Es ist erstaunlich, welche Facetten sich dem einstigen Volumenmodell eines großen deutschen Automobilbauers nach über 90 Jahren noch abgewinnen lassen.
Die Rede ist vom Typ 6/25 PS der Frankfurter Traditionsmarke Adler, von dem zwischen 1925 und 1928 immerhin über 6.000 Exemplare entstanden.
Ein Promille davon haben wir in diesem Blog für Vorkriegswagen bereits anhand zeitgenössischer Automobilfotos dokumentiert.
Das klingt nicht sehr eindrucksvoll, ist aber das Doppelte von dem, was das verdienstvolle, aber nach bald 40 Jahren veraltete Adler-Standardwerk von Werner Oswald zu bieten hat.
Zwei hier präsentierte Adler des Typs 6/25 PS sind in der Literatur sogar überhaupt nicht in Abbildungen dokumentiert – das 2-sitzige Cabriolet und eine Landaulet-Version.
Doch selbst bei der gängigsten Version – dem Tourenwagen – lassen sich mehrere Ausführungen unterscheiden, über die die Literatur kein Wort verliert.
Zum Einstieg eine Reklame aus dem Reichsverkehrsführer des ADAC von 1927:

Adler-Originalreklame aus Sammlung Michael Schlenger
Die Darstellung des Adler 6/25 PS Tourenwagen ist zwar stilisiert, aber von den Proportionen sehr genau. Das Fahrzeug entsprach mit seinem sachlichen Aufbau dem formalen Ideal in Deutschland um die Mitte der 1920er Jahre.
Allerdings werden wir sehen, dass man es bei Adler durchaus verstand, selbst die Seitenansicht unverwechselbar zu gestalten. Doch zuvor kurz das Nötigste zur Technik dieses Erfolgsmodells von Adler:
Unter der Haube arbeitete ein nur 1,6 Liter großer Vierzylinder mit konventionellen Seitenventilen, dessen 25 PS Spitzenleistung durchaus beachtlich war. Eine wichtige Neuerung waren die Vierradbremsen – wenn auch noch mechanisch betätigt.
Bewusst zeigen wir hier nun zunächst das Vorgängermodell 6/24 PS, das in der Literatur aus unerfindlichen Gründen völlig ignoriert wird:

Adler 6/24 PS (1923/24); Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Hier sehen wir Drahtspeichenräder – vorne ungebremst – außerdem eine leicht schrägstehende, mittig unterteilte Frontscheibe sowie recht breite Luftschlitze in der Motorhaube (geschätzt rund 15).
Man präge sich außerdem die nach innen abgekantete Oberseite der Türen ein, die für eine raffinierte Lichtbrechung sorgt und die Kontur der Motorhaube fortsetzt. Festzuhalten ist außerdem, dass keine außenliegenden Türgriffe zu sehen sind.
Auf folgender bislang noch nicht veröffentlichten Aufnahme sehen wir praktisch die gleiche Karosserie noch dazu aus derselben Perspektive:

Adler 6/25 PS; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Wir haben hier ein frühes Exemplar des Adler 6/25 PS vor uns, das sich formal noch stark am Vorgängertyp 6/24 PS orientierte und nur anhand der Scheibenräder und der schmaleren, weit zahlreicheren Haubenschlitze identifizierbar ist.
Kühlerpartie, mittig unterteilte Frontscheibe und seitliche Linienführung sind vollkommen identisch. Es fehlen nur das Zierblech auf dem Seitenschweller und die Lufteintrittsklappe im Karosserieabschnitt zwischen Motorhaube und Vordertür.
Eine derartige Ähnlichkeit mit dem Adler 6/24 PS konnten wir noch bei keinem der bislang vorgestellten 6/25 PS-Typen feststellen. Auch ein weiteres, kürzlich “neu” aufgetauchtes Foto eines Adler 6/25 PS Tourenwagens weicht deutlich davon ab:

Adler 6/25 PS Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Der aufmerksame Betrachter wird folgendes bemerken:
- die Scheibenräder weisen hier eine zusätzliche konzentrische Linierung auf,
- die Türen haben auf einmal außenliegende Griffe,
- die Oberseite der Türen ist nicht mehr nach innen abgekantet,
- die Linienführung der Haube findet keine Fortsetzung hinter der Scheibe,
- die Frontscheibe ist nicht länger vertikal unterteilt, dafür ist das Oberteil auf voller Breite nach vorne ausstellbar.
Nicht unerwähnt bleiben soll die markante Kühlerfigur, die einen stilisierten Adler im Flug zeigt:
Angesichts dieser sauber gestalteten Silhouette und der makellosen Proportionen kann man die Begeisterung des Herrn mit Hut verstehen, der eine Rollfilmkamera in seinen Händen hält.
Die Wahrscheinlichkeit, im Deutschland der Zwischenkriegszeit einem solchen Adler 6/25 PS-Modell zu begegnen, war nicht sehr groß, als dieses Foto im August 1929 an einem unbekannten Ort entstand.
Beinahe 90 Jahre sind seither vergangen und immer noch schlagen uns Vorkriegsautofreunde Aufnahmen wie die hier gezeigten in den Bann.
Es wäre an der Zeit, der großen Marke Adler endlich die Hommage in Buchform zukommen zu lassen, die sie verdient. Der Verfasser hätte dafür noch jede Menge weiterer bisher unveröffentlichter Fotos in petto…