Entdeckung auf zwei Rädern: Fiat 501 Tourer

Zurückgekehrt aus dem Süden muss ich mich in deutschen Landen stets erst wieder ein wenig einfinden. Dass wir doch alle bloß “Europäer” seien, das behaupten nur Leute, die nichts mit den Kulturnationen unseres Kontinents anfangen zu wissen.

Gerade weil jenseits des Alpenhauptkamms und vor allem südlich der Po-Ebene so vieles großartig anders ist, zieht mich Italien von jeher so an wie kein anderes Land.

Bei der Gelegenheit sei versichert, dass der träge dahinfließende Po randvoll ist – die im Hochsommer verbreiteten Panikmeldungen erweisen sich regelmäßig als Märchen.

Wer übrigens einmal von falscher Bewirtschaftung und Windindustrie verschonte gesunde Wälder sehen möchte, dem sei angeraten, statt der üblichen Tour an die Adria kurz vor der Küste die Abfahrt “Cesena Nord” zu nehmen und die Route nach Süden zu nehmen – ins grüne Herz von Umbrien hinein.

Mehr als zwei Stunden lang geht es dann durch wildromantische Täler, die auch nach einem langen Sommer mit üppigen Laubwäldern aufwarten, bis man in der umbrischen Ebene anlangt.

Dort bietet sich dem Reisenden, Pilger oder Wanderer eine seit 2500 Jahren gepflegte Kulturlandschaft, die bis heute intakt ist:

Blick auf Spello (Umbrien) am 25. September 2023; Bildrechte: Michael Schlenger

In diese in Deutschland nur wenig bekannte Region Italiens zog es mich kürzlich wieder – diesmal weil mir der Sinn nach Entdeckungen auf zwei Rädern stand.

Dass sich dabei ausgerechnet ein Fiat 501 als einer der Höhepunkte erweisen sollte, das konnte ich nicht ahnen. Wer in meinem Blog bereits länger mitliest, weiß natürlich um die Meriten dieses frühen Großserienmodells der Turiner Firma.

Als erster europäischer Hersteller überhaupt brachte Fiat 1919 mit dem 1,5 Liter-Typ 501 ein für die Massenfabrikation geeignetes Automobil auf den Markt. Rund 80.000 Exemplare davon wurden in alle Welt verkauft.

Auch nach Deutschland mit seiner der Marktnachfrage nicht annähernd gewachsenen Autoindustrie gelangten zahlreiche Fiats dieses für seine Robustheit berühmten Vierzylindermodells.

Dort fanden sogar 501er mit Sonderkarosserie Absatz wie dieser sportlich angehauchte Tourer (ausführlicher Beitrag):

Fiat 501 Sport-Tourer; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Mit minimalistischen Kotflügeln – die ihren Namen in diesem Fall besonders verdienen – , ungewöhnlich niedriger Gürtellinie und Verzicht auf ein Trittbrett wirkt der Fiat kompakt, geradezu unscheinbar.

Dass der 501 in Wahrheit ein beeindruckend dimensioniertes Fahrzeug war, speziell in der Ausführung als serienmäßiger Tourer, das war mir lange Zeit nicht bewusst.

Sicher: mir war das Modell von etlichen zeitgenössischen Bildern vertraut, die ich im Blog besprochen habe. Doch trotz seiner einstigen Verbreitung in deutschen Landen war mir noch nie ein Exemplar in natura begegnet.

Das sollte sich erst ändern, als ich in ganz anderer Mission in Italien unterwegs war, nämlich auf zwei Rädern ganz ohne Motorkraft. Anlass dazu gab eine Veranstaltung für historische Fahrräder, die von Enthusiasten im umbrischen Foligno ausgerichtet wird.

Wem der Name Foligno nichts sagt, der sollte wissen, dass in der uralten Stadt inmitten der Valle Umbra der spätere Stauferkaiser Friedrich II. seine ersten Lebensjahre verbrachte, außerdem wurde dort die erste Ausgabe von Dantes Commedia Divina gedruckt.

Leider haben alliierte Bombardierungen der Altstadt im 2. Weltkrieg schwere Schäden zugefügt, weshalb Foligno nicht mehr mit der makellosen Schönheit anderer umbrischer Städte aufwarten kann. Dennoch ist auch dort die Identifikation mit der Region groß und Traditionen wie die Giostra della Quintana werden begeistert fortgeschrieben.

Von Foligno aus findet jährlich im September eine Ausfahrt mit klassischen Stahl-Rennrädern und sonstigen historischen Drahteseln statt – die Francescana Ciclostorica.

Auf zwei Rundkursen geht es durch die Valle Umbra – und im Fall der längeren Route auch hinauf in die über dem Tal liegenden Orte wie Assisi, Spello, Trevi und Montefalco, allesamt von modernen Entstellungen verschont und mit grandiosen Kunstschätzen gesegnet.

Der sportliche Aspekt ist eher nebensächlich – der Genuß der Landschaft und der guten Gesellschaft Gleichgesinnter steht im Vordergrund. Unterwegs wird wiederholt gehalten, um sich mit kulinarischen Köstlichkeiten zu stärken, wozu auch einer der ausgezeichneten Weine der Region gehören darf – also nichts für Verzichtsfetischisten.

Ich hatte mir für die Teilnahme auf Basis eines Rahmens der Frankfurter Torpedowerke einen “Halbrenner” gebastelt, wie er von 1900 bis 1930 beliebt war. Die Anbauteile dazu hatte ich meinem Fundus entnommen und nach eigenem Gusto montiert.

Hier präsentiert sich das Gerät mit frisch überholter Mechanik kurz vor dem Einsatz:

Torpedo “Halbrenner” in Collepino (Umbrien); Bildrechte: Michael Schlenger

Wenn Sie sich spätestens jetzt fragen, was das Ganze mit Vorkriegsautomobilen zu tun hat, dann kann ich nur zu etwas Geduld raten – es lohnt sich auszuharren.

Ich hatte mich in Anbetracht der nicht vorhandenen Gangschaltung für den kürzeren Kurs entschieden, welcher anspruchslose 35 km umfasste und sich – vom kurzen Anstieg zu einem Weingut abgesehen – auf ebene Strecken beschränkte.

Am Morgen der Fahrt präsentierte sich das Wetter den über 500 Teilnehmern zunächst unfreundlich. Erst 10 Minuten nach dem vorgesehenen Starttermin hörte es auf zu regnen und nach dem frenetischen Absingen der italienischen Nationalhymne ging es auf die Reise.

Ich hatte mir ein zum Rad passendes Outfit zugelegt und noch am Vortag letzte Details wie die farblich passende Krawatte ausgewählt – so konnte man sich doch als Deutscher durchaus sehen lassen, meine ich:

Start zur La Francescana Ciclostorica 2023 in Foligno: Bildrechte: Luca Petrucci

Die Fahrt gestaltete sich trotz wiederholter Regenschauer sehr erfreulich.

Das lag nicht zuletzt daran, dass die zahlreichen weiblichen Teilnehmer besondere Sorgfalt auf die in Italien noch ausgiebig gepflegten Äußerlichkeiten verwendet hatten, ohne welche keine den Niederungen des Notwendigen enthobene Kulturnation bestehen kann.

Mit spektakulären Hüten, Frisuren und Kleidern sowie maximal unpraktischem Schuhwerk begaben sich die Vertreterinnen des schönen Geschlechts klaglos und stets gutgelaunt auf die von mancher Pfütze und kühler Brise begleitete Tour.

Hin und wieder war ein kurzer Zwischenhalt erforderlich, damit die lokale Polizei den Radlern freie Bahn auf den wenigen Passagen verschaffen konnte, die über öffentliche Straßen führten.

So ergab sich auch manche Gelegenheit, mit der Nachbarin anzubandeln oder sonstige Studien bei den Vorausfahrenden zu betreiben:

La Francescana Ciclostorica; Bildrechte: Michael Schlenger

Selbstredend mussten solcherlei Anstrengungen früher oder später dazu führen, dass sich Appetitgefühl einstellt.

Bei der von mir gewählten kurzen Tour waren gleich drei Pausen vorgesehen, bei denen man sich zuverlässig durch das regionale Angebot an Köstlichkeiten essen konnte.

Gleich der erste Halt führte zum Weingut Arnaldo Caprai, dessen Weine (keineswegs nur der lokale Sagrantino) nach meiner Einschätzung zu den besten Umbriens gehören, ohne (vor Ort) übermäßig teuer zu sein.

Um dorthin zu gelangen, war die einzige nennenswerte Steigung zu bewältigen, welche der Autor selbstredend im ersten und einzigen Gang absolvierte, während es etliche andere Teilnehmer offensichtlich weniger militant angingen:

La Francescana Ciclostorica 2023, Weingut von Arnaldo Caprai bei Montefalco (Umbrien); Bildrechte: Michael Schlenger

Jetzt sind wir quasi in Sichtweite dessen, was im Titel des heutigen Blog-Eintrags angekündigt wurde – eine Entdeckung auf zwei Rädern, welche sich als absolut beeindruckender Fiat 501 entpuppte.

Denn als wir Pedalisten auf dem Weingut der Familie Caprai angelangten, hatten sich dort zu unsere Begrüßung bereits einige Vertreter der Fiat-Dynastie versammelt.

Sie umfassten gleich drei Generationen der Turiner Automobile, obwohl zwischen dem ältesten Vertreter und dem jüngsten nur rund 20 Jahre liegen.

Die ganze Zeitspanne von 1919 bis 1939 sehen wir hier – in automobiler Hinsicht wie auch sonst eine Periode ungeheurer Umwälzungen, doch in diesem Fall vollkommen beschaulich:

Fiat Vorkriegswagen auf dem Weingut Arnaldo Caprai bei Montefalco (Umbrien), September 2023; Bildrechte: Michael Schlenger

So interessant das Nebeinander von gleich drei Versionen des Erfolgsmodells “Balilla” auch ist, gilt unsere besondere Aufmerksamkeit heute den beiden Wagen ganz links.

Sie kontrastieren in außerordentlicher Weise und illustrieren den Sprung in die Moderne, den Fiat Ende der 1930er Jahre mit dem 1100er (“Millecento”) vollzog, dessen geschmeidiger und drehfreudiger Motor noch bis in die 1960er Jahre kaum verändert gebaut werden sollte.

Leider kann ich in diesem Fall nur mit einer Ausschnittsvergrößerung mäßiger Qualität aufwarten, da ich zum Aufnahmezeitpunkt noch nicht wusste, was ich daraus in meinem Blog machen würde:

Jedenfalls wird hier schlagartig deutlich, wie grundlegend sich die Gestaltungsprinzipien bei Fiat – aber auch bei anderen Herstellern – zwischen 1919 und 1939 wandelten.

Denn diese beiden Wagen stehen jeweils stellvertretend für diese Baujahre. Dass der modern geformte Millecento keineswegs ein Kleinwagen war, auch wenn er neben dem 20 Jahre älteren Tourer so wirkt, dass wird spätestens deutlich, wenn man einmal direkt davor steht.

Dazu bot sich bei einem späteren Halt die Gelegenheit, auch wenn sich das Wetter zwischenzeitlich gegen uns Zweiradfahrer verschworen hatte und die Aussicht auf eine Fortsetzung der Tour in einem solchen Automobil durchaus verlockend erschien:

Fiat 1100 “Musone”; Bildrechte: Michael Schlenger

Wer sich hier an den Ford “Eifel” erinnert fühlt, liegt mit seinem Bauchgefühl nicht schlecht.

Auch Fiat folgte Ende der 1930er Jahre – wie übrigens auch Renault – stilistischen Tendenzen, welche die damals führende US-Autoindustrie entwickelt hatte.

Mit diesem spitz zulaufenden Kühler sollte der Millecento noch bis in die späten 1940er Jahre gebaut werden. Hier haben wir ihn in Bestzustand mit originaler Zulassung in der umbrischen Hauptstadt Perugia.

So wenig es an dem markant gestalteten, technisch ausgereiften und bestens verarbeiteten 1100er Fiat auszusetzen gibt, so verblasst er mit seinen beinahe modernen Proportionen aus meiner Sicht gegen den älteren 501, der uns in eine frühe Ära mit vollkommen anderen Gestaltungsprinzipien transportiert.

So etwas wie Familienähnlichkeit will sich jedenfalls nicht erkennen lassen, wenn man dann direkt vor einem Exemplar von Fiats erstem Großserienerfolg steht:

Fiat 501 Tourer; Bildrechte: Michael Schlenger

Hätte ich die Wahl, würde ich mich für das ältere Modell entscheiden – wobei mir die Tatsache entgegenkommt, dass ich bereits glücklicher Besitzer eines originalen Fiat 1100 aus den 1960er Jahren bin, dessen kultivierter kopfgesteuerter Motor wie gesagt eine Vorkriegskonstruktion ist.

Mit nur 23 Pferdestärken statt deren 32 wie im 1100er war der 501 natürlich nicht annähernd so leichtfüßig zu bewegen. Doch seine Stärken entfaltete der langhubige Motor gerade auf hügeligen Strecken, wie sie in Italien überwiegen, und früh erlangte er legendären Ruf für astronomische Laufleistungen – die damals noch aufwendige Pflege vorausgesetzt.

So begegnet einem der Fiat 501 in allen Weltregionen – selbst im fernen Australien haben einige davon überlebt. Nun stand ich ausgerechnet in Italien endlich vor einem Original und diese Entdeckung gehörte zu den schönsten, die ich auf zwei Rädern machen durfte.

Das war eigentlich schon alles, was ich Ihnen erzählen wollte. Beim nächsten Mal kehre ich wieder zum üblichen Muster der Besprechung historischer Fotos von Vorkriegswagen zurück.

Nur für den Fall, dass Sie den Autor noch einmal in Bewegung sehen wollen, habe ich ein kurzes Video meiner Ankunft in Foligno eingefügt…

Michael Schlenger, 2023. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Taugt doch für etwas! Hanomag 2/10 PS Limousine

Um es vorwegzunehmen: Der erste Hanomag-PKW, welchen der Maschinenbauer aus Hannover von 1925-28 baute – das Modell 2/10 PS – dieses Minimalgefährt und ich werden gewiss keine Freunde mehr.

Zu weit entfernt war dieses vermeintliche Volksmobil von echten Entwürfen für den Alltagsbedarf, wie sie in den frühen 1920er Jahren längst existierten: In den Staaten der Ford T, in England der Austin 7, in Frankreich der Citroen 5CV und in Italien der Fiat 501.

