Die sächsische Marke DKW – speziell ihre Frontantriebswagen – gehören zu den häufigsten “Gästen” auf diesem Oldtimerblog für Vorkriegsautomobile.
Dabei sind wir schon einigen Spezialausführungen begegnet wie dem schicken F5 Front Luxus Roadster oder dem rassigen Tornax Rex. Doch selbst die besaßen nie mehr als zwei Zylinder und arbeiteten nach dem Zweitaktprinzip.
Da mutet ein 6-Zylinder-DKW doch arg unglaubwürdig an – auch die eher seltenen Hecktriebler aus Zwickau mussten sich mit vier Töpfen begnügen.
Dennoch lässt sich die These vertreten, dass DKW einst auch Sechszylinderwagen vom Stapel ließ – die bloß als Audi verkauft wurden.
Das zu erklären, ist nicht ganz einfach. Am besten beginnen wir mit dem Audi, den wir hier zuletzt anhand eines Fotos eines Lesers vorstellen konnten:

Audi Typ M 18/70 PS; Originalfoto aus Sammlung Klaas Dierks
Das ist der mächtige Audi Typ M 18/70 PS mit 4,7 Liter großem 6-Zylindermotor, der bis 1928 in rund 230 Exemplaren gebaut wurde. Die Stückzahl verrät bereits, dass Audi damals Manufakturwagen produzierte.
Daneben meinte man mit einem 8-Zylinderwagen glänzen zu müssen, dem nur 145mal gebauten “Imperator”.
Die Leserschaft wird es verzeihen, dass der Verfasser in diesem Fall auf eine Werksaufnahme aus seinem Archiv zurückgreifen muss – private Fotos dieses Dinosauriers sind nun einmal äußerst rar:

Audi Typ R 19/100 PS Imperator; Werksaufnahme aus Sammlung Michael Schlenger
Auf diesen 100 PS starken Koloss im “Amerikaner”-Stil wollen wir an dieser Stelle nicht näher eingehen.
Das Fahrzeug illustriert aber, in welcher Nische sich Audi Ende der 1920er Jahre bewegte. Versuche, die Produktionskapazität auszuweiten, scheiterten an Kapitalmangel und fehlenden Typen, die dafür geeignet gewesen wären.
Am Ende waren die hochverschuldeten Audi-Werke nur noch Verfügungsmasse der Banken, die diesen Ballast geschickt bei DKW platzierten, deren Chef Rasmussen damals eine kühne Expansionsstrategie verfolgte.
Nach der Übernahme durch DKW im Jahr 1928 wurden im Audi-Werk noch eine Weile Achtzylinderwagen produziert, doch der Absatz ging immer weiter zurück.
Daran war DKW nicht ganz unschuldig. Denn auch dort hatte man sich in Sachen 8-Zylinderwagen verkalkuliert. DKW hatte in den USA das “Rickenbacker”-Motorenwerk gekauft und dessen Maschinen nach Deutschland verschifft.
Die auf Weisung von DKW mit Rickenbacker-Motoren gebauten 8-Zylinder-Audis erwiesen sich als Desaster.
Unterdessen hatte DKW-Chef Rasmussen jedoch erkannt, dass sich das Zwickauer Audi-Werk viel besser zur Massenproduktion des neu entwickelten DKW-Front-Typs eignete, der ein Riesenerfolg werden sollte.
Hier haben wir die Ausbaustufe DKW F4, wie sie 1934/35 gebaut wurde:

DKW F4 Front; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Schon bei den DKW-Kleinwagen hatten die Zwickauer gezeigt, wie attraktiv man Fronttriebler verpacken konnte und wie gut sie sich verkaufen ließen, wenn man über ausreichende Produktionskapazität verfügte.
Die hatte DKW in Zwickau in Form des Audi-Werks. Dennoch plante man für die einverleibte Marke eine neue Karriere als Hersteller frontgetriebener Wagen, die oberhalb der DKWs angesiedelt waren.
1933 war es soweit – der erste Audi Front wurde präsentiert:
Das soll ein Fronttriebler sein? Tja, so ändern sich die Zeiten.
Heute geht der Vorderradantrieb mit banalster Gestaltung einher, und die Käufer scheinen in dieser Hinsicht entsprechend abgestumpft zu sein. Doch in den frühen 1930er Jahren waren frontgetriebene Autos in Europa die Speerspitze des Fortschritts und entsprechend selbstbewusst kamen diese Wagen daher.
Zudem war in den 1930er Jahren noch die Kunst stilsicherer Formgebung lebendig und man nutzte plastische Gestaltungstechniken statt Computer-Design – ein Grund für die skulpturenhafte Anmutung vieler Autos jener Zeit.
Übrigens war in der Zwischenzeit auf Betreiben der Gläubigerbanken DKW nebst Tochter Audi mit Horch in der Auto Union zusammengefasst worden, zu der sich noch Wanderer aus Chemnitz gesellte, was Anlass zum legendären Emblem aus vier ineinandergreifenden Ringen gab.
So kam im ersten Audi Front kurzerhand ein Wanderer-Sechszylindermotor mit 40 PS zum Einsatz. Für den Frontantrieb waren einige Anpassungen erforderlich, doch das zunächst knapp 2 Liter messende Aggregat fügte sich gut ein.
Man erkennt die ganz frühen Exemplare des Audi Front vor allem am Fehlen seitlicher “Schürzen” an den vorderen Schutzblechen:

