnahme, die man nicht groß kommentieren muss – so schön kann eine Autobahn sein, auf der nur Vorkriegsautos verkehren, vorneweg ein Adler.
Wer auch immer dieses Foto gemacht hat, muss ein Mensch mit Blick für malerische Situationen gewesen sein, zu einer Zeit, in der sich düstere Wolken am Himmel über Europa zusammenzuziehen begannen.
Schließen möchte ich mit der letzten Aufnahme aus dieser Serie, die nochmals dem Titel “Begegnungen auf der Autobahn” gerecht wird. Wahrscheinlich wurde dieses Foto bei einem weiteren Halt des Hansa 1700 am Straßenrand gemacht:
Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Hier sehen wir einen der populären DKW-Zweitaktwagen abwärtssausen. Auch als DKW-Fahrer war man stolz auf die Zugehörigkeit “seiner” Marke zur legendären Auto-Union und investierte gern einige zusätzliche Reichsmark in Zubehör wie die Reserveradabdeckung.
Wer angesichts der vier Ringe an Audi denkt, liegt nicht ganz verkehrt, sind diese doch für die nach dem Krieg neu geschaffenen Marke in Anlehnung an den einstigen Mutterkonzern als Emblem ausgewählt worden – ein schönes Beispiel für die Kontinuität von Image.
Was ist noch zu dieser letzten “Begegnung auf der Autobahn” aus der heute vorgestellten Serie zu sagen? Nun, dieses Foto ist das einzige, auf dem der Aufnahmeort vermerkt ist: “Autobahn München-Salzburg” ist in feiner Frauenhandschrift umseitig vermerkt.
Und noch etwas steht dort, was diese Aufnahme besonders macht. Denn als einzige entstand sie nicht im Herbst 1937, sondern Ende Juni 1939, gut acht Wochen vor Beginn des 2. Weltkriegs. Und das Fotogeschäft Wesemüller, in dem der Abzug gemacht wurde, befand sich in Hildesheim – dort, wo einst unsere Motorrad-Amazone zuhause war…
Ein echter Rembrandt? Wie soll sich der ausgerechnet in einen Blog verirren, in dem es um Vorkriegswagen auf alten Fotos geht?
Immerhin sollte es nach dem Ableben des niederländischen Malers Rembrandt Harmenszoon van Rijn – so sein voller Name – noch über 200 Jahre dauern, bis die ersten Benzinkutschen das Licht der Welt erblickten.
Zudem erweist sich ein echter Rembrandt als umso schwieriger zu finden, je mehr man danach sucht. Von einst über 700 ihm zugeschriebenen Werken sind mittlerweile “nur” die Hälfte übriggeblieben, bei denen seine Urheberschaft als gesichert gilt.
Dennoch bin ich zuversichtlich, jüngst einen echten Rembrandt dingfest gemacht zu haben – und das ausgerechnet auf einem fahrbaren Untersatz. Wie ich darauf komme? Nun, wie so oft auf Umwegen.
Am Anfang meiner Forschungen steht die folgende Aufnahme, die ich vor kurzem als Fund des Monats (hier) präsentiert habe. Der bullige Roadster, der hier an uns vorbeistürmt, ließ sich als ultrarare Sportausführung des Hansa A8 von Ende der 1920er Jahre identifizieren:
Hansa Typ A „Alpenwagen“ Spezialroadster; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Von dieser prächtigen Momentaufnahme bis zu Rembrandt scheint indessen der Weg noch weit zu sein. Das stimmt insoweit, als es einiges Finderglücks bedarf, überhaupt wieder etwas derartiges in die Finger zu bekommen.
Im vorliegenden Fall ließ das Glück jedoch nicht lange auf sich warten. Denn schon bald fand sich für kleines Geld ein alter Abzug, der ein Fahrzeug zeigt, das trotz gänzlich anderen Erscheinungsbilds ein naher Verwandter des Hansa A8 Spezialroadster war.
Sollte es sich hier am Ende um einen echten Rembrandt handeln? Das fragte ich mich beim näheren Studium dieser schönen, wenn auch technisch nicht perfekten Aufnahme:
Hansa Typ A8 Pullman-Limousine; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Kenner alter Meister sind hier verständlicherweise elektrisiert. Denn ein ganz ähnliches Fahrzeug mit Aufbau als sechsfenstrige Pullman-Limousine ist in der Literatur eindeutig Rembrandt zugeschrieben.
Freilich ist die Rede von den gleichnamigen Karosseriewerken in Delmenhorst (Bremen), nicht von dem Maler, dessen Können sich vor allem in stimmungsvollen Porträts entfaltete. Gleichwohl verdienen die unbekannten Blechkünstler, die wahrscheinlich bei Rembrandt diesen Aufbau in Manufaktur schufen, ebenfalls unsere Bewunderung.
Denn so und nicht anders hatte eine repräsentative Limousine nach Vorbild der damals maßgeblichen großen US-Marken auszusehen – nicht exaltiert und auf Effekt bedacht, eher in maßvoller Majestät daherkommend.
Die einzige persönliche Note war das Emblem der im oldenburgischen Varel ansässigen Traditionsmarke Hansa auf dem Kühler im Format einer klassischen Tempelfront.
Unter der Haube des 1928 eingeführten Modells arbeiteten standesgemäße acht Zylinder mit zusammen 4 Litern (später 4,3 Liter Hubraum). Der Motor war freilich ein von Continental aus den USA zugekauftes Aggregat einfacher Bauart.
Parallel bot Hansa noch das Modell “Trumpf-Aß” mit selbstentwickeltem 8-Zylinder an, der mit obenliegender Nockenwelle und Königswellenantrieb ein technischer Leckerbissen war und satte 100 PS abwarf.
Der Preis des Eigengewächses war mit über 30.000 Reichsmark für die Pullman-Limousine allerdings astronomisch. Mit dem schwächeren Motor amerikanischer Provenienz (70, später 85 PS) kostete der Hansa A8 mit ähnlichem Aufbau “nur” rund die Hälfte.
Doch selbst diese 15.000 Reichsmark entsprachen Ende der 1920er Jahre immer noch fast acht (!) Jahresgehältern eines sozialversicherungspflichtigen Durchschnittsverdieners in Deutschland.
Kein Wunder, dass ein solcher “Rembrandt” aus dem Hause Hansa einer hauchdünnen Schicht Vermögender vorbehalten blieb – für die breite Masse war hierzulande selbst ein Fahrrad ein Luxusgegenstand. Entsprechend zufrieden zeigten sich die einstigen Besitzer, die dem Kennzeichen nach zu urteilen im Raum Dortmund zuhause waren:
Wieviele andere Paare mag es gegeben haben, die sich einen solchen Hansa mit mutmaßlichem Rembrandt-Aufbau leisten konnten?
In der überschaubaren Literatur zu der Marke findet sich die Angabe “max. ca. 1.000” für die Achtzylinder (und die parallel verfügbaren Sechszylinder) mit Continental-Motor. Solche Angaben sind ein zuverlässiger Hinweis darauf, dass man es nicht weiß, aber irgendwer hat mal eine solche Schätzung abgegeben, die seither immer wieder abgeschrieben wird.
Wenn man sich einige Jahre ohne spezielle Markenpräferenz mit zeitgenössischen Originalfotos von Automobilen befasste, die einst in deutschen Landen unterwegs waren, bekommt man zumindest eine näherungsweise Vorstellung davon, wie häufig oder wie selten ein Fahrzeug damals war.
Während von den rund 2.000mal gebauten Achtzylindermodellen von Stoewer aus jener Zeit jede Menge Fotos überlebt haben (vgl. meine Stoewer-Galerie) sind Aufnahmen der vergleichbaren Hansa-Wagen dermaßen selten, dass ich deren Zahl eher auf bestenfalls einige hundert veranschlagen würde.
Vielleicht macht aber noch der eine odere Sammler seine Schatulle auf, zaubert weitere bisher unbekannte “Rembrandts” aus dem hohen Norden hervor und dann lasse ich mich gern eines Besseren belehren…
Mein Fund des Monats April ist so facettenreich, dass er auch als Fund des Jahres durchgehen könnte. Doch das Jahr ist noch recht jung, und auch wenn ich eher zum Skeptizismus neige, kann es 2021 eigentlich nur besser werden – in mancher Hinsicht.
So setze ich einfach darauf, dass mir oder einem meiner Leser noch etwas zuläuft, was am Ende tatsächlich der Kategorie Fund des Jahres würdig sein wird.
Vor die Wahl gestellt, mit welcher der vielen Facetten des Dokuments ich beginne, um das es heute geht, entscheide ich mich kurzerhand für die auf den ersten Blick abwegigste.
So startet die heutige Entdeckungsreise in die Wunderwelt des Vorkriegsautomobils im 14. Jahrhundert – in Nürnberg, um genau zu sein. Damals wird dort erstmals ein Vertreter der Patrizierfamilie Praun erwähnt, Fritz war sein durch und durch bürgerlicher Name.
Die Prauns legten über die nächsten 500 Jahre eine erstaunliche Kontinuität als eine der führenden Geschlechter ihrer Heimat an den Tag. Die Grundlage dafür schuf der überregionale Handel, insbesondere mit Oberitalien.
Dass die Alpen kein Hindernis für die später mit Adelsprivilegien ausgestattete und bis heute im süddeutschen Raum ansässige Familie von Praun war, das sollte sich im 20. Jahrhundert nochmals eindrucksvoll bestätigen.
An dieser Stelle kommt ganz unerwartet ein Name aus dem hohen Norden ins Spiel – und zwar die traditionsreiche Automarke Hansa, die ebenfalls auf eine abwechslungsreiche, wenn auch weit kürzere Geschichte zurückschauen konnte.
Sie war der Erbauer des mächtigen Sportwagens, den wir hier den Berg emporstürmen sehen:
Hansa Typ A “Alpenwagen” Spezialroadster; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Die im oldenburgischen Varel ansässigen Hansa Automobilwerke hatten bereits 1914 bewiesen, dass auch für sie die Alpen kein unbezwingbares Hindernis auf dem Weg zum Erfolg sind – sie absolvierten siegreich eine der härtesten Sportprüfungen der damaligen Zeit: die Alpenfahrt.
Ein original gerahmtes Foto des Siegerteams von 1914 hängt an der Wand meiner kleinen Automobilbibliothek und wird eines Tages noch angemessen gewürdigt.
Heute dagegen spielt die Alpenfahrt des Jahres 1929 eine wichtige Rolle, bei der gleich drei Hansa-Spezialroadster auf die fast 2.200 km lange Reise gingen. Hansa gelangte neben BMW als einziges von 12 gestarteten Teams ins Ziel!
Der oben gezeigte Wagen entsprach genau diesen siegreichen Typen (vgl. U. Kubisch, Hansa-Lloyd Automobilbau, Verlag Steintor, 1986, S. 89). Doch weist das Kennzeichen auf einen Besitzer aus München hin, der sich einen solchen Boliden im Anschluss an den spektakulären Sieg von Hansa bei der Alpenfahrt gekauft haben muss.
85 PS aus über 4 Liter Hubraum leistete der von Continental in den USA zugekaufte Achtyzlindermotor. Das Chassis hingegen war eine Eigenentwicklung von Hansa und war die Basis für die ab 1927 gebauten Typen A6 und A8 (mit sechs bzw. acht Zylindern).
Hansa hatte Wert darauf gelegt, bei der Alpenfahrt 1929 mit technisch serienmäßigen Fahrzeugen des großen Achtzylindertyps anzutreten.
Der anschließende Verkaufserfolg hielt sich zwar in Grenzen – das Geschäft mit großvolumigen und relativ günstigen Wagen beherrschten die Amis damals besser – doch zumindest dieser privat beschaffte Wagen war das genaue Abbild der Siegerfahrzeuge:
Schön und gut, mögen Sie jetzt denken, aber was hat das mit der eingangs erwähnten Familie von Praun zu tun – abgesehen von den transalpinen Ambitionen?
Die Antwort findet sich auf der Rückseite dieses Fotos, auf dem sich eine handschriftliche Nachricht an eine gewisse Hanna findet. Diese ist auf “München, 31.10.1929” datiert, stammt also aus dem Jahr des neuerlichen Sieges von Hansa bei der Alpenfahrt.
Der Verfasser war ein gewisser Arnold, der in der Nachricht zunächst bedauert, dass man sich wider Erwarten nicht wird treffen können. Die entscheidende Information ist dann folgende: “Umstehend ein Bild von Wilhelm und mir vom Zirler Bergrennen in Österreich, wo wir mit unserem neuen Hansa 8-Zylinder den 2. Preis erhielten”:
Nach der Entzifferung ging alles ganz leicht so wie Abfahrt von einem Alpenpass. Denn der erwähnte Zweitplatzierte beim Zirler Bergrennen 1929 ließ sich als Arnold von Praun (geb. 1885) ermitteln (Quelle).