Nur in Deutschland meinte man, mit etwas Besonderem aufwarten zu müssen. So ließ sich Hanomag auf die Bastelei eines gewissen Fidelis Böhler ein, die konsequent am Massenmarkt vorbeikonstruiert war: lauter Einzylindermotor mit Motorradleistung, kein elektrischer Anlasser, kein Platz für eine Familie mit Kindern.

Die in der Literatur mangels anderer Qualitäten bemüht betonten Novitäten wie etwa die noch ungewohnte Pontonkarosserie machten keinen der genannten Praxismängel wett.

Oft heißt es, der Hanomag 2/10 PS sei “seiner Zeit zu weit voraus” gewesen oder “von den Käufern nicht verstanden worden”. Das erinnert an die Entschuldigungen, welche heute bei einer radikal an der Realität vorbeiregierenden Politik vorgebracht werden.

Seien wir ehrlich: Außer kinderlosen Avantgardisten konnte doch kein Normalbürger damals ernsthaft Begeisterung für diese komische Kiste mit kulturlosem Krachantrieb aufbringen – wenn nicht gerade eine junge Dame darauf herumturnte:

Hanomag 2/10 PS Limousine; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Ungeachtet meiner grundsätzlichen Geringschätzung dieses Sackgassengefährts möchte ich heute dennoch Gnade walten lassen, denn ich habe festgestellt, dass der Hanomag 2/10 PS doch für etwas taugte – außer seinen Besitzern das befriedigende Gefühl zu geben, den verständnislosen Mitbürgern ihren exklusiven Geschmack vorführen zu können.

So bot er in Gestalt der Limousine die formidable Möglichkeit, das Dach nicht nur von vorn – wie oben – sondern ebenso leicht auch von hinten zu erklimmen und sich dort zumindest zeitweise im Luftreich der Illusion aufzuhalten.

Im besten Fall war das Resultat dann so erbaulich wie auf der folgende Aufnahme:

Hanomag 2/10 PS Limousine; Oiginalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Hier ist fast nur am Ersatzrad und am Fehlen des mittigen Scheinwerfers zu erkennen, dass wir den Hanomag diesmal von hinten betrachten.

Die Idee, ein Auto von vorn wie von hinten nahezu identisch zu gestalten – siehe den unsäglichen Zündapp “Janus” – empfand ich schon immer als eine Beleidigung des Betrachters, der bei einem dermaßen teuren Gegenstand wie einem Automobil zurecht etwas Bemühen um eine einfallsreiche Form erwarten darf.

Doch heute ist mir das beinahe egal, denn die Aufnahmesituation versöhnt mich diesmal mit diesem automobilen Machwerk. Ja, der Hanomag 2/10 PS taugt doch für etwas!

Ich bilde mir ein, dass die charmante Dame auf dem Dach des Wägelchens sich einfach köstlich über selbigen amüsiert hat, als sie solchermaßen abgelichtet wurde:

Der Kontrast zwischen ihrem reizvollen Erscheinungsbild und der Blechkiste unter ihr könnte kaum größer sein. Selbst der Glanz ihrer Stiefel stellt den Lack des Hanomag mühelos in den Schatten, von anderen Ansehnlichkeiten ganz zu schweigen.

Mir ist bewusst, dass ich mit meinem schroffen Urteil über den Hanomag 2/10 PS auf Widerspruch einiger Verehrer des “rasenden Kohlenkastens” stoße.

Doch abweichende Ansichten muss man aushalten und Kritik auch sportlich nehmen können. Das ist im wirklichen Leben nicht anders und gegebenenfalls unüberbrückbare Meinungsdifferenzen gehören auch bei letztlich banalen Themen wie Vorkriegsautos dazu.

Rede und Gegenrede – gern auch engagiert und zugespitzt – sind die Vorausetzung jedes argumentativen Austauschs und so sind mir auch ganz andere Sichtweisen willkommen. Wer also dem Hanomag 2/10 PS auch ohne weibliche “Besatzung” vorteilhafte Seiten abgewinnen kann, möge das im Kommentarteil tun.

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Nachklang der 1920er Jahre: Peugeot 201B Coupé

Vor 90 Jahren zeichnete sich nicht nur in Deutschland mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten eine neue Zeit ab. Dass nichts bleiben sollte, wie es war, das war auch auf einem damals noch unpolitischen Gebiet zu beobachten – dem Automobildesign.

Den formal wohl modernsten Wagen jener Zeit fabrizierte nicht die meiner Meinung nach – von isolierten Spitzenleistungen abgesehen – überschätzte deutsche Autoindustrie, sondern ein US-Hersteller der zweiten Reihe: Graham aus Dearborn (Michigan).

Mit dem hochdynamisch gestalteten Modell “Blue Streak” kam 1933 ein Wagen auf den Markt, der Schluss machte mit der meist kastigen Optik der zweiten Hälfte der 1920er Jahre.

Diesen Wagen habe ich hier schon einmal vorgestellt. Zur Erinnerung die Aufnahme eines einst in Berlin zugelassenen Exemplars – einige Zeitgenossen hatten dort offenbar noch ein gesundes, d.h. von ideologischen Störungen ungetrübtes Verhältnis zum Automobil:

Graham “Blue Streak” von 1933; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Nach dieser gestalterischen Großtat konnte keiner mehr so weitermachen wie bisher und rollende Schuhkartons mit vertikalem Kühler auf den Markt werfen.

Eine der Marken, welche als erste in Europa mit einer Designoffensive reagierten, war Peugeot. Die Franzosen sollten in den Jahren darauf zu einzigartiger Form auflaufen – jedenfalls die schöne Hülle betreffend.

Wie groß der Kontrast zwischen dem vom obigen US-Vorbild geprägten Peugeot 201 ab 1934 und den bis 1933 gebauten Ausführungen desselben Typs war, will ich heute zeigen.

Dass es dabei quasi zurück in der Zeit geht, stört hoffentlich nicht. Ich finde, das macht die Sache noch reizvoller, außerdem drängt sich dieses Vorgehen förmlich auf.

Beginnen wir kurz nach dem, Ende des 2. Weltkriegs im nun wieder zu Frankreich gehörenden Straßburg. Vor der ehrfurchtgebietenden Kulisse des Kammerzellhaus aus dem 15.-16. Jahrhundert, welches bis heute existiert, steht ein Peugeot 201 von 1934/35:

Peugeot 201D von 1934/35; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Meine Leser wissen, dass ich das Automobil für die bedeutendste Zivilisationsleistung der Neuzeit halte. Aber die technische und vor allem formale Kompetenz unserer Vorfahren aus der vorindustriellen Zeit nötigt mir noch größeren Respekt ab.

Diese grandiose Schöpfung von Planern und Handwerkern vor fast 500 Jahren stellt mühelos das vorwiegend mit Maschinen geschaffene kleine Blechgebilde davor in den Schatten. Solche Demut vor dem enormen Können und Wollen im damaligen Europa muss sein.

Gleichwohl gilt es heute, einer anderen Sache gerecht zu werden. Also schärfen wir den Blick und nehmen das im Jahr 1467 entstandene Sockelgeschoss in den Fokus – denn so haben wir den Peugeot 201 von 1934/35 genau im Blick:

Technisch war der 1929 eingeführte Peugeot mit seinem 1,1 Liter “großen” und rund 23 PS leistenden Vierzylindermotor vollkommen unauffällig.

Doch in dieser Klasse bot damals kein anderer europäischer Hersteller eine derartig lebendig wirkende Karosserie voller Spannung – sie wirkt schon im Stand in Bewegung befindlich.

Die Erklärung für diese Wirkung ist einfach: Die Karosserie meidet die öde Gerade, wo es geht, sie ist ein spannungsreiches Spiel aus Kurven, Schwüngen und Rundungen.

Noch radikaler sollte Peugeot dies beim Nachfolgetyp 202 umsetzen, der mit dem großen Schwestermodell 302/402 zu den Höhepunkten der Peugeot-Automobilgeschichte zählt.

Wie es der Zufall will, ist am rechten Rand des obigen Fotos das verkleidete Hinterrad eines dieser vom Chrsyler Airflow beeinflussten Peugeot-Typen abgebildet.

Haben Sie’s gesehen? Dann sind Sie jetzt bereit dafür:

Peugeot 302 oder 402; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Ist das nicht eine Skulptur auf Rädern? Für mich sind diese 02er Peugeots jedenfalls wahre Kunstwerke gemessen an dem, was in der Neuzeit von irgendwelchen sich kreativ wähnenden Zeitgenossen zurechtgeknetet wird.

Doch ich schweife schon wieder ab, eigentlich wollten wir doch in der Zeit zurückreisen!

Also: Die formal avancierten Peugeot-Modelle 201 und 202-402 der fortgeschrittenen 1930er Jahren haben wir bereits angerissen. Wie war das nun mit dem “Nachklang der 1920er Jahre”?

Genau den will ich nach dieser Herleitung (oder besser: Umleitung) präsentieren. Noch im Jahr des Erscheinens des alles Dagewesene in den Schatten stellenden Graham “Blue Streak”, 1933, baute Peugeot nämlich erst einmal unverdrossen seinen alten 201 weiter.

Und der sah beileibe nicht annähernd so elegant-dynamisch aus wie die gezeigten Ausführungen von 1934/35, sondern waren noch ganz der Gestaltungslogik der ausgehenden 1920er Jahre verhaftet.

Daher seien Sie nicht enttäuscht, wenn ich nun den Peugeot 201 im strengen Kleid zeige, welches noch auf sein Einführungsjahr 1929 verweist. Das entsprechende Foto ist dennoch ein hübsches Dokument der Eintracht von Mensch, Maschine und Natur:

Peugeot 201; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Wären da nicht die seitlichen Luftklappen in der Motorhaube, würde man diesen Peugeot des Typs 201 auf 1929 und nicht auf 1933 datieren, als selbige anstelle von Luftschlitzen verbaut wurden.

Es fällt schwer zu glauben, dass dieses Coupé irgendetwas mit dem eingangs gezeigten Peugeot 201 oder gar dem stromlinienförmig gestalteten Nachfolger 202 zu tun hat.

Doch tatsächlich haben wir es mit technisch gesehen engen Verwandten zu tun. Bloß war der hübsche Zweisitzer, der mitsamt Beifahrerin verewigt wurde, formal noch in fast jeder Hinsicht eine Kreation der 1920er Jahre.

Das macht die Aufnahme so interessant – denn wir Nachgeborenen sehen dieses Fahrzeug und die Menschen, die einst mit ihm unterwegs waren, bereits aus der Perspektive der 1930er Jahre und der sich darin anbahnenden Zivilisationsbrüche.

Die junge Französin, die uns hier so nachdenklich anschaut, stand im Moment der Aufnahme an einem Wendepunkt der europäischen Geschichte. Das konnte sie nicht ahnen, doch wir Nachgeborenen können mit unserem Wissen anders auf diese Dokumente schauen, die oft genug weit mehr sind als bloß irgendwelche alten Autofotos…

Michael Schlenger, 2023. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Na so was! Mobiler Blumenladen: Simson So 8/40 PS

Der Titel meiner heutigen Betrachtung ist aus der Not geboren. Etwas Besseres ist mir spontan nicht eingefallen, und auf die Überschrift ver(sch)wende ich normalerweise nur ein paar Sekunden. Geistesblitze stellen sich entweder sofort ein oder nicht.

So ist es also diesmal ein “mobiler Blumenladen”, den ich Ihnen heute nahebringen will. Ganz abwegig erscheint dies schon deshalb nicht, weil diejenigen, welche es sich leisten konnten, sich auch vor 100 Jahren schon alles Mögliche ins Haus liefern lassen konnten.

Das geschah zunehmend mit dem Lieferwagen, bisweilen aber auch mit einem für eine ansprechende Warenpräsentation besser geeigneten Auto mit offenem Tourenaufbau.

Das folgende Beispiel verdanke ich Leser Matthias Schmidt (Dresden), und er teilte mir auch mit, dass der Originalabzug mit dem Vermerk “Berlin, Juni 1929” versehen ist:

Simson “Supra” Typ So 8/40 PS; Originalfoto: Sammlung Matthias Schmidt (Dresden)

Wer sein Leben nicht nur von Notwendigkeiten geleitet gestaltet – solche Zeitgenossen gibt es auch oberhalb der Armutsgrenze – der hat nicht nur ein Herz für den großen Freiheitsbeförderer in Form des Automobils, sondern schätzt auch die Gaben der Natur.

So verbinden sich auf dieser Aufnahme beide Welten vorzüglich – die Sphäre der unauffällig funktionierenden Technik und die Magie der opulenten Farbe und Form, wie sie sich uns in Gestalt blühender Pflanzen zweckfrei zum reinen Plaisir präsentiert.

Mindestens ein Leser dieses Blogs vereint in seiner Vita dieses Nebeneinander in kaum zu übertreffender Form: einst erfolgreicher Blumenhändler und bis heute leidenschaftlicher Liebhaber des alten Blechs. Ihm sollte dieser Transporter also besondere Freude bereiten.

Aber was war das überhaupt für ein Automobil, das uns hier so wundersam belebt begegnet? Die Antwort liefert wie so oft bei Vorkriegsmodellen die Frontpartie:

Lassen Sie sich nicht von dem Blick der jungen Dame ablenken, welche hier vorgibt, den Motor des Wagens mit der Anlasserkurbel zu starten. Solches war bei hochwertigen Wagen ab 1920 kaum mehr notwendig, wenn nicht gerade die Batterie streikte.

Der professionelle Blick fokussiert sich auf die Gestaltung der Kühlerpartie mit dem vorkragenden Einfüllstutzen und der Motorhaube mit den auffallend schmalen und hohen Luftschlitzen sowie der umlaufenden Nietenreihe. Kommt Ihnen das nicht bekannt vor?

Nein? Dann beginnen wir zu Schulungszwecken zunächst mit dieser Reklame von 1927:

Simson-Reklame von 1927; Original aus Sammlung Michael Schlenger

So bewarb der thüringische Nischenhersteller Simson sein von 1925 bis 1928 gebautes Modell So 8/40 PS – eine “zivile” Variante des Sportwagentyps Supra Typ S 8/50 PS.

Das 2-Liter-Aggregat verfügte über eine moderne Ventilsteuerung mittels obenliegender Nockenwelle, welche wiederum direkt über eine Königswelle (nicht über eine Kette oder Stirnräder) angetrieben wurde. Das sollte bis in die Nachkriegszeit die Ausnahme bleiben.

Der Tourer in der Anzeige sieht unserem Blumenlieferwagen doch schon ziemlich ähnlich, nicht wahr? Die eigentümliche Gestaltung des Kühlwassereinfüllstutzens – ich liebe diese aneinandergekoppelten deutschen Wörter – ist absolut typisch.

