Die Welt der Vorkriegautos ist immer wieder gut für neue Überraschungen – speziell auf alten Fotos. Das zeigt sich heute anhand von Aufnahmen, auf denen “bloß” Hanomag-Kleinwagen der frühen 1930er Jahre zu sehen sind.
Das Wörtchen “bloß” steht deshalb in Anführungszeichen, weil selbst ein Hanomag mit weniger als 1 Liter Hubraum für die allermeisten Deutschen ein unerreichbarer Traum war.
Wer sich damals hierzulande ein Auto leisten konnte – und sei es das billigste am Markt – war darauf stolz wie Oskar und lichtete sich und das Automobil ab, wo es nur ging:

Hanomag 3/16 oder 4/20 PS; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Nun ja, viel ist nicht zu sehen von dem braven Vehikel – auch die Familie auf der anderen Straßenseite scheint nicht im Mittelpunkt zu stehen. Etwas anderes muss den Fotografen gefesselt haben.
Das werden nicht nur die schlanken Beine der Dame gewesen sein, die durch das Bild marschiert, doch auf jeden Fall etwas in der Richtung. Denn ganz in der Ferne sehen wir die Nürburg aus dem 12. Jahrhundert:
Für jeden Freund von Vorkriegsautos ist das ein magischer Ort, allerdings nicht wegen der abwechslungsreichen Geschichte der Nürburg selbst.
Vielmehr ist es die Rennstrecke rund um die Burgruine, die 1927 eröffnet wurde und bis heute einen legendären Ruf genießt wie sonst wohl nur der grandiose “Targa-Florio”-Rundkurs auf Sizilien.
Hier haben wir ein Sammelbild von 1935, das einen Teil der Rennstrecke mit der Nürburg im Hintergrund – nur aus anderer Himmelsrichtung – zeigt:

Nürburgring; Zigaretten-Sammelbild aus Sammlung Michael Schlenger
Abseits der Rennaktivitäten war der Nürburgring ein touristischer Anziehungspunkt erster Güte in der ansonsten kargen und dünnbesiedelten Eifelregion.
Da verwundert es nicht, dass Reisende in der Region – dem Kennzeichen nach hier Automobilisten aus dem Landkreis Opladen – Halt an dem kurvenreichen Kurs machten und dort selbst einige Kilometer zurücklegten.
Was aber war das für ein Automobil, das dort einst abgestellt wurde, damit die Insassen ein Erinnerungsfoto von dem denkwürdigen Ort machen konnten?
Nun, normalerweise sind Wagen der Zwischenkriegszeit – von Ausnahmen abgesehen – aus der rückwärtigen Perspektive schwer zu identifizieren.
Dabei konnten Heckaufnahmen durchaus ihren Reiz besitzen, wie folgendes Foto zeigt, das Ende der 1920er Jahre am Julierpass in der Schweiz entstand:
Vermutlich haben wir es hier mit einem Tourenwagen aus amerikanischer Fabrikation zu tun, der die knapp 2.300 Meter hochgelegene Passhöhe erklommen hatte, die schon in der Römerzeit Teil einer wichtigen Handelsroute nach Norden war.
Während offen ist, um was für eine Marke es sich bei diesem großzügigen Wagen handelte, können wir den Hersteller der braven Limousine genau identifizieren, die im Oktober 1931 am Nürburgring unterwegs war:
Auf der Ersatzradhülle am Heck erkennt man das etwas verschwommene Emblem, das die Hanomag-Automobile zierte, die auf den ersten PKW des Maschinenbaukonzerns aus Hannover folgten.
Die Rede ist vom kuriosen Typ 2/10 PS, der von 1925-28 gebaut wurde und dem der Volksmund den passenden Spitznamen “Kommissbrot” verpasste.

Hanomag 2/10 PS Cabriolet; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Das Wägelchen verfehlte mit knapp 16.000 Exemplaren zwar den Anspruch eines volkstümlichen Automobils – wie so etwas aussah, hatten die Hersteller in den USA, England und Frankreich längst vorgemacht – doch markant war es allemal.
Da verwundert es nicht, dass die Silhouette des ersten Hanomag-PKW noch seinen Nachfolger schmückte, den Typ 3/16 PS bzw 4/20 PS.
Nicht nur auf dessen Ersatzradabdeckung, auch auf der Kühlermaske finden wir das Emblem mit dem Konterfei des ersten Hanomag wieder:
Hier sehen wir die Silhouette des “Kommissbrots” auf dem Kühler eines wohl einzigartigen Roadsters auf Basis des Hanomag 4/20 PS (Porträt hier).
Während das verschwommene Flügellogo auf der Reserveradabdeckung des Wagens am Nürburgring auf Hanomag verweist, lassen die weit auseinanderliegenden seitlichen Zierleisten entlang des Aufbaus auf das Modell 3/16 oder 4/20 PS schließen, das Hanomag mit weitgehend identischem Limousinenaufbau um 1930 anbot.
Folgende Aufnahme zeigt ein solches Modell am Rhein bei Kaub aus ganz anderer Perspektive:

Hanomag 3/16 oder 4/20 PS am Rhein bei Kaub; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Solch eine Hanomag-Limousine, die mit Mühe und Not Platz für drei bis vier schlanke Personen bot, ist auch auf dem eingangs gezeigten Foto vom Nürburgring zu sehen.
Wir können – hier wie da -ausschließen, dass alle Personen auf diesen Fotos auch in dem abgelichteten Wagen unterwegs waren. Sicher hat jemand aus einem zweiten Fahrzeug diese Aufnahmen gemacht.
Leider wissen wir nichts sonst darüber, da solche Fotos meist aus dem ursprünglichen Kontext gerissen angeboten werden. Immerhin konnten wir hier anhand eines Details herausfinden, was das für Autos waren, die einst vor malerischer Kulisse fotografiert wurden – und das war das Logo!
Apropos: Folgende schöne Aufnahme zeigt wiederum einen Hanomag 3/16 oder 4/20 PS, nun aber mit einem modernisierten Emblem auf dem Kühler:

Hanomag 3/16 oder 4/20 PS; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Vorbei die Zeiten, in denen das Logo der Hanomag-Wagen an das Kommissbrot erinnerte. Hier sieht man stattdessen ein dekorativ gestaltetes “H” auf einer dreieckigen Plakette.
Diese Ausführung scheint nur vorübergehend montiert worden zu sein, da praktisch auf allen späteren Hanomag-Modellen ein stilisiertes Flügelemblem mit anderer Formgebung des “H” zu sehen ist.
Bislang konnte der Verfasser auf keinem anderen Hanomag diese Version des Emblems finden:
Möglicherweise kann ein sachkundiger Leser mehr dazu sagen…