Mit den richtigen Zutaten ganz schön sexy: Opel 4/14 PS

Zugegeben: Titel und Inhalt meines heutigen Blog-Eintrags sind gewagt – und in der Tat geht es um eine verwegene Mischung aus Reetdach und Pfeifenrauch, jungen Burschen beim Putzen, Weißwandreifen und schönen Frauen.

Das alles in Verbindung mit dem braven Opel 4/PS-Modell der 1920er Jahre – kann das gutgehen? Wir werden sehen…

Am Anfang steht eine technisch herausragende Aufnahme – sicher die Arbeit eines Profis – auf der die erste Ausführung des legendären Opel 4 PS „Laubfroschs“ zu sehen ist:

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Opel 4/12 PS Tourenwagen; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Langjährige Leser meines Blogs kennen die Aufnahme bereits – doch ist mir bisher keine bessere zugelaufen, die den von Citroens 5CV-Modell „inspirierten“ Opel-Kleinwagen in der Ursprungsversion von 1924 zeigt.

Mit diesem Opel 4/12 PS – erkennbar an den sieben breiten Luftauslässen in der Motorhaube – begann eine bis 1931 anhaltende Erfolgsgeschichte, der sich immer neue Facetten abgewinnen lassen – so auch heute.

Dank fortlaufender Modellpflege konnte Opel von seinem ersten in Großserie gebauten Wagen in rascher Abfolge verfeinerte Ausführungen liefern.

Schon ein Jahr nach Einführung stieg die Motorleistung von 12 auf 14 PS. Äußerlich unterschied sich der Opel 4/14 PS vom Vorgänger durch die nunmehr 12 schmalen, in zwei Gruppen angeordneten Luftschlitze:

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Opel 4/14 PS; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Wie diese 1928 bei Wilhelmshaven entstandene Aufnahme zeigt. wurde ansonsten am äußeren Erscheinungsbild festgehalten:

  • flügelartig lang nach hinten auslaufende Vorderkotflügel,
  • fast waagerecht endendes Heckschutzblech,
  • moderat spitz zulaufender Kühler,
  • schmucklose Scheibenräder mit vier Radbolzen,

Der pfeiferauchende Fahrer sitzt hier noch auf der rechten Seite, wie das bis Mitte der 1920er Jahre auch auf dem europäischen Kontinent üblich war.

Die hübsche junge Dame vor dem typisch norddeutschen Haus mit Ziegelmauern und Reetdach war ihrer Zeit dagegen modisch fast ein wenig voraus – ihre Wellenfrisur wäre auch in den 1930er Jahren noch aktuell gewesen.

Unterdessen bemühte sich Opel laufend darum, sein 4 PS-Modell optisch auf den neusten Stand zu bringen. Folgendes Foto von Leser Claus Wappler zeigt die späte Ausführung des 4/14 PS-Modells mit dem 1926 eingeführten Flachkühler:

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Opel 4/14 PS Tourenwagen; Originalfoto aus Sammlung Claus Wappler

Man sieht, dass die Haubenschlitze der Zahl und Anordnung nach vorerst unverändert blieben – doch nur kurze Zeit. Der Opel, den hier drei Burschen mit Hingabe putzen, muss ein Exemplar aus dem Frühsommer 1926 gewesen sein.

Die Kombination aus Flachkühler, auf zwei Felder verteilten Luftschlitzen und außen vor der Frontscheibe befindlichem Tankstutzen gab es nämlich bloß bis August 1926. Offenbar läuft außerdem das Heckschutzblech nicht mehr waagerecht aus.

Wie bei der Vorgängerausführung kommen auch hier die Scheibenräder vollkommen schmucklos daher. Einziger optischer Reiz ist die Zweifarblackierung.

Interessanterweise konnte ich in der Standardliteratur keine Abbildung eines entsprechenden Opel 4/14 PS von Mitte 1926 finden, die einen Wagen mit genau diesen Details zeigt.

Leider gibt es kein umfassendes Standardwerk zu Opel-Vorkriegswagen , das der einstigen Bedeutung der Marke gerecht wird. Mein Maßstab sind dabei die alle Veränderungen minutiös beschreibenden Werke zu den einstigen Auto-Union-Marken.

Die zeitgenössischen Fotodokumente lassen jedenfalls ahnen, dass es einst mehr Vielfalt auf Basis des braven Opel 4 PS-Modells gegeben haben muss. Wie „sexy“ so ein Kleinwagen aus Rüsselsheim bei Frankfurt/Main ausfallen konnte, wird hier deutlich:

Opel_4-14_PS_1925_Galerie

Wie eigentlich immer, macht hier die Anwesenheit einer adretten jungen Frau einen nicht unerheblichen Teil der Anziehungskraft des Wagens aus.

Darin liegt ein Unterschied zum Pferd, dessen Schönheit nicht der Vervollkommung durch den Reiter bedarf. Das Automobil dagegen ist eine menschliche Schöpfung, deren Zweck nicht in sich selbst besteht, sondern darin, Mobilität zu ermöglichen.

Obige Aufnahme erzählt geradezu ideal von der Souveränität, die der Mensch durch das Automobil erlangt, und gleichzeitig von der Harmonie, die aus dem Nebeneinander von Technik und Schönheit entsteht.

Dabei verleihen das raffinierte Dekor auf den Scheibenfelgen und die Weißwandreifen dem Opel geradezu etwas Mondänes.

Weißwandreifen wurden in der Vorkriegszeit an sich kaum verwendet – sie galten und gelten als geschmacklich grenzwertig. Nur selten profitiert die Optik eines Vorkriegsautos von diesem Accessoire, doch hier ist das eindeutig der Fall.

© Michael Schlenger, 2019. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

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