Auch die Gestaltung der Luftschlitze in der Haube, die Vierradbremsen und die Form der Türen mit darunterliegenden Trittschutzblechen sind identisch.

Der Fall ist klar: Auch dieser Simson war ein Typ So 8/40PS mit Tourenwagenaufbau, der aus unerfindlichen Gründen “Karlsruhe” hieß. Mit diesem Modell habe ich mich – nicht zuletzt dank Matthias Schmidt – schon wiederholt befasst (siehe hier).

Drei Jahre ist das schon wieder her – meine Güte, wie rast die Zeit.

Wie so ein Simson des Typs So 8/40 PS aus der besonders vorteilhaften Perspektive “schräg von vorne” aussah, das kann ich dank des Beitrags eines weiteren Lesers mit großem Fundus und gutem Gespür zeigen:

Simson So 8/40 PS mit Tourenwagfenaufbau “Karlsruhe”; Originalfoto: Sammlung Klaas Dierks

Die digitale Kopie dieser hervorragenden Originalaufnahme hat mir Klaas Dierks zur Verfügung gestellt – er ist zusammen mit Matthias Schmidt, Jörg Pielmann, Marcus Bengsch, Gottfried Müller und Volker Wissemann eine maßgebliche Stütze dieses Blogs.

So viel Zeit muss sein, auch wenn es eigentlich um den Simson So 8/40 PS geht.

Mir bereitet diese unkomplizierte und fruchtbare Form der Zusammenarbeit großes Vergnügen. Ihnen auch? Na dann schauen Sie doch einmal, was sich in ihrer Sammlung oder Ihrem Familienalbum vielleicht an schönen Dingen verbirgt. Her damit, bitte!

Sie wissen: Mir geht es nicht immer um die großen Sensationen – auch wenn die hier ebenfalls einen Platz haben – mir genügt auch eine scheinbar banale Erkenntnis an wie diese: “Schau an: Ein Simson So 8/40 PS als Blumentransporter. Na so was!”

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Gestern und heute: Ein “Terraplane” von 1934

Kürzlich schrieb mir ein Leser, aus dessen Familienalbum wir bereits einige Schätze bewundern durften, dies: “Ich muss mich von all dem Wahnsinn, der uns umgibt, mit Ahnenforschung und alten Automobilen ablenken.”

Die Einstellung ist mir sympathisch, wobei ich schon länger der Auffassung bin, dass über 2500 Jahre europäische Kulturgeschichte bereits rein statistisch mehr Großartiges und Interessantes hervorgebracht haben müssen als unser kleines Hier und Jetzt.

Dass man dennoch zwischen Gestern und Heute ganz selbstverständlich eine Balance finden kann, mit der es sich vorzüglich leben lässt, das kann ich leicht beweisen.

Beginnen wir mit dem Gestern. Dazu reisen wir knapp 90 Jahre zurück ins Jahr 1934. Damals brachte einer der wenigen unabhängig gebliebenen US-Automobilbauer – Hudson aus Detroit – eine Neuauflage seiner Untermarke “Terraplane” heraus.

Der Terraplane – mit “Landflieger” zu übersetzen – war ursprünglich eine leistungsgesteigerte Version des “Essex” – einer auch in Europa präsenten Marke von Hudson.

Mit seiner Höchstgeschwindigkeit von über 120 km/h war der Sechszylinder-Wagen einer der schnellsten in der preiswerten US-Mittelklasse und entsprechend erfolgreich. Das brachte Hudson auf die Idee, das Modell nur noch als “Terraplane” zu vermarkten.

Wie schon im Fall des braveren “Essex”, auf dem er technisch basierte, stieß der “Terraplane” auch in Europa auf Kaufinteresse. Ein Beispiel dafür zeigt folgende Aufnahme:

Terraplane von 1934; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Die beiden Damen posieren hier gut aufgelegt vor einem Wagen mit markant gestaltetem Kühlergrill, zwei Hupenhörnern und einer mittig nach unten geschwungenen Stoßstange.

Ich hatte das Foto für kleines Geld erworben, weil mir die Situation gefiel und ich ahnte, dass dies ein Terraplane von 1934 ist – so einen Kühler hatte damals kein anderer Wagen.

Zudem war das Fahrzeug am Nummernschild erkennbar in Deutschland zugelassen und das zu einer Zeit, in der die nationalen Sozialisten das Land binnen kürzester Zeit in eine Gesinnungsdiktatur und Planwirtschaft verwandelt hatten.

Dummerweise brauchte es dafür nicht einmal eine Wahlmehrheit in der Bevölkerung, wie wir wissen. So kann es nicht verwundern, dass es auch weiterhin “Volksgenossen” gab, die sich beim Autokauf nicht von der Berliner Propaganda beeinflussen ließen.

Um in Deutschland 1934 einen amerikanischen “Terraplane” zu kaufen, musste man schon natürliche Immunität gegen autoritäre Anmaßung und den Herdentrieb haben. Jedenfalls gefällt mir der Gedanke, dass es auch im Gestern immer Geistesverwandte gab, die schlicht das taten, was sie für richtig hielten, soweit es ging.

Soviel zum Gestern – mehr weiß ich leider nicht zu diesem hübschen Schnipsel Geschichte, das in meiner Fotosammlung gelandet ist.

Wie bekomme ich nun den Bogen zum Heute hin? Nun, liebe Leser, das ist ganz einfach. Man muss bloß zur besten Oldtimeraustellung im Westen der Republik fahren – der Classic Gala im Schlosspark Schwetzingen in der Nähe von Heidelberg.

Nachdem es die Classic Days auf Schloss Dyck leider nicht mehr gibt, ist der herrliche Park des Schwetzinger Barockschlosses nicht nur für mich “der” Sehnsuchtsort, was die Präsentation automobiler Klassiker in einem wahrhaft würdigen Ambiente angeht.

Traditionell wird dort die gesamte Autogeschichte in allen ihren faszinierenden Facetten vor grandioser Kulisse, in entspannter Atmosphäre mit vielen gut gelaunten Menschen präsentiert – nebenbei zu einem Eintrittspreis, den sich jeder leisten kann.

Ich war über die Jahre schon öfters bei der Classic Gala in Schwetzingen, doch jedes Mal bin ich begeistert, welche hochkarätigen Fahrzeuge die Veranstalter neben populären Klassikern aus über 130 Jahren Automobilgeschichte gewinnen können.

So war das auch heute wieder – und das verbunden mit dem diesen Sommer schmerzlich vermissten Sonnenschein und angenehm warmen Temperaturen.

Ich war schon auf dem Weg zum Ausgang, als ich mich plötzlich an das eingangs gezeigte Foto erinnert fühlte:

Terraplane Modelljahr 1934 bei der Classic Gala Schwetzingen 2023; Bildrechte: Michael Schlenger

“Das ist ein Terraplane”, sagte ich zu meiner Begleiterin, der der Wagen ebenfalls aufgefallen war und die nun wissen wollte, worum es sich handelte, zumal das Auto in Heidelberg zugelassen war, wo sie einst studiert hatte.

Ja, es gibt Unterschiede zu dem Terraplane auf dem Foto aus den 1930er Jahren. So fehlen die Hörner unterhalb der Scheinwerfer und das Kühleremblem ist anders angebracht.

Doch der Grill mit den nach unten zusammenlaufenden Streben ist derselbe und den gab es so wirklich nur beim Terraplane des Modelljahrs 1934.

Die kleinen Abweichungen sind damit zu erklären, dass wir hier eine nur in geringer Stückzahl gebaute Ausführung sehen – ein “Convertible Coupe” mit leistungsgesteigertem Motor, welcher statt der üblichen 80-90 PS rund 100 Pferdestärken leistete.

Diese bärenstarken US-Vorkriegswagen lassen sich auch heute noch gut bewegen, man ist definitiv kein Verkehrshindernis, solange man die Autobahn meidet. Von extremen Steigungen abgesehen kann man sich die Schalterei sparen, das schiere Drehmoment genügt, um auch aus niedrigen Touren beschleunigen zu können.

Wer nun meint, dass die Ami-Wagen dieser Zeit aber stilistisch den europäischen Fahrzeugen nicht das Wasser reichen konnten, mag hier ins Nachdenken kommen:

Terraplane Modelljahr 1934, bei der Classic Gala Schwetzingen; Bildrechte: Michael Schlenger

Sie sehen: Das Heute hat eine ganze Menge für sich, und sei es nur in Form dieses Zeitzeugen, der in Dänemark den 2. Weltkrieg überdauert und später einen neuen glücklichen Besitzer in Heidelberg gefunden hat, welcher den Wagen hegt und pflegt.

Unsere Zeit mag nur noch wenig hervorbringen, das bewundernswert ist, speziell in Europa. Doch die Gegenwart verschafft uns einen Zugang zu den Wunderwerken der Vergangenheit wie wohl keiner Generation zuvor.

Mit diesem glücklichen Nebeneinander von Gestern und Heute lässt sich leben, meine ich…

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Klares Unentschieden: Ein Packard von 1935/36

Ein Unentschieden – rein wettbewerbsmäßig betrachtet kein befriedigender Zustand. Es gibt aber eine Ausnahme, nämlich dann, wenn man so souverän ist, dass man auch damit gut leben kann.

Diesen Fall will ich heute illustrieren, und zwar anhand einer Aufnahme, die dermaßen eindrucksvoll ist, dass man das Bedürfnis nach genauer Aufklärung, womit man es zu tun hat, erst einmal hintanstellt.

Das Foto, welches ich Leser Klaas Dierks verdanke, entstand ab Mitte der 1930er Jahre in der Schweiz, jedenfalls verweist das Kennzeichen auf eine Zulassung in Zürich. Die Kühlergestaltung verrät, dass wir einen Packard vor uns haben:

Da endet dann auch die Klarheit, was in Anbetracht des Motivs nicht weiter schlimm ist…

Packard von 1935/36; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Großartig, nicht wahr? Und obwohl es sich unverkennbar um ein amerikanisches Fabrikat handelt, passt seine Gestaltung ausgezeichnet zur neobarocken Architektur im Hintergrund.

Das ist nach meiner Wahrnehmung übrigens eine Besonderheit von Vorkriegswagen, sie fügen sich meist ausgezeichnet ins historisch gewachsende städtische Umfeld ein.

Der Wagen ist aus kniender Position heraus abgelichtet worden, hier betätigte wohl ein begabter Amateur mit ausgezeichneter Kamera den Auslöser.

Harmonisch proportioniert wirkt das Auto hier, dabei haben wir es mit einem ziemlichen Brocken zu tun, wie wir noch sehen. Der Aufbau als zweitüriges Cabriolet lässt das Fahrzeug viel kompakter erscheinen, als es in Wahrheit war.

An dieser Stelle ist zu ersten Mal ein “Unentschieden” zu konstatieren. Denn die Amis pflegten eine solche Karosserie als “Coupe-Roadster” zu bezeichnen – eigentlich ein Widerspruch, aber mit Logik braucht man auf diesem Sektor nicht zu kommen.

Bei geschlossenem Verdeck jedenfalls wirkte dieser Wagen wie ein Coupé, während die geöffnete Variante wegen der Beschränkung auf zwei Türen in den Staaten als Roadster durchging. In Europa wäre das ein Unding gewesen.

Wenn man sich bei der Karosserie schon nicht festlegen kann, wie sieht es dann beim Baujahr aus? Ist da mehr als ein Unentschieden drin?

Dazu gilt es die US-Vorkriegsautobibel zu konsultieren, den “Standard Catalog of America Cars” bis 1942. Über 1.600 Seiten umfasst meine Ausgabe, und das ist auch dringend nötig, da es in den Staaten gegenüber Europa einst ein Vielfaches an Marken gab.

Die Herausgeber – Beverley R. Kimes und Henry A. Clark – setzten in diesem monumentalen Werk auf die Kooperation unzähliger Markenspezialisten – das Gegenteil der Eigenbrötlerei, welche hierzulande in Sachen Vorkriegsauto betrieben wurde und wird.

Trotz dieser Quelle muss es im Fall unseres Packard vorerst bei einem Unentschieden bleiben, was das Baujahr angeht – 1935 und 1936 kommen gleichermaßen in Betracht.

Im Modelljahr 1933 finden sich zwar erstmals die Stoßstangen mit dem pilzförmigen Abschluss, wie hier zu besichtigen, aber die geneigte Kühlerfront gab es erst ab 1935:

Doch auch 1936 scheint man den Wagen äußerlich unverändert angeboten zu haben, keine Selbstverständlichkeit bei US-Fabrikaten jener Zeit, welche stilistisch oft jährlich weiterentwickelt wurden.

Auch unter der Motorhaube tat sich von 1935 auf 1936 nur wenig.

Die Leistung des “kleinen” Achtzylinders stieg von 110 auf 120 PS – dieses Modell war in den USA übrigens als gehobene Mittelklasse klassifiziert. Der mittlere Achtzylinder musste sich mit weiterhin 130 PS “begnügen”, und der große Super Eight kam mit 150 PS aus.

Beibehalten wurde auch die Motorisierung des 175 PS leistenden Zwölfzylinders. Wer wollte, konnte mit speziellen Zylinderköpfen gar 180 PS abrufen, wenn ihm danach war.

Die damit erreichbare Spitzengeschwindigkeit von über 160 km/h war eher theoretischer Natur, wichtiger war das das kolossale Drehmoment des 7,8 Liter großen V12-Aggregats. Denn damit konnte man sich das Schalten weitgehend sparen.

Im großen Gang anfahren und einfach durchbeschleunigen, das ist etwas, das heutige Autofahrer in Zeiten des “Downsizing” sich nicht annähernd vorstellen können.

Schön und gut – aber was für ein Motor verbarg sich denn nun genau unter der Haube des in Zürich zugelassenen Packard auf dem heute präsentierten Foto?

Tja, auch hier muss ich vorläufig sagen: Unentschieden.

Auf obigem Bildausschnitt sieht man Drahtspeichenräder, die laut Literatur dem 12-Zylindermodell vorbehalten waren. Doch ganz verlassen will ich mich auf dieses Indiz nicht, denn ein Kunde konnte sie dennoch als Extra geordert haben, die seltenen Chromscheinwerfer scheinen auch eines gewesen zu sein.

So bleibt es am Ende doch eher beim Unentschieden, wobei dies bei der formalen wie leistungsmäßigen Souveränität des Packard verkraftbar erscheint…

Zum Abschluss noch ein kurzer Rundgang um ein überlebendes Exemplar des 1935 Packard als Coupe-Roadster mit V12-Motor:

Videoquelle: YouTube.com; hochgeladen von Packards Virginia

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Pech mit Haltung tragen: Ein Puch “Alpenwagen”

Guten Stil kann man sich nicht kaufen – schon gar nicht auf Kosten Dritter wie im Berliner Politbetrieb neuerdings schamlos vorgeführt. Stil bekommt man anerzogen und vorgelebt, irgendwann entwickelt man ihn dann zu einer persönlichen Angelegenheit.