Er trat beim Zierler Bergrennen in der Tourenwagenklasse bis 5 Liter Hubraum an und benötigte 5 Minuten, 51 Sekunden für die Strecke. Zum Vergleich: Der Bugatti von Robert Richter, der bei derselben Gelegenheit in der Klasse bis 1,5 Liter den Sieg errang, brauchte 40 Sekunden weniger.
Das Überraschende ist für mich nicht nur, dass sich Ort und Anlass dieses Fotos sowie der Besitzer des Wagens so genau ermitteln ließen, sondern die Tatsache, dass die sportlichen Aufbauten der Werksautos von der Alpenfahrt auch für Privatleute erhätlich waren.
In der mir zugänglichen Literatur finden sich neben den drei Spezialroadstern, die bei der Alpenfahrt siegreich waren, ansonsten nur konventionelle Aufbauten auf Basis des Hansa Typ A8 – sie wurden meist von Karmann in Osnabrück geliefert.
Insofern könnte diese Aufnahme, die man sich besser dokumentiert nicht wünschen kann, ein bisher unbekanntes Puzzlestück in der Historie von Hansa darstellen. Vielleicht kann ein Leser noch mehr über diesen Spezialroadster in Händen des Privatfahrers Arnold von Praun sagen, der jenseits der Alpen Furore machte wie einst seine Vorfahren…
Auch nach über 100 Jahren findet man bei der Beschäftigung mit frühen Automobilen immer noch “Neues” – und das keineswegs nur bei Nischenmarken.
Heute darf ich so etwas anhand eines Wagentyps präsentieren, dem man in der einschlägigen Literatur – mehr noch in meinem Blog – recht häufig begegnet. Die Rede ist vom 1911 eingeführten Typ D 10/30 PS der norddeutschen Marke Hansa.
Der im friesischen Varel beheimatete, 1905 gegründete Hersteller hatte bis dato nur Modelle mit 16 bzw. 20 PS im Programm. Mit dem Typ D schlug Hansa ein neues Kapitel auf.
Mit dem 10/30 PS-Typ stieß Hansa in die Mittelklasse vor und bot dabei technisch Besonderes: Wie der kleine Sporttyp B 7/20 PS hatte sein Motor im Zylinderkopf hängende Ventile, was bessere Kraftstoffausnutzung und mehr Drehfreude verhieß.
Damit ließen sich nun merklich größere und schwerere Modelle antreiben und man sieht dem Typ D an, dass es sich um ein durchaus repräsentatives Automobil handelte. Hier haben wir ein Exemplar im Einsatz als Offizierswagen im 1. Weltkrieg:
Hansa Typ D 10/30 PS; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Hier sind alle charakteristischen Elemente versammelt: der “Schnabelkühler“, der analog zu Horch ab 1913/14 verbaut wurde, die markentypischen Griffmulden in de Oberseite der Motorhaube und die sechs schmalen, nach hinten versetzten Luftschlitze.
In dieser Erscheinungsform findet sich der Hansa Typ D 10/30 auf etlichen Fotos jener Zeit, hauptsächlich im Einsatz beim Militär, als erstmal in großem Stil Autos fotografiert wurden.
Auch wenn Automobile nicht unmittelbar an der Front eingesetzt wurden – es sei denn zu Aufklärungszwecken – war auch das Dasein ihrer Insassen vom Risiko überschattet, dass sie bald den Angehörigen als “für’s Vaterland gefallen” gemeldet wurden.
Jede Fahrt konnte die letzte sein, da wollte man noch einmal Familie und Freunden so gegenübertreten, wie man in Erinnerung zu bleiben wünschte: hier als stolzer Fahrer eines Automobils!
Hansa Typ D 10/30 PS; Originalfoto aus Sammlung Klaas Dierks
Wir können den Status eines Fahrers vor über 100 Jahren heute kaum ermessen. Er meisterte eine Maschine, die den noch im Kutschenzeitalter großgewordenen Zeitgenossen wie ein Wunder vorkam – an Magie nur übertroffen vom noch jüngeren Flugzeug.
Die damaligen Chauffeure waren sich ihres außergewöhnlichen Status bewusst und treten auf Fotos wie diesem entsprechend selbstbewusst und würdig auf. Hier begegnen sie uns auf der Höhe des Lebens, das zugleich vom alltäglichen Tod bedroht war.
Nun hatte der Fahrer auf dem hier gezeigten Foto, das uns Leser Klaas Dierks zur Verfügung gestellt hat, noch einen weiteren Grund, stolz zu sein. So fuhr er keinen Tourenwagen wie andere Kameraden von der Kraftfahrtruppe, sondern offenbar einen raren Sport-Zweisitzer auf Basis des Hansa Typ D 10/30 PS.
Ein vergleichbares Foto werden Sie, liebe Leser, andernorts schwerlich finden (und falls doch, her damit!). Mir ist aus der Literatur nichts dergleichen bekannt, auch wenn sich ein ähnlicher Stil bei einem früheren Hansa des Typs A von 1912 findet:
Hansa Typ A 6/16 PS von 1912; Reproduktion der Nachkriegszeit aus Sammlung Michael Schlenger
Gerade einmal zwei Jahre liegen zwischen diesen beiden Sport-Zweisitzern und doch wirken sie wie aus zwei verschiedenen Welten.
Der Hauptunterschied liegt in der Kühler- und Haubenpartie und in dem technischen Entwicklungssprung vom 16 PS-Seitenventiler zum fast doppelt so starken ohv-Aggregat.
Waren Automobile in Deutschland vor dem 1. Weltkrieg meist Spielzeuge sehr Vermögender, bewiesen sie nach Kriegsausbruch erstmals ihr Leistungsvermögen unter denkbar ungünstigen Umständen.
Danach sollte (fast) nichts mehr so sein wie zuvor. Doch ein Hauch der malerischen alten Welt, die 1918 unwiederbringlich verloren war und einem radikal funktionellen Zeitgeist wich, ist auf dieser Aufnahme des Hansa Typ D 10/30 PS aus Kriegszeiten zu spüren:
Hier hat sich ein feiner Geist hinter der Kamera eine wunderbar verwunschene Szenerie als Hintergrund ausgesucht, deren romantischer Frieden der an der Front tobenden Furie des Kriegs kaum ferner sein könnte.
Die uralte Treppe hätte sich ein Maler kaum besser ausdenken können, man könnte glatt in ein Bild von Carl Spitzweg geraten sein, wäre da nicht die Haubenpartie des Hansa, die vollkommen derjeinigen des weiter oben gezeigten Tourenwagens entspricht.
Das Foto war vielleicht ein letzter Gruß aus der Welt von gestern. Was nach dieser Aufnahme aus Auto und Fahrer wurde, wissen wir nicht. Geblieben ist uns Nachgeborenen ein Idyll, das uns daran erinnert, wie fragil die Verhältnisse der Gegenwart sind und dass unsere Welt in 100 Jahren ebenso verloren sein wird.
Automobile der norddeutschen Marke Hansa aus der Zeit vor der Eingliederung in den Borgward-Konzern kennen heute praktisch nur noch einige Spezialisten. Das gilt besonders für die frühen Modelle vor dem 1. Weltkrieg.
Das eine oder andere Exemplar der kleineren Hansa-Typen A bis C hat überlebt, doch würde es mich wundern, ob das auch für das wohl eindrucksvollste Auto der Marke gilt, um das es heute – wieder einmal – geht.
Die Rede ist vom Hansa D 10/30 PS, der ab 1911 gebaut wurde und – zumindest historischen Fotos nach zu urteilen – einst ziemlich präsent war. Das ist ein bisschen unheimlich für einen Typ, der heute völlig vom Erdboden verschwunden zu sein scheint.
In meiner Hansa/Lloyd-Fotogalerie ist er jedenfalls das am häufigsten vertretenen Modell aus der Frühzeit der einst recht bedeutenden Marke. Interessanterweise stammen alle darin aufgenommenen Fotos des Typs D 10/30 PS aus der Zeit des 1. Weltrkriegs.
Das mag damit zusammenhängen, dass damals erstmals in großem Stil Automobile außerhalb der privaten Sphäre eingesetzt und (als Novum) auch fotografiert wurden. Ein weiterer Grund dürfte sein, dass die ab 1914 mit einem markanten Schnabelkühler ausgestatteten Exemplare dieses Mittelklassetyps besonders gut zu identifizieren sind.
Hier haben wir ein “neues” Foto aus meinem Fundus, das genau ein solches Prachtexemplar mit großzügigen 3,10 Meter Radstand zeigt:
Hansa Typ D 10/30 PS; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Auch dieser Hansa-Tourenwagen des Typs D 10/30 PS mit typischem Schnabelkühler, aufgesetzten Griffmulden an der Haube, nach hinten versetzten Luftschlitzen und schöngeschwungenen Kotflügeln wurde im 1. Weltkrieg aufgenommen.
Im Unterschied zu den meisten Fotos militärisch genutzter PKW jener Zeit sind hier keine aufgemalten Kennungen zu sehen, die auf die Zugehörigkeit zu einem speziellen Armee-Korps und einer bestimmten Untereinheit schließen ließe.
Möglicherweise war das Auto frisch bei der Truppe eingetroffen und hatte seine “Kriegsbemalung” noch nicht erhalten. Vielleicht war sie aber auch auf die Oberseite der Haube beschränkt und ist hier lediglich nicht zu sehen:
Abgesehen von etwas Straßenschmutz sieht der Hansa hier noch ziemlich unbenutzt aus, vermutlich war er noch nicht lange im Einsatz.
Der Ausschnitt vermittelt gut die eindrucksvollen Dimensionen des Wagens, der damals in der oberen Mittelklasse angesiedelt war. Spitze 85 km/h waren mit diesem souveränen Fahrzeug möglich, eine ganze Menge für die damaligen Pisten.
Der Benzinverbrauch im militärischen Einsatz wird ziemlich heftig gewesen sein, weshalb der Reservekanister in damals typischer Dreiecksform ein Pendant auf dem gegenüberliegenden Trittbrett besessen haben könnte.
Der kleine Holzkasten davor scheint einen Ölbehälter zu beherbergen, er kam weit öfters zum Einsatz, als sich das heutige Autofahrer vorstellen können, nämlich in etwa so oft wie der Benzinkanister… Diese frühen Automobile waren wirklich Dreckschleudern – wer dagegen so etwas von heutigen Wagen behauptet, macht sich schlicht lächerlich.
Wo mag dieses Foto entstanden sein? Nun, ich bin nicht sicher, aber die Architektur des Hauses im Hintergrund scheint mir eher für Frankreich oder Belgien zu sprechen als für deutsche Gefilde:
Die spielenden Kinder im Hintergrund scheinen keine Notiz von den Soldaten in ihrem großen Tourenwagen genommen zu haben – dieses Desinteresse stützt meines Erachtens die Hypothese, dass die Situation irgendwo in besetztem Territorium festgehalten wurde.
Auf diesem Ausschnitt gut zu erkennen ist übrigens die vordere Aufhängung der hinteren Blattfeder – diese Partie wurde bald durch einen Kasten mit Wartungsklappe kaschiert. Man sieht hier quasi eine Momentaufnahme in der sich rasch wandelnden Gestaltung des Automobils.
Nach diesem weiteren Beispiel für die einstige Präsenz des Hansa Typ D 10/30 PS fehlt nur noch eine Aufnahme, die dem Attribut “unheimlich” aus dem Titel gerecht wird.
Diese Anforderung erfüllt perfekt das folgende Foto, das ich dank der Vermittlung eines Lesers zeigen kann:
Hansa Typ D 10/30 PS; Originalfoto aus Sammlung A. Bauer
Auch dieses Dokument zeigt zweifellos einen Hansa Typ D 10/30 PS – aber hier hat die Situation etwas Beklemmendes, finde ich.
Das hat zum einen mit der Perspektive zu tun – schräg von vorne und aus der Hocke – ungewöhnlich für die Zeit und sehr expressiv. Mit einem Mal wirken die Schutzbleche wie mächtige Flügel und der Kühler wie das aufgerissene Maul eines aus der Urzeit übriggebliebenen Tiefseebewohners.
Zum anderen trägt auch der Fahrer seinen Teil zu der unheimlichen Wirkung bei. Mit kühlem Stolz und einer tüchtigen Prise Geringschätzung fixiert er uns – dieser Mann hat sicher schon viel gesehen – er war sicher weit jünger, als er wirkt:
Das ist ein eindrucksvolles Relikt aus einer Zeit, deren Härten die Hysterien der Gegenwart lächerlich erscheinen lässt. Wer diese Vergangenheit nicht kennt, kann die Gegenwart nicht einordnen und sich nicht vorstellen, was die Zukunft bringen kann.
