Nicht schon wieder ein Presto – den hatten wir doch kürzlich erst (und das nicht zum ersten Mal).
Stimmt, der nach dem 1. Weltkrieg verbreitete Typ D 9/30 PS der Chemnitzer Marke ist in diesem Blog ziemlich lebendig – vermutlich gibt es in der Presto-Galerie bereits mehr historische Aufnahmen davon als überlebende Fahrzeuge…
Heute können wir aber tatsächlich etwas “Neues” in Sachen Presto bringen, den ab 1925 gebauten Nachfolgetyp E 9/40 PS.
Er besaß noch den schnittigen Spitzkühler des Vorgängers – der den Presto-Wagen ein unverwechselbares Gesicht gab. Aber in technischer Hinsicht war man nicht untätig geblieben.
Aus dem nach wie vor 2,4 Liter großen Vierzylinder – ein klassischer Seitenventiler – hatte man nunmehr 40 statt 30 PS herausgeholt. Solchermaßen beflügelt stieg die Höchstgeschwindigkeit des Presto von 70 auf 80 km/h.
Passend zum gestiegenen Leistungsvermögen hatte man dem E-Typ auch Vierradbremsen verpasst – wie damals üblich noch mechanisch betätigt.
Dieses Detail ist das Hauptunterscheidungsmerkmal des Presto Typ E 9/40 PS gegenüber dem Typ D 9/30 PS. Das war dem Verfasser lange nicht bewusst, weshalb er bei früherer Gelegenheit folgenden Wagen ebenfalls als Typ 9/30 PS angesprochen hatte:

Presto Typ E 9/40 PS; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Die trotz starken Lichteinfalls von links reizvolle Aufnahme mit dem doppelt belichteten Paar lässt die vorderen Bremstrommeln gut erkennen, weshalb es sich um einen Typ E 9/40 PS handeln muss.
Wie es scheint, besaß der Nachfolger des D-Typs statt ausgestanzter breiter Luftschlitze ein aufgenietes Blech mit schmaleren und zahlreicheren Luftschlitzen in der Haube.
Oder war dies erst bei späten Modellen des bis 1927 gebauten E-Typs der Fall?
Auf einer anderen Aufnahme eines Presto E 9/40 PS sehen wir zwar ebenfalls die vorderen Bremstrommeln, aber die Ausführung der Luftschlitze scheint noch wie beim Vorgänger zu sein, sofern dies auf dieser mäßigen Aufnahme überhaupt zu erkennen ist:

Presto Typ E 9/40 PS; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Bei Presto in Chemnitz entstanden zwischen 1921 und 1927 keine zehntausend Exemplare der Typen D und E, sodass man noch von einer Manufakturproduktion ausgehen kann.
Da ist es gut möglich, das man entweder bei den letzten D-Typen schon Vierradbremsen verbaute – vielleicht als Zubehör – oder dass bei den ersten E-Typen noch Bestände an Motorhauben des Vorgängers verbaut wurden.
Wer hierzu Näheres weiß, kann dazu die Kommentarfunktion nutzen – ergänzende Informationen werden im Blog-Eintrag berücksichtigt.
Viel mehr lässt sich angesichts der dürftigen Literatur zur Marke Presto zum Typ E 10/40 PS vorerst nicht sagen.
Sollte jemand über einen zugehörigen Originalprospekt verfügen, wäre es natürlich schön, diesen der Leserschaft zugänglich zu machen, die sich aus monatlich über 1.500 Vorkriegsenthusiasten zusammensetzt.
Nicht vorenthalten möchte der Verfasser dem geschätzten Publikum zwei weitere Originalfotos von Presto-Wagen des Typs E 9/40 PS aus seinem Fundus.
Da hätten wir zunächst diesen außergewöhnlichen Schnappschuss:

Presto Typ E 9/40 PS; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Dieses tolle Foto lässt das beeindruckende Platzangebot in einem sechssitzigen Tourenwagen der 1920er Jahre aus der Vogelperspektive erkennen.
Die Aufnahme wurde vermutlich von einem Balkon im ersten Stock eines Hauses in Leipzig geschossen – jedenfalls entstand der Abzug laut umseitigem Stempel in einem Fotoatelier in der sächsischen Großstadt.
Möglicherweise zeigt das Foto den Presto bei einer Veranstaltung in der Nachkriegszeit, für die sich die Insassen “fein” gemacht hatten. So ganz zusammenpassen wollen die Kostümierungen jedenfalls nicht.
Wenn dies zutrifft, könnte dieser Presto heute noch existieren. Denn auch unter den Sachzwängen des Sozialismus bestand in Ostdeutschland eine lebendige Vorkriegsautoszene, der wir das Überleben zahlreicher Wagen verdanken.
Und weil es so schön ist, haben wir hier eine weitere Aufnahme eines Presto Typs E 9/40 PS aus Zeiten der “DDR”:

Presto Typ E 9/40 PS; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Spitzkühler mit tropfenfömigem oberem Abschluss, Vierradbremsen, gerade geschnittene und spitz auslaufende Vorderkotflügel, aufgesetztes Blech mit Luftschlitzen – das ist ganz klar ein Presto Typ E 9/40 PS.
Am in Fahrtrichtung linken Rahmenausleger erkennt man das spezielle Oldtimer-Kennzeichen, das von den “DDR”-Behörden ausgegeben wurde. Es handelt sich somit eindeutig um ein Nachkriegsfoto.
Der Zustand des Presto scheint ausgezeichnet gewesen zu sein – eventuell war das Verdeck erneuert worden, es sieht zu gut aus, um als mindestens 30-jähriges Original durchzugehen.
Bei diesem Wagen dürfen wir erst recht davon ausgehen, dass er das sozialistische Menschenexperiment im Osten unseres Landes unbeschadet überstanden hat. Vielleicht erkennt ja jemand den Presto wieder und weiß, wer der heutige Besitzer ist.
Den Freunden der Marke Presto sei übrigens an dieser Stelle versprochen, dass inzwischen auch Originalfotos der noch selteneren Nachfolgetypen F 10/50 PS bzw. G 12/55 PS aufgetaucht sind – sie werden hier ebenfalls zu ihrem Recht kommen…
© Michael Schlenger, 2018. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://www.klassiker-runde-wetterau.com with appropriate and specific direction to the original content.