Welcher Stil das dann ist, darauf kommt es gar nicht so an – jedenfalls wäre es langweilig, wenn alle denselben Ikonen nacheiferten. Nur zu einem passen sollte ein Stil auch, ansonsten macht man sich leicht lächerlich, da helfen auch Berater und Fotografen nicht.

In dieser Hinsicht kann man immer wieder von unseren Altvorderen lernen. Natürlich hatten auch die ihre Vorbilder aus Magazinen, Film und Theater. Denn nicht jedem ist es gegeben, selbst zu einer Stilkone zu werden wie heute etwa der New Yorker Dandy Wellington.

Aber wenn jemand seinen Stil gefunden hat, dann erkennt man das daran, dass jemand nicht verkleidet wirkt, sondern ganz er selbst bleibt und das auch dann, wenn sonst einiges schiefgelaufen zu sein scheint:

Puch “Alpenwagen”; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Haben Sie schon jemals jemanden so souverän und mit sich selbst im Reinen (im wahrsten Sinne des Wortes) gesehen, der gerade das Pech hatte, an seinem Wagen unterwegs eine Reparatur vornehmen zu müssen?

Wir kommen am Ende auf diesen Herrn mit seiner bemerkenswerten Haltung zurück, keine Sorge.

Doch zuvor gilt es, der schwierigen Frage nachzugehen, wer der Hersteller dieses Tourenwagens der frühen 1920er Jahre – noch ohne Vorderradbremse – war.

Ich hatte das Foto eigentlich nur wegen der faszinierenden Situation erworben, nicht hoffend, dass man auch noch das Fabrikat würde ermitteln können.

Denn nur schemenhaft erkennt man am Spitzkühler seitlich ein Emblem, das keines eines deutschen Autobauers zu sein scheint, auch wenn der Stil des Wagens “deutsch” wirkt.

Ich wäre vermutlich nicht so leicht oder gar nicht darauf gekommen, hätte mir nicht ein Sammlerkollege aus dem fernen Australien, Jason Palmer, vor einiger Zeit aus seinem Fundus diese Aufnahme in digitaler Form übermittelt:

Puch “Alpenwagen”; Originalfoto: Sammlung Jason Palmer (Australien)

Der Aufbau mit sogenannter Tulpenkarosserie war typisch für deutsche und österreichische Tourenwagen aus der Zeit direkt nach dem Ersten Weltkrieg.

Typisch dafür ist der nach oben breiter werdende Karosseriekörper, auf den ein mehr weniger nach innen geneigter oberer Abschluss folgt.

Solche Aufbauten waren vollkommen markenunabhängig im deutschen Sprachraum verbreitet; man muss sie eigentlich ignorieren, will man den Hersteller ermitteln. Denn der bot denselben Typ parallel mit einer Vielzahl anderer Karosserien an.

Daher bleibt wie so oft nur der Fokus auf den Vorderwagen, wenn man das Fabrikat ermitteln will. Schauen wir also genauer hin:

Puch “Alpenwagen”; Originalfoto: Sammlung Jason Palmer (Australien)

Mir fiel hier als Erstes das Markenemblem ins Auge, das sich als das der Grazer Firma Puch identifizieren ließ. Es löste nach dem 1. Weltkrieg das erst 1915 eingeführte mit dem nunmehr obsolet gewordenen Doppeladler ab. Auch Puch blieb nichts anderes übrig, als den Verlust des Habsburger Reichs mit Haltung zu tragen.

Puch hatte nach Kriegsende nur noch zwei Automobilmodelle im Programm, die beide den Zusatz “Alpenwagen” trugen. Das eine war ein neuer Typ mit Motorisierung 6/20 PS (Typ XII), den man meines Erachtens an den fünf Radbolzen erkennen kann.

Daneben wurde das noch aus der Vorkriegszeit stammende Modell 14/38 PS (Typ VIII) in modernisierter Form weitergebaut. Er besaß nicht nur einen längeren Radstand, sondern auch sechs Radbolzen, wenn ich richtig liege.

Mit dieser vielleicht etwas banal anmutenden Erkenntnis ausgestattet kehren wir nun zum Ausgangspunkt unserer Betrachtung zurück.

Denn der vom Pannenpech verfolgte Wagen war eindeutig ebenfalls ein Puch und sehr wahrscheinlich ein Exemplar des großen Typs 14/38 PS. Darauf deuten das Kühleremblem, die sechs Radbolzen und überhaupt die Gestaltung des gesamten Vorderwagens hin:

Schön, dass sich so doch noch die Identität des Wagens mit einiger Sicherheit klären ließ.

Aber mich begeistert ohnehin etwas anderes: Der scheinbare Kontrast zwischen dem piekfein gekleideten Mann mit Nadelstreifenhose, polierten Halbschuhen und gerade einmal so hoch wie nötig gekrempeltem Oberhemd einerseits und der handwerklichen Tätigkeit, die er gerade zu seiner Zufriedenheit verrichtet hat.

Jetzt wäscht er sich die Hände, bevor es weitergehen kann, als sei nichts gewesen. Das hat einen Stil, vor dem man nur den Hut ziehen kann! Denn ein echter Gentleman muss sich ebenso die Krawatte oder Fliege binden können wie einen Reifen wechseln können.

Nach dem Schrauben am Automobil immer noch auszusehen wie ein Filmstar, das muss man erst einmal hinbekommen. Heute haperts bei den Herren meist schon an der Fähigkeit anzupacken, Pech auch noch mit solcher Haltung zu tragen, das ist dann ganz zuviel verlangt…

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Es gibt kein schlechtes Wetter: Ein Renault 6CV Tourer

“Es gibt kein schlechtes Wetter – nur falsche Kleidung.” So lautet eine Weisheit aus deutschen Landen, deren Ursprung ich nicht kenne. Sie muss aber mindestens so alt sein wie Rudi Carells legendärer Schlager “Wann wird’s mal wieder richtig Sommer?

Der Gassenhauer hat 2023 unerwartet neue Aktualität gewonnen, denn der von den Klimamodellierern prognostizierte “Hitzesommer” ist leider völlig ins Wasser gefallen, obwohl man sich medial größte Mühe gab, ihn dennoch herbeizubeten.

Nach vielversprechendem Anfang enttäuscht der Sommer in der hessischen Wetterau (und nicht nur dort) seit Wochen mit endlosem Regen und zunehmend kühlen Tagen.

Uns soll das aber nicht verdrießen, denn uns steht der Sinn nach einem Ausflug an den schönen Rhein und wir wollen doch einmal sehen, ob wir nicht doch irgendwie im offenen Automobil und einigermaßen unbeschadet dorthin gelangen.

Eingedank des heutigen Mottos steht freilich am Anfang die Wahl der angemessenen Montur – mit Kopfbedeckung und hohem Kragen kann man dem Kommenden gelassen entgegen sehen:

Renault 6CV Type NN; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Beim Fahrzeug haben wir uns für einen Renault entschieden – das wäre aber auch ohne das Emblem auf der Motorhaube zu erkennen gewesen.

Als einr der ganz wenigen Hersteller hielt Renault über den 1. Weltkrieg hinaus an der Anordnung des Kühlers hinter dem Motor fest. Dieser schaute bei frühen Exemplar noch beiderseits der Haube hervor – was hier nicht mehr der Fall ist.

Stattdessen wurde über die in Fartrichtung offenen “Kiemen” beiderseits der Haube gezielt Frischluft dem im Verborgenen liegenden Kühler zugeführt. Das gesamte Konzept hatte eine eigenwillige Gestaltung zur Folge, die dem Erfolg von Renault aber keinen Abbruch tat.

Die Traditionsfirma deckte schon immer ein breites Hubraumspektrum ab, doch mit dem populären neuen 5CV-Modell von Citroen ergab sich Anfang der 1920er Jahre die Notwendigkeit, auch wieder im Segment unter 1 Liter tätig zu werden.

So führte Renault Ende 1922 den neuen Kleinwagentyp 6CV mit Vierzylindermotor ein.

Damit war die Firma jahrelang ziemlich erfolgreich, selbst im Ausland. So kam auch der oben vorgestellte Renault auf deutschen Boden. Hier haben wir dasselbe Auto in der Seitenansicht:

Renault 6CV Type NN; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Der Beifahrer hat sich hier der jungen Dame zugesellt, die für das Foto noch auf eine Kopfbedeckung verzichtet hat, welche aber auf den zugigen hinteren Rängen eines Tourenwagens unverzichtbar war – speziell an einem kühlen Tag wie diesem.

Vom bereits 1919 eingeführten deutlich stärkeren Modell 10CV mit gut 2 Litern Hubraum unterschied sich der 6CV fast nur durch die geringeren Dimensionen. Speziell mit Insassen lässt sich recht gut abschätzen, mit welchem der beiden Typen man es zu tun hat.

Auch die Reifengröße unterschied sich, doch die ist hier nicht lesbar. Dennoch bin ich sicher, dass unser heutiger Ausflugswagen ein Renault des Kleinwagentyps 6CV war, hier jedoch auf verlängertem Chassis (Type NN), wie ab 1925 erhältlich.

Achten Sie einmal auf die Position des (nicht verstellbaren) Fahrersitzes in Relation zum Hinterkotflügel – da sind noch rund 20 cm Platz.

Mit diesem Gefährt machen wir uns hoffnungsfroh auf den Weg – den Wetterbericht ignorierend haben wir uns ein kühnes Ziel gesetzt: den Loreley-Felsen am Mittelrhein! Und unser Optimismus wird belohnt, denn dort lacht uns tatsächlich die Sonne!

Offenbar hat die sonst so trügerische Loreley hier mit ihrer Magie ein kleines Wetterwunder vollbracht. Doch ach, sie hat bei der Gelegenheit auch die Insassen weggezaubert:

Renault 6CV Type KJ; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Was ist hier geschehen?

Die ganze Situation ist zu schön, um wahr zu sein: Der Wagen steht mit einem Mal in der hellen Mittagssonne und im Hintergrund rauscht ein mächtiger Schaufelraddampfer mit Ausflüglern vorbei – Kaiserwetter nannte man das ein paar Jahre zuvor noch.

Aber der Renault ist doch genau der Gleiche, oder? Nun, ein 6CV mit Tourenwagenaufbau ist auch er, kein Zweifel. Bei näherer Betrachtung allerdings fallen einige Unterschiede auf.

Da wäre zunächst der große Koffer auf dem Trittbrett, welcher den Fahrer nötigt, auf der anderen Seite auszusteigen. Dann weicht die Anbringung der Windschutzscheibe ab und merkwürdigerweise ist das Krümmerrohr nicht zu sehen, obwohl der Fotograf den Wagen aus niedrigerer Perspektive aufgenommen hat.

Zu erklären ist das so: Dieser Renault 6CV war ein deutlich früheres Modell, bei dem der Tourer noch einen um 20 cm kürzeren Radstand aufwies. Daher sitzt der Fahrer auch entsprechend weiter hinten, wenn man den Abstand zum Hinterkotflügel zugrundelegt:

Fahrer und Beifahrer saßen etwas versetzt nebeneinander und der dritte Mann im Heck hatte so zumindest etwas Beinfreiheit.

Wer aber hat dann das Foto geschossen? Nun, auch hier geht es mit rechten Dingen zu, da die Aufnahme von einem Profi angefertigt wurde, der an der Loreley über viele Jahre genau aus dieser Perspektive auf Wunsch Reisende festgehalten hat.

So findet unsere unter trüben Vorzeichen begonnene Reise doch ein gutes Ende ausgerechnet an der von Schiffern gefüchtete Loreley, auch wenn uns unterwegs die Besatzung von Bord gegangen ist.

Wie fast immer wissen wir nichts über die Herren, die uns hier nach rund 100 Jahren entgegenblicken, doch dass Sie diesen Moment eines prächtigen Sommertags mit uns teilen, wie er sein sollte – dafür bedanken wir uns posthum bei ihnen.

Denn so können wir letztlich doch behaupten “Es gibt kein schlechtes Wetter!

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Was sich Frauen wünschen! Willys-Knight 70 “Six”

Heute kommen sowohl die männlichen Leser auf ihre Kosten als auch die weiblichen (ich weiß von mindestens einer handvoll…).

Die Herren bekommen schwarz auf weiß die Antwort auf die für viele ungeklärte Frage, was sich eigentlich Frauen wünschen – die Damen unterdessen bekommen in schwarz-weiß einen echten Frauentyp präsentiert!

Selbstverständlich lesen Sie hier ja auch deshalb mit, weil es nicht bloß um Autos aus Vorkriegszeiten geht, sondern man oft etwas über Menschlich-Allzumenschliches lernt.

Ich erspare mir und Ihnen weitere Vorreden und halte gleich’s für Erste fest, was es braucht, um ein echter Frauentyp zu sein, dem die Damen bereitwillig Tür und Tor öffnen und für den sie gerne einen Haufen Geld hinlegen, nur um ihn ganz für sich zu haben.

Also: leicht lenkbar sollte er sein, einfach zur Aktivität zu motivieren, problemlos dorthin zu manövrieren, wo man ihn haben will und allgemein einfach in der Handhabung. Insgesamt sollte es eine Beziehung sein, die sich völlig reibungslos gestaltet.

Das war es auch schon. Von Äußerlichkeiten keine Rede, unauffälliger Durchschnitt genügt vollkommen, um von Frauen mit offenen Armen willkommen geheißen zu werden!

Diese sensationelle Erkenntnis entspringt freilich nicht meiner persönlichen Erfahrung, vielmehr habe ich sie 1:1 diesem Dokument entnommen, in dem bereits 1926 alles festgehalten wurde, worauf es der modernen Frau wirklich ankommt:

Willys-Knight-Reklamne von 1926; Original: Sammlung Michael Schlenger

Natürlich habe ich mir bei der Interpretation dieser Reklame der amerikanischen Marke Willys Knight einige Freiheiten genommen – aber Sie werden alles oben Aufgeführte dort wiederfinden, auch wenn der Kontext ein wenig anders sein mag.

Tatsächlich warb die seit 1909 bestehende Mutterfirma Willys-Overland aus Toledo in Ohio, mit dem Sechsyzlindertyp 70 ab 1926 gezielt um Käuferinnen aus der Mittelklasse, die einen echten Frauentyp für den Alltag suchten, der in den Staaten damals schon von jedermann mit dem Automobil bewältigt wurde.