Im Fall des hier so furchteinflößend festgehaltenen Hansa Typ D 10/30 PS sind im Unterschied zu dem ersten Exemplar alle militärischen Kennungen in wünschenswerter Deutlichkeit zu sehen.
Wie so oft überlasse ich es der Kompetenz meiner Leser, diese zu erläutern. Ich finde die Thematik zwar interessant, kann mich aber nicht in alles einarbeiten, dafür gibt es Spezialisten mit staunenswerten Wissen, denen ich gern den Vortritt lasse.
Den Freunden früher Hansa-Wagen sei bei der Gelegenheit gesagt, dass es mittlerweile eine Reihe weit seltenerer Modelle anhand alter Originalfotos zu besprechen gibt. Für heute aber lasse ich es bei der unheimlichen Präsenz des Typs D 10/30 PS bewenden…
Nachtrag: Leser Klaas Dierks lässt mich wissen, dass die Kennung A.F.A. 5 auf der Motorhaube nach seiner Recherche für “Armee-Fernsprech-Abteilung 5” stand.
Kürzlich erhielt ich ein Schreiben, in dem jemand – inspiriert von Fotos aus meinem Blog – einige persönliche Erinnerungen an die frühe Nachkriegszeit festgehalten hatte. Natürlich ging es dabei um Vorkriegsautos – nur um was für eines, das war das Rätsel.
Der freundliche Verfasser – Peter Hüttenrauch aus Zühlsdorf (Brandenburg) – meinte sich erinnern zu können, dass er als Bub in den 1950er Jahren mit dem Hansa der Eltern Ausflüge gemacht habe. Lassen wir ihn einfach selbst zu Wort kommen:
Ich erinnere ich mich heute noch mit Freuden und Wehmut an den eleganten, windschnittigen und zuverlässigen zweitürigen Wagen meines Vaters, mit den seitlich ausstellbaren Lüftungsklappen, den großen Türen und dem cremefarbenen Verdeck. Damals ein Traumauto, und das in der DDR.
Mit der Familie fuhr mein Vater als leidenschaftlicher Autofahrer damit zur Ostsee nach Warnemünde, nach Altenbrak im Harz, auf den Inselsberg, nach Thüringen nach Friedrichroda, Finsterbergen und zur Wartburg. Für Winterfahrten heizte mein Vater den Wagen mit einem transportablen Glühofen vor. Der Wagen wurde 1958 nach Tangerhütte in der Altmark verkauft. Ich kleiner Junge, 10 Jahre alt, weinte damals bitterlich.
Diese anrührende Geschichte weckt Erinnerungen an ein Hansa-Cabriolet des Typs 1700, das ich hier vorgestellt habe:
Hansa 1700 Cabriolet; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
So hätte das Cabriolet aussehen können, an das sich Peter Hüttenrauch mit Abstand von 64 Jahren erinnert. Seine Beschreibung würde perfekt zu dem attraktiv gezeichneten Sechszylinderwagen passen, mit dem Hansa damals eine Marktnische besetzte.
Doch auf Nachfrage stellte sich heraus, dass es doch ein anderes Auto gewesen sein müsse, wie sich beim nochmaligen Blick auf die Familienfotos von damals gezeigt hatte.
Was das tatsächlich für ein Wagen war, an den Peter Hüttenrauch sich so liebevolle Erinnerungen bewahrt hat, das ist dem Teil 2 der Familiengeschichte vorbehalten, die ich anhand von Kopien der Originalfotos erzählen darf.
Doch auf gewisse Weise hat die Erinnerung Peter Hüttenrauch nicht getäuscht. Unter den Fotos der Familie fand sich nämlich tatsächlich eines, das einen ähnlichen Wagen zeigt, wie er ihn beschrieben hat – und das ist nun tatsächlich ein Hansa:
Hansa 1700 Cabrio-Limousine; Originalfoto bereitgestellt von Peter Hüttenrauch (Zühlsdorf)
Trotz der Unschärfe erkennt man die schnittige Kühlerpartie mit dem mächtigen Chromscheinwerfern und die markanten fünf ausstellbaren Luftklappen, die es so nur beim Hansa 1700 gab, der wie die Vierzylindervariante 1100 von 1934 bis 1939 gebaut wurde.
Die kleinen glatten Radkappen deuten auf eine frühe Ausführung hin, da später größere profilierte verbaut wurden. Genaueres ließe sich sagen, wenn die Scheibenpartie nicht überbelichtet wäre. So geben die Form des unteren Scheibenabschlusses und die Anbringung der Scheibenwischer normalerweise nähere Datierungshinweise.
Doch immerhin ist das Foto selbst datiert – es entstand im August 1936. Übrigens erkennt man bei näherem Hinsehen, dass es sich bei dem Hansa um die beliebte Ausführung als Cabrio-Limousine gehandelt haben muss.
Man erkennt nämlich auf der Fahrerseite schemenhaft den gebogenen Abschluss des hinteren Seitenfensters, das es so beim Cabriolet nicht gab.
Zum Vergleich hier eine Aufnahme, die dieses Detail und den massiven oberen Abschluss der Seitenscheiben gut erkennen lässt, wie er typisch für Cabrio-Limousinen ist:
Hansa 1700 Cabrio-Limousine; Originalfoto aus Sammlung Klaas Dierks
Man sieht hier auch schön, wie wie sich die schrägstehende Kühlerpartie im gesamten Aufbau widerspiegelt, sogar im hinteren Abschluss der Türen – sehr raffiniert.
Doch zurück zum Foto aus dem Familienalbum von Peter Hüttenrauch. Nachdem wir geklärt haben, dass es einen Hansa 1700 zeigt – wenn auch nicht den Wagen, an den er sich aus der Kinderzeit erinnerte – wüsste man gern, wer darauf zu sehen ist.
Hier schließt sich auf einmal der (Familien)Kreis: Denn neben dem Hansa posieren dessen Besitzer Albert Kühne und seine Frau Else aus Rathenow/Havel – die Großeltern von Peter Hüttenrauch. Sie unternahmen damals mit den beiden Kindern Heinz (damals 19) und Ruth (damals 13) einen Ausflug, wie wir dank der Beschriftung des Fotos wissen.
Ruth Kühne, die hier noch ein Mädchen ist, werden wir in Teil 2 dieser hübschen kleinen Familiengeschichte wiederbegegnen – dann aber als erwachsene Frau und Mutter von Peter Hüttenrauch.
Ihn werden wir dann ebenfalls als Bub kennenlernen, außerdem natürlich das Auto, an das er völlig zu recht so schöne Erinnerungen hat. Das war ein Wagen, der auch mir ganz große Freude bereitet hat, denn ihm bin ich in meiner Blogger-Karriere überhaupt erst einmal begegnet.
Bis dahin – Geduld! Den Hersteller habe ich nämlich erst kürzlich behandelt und daher sollen vorher noch ein paar andere Modelle zu ihrem Recht kommen…
Dass die Deutschen bis heute an einem schweren geschichtlichen Erbe zu knabbern haben, steht außer Frage. Man merkt das auf vielen Ebenen, obwohl die heutige Generation jenseits der Pflicht zur Erinnerung doch keine Schuldgefühle mehr plagen sollten.
Im Hinblick auf die automobilhistorische Hinterlassenschaft der Vorväter leg(t)en jedenfalls Franzosen, Briten und Italiener einen anderen Stolz auf die eigenen Traditionslinien an den Tag, als dies speziell im Westen unserer Republik der Fall ist.
Dem Großreinemachen nach dem Krieg und dem Willen, nun alles besser und schöner zu machen als je zuvor, fiel dort ein Großteil der überlebenden Vorkriegswagen zum Opfer, wenn es keine Prestigewagen waren – und auch die konnte es erwischen.
So sind selbst zahlreich gebaute Wagen von Marken wie Brennabor, Hanomag, NSU-Fiat, NAG, Presto, Protos und Stoewer nach meiner Wahrnehmung im Westen fast völlig verschwunden – und keineswegs nur die Modelle, die ab 1939 eingezogen wurden. In Ostdeutschland sieht das zum Glück anders aus.
Ein weiterer, einst bedeutender Hersteller, auf den dieser Befund zutrifft, ist Hansa aus Bremen. Auf von mir besuchten Klassikerveranstaltungen stößt man eher auf ein Rudel Bentleys, BMWs, Bugattis, Horchs und Mercedes als auf einen Hansa.
Bentley-Vorkriegsmodelle bei den Classic Days auf Schloss Dyck 2017; Bildrechte: Michael Schlenger
Das mag noch verständlich sein, was die frühen Modelle bis in die 1920er Jahre betrifft. Doch ausgerechnet das meistgebaute Hansa-Modell – der Typ 1100/1700 aus den 30ern – scheint hierzulande weitgehend ausgestorben zu sein.
Dabei ist diese erfolgreiche Neukonstruktion von 1934 eines der attraktivsten Mittelklassemodelle eines deutschen Herstellers überhaupt, wie ich finde:
komplikationslose Motoren – ein 1,1 Liter Vierzylinder mit 28 PS und ein 1,6 Liter-Sechszylinder mit 40 PS,
zeitgemäße Fahrwerke mit hydraulischen Bremsen,
moderates Gewicht von gut einer Tonne und damit ordentliche Fahrdynamik,
sehr gut aussehende Limousinen- und Cabrioletaufbauten.
Hansa-Reklame für das Modell 1100/1700; Original aus Sammlung Michael Schlenger
Dumm nur, dass die adretten Wagen recht teuer waren – wie traditionell alle deutschen Modelle mit unzureichenden Stückzahlen.
Fast 3.000 Reichsmark waren für die 2-türige Cabrio-Limousine in der Motorisierung mit 1100er Motor zu berappen, die wir hier (teilweise) sehen:
Hansa 1100 Cabrio-Limousine; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Leider ist mir über diese schöne Szene nichts Näheres bekannt. Sie scheint auf dem Lande entstanden zu sein, der Art des Fachwerks nach zu urteilen irgendwo in Mitteldeutschland. Vielleicht weiß es ein Kenner genauer.
Nachtrag: Leser Uwe Beesdo aus Steinigtwolmsdorf – seines Zeichens Tischler mit Spezialisierung auf historische Holzbauten – weiß es genauer und schreibt mir: “Im Hintergrund sieht man ein sogenanntes Umgebindehaus. Diese Holzbauweise ist typisch für die Oberlausitz (Ostsachsen), sowie Teilen von Schlesien.”
Die vier Luftklappen in der Haube – nebenbei einer der Kostentreiber in der Produktion – verraten, dass sich diese junge Familie einen Vierzylinder-Hansa 1100 geleistet hat. Das Fehlen des zweiten Scheibenwischers und eines Chromrings am Scheinwerfer dürfte auf eine preisgünstige Basisausführung verweisen, die mir noch nicht begegnet ist.
Dass es auch anders ging, das zeigen zwei weitere Fotos eines Hansa jener Zeit, die ich heute präsentieren will. Zugleich verraten diese Dokumente, dass man mit der Sechszylinder-Version nicht zwangsläufig glücklicher sein musste:
Hansa 1700 Cabriolet; Originalabzug aus Sammlung Michael Schlenger
Das könnte eine wunderbare Aufnahme sein, wenn die junge Dame am Steuer nicht so missgelaunt schauen und die Kamera meiden würde. Nehmen wir zu ihren Gunsten an, dass sie nicht gern fotografiert wurde.
Die nunmehr fünf statt vier Luftklappen (in der oberen Reihe) verraten, dass wir hier die Sechszylindervariante (Hansa 1700) vor uns haben, die zudem einen fast 20 cm größeren Radstand aufwies – der längere Vorderwagen war wiederum ein Kostentreiber.
Hier haben wir nun vollverchromte Scheinwerfer und zwei Scheibenwischer. Kaum so gedacht sein dürfte, dass das niedergelegte Verdeck den Blick in den Rückspiegel blockierte, vermutlich wurde es nicht in der vorgesehenen Ruhelage fixiert.
Nicht grundlegend anders stellt sich die Situation auf dem zweiten Foto dar, das bei derselben Gelegenheit entstand. Hier hatte “sie” nun die Kamera in der Hand und “er” schaut so freundlich ins Objektiv, wie man das erwarten würde:
Hansa 1700 Cabriolet; Originalabzug aus Sammlung Michael Schlenger
Nun ist auch der Vorderwagen ganz zu sehen, wenngleich das Nummernschild auch auf dem Originalabzug unleserlich ist.
Dennoch haben wir eine Vorstellung davon, wo diese beiden Fotos entstanden sein könnten – oder zumindest, woher die beiden herkamen, die sich mit dem Hansa abgelichtet haben. Auf der Rückseite der Abzüge ist nämlich der Stempel eines Fotoladens in Schwarzenberg/Sachsen erhalten.