Audi Front 8/40 PS; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Wer hier spontan an einen Horch denkt, hat vermutlich die “1” auf dem Kühler übersehen – das Erkennungszeichen der Audis seit 1923. Ansonsten ist die stilistische Ähnlichkeit durchaus gegeben.
Die Form der seitlichen Luftklappen in der Motorhaube entspricht zwar nicht dem Erscheinungsbild der frühen Limousinen, doch hier haben wir ein Cabriolet, das in der Regel von Gläser in Dresden gebaut wurde und solche Details aufwies.
Leider ist die Qualität der Aufnahme zu schlecht, um die markante “Gläser”-Plakette erkennen zu können, die meist unten vor der A-Säule angebracht wurde.
Nicht viel besser ist das folgende Foto, doch private Aufnahmen von Audis der Vorkriegszeit sind so selten, dass man nehmen muss, was man kriegen kann:

Audi Front 8/40 PS; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Trotz der Unschärfe lässt sich dieser Audi Front sehr genau datieren. Er weist noch die seitlichen Luftklappen auf, die im Frühjahr 1934 Schlitzen wichen. Gleichzeitig verfügt er über Kotflügelschürzen, die erst ab Herbst 1933 auftauchten.
Man mag kaum glauben, dass sich ein so edles Auto nur schleppend verkaufte. Einer der Gründe war die geringe Leistung – selbst die eher biederen Hanomag-Sechszylinder des Typs “Sturm” leisteten 50 PS.
Daher verbaute man ab 1934 beim Audi Front einen ebenfalls 50 PS leistenden Motor, dessen Hubraum (2,25 Liter) nun Einzug in die offizielle Bezeichnung hielt: Audi Front Typ 225.
Der neue Motor wurde wieder von Wanderer übernommen, galt aber als sehr durstig. Auch andere Mängel lasteten auf dem Image des überarbeiteten Modells.
Erst die 1936 vorgestellte, optisch und technisch weiter verfeinerte Version Audi Typ 225 Luxus wusste vollends zu überzeugen. Dazu trug auch die nochmals gesteigerte Motorleistung von 55 PS bei:

Audi-Reklame ab 1936; Original aus Sammlung Michael Schlenger
Außer der gestiegenen Motorleistung sind dieser historischen Reklame weitere Details zu entnehmen:
Auf der Mittelstrebe des Kühlers prangt das Auto-Union-Emblem, das bei den ganz frühen Exemplaren des Audi Front noch fehlte.
Außerdem sieht man zwei übereinanderliegende Reihen Kühlluftschlitze, die bis Produktionsende 1938 beibehalten wurden. Rund 4.400 Exemplare des auf DKW-Initiative entstandenen Audi “Front” entstanden bis dahin.
Zwar liest man bisweilen wie im Fall von DKW oder Adler, dass die frontgetriebenen Audis nach Kriegsbeginn 1939 von der Requirierung für die Wehrmacht verschont blieben, weil sie als untauglich galten.
Doch Fotos von Frontantriebswagen aller drei genannten Marken finden sich zahlreich in den Fotoalben deutscher Soldaten und das nicht nur bei Versorgungseinheiten hinter der Front.
Es wäre ja auch merkwürdig, dass ausgerechnet der frontgetriebene Citroen 11 CV eines der verbreitetsten und beliebtesten Beutefahrzeuge bei der Truppe war und die Fronttriebler aus eigener Produktion verschmäht worden sein sollen.
Einen einst im Dienst der Wehrmacht gelaufenen Audi Typ 225 Luxus zeigt wahrscheinlich auch diese Aufnahme:

Audi Typ 225 Luxus, Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Der durchgehend matte Lack und das verlorengegangene Auto-Union-Emblem auf dem Kühler machen einen Einsatz im Krieg wahrscheinlich.
Auch die nicht originale Stoßstange spricht dafür, dass wir es mit einem Veteranen zu tun haben, der nach dem Krieg in neue Hände kam, die auf Originalität wenig Wert legten.
Vielleicht kann ein Leser sagen, auf welche Nationalität das merkwürdige Kennzeichen verweist. Mangels Kombinationsmöglichkeiten kann es nur zu einem kleinen Staat oder einer Organisation mit begrenzter Fahrzeugzahl gehört haben.
Der Verfasser ist für alle Hinweise in dieser Richtung dankbar!
Literatur: Audi-Automobile 1909-40, von Peter Kirchberg und Ralf Hornung, Verlag Delius Klasing, 2. Auflage 2015
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