Der Zusatz “Knight” in der Typbezeichnung spielt nicht etwa auf vermeintliche “ritterliche” Qualitäten an, mit denen man den Wagen der Damenwelt anpreisen wollte.

Vielmehr weist er auf das beim Motor verwendete Patent von Charles Knight hin, bei dem der Gaswechsel anstatt durch Ventile über bewegliche Hülsen erfolgte, die um den Kolben herum angebracht waren und deren Betriebsgeräusche weit geringer ausfielen.

Willys-Overland nutzte diese Technik von 1914 bis um 1930 und verbaute bei seinen gehobenen Modellen so viele Motoren des Knight-Typs wie kein anderer Hersteller auf der Welt. Die mit der genialen Konstruktion einhergehenden spezifischen Probleme (Dichtigkeit und Ölverbrauch) scheint man zumindest hinreichend in den Griff bekommen zu haben.

Die Overland-Einsteigermodelle und der ab 1927 gebaute preisgünstige Whippet besaßen dagegen Motoren mit konventionellem Ventiltrieb.

Während also unter der Haube des Willys-Knight ein durchaus feines Aggregat (im Idealfall) unauffällig seine Arbeit verrichtete, hatte man – wie gesagt – auf das Äußere keine besondere Sorgfalt verwendet.

Tatsächlich kam auch der Frauentyp “Willys Knight” anno 1926 vollkommen durchschnittlich daher, und das war es vermutlich auch, wonach den Damen der Mittelschicht Sinn stand nach dem Motto: keine Extravaganzen, das sorgt nur für Neid und Getuschel.

So werden mir nun die Leserinnen gewiss beipflichten, dass es an diesem Frauentyp rein gar nichts zu beanstanden gab – gepflegtes Erscheinungsbild ohne auffällige Eigenheiten und für den Alltag einer Zweierbeziehung kompetent wirkend:

Willys Knight von 1926/27; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Wie die eingangs zitierte Reklame verheißt, darf man bei diesem Exemplar zurecht leichte Lenkbarkeit, mühelose Kontrolle und reibungsloses Funktionieren erwarten, meine ich.

Sollte sich das Bild indessen aus weiblicher Sicht ganz anders darstellen und der vermeintliche Frauentyp schon bei der geringsten Prüfung seiner Qualitäten durchfallen, dann bitte ich um Gegendarstellung im Kommentarbereich.

Wenn Willys-Overland also zuviel versprochen haben sollte, kann der “Frauentyp” leider nicht mehr beanstandet werden – 1942 endete diese Episode der Firmengeschichte und konzentrierte sich ganz auf einen sehr maskulinen Typ – den legendären Jeep.

Das ist eine andere Geschichte, die ich hier aber nicht erzählen kann, so sehr sich dies Männer vielleicht wünschen mögen…

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So jung und schon Veteran: Ein Brennabor um 1911

Anfang der 1920er Jahre – also vor gut einem Jahrhundert – konnte man schon sehr früh den zweifelhaften Status des Veteranen erwerben – als junger Mann ebenso wie als solider Gebrauchtwagen. Man musste dazu “nur” den 1. Weltkrieg überstanden haben…

Um besser zu verstehen, wieso das damals so schnell gehen konnte, werfen wir zunächst einen Blick auf das, was Deutschlands damals größte Automobilfabrik im Angebot hatte. Die Rede ist weder von Benz noch Opel, weder von NAG noch Wanderer.

Nein, um 1920 war Brennabor aus Brandenburg an der Havel derjenige Hersteller, welcher dank konsequenter Rationalisierung der Fertigung die höchsten Stückzahlen erreichte.

So ist es kein Wunder, dass man speziell dem Typ P 8/24 auf alten Fotos am laufenden Band begegnet. Lediglich die ganz frühen Ausführungen mit dem sportlich wirkenden Spitzkühler nach Vorlage von Benz finden sich nicht ganz so häufig:

Brennabor Typ P 8/24 PS um 1920; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Typisch für die frühen Modelle war neben besagtem Spitzkühler mit aufgesetztem “B” das Fehlen von Haubenschlitzen und die optisch nach hinten versetzt wirkende Vorderkotflügel.

Gelegentlich bringe ich wieder eine Auswahl von Fotos zu diesem nur auf den ersten Blick eigenschaftslos erscheinenden Modell.

Jedenfalls war Brennabor damit gestalterisch auf der Höhe der Zeit, zumindest am deutschen Markt. Und jetzt sehen wir uns an, wie ein Brennabor gerade einmal 10 Jahre zuvor ausgesehen hat – wie aus einer anderen Welt:

Brennabor Chauffeur-Limousine um 1911; Originalfoto: Sammlung Matthias Schmidt (Dresden)

Diese beeindruckende Aufnahme verdanken wir Leser Matthias Schmidt aus Dresden. Sie zeigt ebenfalls einen Brennabor, doch dieser weist außer dem Namen und (wahrscheinlich) der Motorengröße keine Gemeinsamkeit mit dem Typ P 8/24 PS auf.

Wer nun meint, dies liege daran, dass wir es in Wahrheit mit einem Minerva zu tun haben, zeigt sich zwar als überdurchschnittlich gebildet in Sachen frühe Automobile – denn die Wagen des belgischen Herstellers besaßen damals eine ähnliche Haubengestaltung, auf den ersten Blick. Falsch liegt man trotzdem mit dieser Einschätzung.

Hier haben wir zu Vergleichszwecken einen Minerva derselben Zeit und mit ähnlichem Aufbau als Chauffeur-Limousine (ausführliches Porträt hier):

Minerva Chaufffeur-Limousine um 1912; Originalfoto: Sammlung Klaas Dierks

Diese prachtvolle Aufnahme, die uns Leser Klaas Dierks zur Verfügung gestellt hat, erlaubt die Unterscheidung anhand der Gestaltung des Oberteils des in beiden Fällen “getreppt” gestalteten Kühlergehäuses.

Beim Minerva war dieses oben abgerundet, nicht flach, außerdem war eine runde Markenplakette angebracht, was es bei Brennabor vor dem 1. Weltkrieg nicht gab.

Zur Bestätigung flechte ich eine weitere Aufnahme ein, diesmal aus meinem Fundus. Sie zeigt unstrittig einen Brennabor um 1912, denn auf dem Kühler ist der Markenname lesbar (Porträt hier):

Brennabor Landaulet um 1912; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

In der Hoffnung, Sie überzeugt zu haben, kehre ich nun zu dem Foto zurück, das mir Matthias Schmidt in digitaler Kopie zur Verfügung gestellt hat.

Wie in den meisten Fällen steckt etwas Arbeit in der hier zu sehenden Version, falls Sie sich wundern, wie ein rund 100 Jahre altes Foto immer noch so gut aussehen kann.

Den Gesamteindruck störende Flecken und Kratzer habe ich beseitigt, die horizontale Ausrichtung verbessert und den Bildausschnitt so angepasst, dass das Fahrzeug im Mittelpunkt steht.

Das Drumherum war nämlich belanglos, bis auf eine Kleinigkeit, auf die ich noch zurückkomme, weil sie bei der Datierung der Aufnahme hilft. Aber zunächst werfen wir einen näheren Blick auf den Brennabor:

Die deutliche Stufe zwischen der Motorhaube und dem dahinter befindlichen Blech – dem “Windlauf” – ist typisch für die Zeit zwischen 1910 und 1912. Davor und danach findet man sie bei deutschen Serienautos generell nicht.

Ich würde dieses Fahrzeug daher auf “um 1911” datieren, wozu auch die noch gasbetriebenen Parkleuchten passen, denn 1913/14 setzte sich hier bereits elektrische Beleuchtung durch, zumindest bei Wagen der Mittel- und Oberklasse.

Mit den mächtigen Frontscheinwerfern, welche ihre Energie aus dem Karbidgasentwickler bezogen, der auf dem Trittbrett vor den beiden Ersatzreifen angebracht ist, wirkt der Brennabor vollkommen so, wie ein Wagen kurz vor dem 1. Weltkrieg aussah.

Nur: Das Foto ist ganz sicher erst nach dem Krieg entstanden. Darauf verweist das moderne Erscheinungsbild des jungen Mannes am Steuer, der ohne Vatermörderkragen und mit Krawatte nach der neusten Mode gekleidet (und auch frisiert) ist.

Man sieht es ihm nicht an, aber wir können annehmen, dass er zum Aufnahmezeitpunkt bereits ein Veteran war – sofern er im Krieg als Soldat dienen musste.

Was er gesehen und gelebt und vielleicht getan hat, wissen wir nicht. Aber man betrachtet ihn mit anderen Augen, wenn man sich vergegenwärtigt, dass er ein Zeitzeuge der Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts in Europa war.

Während er äußerlich mit der Zeit ging, blieb sein Brennabor das was, er war: Ein Zeuge der Vorkriegsautogeneration, die nach dem 1. Weltkrieg ziemlich schnell “von gestern” war.

Aber wann ist dieses Dokument überhaupt entstanden? Könnte es nicht sogar erst aus den späten 1920er Jahren stammen? Nun, denkbar wäre das schon, modisch wäre der Fahrer auch dann noch auf der Höhe der Zeit gewesen.

Doch schauen Sie sich das Foto noch einmal genau an. Dort sehen sie links – und vor allem rechts – des Autos schemenhaft Frauen, deren Kleider nicht mehr bodenlang waren wie noch anno 1914, aber auch noch nicht so kurz wie Mitte der Zwanziger.

Das spricht dafür, dass uns der heutige Ausflug mit der Zeitmascheine etwa ins Jahr 1920 befördert hat. Viel länger wäre auch kaum noch jemand mit den Gaslaternen am Auto umhergefahren.

Damit war der Brennabor noch mehr Veteran als sein Lenker, und das obwohl er gerade einmal zehn Jahre alt gewesen sein mag, wenn überhaupt.

Das gibt einem vielleicht eine Vorstellung von den rapiden Umbrüchen jener Zeit, im Vergleich zu denen es heutzutage eher beschaulich zugeht.

Ein junger Mann in den Zwanzigern ist heute kein Veteran hierzulande und wir sollten Sorge tragen, dass dies so bleibt. Auch könnte ich ein knapp zehn Jahre altes Auto kaum von einem aktuellen unterscheiden (allerdings interessiere ich mich auch nicht dafür…).

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Typenkunde einmal anders: Opel 7/34 und 8/40 PS

Heute geht es um einen speziellen Opel-Typ der späten 1920er Jahre, der kaum noch bekannt zu sein scheint – das 1927 eingeführte Sechszylindermodell 7/34 PS bzw. 8/40 PS.

Doch eigentlich dient mir dieses Modell nur als Vorwand für eine Typenkunde anderer Art.

Beginnen wir mit dem sicher jedem Vorkriegsenthusiasten geläufigen Opel 4 PS – und zwar in der Ausführung mit dem Ende 1927 vom amerikanischen Packard abgekupferten Kühler:

Opel 4/20 PS Limousine, Bauzeit: 1929-31; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Die schüssel- statt trommelförmigen Scheinwerfer verraten uns, dass dieses Exemplar erst ab Herbst 1929 entstanden sein kann. Bis 1931 blieb das Modell so noch im Rüsselsheimer Programm.

Interessanter als solche Details erscheinen aber die beiden jungen Damen, die hier auf dem Trittbrett um die Wette lächeln. Beide sind ganz der Kamera zugewandt, die Situation ist ihnen keineswegs unangenehm.

Davon – und den Zöpfen – abgesehen, haben sie wenig gemeinsam – sie sind ganz unterschiedliche Typen, und man kann sich vorstellen, dass sie auch später als erwachsene Frauen eine ganz eigene Anmutung hatten.

Man ahnt hier bereits: Nichts wäre langweiliger auf diesem Planeten, als wenn die Menschen – außer vor dem Gesetz – gleich wären. Die Unterschiede machen den Charakter und Reiz aus, was keine Wertung beinhaltet, sondern schlicht eine Tatsache ist.

Das werden wir am Ende des heutigen Blog-Eintrags bestätigt sehen. Doch bis dahin muss ich Sie noch ein wenig mit weiteren Typenstudien belästigen.

Denn Opel brachte angesichts des Erfolgs des kleinen 4 PS-Modells schon 1927 einen großen Bruder heraus, den Sechsyzlindertyp 7/34 PS. Der basierte im Wesentlichen auf der bewährten Konstruktion des berühmten Kleinwagens.

Allerdings sah der ab 1928 mit Motorisierung 8/40 PS ausgestattete Opel viel erwachsener aus:

Opel 7/34 oder 8/40 PS, Bauzeit: 1927-1930 (dieser Wagen: 1927/28); Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Auch hier können wir uns wieder dem Studium menschlicher Typen hingeben, jedoch nicht nur auf einer Aufnahme und weniger anhand der weiblichen “Fotomodelle”.

Vielmehr möchte ich Sie für den “Typen” sensibilisieren, welcher vor dem Kühler in damals verbreiteter Pose steht – eine Hand in der Tasche und eine mit der unvermeidbaren Zigarette zwischen den Fingern. Der lässige Hut mit weicher Krempe verleiht einen sportlichen Touch.

Ganz anders der Typ auf der zweiten Aufnahme desselben Opels. Er hat nicht die Posen damaliger Schauspieler studiert und verinnerlicht – sein Ideal ist der ernst dreinschauende Bankertyp mit schlichter “Melone” auf dem Schädel:

Opel 7/34 oder 8/40 PS, Bauzeit: 1927-1930 (dieser Wagen: 1927/28); Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Leider wissen wir nichts über die hier abgebildeten Leute und in Abwesenheit irgendwelcher Informationen verdienen sie alle unsere Sympathie, je nach Situation und Lebenslage.

Das gilt auch für die “Trittbrettfahrer”-Typen, die uns als nächste begegnen werden.

Sie dominieren klar die Situation, nur wenige Details deuten darauf hin, dass auch der von ihnen “besetzte” Wagen ein Sechszylindermodell 7/34 oder 8/40 PS war.

Bitte erwarten Sie nicht zuviel in automobiler Hinsicht, wie gesagt betreibe ich heute eine Typenkunde der anderen Art:

Opel 7/34 oder 8/40 PS, Bauzeit: 1927-1930; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Wie unterschiedlich Typen wirken können – meinen Sie nicht auch?

Man kann ähnlich gekleidet und frisiert sein, doch es macht einen Unterschied, ob man griesgrämig dreinschaut wie die junge Dame ganz links, oder ob man den Fotografen anlächelt, keck einen schick beschuhten Fuß nach vorn stellt und sich nicht gänzlich in den Pelz einhüllt, bloß weil es gerade wie derzeit im Juli 2023 etwas frisch draußen ist.