Da der Osten Deutschlands in meiner hessischen Schulkarriere nicht vorkam – dafür wurden sozialistische Diktaturen wie die in Nicaragua ausführlich (und seitens des Lehrpersonals oft wohlwollend) abgehandelt – war mir der einst bedeutende und heute noch sehenswerte Ort im Erzgebirge nicht geläufig.
So lernt man nicht zuletzt über solche Aufnahmen reizvolle Winkel unseres Landes kennen oder bekommt zumindest eine Ahnung davon, was die deutsche Teilung in den Köpfen angerichtet.
Zum Abschluss wäre noch ein kleines Rätsel zu lösen, bei dem wiederum historische Kennntnis des Ostens wie des Westens unseres Landes gefragt ist.
Die folgende Aufnahme aus der frühen Nachkriegszeit zeigt abermals einen Hansa, doch ist offen, ob es sich um das Basismodell 1100 oder die Sechszylindervariante 1700 handelt. Außerdem stellt sich die Frage, wo das Auto zugelassen war:
Hansa 1100 oder 1700, aufgenommen ab 1948; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Auch wenn die Radkappe links vorne und das Kühleremblem verlorengegangen sind, die Stoßstange zum Teil fehlt und das Blech arg mitgenommen ist, haben wir es mit einem heiteren Dokument aus der frühen Nachkriegszeit zu tun.
Ob die vier, die sich vor dem Hansa haben fotografieren lassen, nur Passanten oder die Insassen des Wagens waren, muss wohl offenbleiben. Ihre Kleidung wirkt auf den ersten Blick etwas zusammengewürfelt, doch keineswegs vernachlässigt.
So vollkommen individuell diese Zeitgenossen wirken, ist ihnen ein beträchtliches Stilbewusstsein gemeinsam:
Ob nun die alpenländische Jacke des heiteren Herrn im Vordergrund, die opulente Dauerwelle seiner adretten Nachbarin im zeittypischen Kostüm oder die kühne Kombination aus Karojacke und Nadelstreifenhose des in die Ferne schauenden Herrn mit der Gefährtin im kurzen hellen Faltenrock – diese Leute scheinen kurz nach dem Krieg in materieller Hinsicht nicht das schlechteste Los gezogen zu haben.
Doch wo könnte dieses Zeitdokument entstanden sein? Das Nummernschild muss aus der Besatzungszeit stammen (weiße Buchstaben auf schwarzem Grund) und die “48” in der Mitte unten verrät, dass es frühestens 1948 ausgegeben wurde. Bloß wo?
Vielleicht gibt die beachtliche Kirche im Hintergrund einen Hinweis – ich tippe auch hier auf Mittel- oder Ostdeutschland. Wer es genauer weiß, nutze bitte die Kommentarfunktion.
Außerdem würde ich mich über Hinweise auf überlebende Fahrzeuge dieses attraktiven Hansa-Typs freuen. Denn “Wo sind sie geblieben?” war ja die Eingangsfrage.
Heute beschäftige ich mich nach längerer Abstinenz wieder mit einem der sehr frühen Modelle der einst blühenden Hansa-Automobil-Gesellschaft im oldenburgischen Städtchen Varel.
Fotos von Hansa-Wagen jener Zeit sind trotz des beachtlichen Erfolgs der Marke sehr selten zu finden. Die Literatur bietet kaum ein Dutzend Originalaufnahmen für die Zeit vor dem 1. Weltkrieg und stützt sich ansonsten auf Prospektabbildungen.
Im Netz scheint es keine eigenständige Präsenz dieser einst so bedeutenden Marke zu gegeben – ich lasse mich aber diesbezüglich gern eines Besseren belehren.
Ein A-Modell von Hansa – titelgebend für den heutigen Blog-Eintrag – begegnet einem nach der 1905 erfolgten Gründung der Hansa-Automobil-Gesellschaft (HAG) erstmals um1907 – so ausdrücklich zwar nicht in der Literatur, aber in folgender Reklame:
HAG Typ A10 6/10 PS; Originalreklame vor 1908
Dieser kleine A-Typ besaß noch einen Zweizylindermotor. Die Literatur erwähnt zwar nicht diese Typbezeichnung, wohl aber einen Zweizylindertyp mit identischem Hubraum – das Modell 5/10 PS. Korrekt wäre nach obiger Reklame 6/10 PS – wohl einer der unvermeidlichen (und zahlreichen) Übertragungsfehler.
Daneben gab es ab 1907 einen weiteren A-Typ mit identischen Steuer-PS, aber Vierzylindermotor. Auch hier scheint die Bezeichnung in der Literatur (6/14 PS) nicht ganz zu stimmen – korrekt wären nach folgender Reklame 6/12 PS:
HAG Typ A6/12 PS; Originalreklame vor 1908
Der Zweizylinder-A-Typ wurde beinahe jährlich in der Leistung gesteigert. So finden sich in rascher Abfolge ab 1908 die Bezeichnungen 6/12 PS, 6/14 PS (1909) und 6/16 PS (1910-12) – nunmehr unter dem Markennamen Hansa statt HAG.
In einem früheren Blogeintrag konnte ich einen solchen Hansa A-Typ von 1908/09 identfizieren, nämlich diesen hervorragend aufgenommenen Tourenwagen:
Hansa Typ A 6/12 oder 6/14 PS bzw. A 10/18 PS oder A10/20 PS, 1908 bzw. 1909; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Weiter kompliziert wird die Sache dadurch, dass es parallel zum A-Typ mit 6 Steuer-PS einen äußerlich wohl schwer unterscheidbaren 10 PS-Hansa gab, der ebenfalls als A-Typ firmierte.
Im seinerzeitigen Blogeintrag hatte ich mich tendenziell für das stärkere Modell ausgesprochen, aber solche Zuschreibungen können angesichts der prekären Überlieferungslage bei frühen Hansa-Wagen nur unter Vorbehalt erfolgen.
Klar war nur von der Karosserieform her, dass dieser Hansa-Typ vor 1910 entstanden sein dürfte, da ihm der ab dann fast durchgängig verbaute Windlauf zwischen Motorhaube und Windschutzscheibe fehlt.
Besagter Windlauf – seinerzeit auch als Windkappe oder Torpedo bezeichnet – ist dagegen auf folgendem Foto eines Hansa zu sehen, das ich hier erstmals zeige:
Hansa Typ A 6/16 PS (Zweizylinder) oder 6/18 PS (Vierzylinder) von 1912; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Anhand dieser “neuen” Aufnahme lässt sich sehr schön der optische Entwicklungssprung des A-Typs von Hansa zwischen ca. 1909 und 1912 nachvollziehen – nach heutigen Maßstäben ein zu vernachlässigender Zeitraum – vor über 100 Jahren dagegen eine ganzeFahrzeuggeneration.
Geblieben ist nur der typische Kühler, während ansteigende Motorhaube und Windlauf von den neuen Zeiten künden, die ab 1910 anbrachen.
Kurze Zeit nach dem Beginn des neuen Jahrzehnts nahm Hansa auch Abschied vom Zweizylinder mit 6 Steuer-PS. Er wurde 1912 von einem annähernd gleichgroßen Vierzylindertyp abgelöst, der nun als 6/18 PS firmierte.
Damit hatte sich binnen vier Jahren die Leistung des 6 PS-Typs um 50 % erhöht. Ob der heute neu vorgestellte Wagen nun einer der letzten Zweizylinder-Hansa des Typs 6/16 PS oder einer der ersten Vierzylindertypen 6/18 PS war, lässt sich derzeit nicht sagen.
Tatsächlich könnte es sich auch um den zeitgleichen Typ C mit nahezu identischen Abmessungen handeln, der über einen 8/20 PS-Vierzylinder verfügte.
Überhaupt ist festzustellen, dass die Dokumentation der Hansa-Modelle vor dem 1. Weltkrieg derartig lückenhaft, teils auch widersprüchlich ist, dass man alle hier gemachten Angaben zu Typen und Motorisierungen nur als vorläufig betrachten kann.
Lediglich bei der Datierung bin ich mir nahezu sicher:
Eine solche Frontpartie mit Flachkühler, ansteigender Haube und daran sauber anschließendem, noch steiler aufwärtszeigendem Windlauf findet man bei deutschen Autos schwerpunktmäßig um 1912 plus/minus 1 Jahr.
Ausnahmen bestätigen die Regel, doch hat sich diese Einordnung anhand der Gestaltung der Frontpartie aus meiner Sicht oft genug bewährt, um bis zum Vorliegen von mehr datierten Originaldokumenten auch bei Hansa als Arbeitshypothese gelten zu können.
Wie immer bin ich dankbar für weiterführende Hinweise – auch fundierte Korrekturen von Markenkennern. Das Schöne am Blog-Format ist ja die Möglichkeit, nachträgliche Verbesserungen und Ergänzungen vornehmen zu können.
Bei Bedarf kann man irgendwann auch eine komplett neue Abhandlung schreiben, in die neue Erkenntnisse und Einschätzungen einfließen.
Von daher kann ich das Blog-Format nur allen Spezialisten empfehlen, die zu “ihren” Marken weit mehr wissen als ich, aber vermutlich stets einen guten Grund finden, von einer “richtigen” Publikation abzusehen, weil man sich noch nicht sicher ist…
Zu den unaufgearbeiteten Kapiteln der deutschen Automobilgeschichte gehört aus meiner Sicht die Produktion von Hansa vor dem 1. Weltkrieg.
Im letzten Blog-Eintrag, der sich damit beschäftigte, habe ich auf die widersprüchlichen Angaben zu den Abbildungen früher Hansa-Wagen in der Literatur hingewiesen.
Mittlerweile dürfte meine Hansa-Galerie die umfangreichste allgemein zugängliche Dokumentation der Typen bis 1914 darstellen. Leider lassen sich bislang nur wenige der zahlreichen Modelle präzise ansprechen.
Am gesichertsten ist wohl die Identifikation des in der Literatur erwähnten Typs D 10/30 PS, der auffallend oft in Fotos aus dem 1. Weltkrieg festgehalten ist.
Hier ein Potpourri der bisher in meinem Blog vorgestellten Aufnahmen dieses Typs:
Ob in der um 1912 gebauten Flachkühlerausführung oder der 1913/14 eingeführten Version mit Schnabelkühler – der Hansa Typ D 10/30 PS ist stets an den sechs Luftschlitzen zu erkennen, meist im hinteren Teil der Motorhaube.
Über Typen und Baujahr hinweg markenspezifisch sind die beiden Griffmulden im Seitenteil der Motorhaube. Man findet sie teils nach außen, teils nach innen gewölbt bei den meisten Hansa-Modellen bis in die 1920er Jahre.
Wer in meinem Blog schon länger mitliest, erinnert sich eventuell an die folgende Aufnahme aus meiner Sammlung, die den ersten frühen Hansa zeigt, mit dem ich mich beschäftigt habe:
Hansa Typ C 8/24 PS; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Diese Aufnahme einer Familie, die Anfang der 1920er Jahre mit ihrem Vorkriegs-Hansa unterwegs war, zeigt mit großer Wahrscheinlichkeit einen Typ C 8/24 PS.
Im Unterschied zum stärkeren D-Typ 10/30 PS war hier die Motorhaube kürzer und besaß dem geringeren Kühlungsbedarf gemäß nur fünf statt sechs Luftschlitze (auf dem Foto sind nur vier sichtbar, doch die Literatur zeigt Aufnahmen eines identischen Wagens mit fünf Luftschlitzen).
Der Hansa C-Typ mit 2,1 Liter-Vierzylinder wurde bereits 1911 eingeführt. Anfänglich leistete der Seitenventiler allerdings nur 20 PS und wies noch einen Flachkühler auf.
Der oben gezeigte Hansa Typ C mit “Schnabelkühler” wurde dagegen erst ab 1913/14 gebaut und leistete dann bei identischem Hubraum 24 PS.
Die mir zugängliche Literatur zeigt keinen einzigen Hansa Typ C in der anfänglichen Ausführung als 8/20 PS-Modell. Doch ist mittlerweile eine hervorragende Aufnahme aufgetaucht, die meines Erachtens genau einen solchen Wagen zeigt:
Hansa Typ C 8/20 PS; Originalfoto aus Sammlung Klaas Dierks
Wie so oft bei deutschen Wagen der Zeit vor dem 1. Weltkrieg verdanke ich diesen Fund der glücklichen Hand von Leser Klaas Dierks.
Die Identifikation als Hansa Typ C 8/20 PS stützt sich zum einen auf die fünf Luftschlitze in der Motorhaube, die auch der leistungsgesteigerte Typ 8/24 PS besaß, zum anderen auf den Flachkühler mit ansatzweise erkennbarem Markenschriftzug, der in dieser Form spätestens 1914 durch einen Schnabelkühler abgelöst wurde.
Die beiden Luftschlitze in der Karosserieflanke hinter der Haube – dem sogenannten Windlauf oder Torpedo – dienten übrigens der Belüftung des Fußraums, in dem sich bei längerem Betrieb die Abwärme von Motor und Getriebe staute.
Während ich mir bei der Ansprache des Wagens als Hansa Typ C 8/20 PS um 1912 ziemlich sicher bin, weist das Fahrzeug zwei Besonderheiten auf:
Zum einen besitzt dieser im 1. Weltkrieg eingesetzte Tourer bereits Stahlspeichenräder, zum anderen befinden sich Schalt- und Handbremshebel im Innern der Karosserie:
Das ist ein interessanter Befund, da bei deutschen Autos oft bis Mitte der 1920er Jahre an außenliegenden Hebeln für Gangschaltung und Bremse festgehalten wurde.
Es gibt allerdings auch andere Beispiele für eine frühzeitige Verlegung nach innen, auf die mitunter Modelle mit wiederum außen angebrachten Hebel folgten.
Festzuhalten ist hier zudem, dass die Positionsleuchten wie bei Automobilen vor 1913/14 allgemein üblich noch nicht elektrisch, sondern mit Petroleum betrieben waren. Diejenige auf der Fahrerseite fehlt auf dieser Aufnahme.
Die Kennung unterhalb der Windschutzscheibe verrät, dass dieser Hansa Typ C 8/20 PS zur 7. Armee gehörte, die den 1. Weltkrieg über an der Westfront eingesetzt war.
Der Fahrer dieses Wagens befand sich in der vergleichsweise glücklichen Lage, nicht direkt an der Front als Infanterist eingesetzt zu sein.
Dennoch konnte auch er nicht sicher sein, gesund in die Heimat zurückzukehren, als er diese Aufnahme anfertigen ließ, die vor nunmehr über 100 Jahren wohl vor einem Schloss irgendwo in Belgien oder Frankreich entstand.
Dokumente wie dieses geben bei aller Freude über die großartigen Automobile jener Zeit auch Anlass innezuhalten und sich zu vergegenwärtigen, wie dünn das Eis war, auf dem sich unsere Vorfahren damals bewegten.
Unabhängig von der Historie der frühen Hansa-Automobile vielleicht ein Anlass, anhand solcher alten Fotos wieder einmal in die eigene Familiengeschichte einzutauchen…
Die legendäre Bremer Automarke Borgward verbinden die meisten Klassiker-Liebhaber in erster Linie mit den Pontonmodellen der Nachkriegszeit, die in den 1950er Jahren zu den modernsten und attraktivsten Autos gehörten, die in Deutschland produziert wurden.
Doch der Erfolg dieser Borgward-Wagen und der Konkurs des Unternehmens von Carl F. Borgward im Jahr 1961 ist natürlich kein Thema für meinen Blog, der sich ganz den Fahrzeugen der Vorkriegszeit verschrieben hat.
Dass unter dem Namen Borgward bereits ab 1939 Automobile entstanden, ist jedoch ein ebenso interessantes Thema, das bloß heute kaum noch jemandem geläufig ist.
Tatsächlich kam Carl F. Borgward auf einigen Umwegen zum PKW-Bau, weshalb man sich fragt, was davon zielgerichtetem Vorgehen und was dem Zufall zu verdanken ist. Entscheidend war wohl der frühzeitige Kontakt zu den altehrwürdigen Hansa-Lloyd-Werken in Bremen, für die Borgwards erste Firma ab 1920 Kühler lieferte.
Ab Mitte der 1920er Jahre hatte Borgward dann erheblichen Erfolg mit den neu entwickelten Goliath-Lieferwagen. Produziert wurden diese in Sichtweite der Fabrik, in der die Automobile von Hansa-Lloyd entstanden.
1929 nutzte Borgward finanzielle Schwierigkeiten von Hansa-Lloyd zur Übernahme der Firma. Die Produktpalette wurde gestrafft und nach einem Kleinwagen-Intermezzo (Hansa 400 / 500) entstanden ab 1934 in Bremen wieder richtige Autos:
Hansa 1700 Cabriolimousine; Originalfoto aus Sammlung Klaas Dierks
Die Aufnahme dieser schönen Cabriolimousine des Sechszylindertyps Hansa 1700 verdanke ich Leser Klaas Dierks. Den Typ als solchen – auch die Vierzylindervariante Hansa 1100 – habe ich hier schon mehrfach anhand von Originalaufnahmen präsentiert.
Für mich ist der bis 1939 gebaute Hansa 1100/1700eines der elegantesten deutschen Mittelklasseautos der damaligen Zeit. Er lässt bereits erkennen, dass Carl F. Borgward der Sinn danach stand, seinen Kunden etwas Besonderes zu bieten.
Genau das tat er spätestens mit dem ab 1938 gefertigten größeren Schwestermodell Hansa 2000. Dieser Sechszylindertyp war bei identischen Fahrleistungen und etwas geringeren Abmessungen eine Alternative zum weit teureren und wesentlich durstigeren Mercedes 230.
Allerdings brachte Borgward aus mir unbekannten Gründen keine nennenswerten Stückzahlen beim Hansa 2000 zustande. Auch die Umbenennung in Borgward 2000 ab 1939 brachte keinen größeren Erfolg am Markt.
So sind von diesem interessanten Modell – dem ersten Auto, das den Namen Borgward trug – in knapp zwei Jahren überhaupt nur 2.000 Stück entstanden. Von einer industriellen Produktion kann man hier kaum sprechen, merkwürdig.
Dies erklärt jedenfalls, warum zeitgenössische Fotos des Hansa bzw. Borgward 2000 Mangelware sind. Die älteste Aufnahme in meiner Sammlung ist die folgende:
Hansa bzw. Borgward 2000; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Diese reizvolle Aufnahme ist im März 1940 anlässlich einer Reifenpanne eines Hansa bzw. Borgward 2000 entstanden, der im Dienst der Wehrmacht unterwegs war. Das Kürzel “WH” auf dem Kofferraumdeckel bestätigt zusammen mit der matten Lackierung die Zugehörigkeit zum Fuhrpark einer Heereseinheit.
Die Identifikation als Hansa bzw. Borgward ist anhand der charakteristischen Form der vorderen Luftklappe in der Seitenwand des Motorraums und der Form der Scheibenräder sowie der Radkappe möglich.
Nebenbei haben wir hier ein frühes Beispiel für eine zwar noch zweiteilige, aber bereits flach aufliegende Motorhaube ohne Seitenteil. Auch das Fehlen eines Trittbretts ist ein Hinweis darauf, dass die vertrauten Elemente der Vorkriegszeit bald einer fundamental anderen Karosseriearchitektur weichen sollten.
Der großgewachsene Soldat scheint ein Unteroffiziersanwärter zu sein (das verraten die silbernen Krageneinfassungen). Das weitgehende Fehlen militärischer Ausrüstung lässt darauf schließen, dass die Fahrt irgendwo in friedlichen Gefilden stattfand.
Zum Aufnahmezeitpunkt war Polen längst erobert und besetzt – der Frankreichfeldzug hatte noch nicht begonnen. Von daher ist der Aufnahmeort ungewiss.
Die nächste Aufnahme eines Hansa bzw. Borgward 2000 aus meiner Sammlung stammt aus der frühen Nachkriegszeit – sie ist im Mai 1947 entstanden:
Hansa bzw. Borgward 2000; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Hier sehen wir den Wagen zwar aus günstigerer Perspektive. Doch ein Großteil des Kühlergrills wird von einem Holzgasgenerator verdeckt, mit dem privat betriebene PKW in der Kriegszeit die Knappheit an Benzin überbrückten.
Solche Anlagen sind in der Nachkriegszeit bald wieder entfernt worden, doch dieser Wagen ist ein Beispiel dafür, dass die Behelfslösung noch eine Weile beibehalten wurde.
Das zum Aufnahmezeitpunkt fast 10 Jahre alte Auto steht – von der zerdellten Radkappe rechts vorne abgesehen – noch ganz gut da. Auch das empfindliche Verdeck scheint den Krieg gut überstanden zu haben.
Sehr wirkungsvoll unterstützen hier die tropfenförmigen Scheinwerfer das Erscheinungsbild des Wagens mit strömungsgünstig wirkendem Aufbau.
Der freundlich in die Kamera schauende Herr mit Barett und elegantem hellen Staubmantel könnte ein Franzose in Zivil gewesen sein. Ob er zu den französischen Besatzungstruppen gehörte, wissen wir nicht.
Wie es scheint, hat er eine Kamera umhängen – vielleicht war er Journalist. Was ihn mit dem Hansa bzw. Borgward mit Holzgasantrieb verband, muss offen bleiben.
Zu guter letzt kann ich noch eine rare Heckansicht des Hansa bzw. Borgward 2000 anbieten, die sich auf folgender Ansichtskarte aus Leipzig von 1961 findet:
Hansa bzw. Borgward 2000; Ausschnitt aus einer Postkarte (Serie “Bild und Heimat”, Foto Kühn) aus Sammlung Michael Schlenger
Die im Original weit größere Ansichtskarte zeigt die nach dem Krieg notdürftig wieder hergerichteten Reste des Thüringer Hofs in Leipzig, der im Kern auf das 15. Jahrhundert zurückgeht.
Die Fenstereinfassungen und das Portal scheinen noch originale Teile der einstigen Renaissancefassade zu sein, auch die schmiedeeisernen Kandelaber haben die zahlreichen schweren Bombardierungen der Leipziger Innenstadt überstanden, die bis Mitte April 1945 – eine Woche vor der Besetzung durch die US-Armee – anhielten.
An dem davorstehenden Hansa bzw. Borgward 2000 sind einige Modifikationen vorgenommen worden – kein Wunder: das Auto war zum Aufnahmezeit fast ein Vierteljahrhundert alt.
Die Radkappen scheinen ebensowenig original zu sein wie die silbern angestrichene Stoßstange. Erkennt jemand, woher diese Teile stammten?
Auch die Lackierung des Wagens war mit Sicherheit nicht mehr die erste. Denkbar, dass der Wagen im Krieg bei der Wehrmacht diente und anschließend eine neue Farbgebung erhielt.
Interessanterweise hat sich der Suchscheinwerfer erhalten, der genau demjenigen entspricht, der an dem 1947 fotografierten Auto mit Holzgasgenerator montiert war. Offenbar handelte es sich um ein schon ab Werk erhältliches Zubehör.
Der Fotograf dieser Ansichtskarte war vermutlich froh, dass vor dem Thüringer Hof einige ansehnliche Vorkriegswagen abgestellt waren, die noch auf viele Jahre hinaus allem überlegen waren, was die sozialistische Planwirtschaft zustandebrachte:
Das hübsche zweisitzige Cabriolet weiter vorn konnte ich übrigens noch nicht identifizieren – ich tippe hier aber auf ein tschechisches Modell.
Von dem Hansa bzw. Borgward 2000 abgesehen bietet sich dem heutigen Besucher dieser Ausschnitt der (später wieder aufgestockten) Fassade des Thüringer Hofs noch genauso dar. Auch beherbergt das Haus immer noch einen Gasthof gleichen Namens.
Man sieht: Noch weit nach dem Ende des 2. Weltkriegs waren Vorkriegsautos in Ostdeutschland allgegenwärtig und eine selbstverständliche Ergänzung der übriggebliebenen oder wiederaufgebauten historischen Bauten.
Nur ein Hansa 2000 bzw. der gleichnamige Borgward war schon damals eine ausgesprochene Rarität. Vielleicht war es sogar der Wagen des Fotografen – wer weiß?
Der Winter nähert sich seinem Ende – da begibt man sich leicht auf dünnes Eis… Und so wage ich mich heute wieder einmal an eine deutsche Marke heran, über deren frühe Autotypen wenig Gesichertes vorliegt: Hansa.
Die Hansa-Wagen aus dem in Friesland gelegenen Varel – zusammen mit Ladenburg (Benz) und Ober-Ramstadt (Röhr) eine der kleinsten deutschen Städte, in der es einst eine nennenswerte Automobilfabrikation gab – sind leider miserabel dokumentiert.
Wer im Netz nach Informationen und Bildern zu den Wagen dieser 1905 gegründeten Marke sucht, landet in vielen Fällen in meinem Blog. In Sachen Suchmaschinenpräsenz ist das ja erfreulich, nur hilft es weder mir noch anderen weiter, wenn “neue” Fotos von Hansa-Wagen auftauchen, deren Identifikation Schwierigkeiten bereitet.
Zwar gibt es in der Literatur zu deutschen Autos bis 1920 (von Fersen und Schrader) einige Fotos mit Typzuschreibung, doch diese widersprechen sich teilweise. So wird dort ein Wagen auf ein und demselben Foto einmal als Typ A 6/18 PS (von Fersen) und einmal als Typ C 8/24 PS (Schrader) bezeichnet – letztere Ansprache dürfte richtig sein.