Wir wollen aber auch dem Typen zwischen den beiden Maiden Gerechtigkeit wiederfahren lassen. Sein Gesicht hat ein kantiges Profil, die gerade Nase und die hohe Stirn haben etwas Ideales an sich. Es soll Frauen geben, die auf dergleichen achten, warum auch immer.

Mir jedenfalls gefällt sein abwesender, in die Ferne gehende Blick.

Männer haben ja immer etwas vor, wenn meine Theorie zutrifft, dass wir Buben noch nicht viel weiter sind als die Bauern der Jungsteinzeit, die vor rund 7.500 Jahren unsere sesshafte und zugleich rastlose Lebensweise begründeten.

Wenn Sie mir bei meiner wie stets subjektiven Typenkunde gefolgt sind, dann sind Sie jetzt vielleicht bereit für das abschließende Dokument.

Dieses zeigt wiederum einen Opel des Sechszylindertyps 7/34 bzw. 8/40 PS vom Ende der 1920er Jahre.

Der Wagen ähnelt bei oberflächlicher Betrachtung der eingangs gezeigten Limousine des verbreiteten Kleinwagentyps 4/20 PS, doch die Dimensionen und die Ausführung der Luftschlitze in der Haube verraten, dass wir es mit dem selteneren 6-Zylinder zu tun haben:

Opel 7/34 oder 8/40 PS, Bauzeit: 1927-1930 (dieser Wagen: 1927/28); Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Hier muss doch den Freunden von Vorkriegs-Opels wie eifrigen Studenten der menschlichen Gattung gleichermaßen das Herz aufgehen, oder?

Viel charakteristischer konnte ein Opel der damaligen Zeit kaum aussehen.

Der markante Kühler, die trommelförmigen Scheinwerfer und die mit eingeprägten Sicken versehenen Vorderkotfügel geben dem Wagen ein klar geschnittenes Antlitz. Daran gibt es nichts auszusetzen – jemand wusste genau, warum man bei Packard Maß nahm.

Doch schon bald wendet sich das Auge von dem in Leipzig zugelassene Wagen ab und den daneben posierenden Personen zu – das Kopfkino beginnt:

Seien wir ehrlich: Mit wirklicher Schönheit ist hier keine der abgebildeten Personen geschlagen – dennoch sind sie mir alle auf eigentümliche Weise sympathisch.

Die Dame ganz links hätte ich mir gut als Lehrerin vorstellen können. Ihrem Nachbarn und mutmaßlichen Partner hätte ich meine Buchhaltung oder – etwas exotischer – die Berechnung einer Kometenflugbahn anvertraut.

Der großgewachsene Mann mit dem dichten Haarwuchs wäre mein bevorzugter Arzt bei einer komplizierten Operation gewesen. Von seiner neben ihm stehenden Partnerin hätte ich mir besseren Klavierunterricht erhofft als den, welchen ich vor rund 40 Jahren genießen durfte.

Immerhin reicht es heute für Fugen von Bach und die eine oder andere Beethoven-Sonate. Die habe ich mir allerdings selbst angeeignet – ebenso wie mein mitunter fragwürdiges “Wissen”, was Vorkriegstypen betrifft…

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Das Glück liegt in einer Kurve: Ein Auburn von 1926/27

Motorradfahrer kennen das natürlich: “Das Glück liegt in einer Kurve”. Doch auch derjenige, der die unerreichte Individualität des Reisens mit dem Automobil zu schätzen weiß, weiß zugleich, dass der direkte Weg nicht immer der reizvollste ist.

Ein Umweg über demütig der Topographie folgende alte Landstraßen offenbart oft die großartigsten Eindrücke von der Welt.

Mit dem Automobil und ausreichendem Benzinvorrat kann man es sich leisten, unabhängig von Fahrplänen, Schienen und sonstigen einengenden Faktoren eine Landschaft in ihrer Gänze buchstäblich zu “erfahren”, ohne allzuviel Zeit opfern zu müssen.

Gewiss, eine Tour mit dem Fahrrad beispielsweise oder eine Wanderung zu Fuß hat ihren eigenen Reiz und beides möchte ich nicht missen.

Doch für den geplagten Großstädter, der in der Ebene sein Dasein fristet, lässt sich die Wunderwelt der Berge immer noch am besten mit dem Auto in greifbare Nähe holen.

Das mag auch einst das Motiv der Insassen dieses in Wien zugelassenen Tourenwagens gewesen sein:

Auburn Modelljahr 1926/27; © Salzburg-Museum (via Werner Friepesz)

Diese herrliche Aufnahme aus dem Archiv des Salzburg-Museums sandte mir Werner Friepesz mit der Bitte um Identifikation des darauf abgebildeten Wagens zu – verbunden mit der freundlichen Genehmigung, das Foto hier vorstellen zu dürfen.

Festgehalten wurde diese Situation in der kleinen Ortschaft Lofer im Pinzgau (Bundesland Salzburg), soviel war bekannt. Doch um was es für einen Wagen sich handelte, das war offen.

Wie gesagt – der direkte Weg ist nicht immer der reizvollste zum Ziel – und auch wenn ich auf Anhieb wusste, womit wir es zu tun haben, nehme ich mir die Freiheit, auf Umwegen die Lösung zu präsentieren.

Dabei erweist sich einmal mehr: “Das Glück liegt in einer Kurve”, und etwas Glück braucht man schon mitunter, wenn es um die Identifikation solcher Vorkriegswagen geht.

In meinem Fall verhält es sich so, dass ich das Glück habe, von vielen Gleichgesinnten Fotos für meinen Blog zur Verfügung gestellt zu bekommen, an die ich in vielen Fällen kaum oder nie gekommen wäre.

Einer davon ist Klaas Dierks, der mir vor längerer Zeit dieses Foto aus seiner Sammlung in digitaler Form zur Verfügung stellte:

Auburn, Modelljahr 1929/30; Originalfoto: Sammlung Klaas Dierks

Das schicke 2-Fenster-Cabrio links neben dem Nash konnte ich als Auburn des Modelljahrs 1929/30 identifizieren.

Die Kühlerform und das darauf angebrachte Emblem machten die Identifikation des Herstellers leicht. Doch diesem Dokument verdanke ich auch das Glück einer Kurve – nämlich der geschwungenen Zierleiste auf der Motorhaube – sie gab es so nur Auburn-Wagen von 1926-1930, wenn ich es richtig sehe.

Ein derartig markantes Detail erlaubt dann sogar die eindeutige Ansprache eines ansonsten schwierigen Falls wie dieser leider unscharf wiedergegebenen Limousine:

Auburn, Modelljahr 1929/30; Originalfoto: Sammlung Jörg Pielmann

Auch wenn sich besagte Zierleiste hier nur schemenhaft abzeichnet, erlaubt sie zusammen mit den schrägstehenden Luftschlitzen in der Motorhaube, der opulenten Kühlerform und der optisch zweigeteilten Ausführung der Vorderkotflügel eine sichere Identifikation.

Auch dieser Auburn von 1929/30 besaß dieselbe markante einteilige Stoßstange, die an federnden Haltern angebracht war, wie sie auf den beiden zuvor gezeigten Fotos zu sehen ist. Zwar gab es in den 1920er Jahren ähnliche Teile aus dem Zubehör, doch diese Ausführung war meines Erachtens markenspezifisch.

Nun bilden Sie sich ein eigenes Urteil, wenn Sie den Tourer auf dem Foto des Salzburg Museums näher in Augenschein nehmen:

Auburn Modelljahr 1926/27; © Salzburg Museum (via Werner Friepesz)

Das Glück des Betrachters liegt hier zunächst ebenfalls in der Kurve, welche die Zierleiste auf der Motorhaube bildet. Das muss ein Auburn aus der zweiten Hälfte der 1920er Jahre sein!

Doch mag auch die Frontpartie mit Kühler und Stoßstange auf den ersten Blick mit den entsprechenden Details auf den Fotos von Klaas Dierks und Jörg Pielmann übereinstimmen, so ergeben sich auf den zweiten Blick wichtige Unterschiede.

Die Scheinwerfer sind eindeutig anders gestaltete Modelle, wie man sie Ende der 1920er Jahre nicht mehr findet.

Nun muss das nicht viel heißen, weil bei Importfahrzeugen die jeweils landesspezifischen Vorschriften bei der Beleuchtung zu beachten waren, weshalb die Importeure Scheinwerfer aus heimischer Produktion montierten.

Doch auch drei weitere Elemente sprechen für eine frühere Datierung.

Bei dem Wiener Fahrzeug fehlt die Mittelstrebe im Kühler – ein Hinweis auf eine Entstehung vor 1928, wie mir Leser und Auburn-Besitzer Jason Palmer (Australien) mitteilte.

Des weiteren sind die Vorderkotflügel hier noch nicht glattflächig ausgeführt, sondern lassen noch eingeprägte Sicken erkennen, wie sie Kennzeichen früherer Wagen waren. Sie dienten teils der Stabilisierung, teils hatten sie eine dekorative Funktion.

Nicht zuletzt haben wir wieder einmal Glück mit einer Kurve – diesmal in Form des geschwungenen Seitenteils des Scheibenrahmens an der Frontscheibe. Auch das findet sich Ende der 1920er Jahre kaum noch, insbesondere nicht bei Auburn.

Doch im Modelljahr 1926/27 trifft alles glücklich zusammen, so mein Fazit.

Bleibt die Frage, ob die Wiener Besitzer des Auburn aus dem Archiv des Salzburg-Museums bereits den über 80 PS starken Lycoming-Achtzylindermotor geordert hatten, welcher ab 1925 verfügbar war.

Denkbar ist auch, dass in diesem Wagen der schwächere Sechszylinder verbaut war. Ich vermute aber, dass man sich mit dem Auburn antriebsseitig etwas gegönnt hatte, was die österreichischen Premium-Hersteller damals noch nicht im Angebot hatten.

Denn reisetaugliche Sechszylinder boten damals ja auch Austro-Daimler und Steyr an. Für das ultimative Glück in der Kurve – vorzugsweise beim Anstieg auf einer sich bergauf windenden Paßstraße musste es dann schon ein hubraumstarker Achtzylinder sein.

Dieses Detail werden wir nicht mehr klären können. Aber mit dem Ergebnis dürfen wir auch so zufrieden sein und mein Dank gilt dem Salzburg-Museum, welches uns an diesem schönen Fund am Wegesrand hat teilhaben lassen.

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Hier gibt’s was zu feiern: Dodge von 1925/26

Erst kürzlich fragte ich an dieser Stelle “Wo geht’s hier zum Sommer?“. Jetzt ist er ohne Zweifel da, auch wenn die angedrohten “Tropennächte” auf die Tropen beschränkt bleiben.

Es ist nach Mitternacht, drinnen ist’s nach vielen Sonnenstunden noch wärmer als draußen. Bis sich das wieder einregelt, macht man alle Fenster auf und legt eine Platte auf. Ja die gibt’s immer noch, genauso wie Kerzen, Violinen oder Olivenöl.

Der Fortschritt ist eine feine Sache, wenn man ihn als Angebot versteht, das sich am Bewährten und Gewohnten zu messen hat. Der Lebenskünstler prüft alles, was die Menschheit irgendwo und irgendwann geschaffen hat und entscheidet, was ihm zusagt.

So gesehen, aber auch nur so gesehen, leben wir in den besten aller Zeiten. Passt uns das neureligiöse Verzichts-Spießertum der Gegenwart nicht, können wir ja nach Belieben in Welten auswandern, in denen das Leben hemmungslos gefeiert wird.

Ich habe keine Idee, was es Mitte der 1920er Jahre zu feiern gab, als diese Aufnahme entstand, aber vielleicht können wir etwas davon lernen::

Dodge Tourer von 1925/26; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Was geht hier vor sich? Haben Sie eine Idee?

Mir gefällt jedenfalls dieses automobile Treiben mit geschmückten Wagen, elegant gekleideten Frauen in gewagten Posen (gemessen an modernen Sicherheitsstandards) und hilflos dazwischen herumstehenden düsteren Gestalten.

Vor allem gefällt mir die Besatzung des Tourenwagens im Vordergrund, den ich als Dodge des Modelljahrs 1925/26 ansprechen würde.

Von der Laune der Insassen lässt man sich doch gerne anstecken. Wer würde hier ängstlich die CO2-Emissionen kalkulieren und “sinnlose” Fahrten konstatieren?

Dodge Tourer von 1925/26; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Wer weiß etwas zu dem Kennzeichen dieses Fahrzeugs? Wo könnte dieser Korso gut gelaunter Zeitgenossen einst stattgefunden haben?

Ich würde auf ein Land ohne nennenswerte eigene Autoindustrie tippen, eventuell eines in Skandinavien oder in Osteuropa.

So der so gab es etwas zu feiern, als vor bald 100 Jahren jemand auf den Auslöser drückte. Die Probleme jener Zeit waren zweifellos andere, gravierendere als die derzeit propagierten.

Eine warme Sommernacht wäre da nicht als Bedrohung empfunden worden, sondern als willkommener Kontrast zu dem, was in mitteleuropäischen Breiten die Hälfte des Jahres an Wettermisere üblich ist.

Bald ist es ein Uhr nachts, gerade hat es geregnet – war gar nicht “angesagt”.

Die Platte mit Cecilia Bartolis Vivaldi-Album noch einmal umgedreht – in der Hinsicht findet sich immer einen Anlass zu feiern. Morgen beginnt eine neue Arbeitswoche, doch mit so einem schönen Dokument aus alter Zeit hat das Hier und Jetzt ausnahmsweise Vorrang…

Nachtrag: Der Aufnahmeort war laut João Pedro Gazineu die Avenida Rio Branco in Rio de Janeiro (Brasilien). Der “Corso Carnavalesco” war von den 1910er bis in die 1920er Jahre populär. DF auf dem Nummernschild steht für “Distrito Federal”. Also da, wo es echte Tropennächte gibt und das Leben tobt…

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Experten unter sich: Ein Adler Tourer um 1907

Heute lasse ich Sie an einem Moment teilhaben, bei dem eigentlich die Kenner unter sich bleiben wollen. Als bei den meisten Vorkriegsmarken nur Halbgebildeter kenne ich aber keinen Respekt vor Autoritäten und mische mich gern frech ein.

Mir passt es nämlich gar nicht, wenn die Experten ihr Wissen am liebsten für sich behalten wollen, damit sie nicht vom gemeinen Pöbel belästigt werden. Dergleichen Attitüden legen keineswegs nur Sprösslinge alter Adelsgeschlechter, Kirchenfürsten oder sonstige Vertreter der jeweils herrschenden Priesterkaste an den Tag.