Weitere ab 1911 gebaute Typen (E und G) werden zwar genannt, doch technische Details gibt es nur in Minimalausführung bei von Fersen. In der jüngeren Publikation von Schrader findet man gar nichts dazu – es war wohl nichts Verlässliches verfügbar.
Doch eines der mit den Typen E und G verwandten Modelle lässt sich recht gut erfassen – der Hansa Typ D 10/30 PS (siehe meinen ausführlichen Blogeintrag dazu). Wenn nicht alles täuscht, zeigt folgendes Originalfoto ebenfalls dieses Modell:
Hansa Typ D 10/30 PS: Originalfoto aus Sammlung Klaas Dierks
Der Hansa auf dieser Aufnahme von August 1915 war beim Kraftfahrbataillon Berlin Schöneberg eingesetzt .
Das über 100 Jahre Foto ist von sehr guter Qualität – das Original bietet gegenüber der hier gezeigten datenreduzierten Version noch mehr Schärfe und Tonwertabstufungen – typisch für Plattenkameraaufnahmen jener Zeit.
Wir verdanken dieses Dokument dem Spürsinn von Leser Klaas Dierks, der schon etliche herausragende Fotos vergleichbaren Kalibers beigesteuert hat.
Bei der Gelegenheit sei daran erinnert, dass dieser Blog von Beiträgen solcher Enthusiasten lebt, die dafür einiges an Zeit und Geld investieren. Dafür wissen sie ihre Schätze hier in einem hochwertigen Forum gut aufgehoben.
Die Hauptmerkmale des Hansa Typ D 10/30 PS sind auf folgendem Ausschnitt zu erkennen:
Hansa-typisch sind – weitgehend typ- und baujahrübergreifend – die beiden hoch angebrachten Griffmulden an den Motorhaubenseiten.
Die sechs Luftschlitze sind beim Hansa Typ D 10/30 PS sonst im hinteren Haubendrittel angebracht, aber das will vermutlich nichts viel bedeuten.
Mangels Abbildungen ist unklar, ob die parallel verfügbaren größeren Modelle G 12/40 PS und E 15/50 PS über mehr Luftschlitze verfügten. Konstruktiv waren sie jedenfalls eng mit dem Typ D 10/30 PS verwandt.
So verfügten diese großen Hansa-Modelle über Motoren, deren Ventile nicht mehr seitlich neben den Zylindern standen, sondern strömungsgünstig im Zylinderkopf des Motors hingen. Vor dem 1. Weltkrieg war dies noch eine sehr seltene Lösung.
Der Schnabelkühler fand sich vermutlich ebenfalls bei allen Hansa-Typen D, E und G. Die Literatur schweigt dazu, doch vermute ich, dass der Schnabelkühler erst 1914 eingeführt wurde – als eigenwillige Alternative zur Spitzkühlermode.
Tatsächlich stammt keines der mir bekannten Fotos von Hansa-Wagen mit Schnabelkühlern aus der Zeit vor 1914, obwohl – wie gesagt – die großen Typen D, E und G bereits ab 1911 gebaut wurden.
Das Foto aus der Sammlung von Klaas Dierks ist nicht zuletzt deshalb wertvoll, da hier auch ein Teil des Markenschriftzugs auf dem Kühler zu sehen ist. Er ist in ein Oval eingefasst, das oben und unten von senkrechten Stäben “gehalten” wird.
Diese beiden vertikalen Streben findet man nur bei Hansa-Wagen jener Zeit, was auch die Ansprache von Fahrzeugen erlaubt, bei denen der Schriftzug verdeckt oder nicht zu lesen ist – wie hier zum Beispiel:
Hansa Typ D 10/30 PS; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Diese schön inszenierte Aufnahme aus meiner Sammlung zeigt zwar einen Wagen mit Flachkühler, aber die erwähnten Streben auf dem Kühler sind klar zu erkennen.
Auch hier haben wir die charakteristischen, hoch angebrachten Griffmulden an den Haubenseiten sowie abermals sechs Luftschlitze – diesmal im hinteren Drittel der Haube.
Vergleicht man die eigenwillige Form der Vorderschutzbleche, die vorne schräg nach oben zeigen, erkennt man eine weitere Übereinstimmung mit dem zuvor gezeigten Hansa Typ D 10/30 PS mit Schnabelkühler.
Interessant ist, dass auch dieser Hansa bereits über elektrische Positionslichter vor der Windschutzscheibe verfügt. Sie sind nicht mehr außen an der Karosserie angebracht, sondern in den Windlauf eingelassen.
Die genannten Details erlaubent aus meiner Sicht eine Datierung auf 1912/13. Davor wären elektrische Positionslichter – sofern überhaupt vorhanden – außen montiert gewesen. Und danach wäre mit einem Schnabelkühler zu rechnen, so meine Vermutung.
Vielleicht ist Ihnen bei der Betrachtung des Hansa auf dem Bild von Klaas Dierks aufgefallen, dass dieser außer über elektrische Positionslichter zusätzlich über gasbetriebene Positionslampenverfügte.
Hier wollte jemand offenbar auf “Nummer sicher” gehen für den Fall, dass die elektrische Anlage den Dienst einstellt. Bewusst gesehen habe ich so etwas noch nirgends – ein weiteres Beispiel dafür, was solche alten Fotos immer noch hergeben.
Auch hier ein näherer Blick auf die Frontpartie des Wagens:
Wer ganz genau hinschaut kann mit etwas gutem Willen auf der Nabenkappe die Abkürzung HAG erahnen, die für “Hansa Automobil Gesellschaft” stand.
An der Identifikation der Marke kann kein Zweifel bestehen, aber wie sicher ist die Ansprache als frühe Flachkühlerversion des Hansa Typs D 10/30 PS?
Nun, solange keine eindeutig zugeschriebenen Abbildungen der beiden stärkeren Schwestertypen E und G vorhanden sind, steht die Identifikation unter Vorbehalt.
Ich bin aber zuversichtlich, dass es nicht zuletzt mit Hilfe von Lesern gelingt, weitere solche Fotos aufzuspüren, die mehr Klarheit zu schaffen vermögen.
Bis dahin genießen wir einfach diese eindrucksvollen Dokumente, die uns mit einer längst untergegangenen Welt konfrontieren, als es sei es gestern gewesen:
Wer uns hier ernst und selbstbewuss posierend über einen Abstand von über 100 Jahren fixiert, war einst der Fahrer dieses Hansa.
Er trägt die für Chauffeure damals üblichen Insignien, also Schirmmütze (oft mit Markenemblem), Kurzmantel zwecks besserer Beweglichkeit beim Fahren und bei Reparaturen sowie Schaftstiefel bzw. Ledergamaschen, die Schutz vor Verschmutzung boten und wärmten.
Man beachte aber auch das weiße Hemd mit lässig um den Stehkragen gebundener Krawatte. Man bekommt hier eine Vorstellung davon, dass ein Fahrer damals eine besondere und durchaus geschätzte Position einnahm.
Fotos von Chauffeuren aus der Frühzeit des Automobils zeugen durchweg von Standesbewusstsein und der Würde des außergewöhnlichen Berufs, den sie ausübten. Ihre Passagiere sicher und zuverlässig bei Wind und Wetter ans Ziel zu bringen, erforderte mit den damaligen Fahrzeugen außerordentliches Können.
Wer nicht in die Welt des Kraftfahrzeugs eingeweiht war, für den war der souveräne Betrieb eines Automobils pure Magie. Chauffeur zu sein, darauf durfte man einst mit Recht stolz sein, als es keine Automatik, Fahrassistenten und Navigationsgeräte gab.
So ändern sich die Zeiten – doch wer heute noch solch einen Wagen der Frühzeit zu bewegen vermag, kann sich ebenfalls der Bewunderung seiner Mitmenschen sicher sein…
Zu den Vorkriegsautomodellen aus deutscher Produktion, von denen zumindest ich nicht genug bekommen kann, gehört der elegante Hansa 1100/1700, der als Vier- bzw. Sechszylinder von 1934-39 entstand.
Die Freunde des konkurrierenden Adler Trumpf Junior mögen es mir verzeihen, aber der Hansa kam bei gleichem Preisraffinierter daher, vor allem als Coupé:
Hansa 1100/1700, Reklame von 1936/37; Original aus Sammlung Michael Schlenger
Sicher: Der Grafiker hat hier dem flotten Hansa Proportionen angedichtet, die eines Horch-Achtyzlinder würdig gewesen wären. Auch die kühn zugeschriebene “unerhörte Leistung” hielt sich eher im zeittypischen Rahmen (28 bzw. 40 PS).
Doch blechseitig hatte die seit 1929 zum Konzern von Carl Borgward gehörende Bremer Traditionsmarke durchaus etwas Besonderes auf die Beine gestellt und dazu eine eigene Karosseriefertigung eingerichtet.
An eigenwilligen Details wie der schräg nach hinten geneigten B-Säule und der distinguierten Heckgestaltung sieht man, dass dieser Aufbau kein Massenprodukt von Ambi-Budd war, wie das beim Adler Trumpf Junior der Fall war:
Hansa 1100; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Die erwähnte Neigung der B-Säule entsprach annähernd derjenigen der Frontscheibe, was der Karosserie eine dynamische Anmutung verlieh. Dagegen wirkte der Adler Trumpf Junior deutlich behäbiger.
Schön nachvollziehen lässt sich die Linienführung anhand der folgenden Aufnahme, die ich vor einiger Zeit hier präsentiert habe. Dabei sind auch die Luftklappen in der Haube gut zu erkennen, deren Zahl die Motorisierung erkennen ließ.
Vier Klappen besaß der 1100ccm messende Vierzylinder, beim 1,7 Liter-Sechszylinder waren es fünf. Hier ist zudem ein ungewöhnliches Zubehör zu sehen:
Hansa 1100 Coupé; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Ich hatte seinerzeit die Frage aufgeworfen, ob jemand mehr zu dem der Entlüftung des Innenraums dienenden Element sagen kann, das oben am Seitenscheibenrahmen angebracht ist.
Kurze Zeit später erhielt ich Post von einem Blogleser, der etwas Großartiges beizutragen wusste – und zwar in Form eines originalen Hansa-Zubehörprospekts, in dem genau dieses Teil aufgeführt ist.
Wie so oft bei Dokumenten zu deutschen Vorkriegsmodellen hat dieses Faltblatt in Ostdeutschland überlebt, wo es die Wegwerfmentalität des Westens nicht gab – sieht man von einmal von den Abrissorgien des sozialistischen Regimes ab.
Leider meinte irgendwann jemand, auf dem Titelfoto herumkritzeln zu müssen:
Hansa-Zubehörbroschüre; Original aus Sammlung Michael Schlenger
Wir können dieses Manko verkraften wie auch einige Wasserflecken im Innern – die entscheidenden Abbildungen sind durchaus präsentabel. Einige davon zeige ich heute.
Im Original ist das Faltblatt übrigens teilweise farblich gehalten, die entscheidenden Bildausschnitte sind aber in Schwarz-Weiß, weshalb ich mich der Blog-Ästhetik entsprechend für eine entsprechene Wiedergabe entschieden habe:
Meine Auswahl aus diesem reichhaltigen Zubehör (weitere Optionen sind übrigens auf der Rückseite genannt, aber nicht abgebildet) ist natürlich subjektiv.
Sollte jemand als Besitzer eines solchen Hansa Interesse an weiteren Detaildarstellungen haben, stelle ich diese gern zur Verfügung.
Bevor wir zu dem bereits erwähnten Belüftungselement kommen, fangen wir der Einfachheit am Kühler an. So war das Kühlergitter in der Basisausstattung dunkel lackiert, weshalb hier eine silberne Ausführung als Alternative angeboten wurde:
Daneben war eine weitere Variante mit senkrechten Stäben verfügbar – ebenfalls silbern lackiert. Die Einfassung der Kühlermaske war bereits ab Werk verchromt, jedenfalls sind mir bislang keine das Gegenteil beweisende Aufnahmen begegnet.
Fast schon ein Muss für den Hansa-Fahrer war der Erwerb einer im Winter nützlichen Kühlermanschette zur Reduzierung des Luftdurchsatzes. Als Material wird hier eine Art Kunstleder mit der Bezeichnung “Autoduck” genannt:
“Dreifach verstellbar” bedeutet hier wohl folgendes:
Stellung 1 – ganz geschlossen: zur raschen Aufwärmung des Kühlwassers direkt nach dem Start bei sehr tiefen Temperaturen
Stellung 2 – halb aufgeknöpft: zum dauerhaften Betrieb bei großer Kälte
Stellung 3 – ganz aufgeknöpft: für Dauerbetrieb bei niedrigen Temperaturen
Hier nun für den Betrieb in der warmen Jahreszeit die erwähnte Entlüftungsvorrichtung zur seitlichen Montage:
Aus Aluminium gearbeitet war nur der Rahmen, die nach außen weisenden Elemente waren dagegen wohl aus Plexiglas, da sie auf dem weiter oben gezeigten Foto durchsichtig erscheinen.
Es muss sich hierbei um ein Hansa-spezifisches Zubehör gehandelt haben, das an den Scheibenrahmen angepasst wurde; leider wird nichts zur Befestigung gesagt. Denkbar, dass es von unten in den Scheibenrahmen gesteckt und dann mit Nieten befestigt wurde.
Ein weiteres Originalfoto eines Hansa mit zeitgenössischem Zubehör ist das folgende, das einen Typ 1700 mit Hamburger Zulassung zeigt:
Hansa 1700 Coupé; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Hier sehen wir als Extras für den besonders schicken Auftritt zwei Chromhupen sowie einen üppig dimensionierten Nebelscheinwerfer.
Entsprechendes Zubehör findet sich auch in unserem zeitgenössischen Faltblatt, wenngleich sich die Ausführung im Detail unterscheidet.
Hier haben wir zunächst ein als Extra angebotenes Hupenpaar von Bosch:
Auf den ersten Blick scheint das derselbe Hupentyp zu sein wie auf dem zuvor gezeigten Foto des Hansa mit Hamburger Zulassung.
Jedoch scheint bei der in Fahrtrichtung rechten Hupe beim Ausstanzen der unteren Schlitze in der vorderen Abdeckung etwas schiefgelaufen zu sein, wie der Vergleich mit der anderen Hupe zeigt.
Oder haben wir es hier mit einer verunglückten Retusche im Zuge der Erstellung des Zubehörfaltblatts zu tun? Nicht eindeutig sagen lässt sich zudem, ob die Hupen des Hansa auf dem Foto auch den BOSCH-Schriftzug tragen, das Original lässt kein Urteil zu.
Sicher ein anderes Teil als im Zubehörfaltblatt wurde an dem Hansa aus Hamburg in Form des Nebelscheinwerfers verbaut. Hansa bot u.a. diese Ausführung an:
Immerhin verrät der Text, dass weitere Varianten erhältlich waren. Kein Wort wird dagegen zu dem Bügel verloren, an dem der Nebelscheinwerfer montiert wurde.
Die Ausführung im Faltblatt wurde offenbar am vorderen Rahmenende befestigt, wo auch die Stoßstange angebracht war.
Auf dem Foto des Hamburger Hansa sehen wir dagegen eine andere, aufwendigere und raffiniertere Ausführung des Haltebügels:
Hier ist besagter Bügel nicht nur verchromt, sondern auch weit eleganter in die Frontpartie integriert. Ich vermute, dass es sich hierbei um eine individuelle Anfertigung handelte, für die Bohrungen in der Karosserie erforderlich waren.
Das Emblem auf dem Kühlergrill ist das des DDAC, in dem nach 1933 die deutschen Autoclubs von den Nationalsozialisten zwangskollektiviert wurden.
Auch in solchen Details offenbarte sich eine auf Ausschaltung von Individualität und Pluralismus abzielende, antibürgerliche Ideologie – übrigens eine latente Gefahr.
Die betrüblichen Zeitumstände, unter denen die schönen Hansa-Wagen entstanden, sollten einen aber nicht von einer eingehenden Beschäftigung damit abhalten.
Einige dieser Fahrzeuge haben die Zeiten überdauert und heutige Besitzer sind möglicherweise dankbar für alle originalen Dokumente, die Einblicke in Details erlauben, die sonst nirgends dokumentiert sind.
Am Ende fragt man sich, weshalb sich der schicke Hansa 1100 bei identischem Preis, gleicher Leistung und ähnlichen Abmessungen schlechter verkaufte als der Adler Trumpf Junior.
Sicher, der Adler konnte mit Frontantrieb auftrumpfen, doch der war manchem Autoenthusiasten in den 1930er Jahren noch suspekt. Zudem bot der Hansa hydraulische Vierradbremsen, nicht nur Seilzugbremsen.
Möglich, dass Adler aus Frankfurt das größere Prestige besaß, im deutschen Sprachraum über eine bessere Präsenz verfügte und logistisch zu größeren Stückzahlen imstande war.
Dafür sollte Hansa bzw. der Borgward-Konzern nach dem Krieg noch zu großer Form auflaufen, während sich Adler wie Hanomag aus schwer nachvollziehbaren Gründen gegen eine Wiederaufnahme der PKW-Produktion entschied…
Die frühen 1930er Jahre in Deutschland waren wirtschaftlich verheerend und politisch brisant – im Strudel der in ihren letzten Zügen liegenden Weimarer Republik gerieten auch etliche deutsche Automarken unter die Räder.
Einst bedeutende Hersteller wie Brennabor, NAG und NSU mussten damals die PKW-Produktion einstellen. Neben der Wirtschaftskrise setzte die Konkurrenz der in allen Bereichen führenden US-Automobilindustrie den meist rückständigen deutschen Autobauern zu.
Einige hiesige Traditionshersteller entgingen damals mit kreativer Modellpolitik dem Ruin – darunter Adler aus Frankfurt, Stoewer aus Stettin – und Hansa aus Bremen.
Das altehrwürdige Werk von Hansa-Lloyd war 1929 vom aufstrebenden Unternehmer Carl Borgward übernommen worden. Die Produktion der großen 6- und 8-Zylindervon Hansa wurde unter der Regie von Borgward nicht weitergeführt.
Stattdessen bot Borgward unter der Marke Hansa eine Reihe neuer Modelle an, die ordentliche Motorisierung und absolut stilsichere Gestaltung boten:
Hansa “Konsul”; Originalfoto aus Sammlung Marcus Bengsch
Im Jahr 1931, als dieses hochelegante Modell “Konsul” vorgestellt wurde, bot in der Mittelklasse kein deutscher Hersteller Vergleichbares.
Stilistisch bewegte man sich auf dem Niveau teurer Sechs- bzw. Achtzylinder-Modelle von Mercedes und Röhr. Auch leistungsmäßig bot man durchaus Beachtliches.
Der “Konsul” von Hansa war mit einem 2,6 Liter-Sechszylinder und 50 PS oder einem gleichstarken Vierzylinder mit 3,3 Liter Hubraum verfügbar. Daneben gab es anfänglich auch eine 4-Zylinder-Version mit 2,1 Litern und 40 PS.
Damit hatte der Kunde die Wahl zwischen einem laufruhigen 6-Zylinder aus US-Produktion (Hersteller: Continental) und einem elastischeren großen 4-Zylinder aus Eigenfertigung. Beide Aggregate erlaubten eine Höchstgeschwindigkeit von 90 km/h.
Zwar hätte die Leistung bei dem nicht übermäßig schweren Wagen (Limousine: 1.300 kg) für ein höheres Spitzentempo gereicht. Doch in Zeiten vor dem Bau der Autobahn brauchte man das nicht – wichtiger waren Steigfähigkeit und schaltfaules Fahren.
Mit so einem schönen Automobil wollte man reisen, nicht rasen:
Auf diesem Ausschnitt sehen wir übrigens die typischen Griffmulden, die schon bei Hansa-Modellen vor dem 1. Weltkrieg oberhalb der Luftschlitze angebracht waren – eine der wenigen Konstanten in der wechselhaften Geschichte der Marke.
Praktisch dieselbe Ansicht der Kühlerpartie mit dem eigenwilligen helmartigen Kühlerverschluss findet sich auf Seite 148 des Standardwerks “Deutsche Autos 1920-45” von Werner Oswald.
Die mächtigen vollverchromtenScheinwerfer, die geschwungene Chromstange dazwischen und die Doppelstoßstange sind klare Anleihen von US-Wagen jener Zeit. Gleichzeitig verleiht die schräggestellte Frontscheibe dem Hansa etwas Sportliches.
Im Unterschied zu der Abbildung im “Oswald” zeigt das hier vorgestellte Foto den Hansa Konsul als vier- (nicht bloß zwei)sitziges Cabriolet:
Diese edle Ausführung war die teuerste, die ab Werk zu bekommen war – knapp 5.500 Mark waren dafür in der Vierzylinderversion zu berappen. Mit dem gleichstarken 6-Zylinder von Continental erhöhte sich der Preis auf fast 6.000 Mark.
Damit wären wir bei aller Schönheit des Wagens und der idyllischen Situation auf unserem Foto beim Schwachpunkt des Hansa “Konsul”. Der Wagen war zu teuer – nicht nur absolut, sondern auch im Vergleich zu amerikanischen Importfahrzeugen.
So kostete ein Chevrolet mit gleichstarkem 6-Zylindermotor als viersitziges Cabriolet 1931 mit 5.300 Mark weniger und war insgesamt agiler. Das Fehlen von Hydraulikbremsen war damals verkraftbar.
Wer so viel Geld aufbringen konnte und sich nicht auf die Kleinwagenklasse beschränken musste, kaufte gleich einen der gut ausgestatteten und ausgereiften “Amerikanerwagen”, zumal auch der Hansa nur mit Starrachsen daherkam.
So blieb es bei einer Produktion von einigen hundert (angeblich maximal 600) Fahrzeugen des Typs Hansa “Konsul”. Schade, dieses elegante Modell hätte, zumindest was die Erscheinung angeht, eine stärkere Verbreitung verdient.
Ob von der offenen Version ein Exemplar überlebt hat – weiß es jemand?
Zu den bedeutenden deutschen Vorkriegsautomarken, deren Geschichte kaum überzeugend dokumentiert ist, gehört neben Brennabor, NAG, Presto und Protos auch Hansa.
Die Ursprünge der Marke lassen sich bis 1905 zurückverfolgen. Damals wurde im oldenburgischen Varel die Hansa Automobil-Gesellschaft gegründet, die einige Zeit Wagen unter der Marke HAG mit Motoren nach DeDion-Bauart fertigte.
Schon 1907 stellte man einen selbstkonstruierten Vierzylindermotor vor:
HAG Typ A 12, zeitgenössische Prospektabbildung von 1908
Markentypische Elemente sind bei diesem 6/12 PS-Modell noch nicht zu erkennen. Zeitgenössisch ist die rechtwinklig auf die hintere Schottwand treffende Motorhaube – meist ein guter Datierungshinweis bei deutschen Autos aus der Zeit vor 1910.
Ab 1911 entstand dann ein Modell der Steuerklasse 8 PS mit 20 PS aus 2,1 Liter Hubraum, das den Anfang unserer Zeitreise markiert.
Der Wagen war mit dem strömungsgünstigen Übergang zwischen Haube und Frontscheibe – als Windlauf oder Torpedo bezeichnet – auch formal auf der Höhe:
Hansa Typ C 8/24 PS; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Diese schöne Aufnahme zeigt sehr wahrscheinlich das ab 1913 gebaute, etwas stärkere 8/24 Modell, das sich äußerlich nur geringfügig vom 8/20 PS-Typ unterscheidet.
Auf S. 211 im älteren Standardwerk “Autos in Deutschland 1885-1920” von Hans-Heinrich von Fersen findet sich das frühe 8/20 PS Modell (dort irrtümlich als 8/24 PS bezeichnet).
Das darauf aufbauende Nachfolgewerk “Deutsche Autos 1885-1920” von Halwart Schrader zeigt dann ein korrekt beschriftetes Foto des Hansa 8/24 PS-Typs, das vollkommen mit unserer Aufnahme übereinstimmt.
Wir haben dieses nach dem 1. Weltkrieg entstandene Fotohier besprochen, daher nehmen wir uns nun die nächste Entwicklungsstufe des Hansa 8 PS-Modells vor.
Dabei handelt es sich um ein Übergangsmodell, dessen Motor bei unveränderten 2,1 Liter Hubraum offiziell 26, laut Literatur aber sogar 30 PS leistete. Möglich, dass dabei zwischen Dauer- und kurzfristiger Spitzenleistung unterschieden wurde.
Hier haben wir das gute Stück, das an die 80 km/h schnell war:
Hansa Typ P 8/24 PS; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Bei diesem fast sportlich anmutenden Tourenwagen erinnert der Schnabelkühler noch an die Entstehung des 8 PS-Modells in der Vorkriegszeit. Das abgebildete Fahrzeug haben wir hier bereits gezeigt.
Von nun an firmierte es als Typ P (nicht mehr Typ C), was bis Produktionsende 1928 beibehalten wurde. Zu den Erkennungsmerkmalen des Typs P 8 PS gehörten die nach innen gestanzten Luftschlitze – formal eine saubere und markante Lösung.