Schlimmer sind die eifrigen Aufsteiger, die sich einbilden, es noch besser zu wissen als die bis dato Mächtigen und sich umgehend die Aura der Unantatstbarkeit zulegen, sobald sie höhere Sphären erreicht zu haben glauben als der erdverbundene Fußgänger.

In der Frühzeit des Automobils waren dieser Versuchung insbesondere diejenigen ausgesetzt, welche einen der neuartigen und enorm komplexen Kraftwagen beherrschten.

Diese Experten – wichtigtuerisch Chauffeure genannt – wussten, was sie ihren vermögenden Brötchengebern wert waren und blieben nach Dienstschluss gern unter sich. Mit dem übrigen Personal wollte man wohl nichts zu tun haben.

Hier haben wir zwei Exemplare dieser benzingetriebenen Elite ins Fachgespräch vertieft:

Adler Tourenwagen um 1907; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Ist das nicht ein hübscher Schnappschuss, der hier einem frühen Vertreter der Paparazzi gelungen ist? Wir dürfen sicher sein, dass die eigentlichen Besitzer dieses mächtigen und kolossal teuren Tourenwagens irgendeine Form von Prominenz genossen.

Wie komme ich als bloßer Betrachter – keinesfalls Eingeweihter – dieser Szene zu einer derart kühnen Vermutung? Sagen wir, dass ein gesundes Halbwissen meist schon reicht, um in diesen Kreisen einigermaßen bestehen zu können.

Das erforderliche Mindestmaß an Bildung kann man sich mit etwas Disziplin im Selbststudium aneignen. Dazu schule man sich am besten an hochkarätigem Material – beispielsweise diesem:

Adler-Reklame von 1907; Original: Sammlung Michael Schlenger

Wen diese Reklame eher verwirrt als orientiert, dem sei zweierlei empfohlen:

Erstens das Studium der Kühler- und Haubenpartie, zweitens die genaue Betrachtung der Armlehne der vorderen Sitzbank mit dem auffallenden Haltegriff. Den übrigen Aufbau vergisst man am besten – der war weder typ- noch markenspezifisch.

Die Frontpartie entspricht derjenigen stark motorisierter Wagen der Adlerwerke aus Frankfurt am Main, wie sie zwischen 1906 und 1908 gebaut wurden. Diese Autos verfügten über kolossale Hubräume von über sieben Liter, welche eine Spitzenleistung von 40 bis 50 PS bereits bei Drehzahlen von etwas über 1.000 Umdrehungen pro Minute abwarfen.

Hier ein Adler-Landaulet dieses Kalibers, welches 1908 in Wandlitz abgelichtet wurde:

Adler Landaulet um 1907; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Sicher erkennen Sie die weitgehende Übereinstimmung von Kühler- und Haubenpartie – typisch für Adler-Wagen aus der Zeit kurz vor 1910.

Der vor dem Landaulet abgelichtete Fahrer war ebenfalls ein Experte seines Fachs, doch immerhin zeigt er sich uns zugewandt – von ihm hätten wir vermutlich alles über “seinen” Adler erfahren, was wir wissen wollen.

Doch leider kann er nicht mehr zu uns sprechen – ganz wie die beiden Kollegen auf dem eingangs gezeigten Foto. Dabei hätten wir gern einiges von ihnen erfahren, und sei es nur, welcher der am Armaturenbrett aufgereihten Öler für welchen Schmierpunkt zuständig war:

Dergleichen Details werden die beiden Magier des Motorwagens vermutlich als Berufsgeheimmis für sich behalten haben wollen.

Dabei hätten wir doch bloß gewusst, ob wir mit der Vermutung richtig liegen, dass es sich bei dem großzügig dimensionierten Automobil tatsächlich um einen Adler mit 40 PS aufwärts handelte, wie er ab 1906 im Programm auftaucht.

Dazu ist freilich das Votum eines Kenners der frühen Adler-Modelle vonnöten. Wäre doch schade, wenn die heutigen Experten dieser einst so bedeutenden deutschen Marke unter sich blieben und ihr zweifellos vorhandenes Wissen für sich behielten – die mir bekannte Literatur dazu ist nämlich über 40 Jahre alt (Werner Oswald, Adler Automobile, 1981)…

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Magie des Augenblicks: Ein Dürkopp P8 8/24 PS

Die Geschichte deutscher Vorkriegswagen ist alles andere als ein abgeschlossenes Kapitel. Eigentlichh sollte man meinen, dass inzwischen längst alle bedeutenden Hersteller eine umfassende Würdigung in der gedruckten Literatur oder im Netz erfahren haben.

Weit gefehlt – die Lücken sind eklatant, und das sogar bei einst international renommierten Makren wie Adler aus Frankfurt am Main. Warum niemand die Herausforderung annimmt, verstehe ich nicht, zumal das Bild bei ausländischen Fabrikaten ganz anders aussieht.

Zudem erweist sich bei näherer Betrachtung, dass angebliche Nischenhersteller einst doch eine weit größere Präsenz entfalteten als gedacht. Die Automobile aus dem Bielefelder Dürkopp-Konzern sind so ein Fall.

Zwar lief die kurz vor 1900 begonnene Wagenproduktion eher nebenher, doch scheinen die Stückzahlen nach dem 1. Weltkrieg doch ein achtbares Niveau erreicht zu haben.

Anders kann ich mir es nicht erklären, dass mir inzwischen jede Menge zeitgenössischer Fotos dieser Autos mit dem markanten Spitzkühler aus der ersten Hälfte der 1920er Jahre vorliegen, nicht zuletzt dank befreundeter Sammler.

Dieses Exemplar kennen regelmäßige Blog-Leser sicher schon:

Dürkopp Typ P8 8/24 PS; aufgenommen 1924; Originalfoto: Sammlung Klaas Dierks

Diese reizvolle und technisch hervorragende Aufnahme aus dem Fundus von Leser Klaas Dierks soll uns heute als Referenz dienen, wenn wir uns anhand eines weiteren Exemplars desselben Typs der “Magie des Augenblicks” widmen, welche diesen Zeugen innewohnt.

Sehr wahrscheinlich haben wir es mit dem häufig anzutreffenden Vierzylindertyp P8 8/24 PS zu tun, welcher ab 1919 gebaut wurde, bis er 1924 vom Nachfolger P8A 8/32 PS abgelöst wurde, der nicht nur deutlich stärker war, sondern nun auch Vorderradbremsen besaß.

Während der recht langen Produktionsdauer müssen sich einige Änderungen auch optischer Natur ergeben haben – so kann prinzipiell jeder auf solchen alten Fotos festgehaltener Augenblick wertvolle Hinweise liefern.

Halten wir zunächst einige Besonderheiten des oben gezeigten Dürkopp fest: Der Kühler ist in Wagenfarbe lackiert, die Motorhaube weist sieben seitliche Luftschlitze auf und die Gestaltung der Frontscheibe folgt noch Vorbildern aus der Zeit vor dem 1. Weltkrieg.

Ich würde diesen Dürkopp daher als eher frühen Vertreter des Typs P8 8/24 PS ansehen. Die späteren Versionen (hier evtl. schon mit Spezifikation P8A 8/32 PS) wirken weit moderner:

Dürkopp Typ P8A 8/32 PS, Bauzeit: 1924-27; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Auf dieser Aufnahme aus meiner Sammlung bemerkt man vor allem die neu gestalteten schmalen Luftschlitze, die andere Ausführung der Frontscheibe und die äußerst schlichte Ausführung des oberen Karosserieabschlusses, der beinahe unfertig wirkt.

Es liegt nahe, dass es in punkto Gestaltung etwas zwischen diesen beiden Dürkopp-Wagen mit dem 2,1 Liter-Vierzylinder gegeben haben muss. Doch dafür bedarf es der Magie des Augenblicks, in dem einst jemand etwas Derartiges fotografisch festgehalten hat.

Vor kurzem meinte Fortuna es dann gut mit mir dieser Hinsicht. Als ihr Sendbote fungierte Dr. Siegfried Roth aus Rüsselsheim, der mir ein Foto aus Familienbesitz in digitaler Form zusandte, von dem er wusste, dass es einst bei einem Ausflug in den Taunus entstand.

Er hatte auch bereits bemerkt, dass meine Dürkopp-Galerie bislang kein solches Modell enthielt und so bin ich ihm doppelt dankbar.

Und jetzt genießen Sie eine weitere Dürkopp-Spitzenaufnahme aus Idealperspektive in perfekter Belichtung und hervorragender Schärfe:

Dürkopp Typ P8 8/24 PS; Originalfoto: Sammlung Dr. Siegfried Roth (Rüsselsheim)

Großartig, nicht wahr? Fast meint man, der Situation selbst beizuwohnen, es fehlt bloß die Farbe darin.

Tja, das ist die Magie des Augenblicks – festgehalten von Könnerhand, sorgsam aufbewahrt über fast 100 Jahre und in unseren Tagen wieder ans Licht gebracht. Beinahe vergnügungssteuerpflichtig sind solche Sachen, und ich hoffe, Sie wissen es zu schätzen, dass hier kostenlos (für Sie) dergleichen Ausnahmefunde präsentiert werden.

Was ist nun so außergewöhnlich an diesem Dürkopp? Den Proportionen der Frontpartie nach zu urteilen, haben wir es wieder mit einem Vertreter des Vierzylindertyps P8 8/24 PS zu tun.

Aber: Eine solche leicht schrägstehende und leicht gepfeilte Windschutzscheibe habe ich noch nie an einem Dürkopp gesehen.

Kurioserweise finden sich die nur vier Luftschlitze ausgerechnet an deutlich früheren Exemplaren, wie sie in meinem Originalprospekt von Dürkopp von Anfang der 1920er Jahre abgebildet sind, hier aber noch mit der erwähnten archaisch anmutenden Frontscheibe:

Dürkopp Typ P8 8/24 PS, Bauzeit: 1924-27; Originalprospekt aus Sammlung Michael Schlenger

Was ist davon zu halten? Ich meine, dass wir es auf dem Foto, das uns Dr. Roth zur Verfügung gestellt hat, mit einem Dürkopp P8 zu tun haben, der ein Zwischenstadium repräsentiert.

Die am Heck stark nach innen gezogene Karosserie ist typisch für die frühen 20er Jahre, während die sportlicher gestaltete Windschutzscheibe eine Neuerung darstellen könnte, die auf eine schrittweise Weiterentwicklung während der Produktion hindeutet.

Auch die Blechabdeckung der vorderen Rahmenausleger findet sich so nicht bei frühen Exemplaren. Dergleichen Anpassungen ließen sich bei der reinen Manufakturproduktion natürlich leicht vornehmen, welche bei Dürkopp praktiziert wurde.

So sind wir hier wahrscheinlich Zeuge eines Augenblicks in der Evolution des Typs P8 8/24 PS auf dem Weg hin zu seinem Nachfolger P8A 8/32 PS.

Doch die im Titel erwähnte Magie des Augenblicks zeigt sich in einem ganz anderen Detail. Wer meinen Blog schon länger verfolgt, der weiß, dass mich die menschliche Komponente mindestens ebenso fasziniert wie der automobile Aspekt.

Und seien Sie ehrlich: Was könnte uns Menschen mehr fesseln als dieser Augenblick?

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Wo geht’s hier zum Sommer? Austro-Daimler AD6-17

Der Juni 2023 gab einen Vorgeschmack auf einen großen Sommer – jedenfalls in deutschen Landen. Braungebrannt fuhr ich ins italienische Umbrien, wo die Einheimischen noch vornehme Blässe trugen – kühl und regnerisch war es dort wochenlang gewesen.

Wie schon immer spielt das Wetter dem Menschen solche Streiche – meist harmlose, bisweilen auch nicht ungefährliche. Wer aber nicht gerade an “German Angst” leidet, lässt sich keine Panik einreden. Gibt es “Hitzewarnungen”, zieht es die meisten an den/die See…

Und punktgenau zur medial angefachten “Hitze-Epidemie” zeigt uns der Sommer die kalte Schulter. Die geweissagten “Tropennächte” kommen kaum aktuell über 12 Grad hinaus.

In meiner Heimatregion – der an sich von mildem Klima verwöhnten hessischen Wetterau – enttäuscht der Juli-Anfang tagsüber mit knapp über 20 Grad. Grund zur Panik? Nö, vielleicht gibt’s bloß mal wieder einen vermurksten Sommer…

Wer sich freilich für draußen etwas vorgenommen hat – etwa eine sommerliche Ausfahrt in die Berge unter sengender Sonne mit Fahrtwind wie aus dem Fön, um dem am Schreibtisch ruinierten Teint wieder auf die Sprünge zu helfen, sieht derzeit ziemlich angeschmiert aus:

Austro-Daimler AD6-17; Originalfoto: Sammlung Matthias Schmidt (Dresden)

Immerhin scheint auf dieser Prachtaufnahme aus der Sammlung von Leser Matthias Schmidt die Sonne und die Landschaft bietet sich in ihrer ganzen Schönheit dar.

Besser als in der großen Stadt ist es hier draußen allemal“, denkt sich der Fahrer aus dem bayrischen Fürth vielleicht.

Doch wo genau geht es zum Sommer?”, das scheint im durch den Kopf zu gehen, während er sinnierend im wärmenden Wollpullover neben seinem mächtigen Wagen steht.

Irgendetwas muss hier temperaturtechnisch schiefgelaufen sein, doch unser Mitleid hält sich angesichts dieses automobilen Prachtstücks aus dem Hause Austro-Daimler in Grenzen. Für mich eines der beeindruckendsten Fotos des Typs AD6-17, das mir bisher begegnet ist.

Anno 1921, als dieses Modell eingeführt wurde, war das eines der besten Autos, die man von einem Hersteller im deutschsprachigen Raum kaufen konnte: Ein moderner 6-Zylinder mit Ventilsteuerung über oben im Zylinderkopf liegende Nockenwelle, reichlich Drehmoment aus 4,4 Liter Hubraum und satte 60 PS Spitzenleistung.

Das war das Rezept für einen Reisewagen, mit dem sich mühelos die Alpen überqueren ließen. Auch die 140 Liter Inhalt des Benzintanks machten den Austro-Daimler zum idealen Gefährt(en) aus den Niederungen des Alltags hoch auf die Pässe und hinab ins gelobte Land südlich der Alpen.

Was konnte dabei schon schiefgehen, zumal man zu den rund 1.000 Privilegierten gehörte, die sich einen dieser bis 1923 gebauten Traumwagen leisten konnten? Nun, auch mit dem dicksten Portemonnaie und den besten Verbindungen lässt sich das Wetter nicht kaufen.