Während die Frontpartie des Wagens auf dem Foto bereits etwas lädiert ist, erscheint der hintere Aufbau noch sehr ansehnlich:
Wer einen Sinn dafür hat, erkennt hier die spannungsreiche und körperhafte Gestaltung des konventionellen Tourenwagenaufbaus, wie sie Anfang der 1920er Jahre noch gängig war, die jedoch später einer streng sachlichen Auffassung wich.
Abgesehen von der farblich abgesetzten, raffiniert getreppten Schwellerpartie dominieren in der Seitenansicht leichte Schwünge und Bögen – die Gerade wird vermieden.
Auch die Taillierung des Wagenkörpers zum Schweller hin ist eine Tradition der Vorkriegszeit, die sich im Lauf der 1920er Jahre ebenso verlor wie die ausdrucksstarken Kühlerformen (vgl. den vorherigen Blogeintrag).
Doch bevor wir dazu kommen, wollen wir der Leserschaft eine weitere Aufnahme des Übergangsmodells Hansa Typ P 8/26 PS nicht vorenthalten.
Es bezieht seinen Reiz unter anderem aus dem selten zu sehenden geschlossenen Verdeck und der Aufnahmesituation:
Hansa Typ P 8/26 PS; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Diese exzellente Aufnahme verdanken wir Leser Klaas Dierks, der mit seinem sicheren Blick für fotografische Qualität und Gespür für außergewöhnliche Automobile diesem Blog schon einige Sternstunden bereitet hat.
Der Wagen auf diesem Foto stimmt in allen wesentlichen Details mit dem zuvor gezeigten Hansa Typ P 8/26 PS überein.
Allerdings ist hier der Schnabelkühler noch heile und man sieht die hansatypischen oberhalb der Luftschlitze angebrachten Griffmulden in der Motorhaube (vgl. auch die Aufnahme des Hansa Typ C 8/24 PS.)
Auf beiden Aufnahmen des Hansa Typs P 8/26 PS sind die Ausführung der Vorderschutzbleche, der Ersatzradmulde, des Halters für das Reserverad und der Haubenschlitze vollkommen identisch.
Weshalb auf dem ersten Foto besagte Griffmulden nicht zu sehen sind, muss offenbleiben. Die Identfikation der beiden Hansa-Wagen kann aber als gesichert gelten.
Auch kleine Unterschiede wie die abweichende Frontscheibenausführung können angesichts der Fertigung dieser Wagen in Manufaktur als unwesentlich gelten.
Einen näheren Blick ist das montierte Verdeck wert, das dem Hansa eine ganz andere Anmutung verleiht:
Man sieht hier deutlich, dass ein ungefüttertes Tourenwagenverdeck nur notdürftigen Schutz bot, selbst bei Montage der seitlichen Steckscheiben blieb ein solches Auto eine zugige Angelegenheit.
Vergessen wir aber nicht: Fast die gesamte Bevölkerung Deutschlands war damals den Unbilden des Wetters völlig ungeschützt ausgesetzt – auf dem Weg zur Arbeit, bei der Feldarbeit oder auf dem Bau, beim Verwandtenbesuch mit dem Pferdegespann usw.
Unser ernst schauender Hansa-Fahrer wird gewusst haben, in welch’ privilegierter Position er sich befand, und wenn er ein angestellter Chauffeur war. Möglicherweise wurde er anlässlich einer Ausflugstour von den Besitzern des Wagens fotografiert.
Nach Ansicht des Verfassers wurde das Foto im Rheintal in Fließrichtung links aufgenommen – eventuell auf der wildromantischen Strecke zwischen Bingen und Loreley. Wer’s genauer oder besser weiß, möge die Kommentarfunktion nutzen.
Kommen wir zum Abschluss unserer Reise durch die Zeit von 1911 bis 1924. In etwas mehr als zehn Jahren kam es – beschleunigt durch den 1. Weltkrieg – auf fast allen Ebenen zu ungeheuren Umwälzungen.
Dass eine neue Zeit angebrochen war – die, wie sich erwies, nicht unbedingt besser war als die des untergegangenen Kaiserreichs – zeichnete sich gegen Mitte der 1920er Jahre auch bei den bis dato meist konservativen deutschen Autoherstellern ab.
Der Tendenz zu einer sachlichen, mitunter arg schlichten und ans Belanglose grenzenden Linienführung ging auch an Hansa nicht vorbei.
Ab 1924 erhielt der Typ P eine erneute Leistungsspritze – 36 PS leistete der nach wie vor 2,1 Liter messende Seitenventiler nun – außerdem eine neue Kühlerpartie:
Hansa Typ P 8/36 PS; Originalaufnahme aus Sammlung Michael Schlenger
Was hier durch eine Kühlermanschette für den Betrieb in der kalten Jahreszeit verdeckt ist, ist ein Flachkühler, wie ihn unzählige Wagen jener Zeit erhielten.
Gleichzeitig dominieren schlichte, kastenartige Aufbauten, die bei Serienmodellen nur selten Raffinesse entfalten. Daher sind viele Autos um die Mitte der 1920er Jahre schwer auseinanderzuhalten.
Umso wichtiger werden Details wie die unveränderte Gestaltung der Luftschlitze und der Griffmulden in der Motorhaube sowie die Form des Reserveradhalters – alles übrige könnte zu irgendeiner Limousine jener Zeit gehören.
Damit wären wir am Ende unserer Reise durch die Geschichte des Hansa 8 PS-Modells angelangt.
Möglich ist solch eine Exkursion nur auf Grundlage geduldigen Sammelns von Originalaufnahmen, akribischem und kritischem Studium der – oft spärlichen – Literatur und nicht zuletzt dank des Wissens und der Dokumente sachkundiger Leser…
An die 150 internationale Automarken der Vorkriegszeit sind im Lauf der Zeit auf diesen Oldtimerblog in historischen Originalfotos aus der Sammlung des Verfassers und aus dem Fundus von Lesern vorgestellt worden.
Luft nach oben ist beim Thema Vorkriegsautos immer – allein aus den USA sind über 5.000 Hersteller bekannt und in Europa kommen nochmals weit über tausend dazu, vor allem solche aus Frankreich und England.
Doch auch die Markenwelt im deutschsprachigen Raum bietet jede Menge Abwechslung – man denke nur an die faszinierenden Hersteller aus Böhmen und Österreich, über die hierzulande kaum berichtet wird.
Selbst wenn man sich auf das Gebiet des heutigen Deutschlands beschränkt, hat man es mit einer tropischen Fülle an Marken zu tun, die heute kaum noch einer kennt. Eine davon sagt immerhin den Borgward-Freunden noch etwas: Hansa!
Gern gesteht der Verfasser, dass er eine Schwäche für die eleganten Typen 1100 und 1700 hat, die ab 1934 unter dem traditionsreichen Namen Hansa im Borgward-Konzern gebaut wurden. Hier haben wir einen davon:
Keine Sorge, vom eigentlichen Gegenstand des heutigen Blogeintrags bringen wir noch ein technisch überzeugenderes Foto. Doch schon auf diesem Ausschnitt aus einer unscharfen Aufnahme erkennt man die Charakteristika des Typs.
Alle vertikalen Linien vom Kühler über Frontscheibe und A-Säule bis hin zum hinteren Türabschluss weisen dieselbe Neigung auf.
Besonders markant und bei deutschen Autos wohl einzigartig ist die Schrägstellung der B-Säule, die man bei britischen Wagen der 1930er Jahre findet.
Typisch sind auch die vier hochliegenden, angeschrägten Luftklappen in der Motorhaube, die durch Chromleisten akzentuiert sind. Das gab es beim Hanomag Rekord ebenfalls, doch aber dort reichen die Klappen weiter hinunter.
Gerade der Vergleich mit dem Hanomag Rekord, der bei allen sonstigen Qualitäten bieder wirkt, vedeutlicht die formale Klasse des Vierzylinder-Hansa 1100 und des parallel angebotenen Hansa 1700 mit Sechszylinder.
Nicht zuletzt die weit hinuntergezogenen seitlichen “Schürzen” an den Schutzblechen lassen den technisch ebenfalls unspektakulären Hansa moderner erscheinen als den etwas stärkeren Hanomag Rekord – beide besaßen übrigens Hydraulikbremsen.
Bevor wir zum heutigen Stargast kommen, werfen wir noch einen Blick auf die Originalaufnahme, zu der obiger Bildausschnitt gehört:
Hansa 1100 im Riesengebirge; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Laut Beschriftung des Abzugs entstand das Foto einst im Riesengebirge im Grenzland zwischen Schlesien und der Tschechei. Mit der über 1.600 m hohen Schneekoppe war das Riesengebirge bis 1945 Deutschlands höchstgelegenes Mittelgebirge.
Der Verfasser hat einige Zeit damit verbracht, den Gasthof im Hintergrund zu identifizieren – solche komfortablen Unterkünfte waren in der Region einst als “Bauden” bekannt – leider vergeblich. Vielleicht kann ein Leser weiterhelfen.
Nach diesem Einstieg wechseln wir nach Westfalen, in die Industrie- und Garnisonsstadt Iserlohn. Dort entstand 1937 folgende Aufnahme eines Hansa 1100:
Hansa 1100; Originalfoto von 1937 aus Sammlung Michael Schlenger
Zur Identifikation des Wagens müssen wir wohl nichts mehr sagen – alle oben erwähnten Charakeristika sind auf Anhieb zu erkennen.
Schön nachvollziehen lassen sich hier die harmonisch fließenden Linien der Heckpartie, die bis heute oft gestalterisch vernachlässigt wird oder von bizarren Ideen geprägt ist, die keiner Logik folgen.
So weit, so gut. Die formalen Qualitäten des Hansa 1100 und seines großen Bruders Hansa 1700 haben wir hier ja schon des öfteren gewürdigt.
Doch abgesehen von der schönen Aufnahmesituation – kein Auto wirkt für sich allein so lebendig wie mit den einstigen Besitzern – findet sich neben der bekannten Eleganz der Linienführung ein Extra, das das Foto außergewöhnlich macht:
Der Aufsatz am oberen Ende der Seitenscheibe scheint – wenn nicht alles täuscht – der besseren Entlüftung des Innenraums zu dienen.
Kann jemand Näheres zu diesem Zubehör sagen, das offenbar passgenau für den Fensterausschnitt des Hansa 1100 bzw. 1700 verfügbar war? Wer war der Hersteller und gibt es zeitgenössische Reklamen, die die Vorteile des Teils benennen?
Mit diesem Aufruf könnten wir den heutigen Blogeintrag beenden, wäre da nicht eine offene Frage: Woher wissen wir, dass dieses Foto einst in Iserlohn entstand?
Nun, es gibt einen zweiten Abzug, der denselben Wagen aus anderer Perspektive und nun mit dem mutmaßlichen Fotografen der ersten Aufnahme zeigt:
Hansa 1100; Originalfoto von 1937 aus Sammlung Michael Schlenger
Hier erkennt man schemenhaft den ominösen Aufsatz auf der Fahrertür, von dem eben die Rede war. Zudem stammen die beiden Abzüge aus derselben Quelle.
Dieser Hansa besaß eine Zulassung in Westfalen (Kennung “IX”) und eine Ziffernfolge, die zum Nummernkreis für die Stadt Iserlohn passt (Quelle: Andreas Herzfeld: Handbuch Deutsche Kfz-Kennzeichen Band 1 Deutschland bis 1945).
Auch aus dieser Perspektive wirkt der Hansa makellos proportioniert und sauber gezeichnet. Die wappenartig geformte Kühlerumrandung ist eigenständig, auf unnötigen Zierrat wird hier weitgehend verzichtet.
Lediglich die verchromte Abdeckung der Öffnung für die Anlasserkurbel (die nur selten zum Einsatz kam) setzt einen Akzent am unteren Kühlerende, das spitz und ganz leicht nach vorn geschwungen ausläuft.
Die feine Spannung der Kühlerpartie, an der kaum eine gerade Linie zu sehen ist, lässt sich auf folgender Aufnahme eines Hansa 1700 nachvollziehen:
Hansa 1700; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Diese Aufnahme hat trotz schlechter Erhaltung einigen Reiz. So lässt sich auch an diesem 6-Zylindertyp die dynamische Gestaltung des Kühlers nachvollziehen, die den weiteren Aufbau bis hin zum hinteren Türabschluss bestimmt.
Zudem wird ein ortskundiger Leser sagen können, wo das Foto des Hansa 1700 einst entstand – der Verfasser tippt auf eine norddeutsche Hafenstadt. Nicht zuletzt lässt sich aus dem Wimpel am Vorderschutzblech etwas zum Besitzer ableiten.
Man sieht: Die eleganten Hansa-Wagen der Typen 1100 und 1700 sind auch nach über 80 Jahren noch für die eine oder andere Extra-Überraschung gut.
Möglich machen das historische Originalfotos und ihre Aufarbeitung auf diesem Oldtimer-Blog unter Mitwirkung sachkundiger Leser…