Der Mensch bleibt doch immer Unwägbarkeiten ausgesetzt, und das ist gut so, sonst schnappt er am Ende völlig über, hält sich gar für die Krone der Schöpfung.

Wo geht’s hier zum Sommer? Das konnte dem Automobilisten damals wie heute keine Karte und kein Wetterfrosch mit absoluter Gewissheit verraten. Nehmen wir das doch einfach an, und überbewerten wir unsere unvollkommenen Maßstäbe nicht.

Freuen wir uns an dem, was uns Natur, Zufall und auch eigenes Bemühen an Schönem bescheren, doch nehmen wir Enttäuschungen und Missgeschicke wie vor 100 Jahren: Mit Demut und Dankbarkeit für das Wunder des Daseins.

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Masse mit Klasse: Chevrolet Coupé von 1927

“Klasse statt Masse” – so pflegen die Gourmets in so ziemlich allen Bereichen zu sagen, in denen es auf Kennertum und Exklusivität ankommt. Und wer unter uns Vorkriegsauto-Enthusiasten würde sich nicht für die meisterhaften Manufakturwagen jener Zeit begeistern?

Als Freund des “sowohl als auch” und unverbesserlicher Kapitalismus-Sympathisant schlägt mein Herz jedoch ebenso für die industrielle Massenproduktion, welche Klasse auch der Masse zugänglich macht – was Snobs stets zuwider war und bis heute ist.

Was ist denn auch so ein kompakter Vierzylinder-Wagen mit nicht einmal 30 PS Leistung, der obendrein reichlich bieder daherkommt?

Nun, das kann ein selbst für recht gut Situierte unerschwingliches Manufakturauto aus deutscher Produktion mit banalster Technik sein – dann wird es heute dennoch gefeiert, weil es so ungeheuer selten ist (und schon zur Entstehungszeit war).

Es kann aber auch einer der von vielen geringgeschätzten US-Großserienwagen sein, die erstmals jedermann – wirklich jedermann – den Besitz eines Automobils ermöglichten.

Neben Ford war es vor allem die Marke Chevrolet, die um die Mitte der 1920er Jahre unbegrenzte Mobilität für die Masse ermöglichte.

Im Modelljahr 1927 knackte der Hersteller erstmals die Marke von 1 Millionen Fahrzeugen – keineswegs kumuliert seit dem ersten “Chevy” von anno 1912, sondern pro Jahr!

Dass aus dieser in Europa völlig unvorstellbaren Masse durchaus Klasse werden konnte, das will ich heute anhand einiger “neuer” alter Fotos zeigen.

Zur Auffrischung der Erinnerung aber erst einmal eine Aufnahme eines dieser 1927er Chevrolets, welche ich schon einmal präsentiert habe:

Chevrolet 4-Türer von 1927; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Bei dieser 4-türigen Limousine sind alle wesentlichen Details zu sehen:

Der Kühler mit dem Markenlogo und der ins Kühlernetz hineinragenden Spitze, die es nur 1927 gab, die Stahlscheibenräder mit sechs Radbolzen, die konisch geformten Scheinwerfergehäuse und die Zierleiste, die von der Motorhaube kommend die gesamte Flanke entlangläuft.

Mit solchermaßen geschärftem Blick können wir uns nun der nächsten Variante über das Thema “Masse mit Klasse” nähern.

Hier finden wir alle erwähnten Details wieder, doch nun in Kombination mit einem nur zweitürigen geschlossenen Aufbau – in den Staaten als “Coach” bezeichnet, während der Viertürer als “Sedan” firmierte:

Chevrolet 2-Türer von 1927; Originalfoto aus Familienbesitz (Jochen Kruse)

Auch mit nur zwei Türen waren diese Herrschaften einst mit Klasse unterwegs – denn im Deutschland der 1920er Jahre war selbst ein solcher Chevrolet für die allermeisten Bürger ein unerschwingliches Luxusobjekt.

Klasse finde ich an diesem Exemplar nicht zuletzt, dass wir die Namen der Besitzer kennen, welche vorne sitzen: Am Steuer haben wir Lotte Engler und neben ihr Ehemann Franz. Sie waren die Großeltern von Jochen Kruse, dem wir dieses schöne Dokument verdanken.

Hinten war offenbar reichlich Platz für die Passagiere – amerikanische Serien-“Kleinwagen” waren stets erwachsene Autos, keine mitleiderregenden Minimalmobile, wie sie so viele deutsche Phantasten in den 1920er Jahren ohne Erfolgsaussicht zu bauen versuchten.

Na, haben Sie sich schon ein wenig mit dem Konzept Masse mit Klasse vertraut gemacht?

Dann werden Sie keine Mühe haben, auch den folgenden Wagen als 1927er Chevrolet anzusprechen, obwohl die Chancen aus dieser Perspektive für gewöhnlich schlecht stehen:

Chevrolet 2-Türer von 1927; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Selbst ohne den “Chevrolet”-Schriftzug auf der Reserverradhülle ließe sich dieser Wagen identifizieren. Zwar wies das 1928er Modell noch ähnliche Details auf – doch der kurze Radstand verweist klar auf 1927.

Die beiden Damen, denen wir hier beim Einsteigen zusehen dürfen, sehen nicht so aus, als sei ihnen dieses Massenfabrikat in irgendeiner Weise peinlich – im Gegenteil werden sie gewusst haben, dass ein solcher Wagen im damaligen Deutschland der vermögenden Klasse vorbehalten war. Der Durchschnittsbürger besaß bestenfalls ein Fahrrad.

Doch selbst bei den Privilegierten, welche sich hierzulande einen Chevrolet leisten konnten, den in den Staaten jeder Arbeiter oder Bauer fuhr (wenn er nicht Ford bevorzugte) war zwecks Abgrenzung von der bloßen Masse in Sachen Klasse noch etwas drin.

Schauen Sie sich dazu einmal dieses Exemplar an – das ist doch eine Klasse für sich:

Chevrolet Sports Coupe von 1927; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Für den an der Masse geschulten Blick ist der Fall klar: Auch das muss ein 1927er Chevrolet sein, aber einer mit Extra-Klasse!

Selbst die Nieten für den innenliegenden Halter des Vorderkotflügels sind an der richtigen Stelle. Oberhalb der “Gürtellinie” ist dieses Exemplar aus deutschen Landen jedoch eigen.

Ganz offensichtlich handelt es sich um die seltene Ausführung als zweisitziges Coupe mit im Heck befindlichen “Schwiegermuttersitz” – im Amerikanischen als “rumble seat” bezeichnet.

Das wäre es schon fast gewesen – viel mehr muss man über diesen Vertreter des basisdemokratischen Konzepts “Masse mit Klasse” gar nicht wissen.

Eines vielleicht aber doch: Der 1927er Chevy besaß sogar im Zylinderkopf hängende Ventile, ganz entgegen dem Standard, welcher Seitenventile bis in die 1930er Jahre vorsah.

Das und weiteres erfahren wir im folgenden Video, das einen Überlebenden genau dieses Typs zeigt, natürlich in den USA, wo noch tausende dieser prinzipiell für die Ewigkeit gemachten Wagen existieren.

Mit den Chevys und Fords der Vorkriegszeit ist auch heute für jedermann erschwingliche Vorkriegsmobilität möglich, wenn man Sinn für die Klasse eines gut abgestandenen Originals und kein Snob-Problem mit Masse hat…

Videoquelle: YouTube.com; hochgeladen von Ben Logan

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Anders reisen: Renault-Limousine von 1913/14

Gestern abend bin ich aus Umbrien zurückgekehrt – dem grünen Herzen Italiens, das als einzige Provinz des Landes nirgends ans Meer grenzt. Das mag einer von mehreren Gründen sein, weshalb die Region in Deutschland relativ wenig bekannt ist.

Man begegnet dort einer einzigartigen Mischung aus wilder Natur, Kulturlandschaft und großartigen Kunststätten, die von einem Menschenschlag belebt wird, der sich über die Jahrtausende kaum geändert hat. Eroberer zogen eher durch, als dass sie blieben, sieht man von der langobardischen Episode am Ende der Antike einmal ab.

Zwischen Perugia im Norden und Spoleto im Süden hat sich in 2.500 Jahren nur wenig verändert. Wo schon in vorrömischer Zeit Wein, Weizen oder Oliven angebaut wurden, wird das heute noch getan, auch die Städte stammen durchweg aus jener Epoche und sind oft in den Mauern von einst geblieben.

Am bekanntesten ist wohl der Wallfahrtsort Assisi, an dem der Heilige Franziskus mit unverminderter Inbrunst verehrt wird. Man braucht keineswegs gottgläubig zu sein, um die Faszination zu verstehen, welche dieser Mann und seine Lehren bis heute ausüben.

Die atemberaubende Silhouette von Assisi wird von der Doppelkirche San Francesco beherrscht, welche sich auf einem künstlich geschaffenen Plateau befindet, das weit in die Landschaft vorragt und auf den von Norden kommenden Pilger auch nach der x-ten Begegnung überwältigend wirkt. Zu dergleichen ist die sogenannte Moderne nicht fähig.

So grandios die Schauseite Assisis auch ist, so wollen wir doch heute dem Motto “Anders reisen” huldigen, welches einmal für eine Reihe alternativer Reiseführer stand.

Um anders zu reisen, braucht man eine andere Perspektive, eine auf den ersten Blick ungewohnte – eine, deren Reiz vielleicht spröder, aber dennoch lohnend ist. Schauen Sie, was ich Ihnen dazu aus dem Süden mitgebracht habe:

Assisi, Kirche San Francesco von Nordosten, Juni 2023; Bildrechte: Michael Schlenger

Auch hier sieht man Assisis Kirche San Francesco über dem Felsen thronend, doch nun von der anderen (nordöstlichen) Seite gesehen. Der Eindruck ist ein vollkommen anderer, zumal von der übrigen Stadt nichts zu sehen ist.

Das ist der Gewinn, wenn man anders reist, in diesem Fall auf der Strada Comunale Santa Croce in Richtung Castello di Petrata, und nach wenigen Kilometern innehält.

Anders reisen als auf konventionelle Weise, das konnte man schon immer – sofern man es sich leisten konnte. Vor rund 110 Jahren empfahlen sich dazu dem gut betuchten Automobilisten die Wagen von Renault, die damals zum Besten zählten, doch bei deren Gestaltung eigene Wege beschritten wurden.

Vielleicht erinnern sich manche von Ihnen an das spektakuläre Renault Landaulet, das ich zum Auftakt des Jahres 2023 hier präsentiert hatte.

Heute möchte ich dem Motto “Anders reisen” folgend ein weiteres Exemplar jener Zeit vorstellen. Es hat wiederum eine ganz eigene Anmutung, auch wenn man natürlich die markentypische Motorhaube dort ebenso leicht wiedererkennt wie die Kirche San Francesco in Assisi aus unterschiedlichem Blickwinkel.

Das Vergnügen verdanken wir diesmal Leser Matthias Schmidt aus Dresden, der uns an diesem grandiosen Dokument aus seiner Sammlung teilhaben lässt:

Renault Limousine von 1913/14; Originalfoto: Sammlung Matthias Schmidt (Dresden)

Größer könnte der Kontrast zwischen dem vollkommen konventionellen Limousinenaufbau und dem eigenwilligen Vorderwagen kaum sein.

Dort finden sich vor der Frontscheibe terassenartig abfallend erst der Benzintank mit Einfüllstutzen, dann der Wasserkühler mit ebensolchem Stutzen, schließlich die sehr lange Motorhaube, deren vorn abgerundete Front nur ansatzweise zu sehen ist.

Die Proportionen lassen vermuten, dass sich unter dieser Haube einer der Sechszylindermotoren verbarg, welche Renault kurz vor dem 1. Weltkrieg anbot. Da der Hersteller jedoch auch Anfang der 1920er Jahre an seiner eigene Linie festhielt und der Limousinenaufbau relativ modern wirkt, ist eine spätere Entstehung oder eine Neukarossierung nach dem 1. Weltkrieg nicht auszuschließen.

So oder so ist dies ein faszinierendes Beispiel für das Konzept “Anders reisen”, welches einst ein Renault ermöglichte. Wie im Fall der Baukunst darf man über die Kreationen dieses einst so prestigeträchtigen Herstellers in der Gegenwart getrost hinweggehen.

Aber genau deshalb lesen Sie ja hier mit, nicht wahr? Um anders und unbelastet durch die Zeit zu reisen, als es möglich ist, wenn man sich den oft betrüblichen Beschränkungen des Hier und Jetzt unterwirft.

Michael Schlenger, 2023. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Vorkriegsautos im Nachkriegs-Capri

Auf den Titel meines heutigen Blog-Eintrags bin ich besonders stolz – denn bei wer weiß wievielen Lesern beginnt beim Stichwort “Nachkriegs-Capri” gleich das Kopfkino und transportiert sie zurück in die 1970/80er Jahre.

Auch wenn sie damit das Thema um Längen verfehlen – eine lässliche Sünde. Gehört doch der “Capri” aus dem Hause Ford zu den attraktivsten Nachkriegskreationen des längst auf dem absteigenden Ast befindlichen Pioniers der Massenmotorisierung.

Ich kann sogar mit eigenen Erinnerungen dazu aufwarten. Ein Klassenkamerad kaufte sich als ersten Wagen einen orangefarbenen Capri 2 mit 3 Liter-Sechszylindermotor.

Die Aussicht von innen auf die lange Motorhaube kann ich noch ebenso abrufen wie die Tatsache, dass das Gerät über eine blattgefederte Hinterachse verfügte. Für uns Vorkriegsfreunde ein vertrautes Detail – für Ford dagegen kein Ruhmesblatt.

Dennoch ist der Capri unvergessen, in meinem Fall auch deshalb weil besagter Schulkollege ihn alsbald aufs Dach legte. Ein Beifahrer hätte das nicht überlebt…

Meine zweite Capri-Erinnerung reicht rund 30 Jahre zurück. Ich hatte als Student zwar wenig Geld, aber für sündteure Italienurlaube hatte ich stets genug zusammengespart. So ging es einst im Schlafwagen über Rom nach Neapel und von dort mit dem Bummelzug “Circumvesuviana” nach Sorrent, das der Insel Capri gegenüberliegt.

Während meiner zwei Wochen Aufenthalt in dieser himmlischen Gegend, welche die legendär schöne Amalfiküste umfasst, musste auch eine Überfahrt nach Capri sein.

Dort wollte ich damals die Reste der Villa des römischen Kaisers Tiberius besichtigen, die man zu Fuß erreichen kann. Dazu galt es freilich, den kleinen Hauptort der Insel zu durchqueren, der eigentlich immer von Touristen aus aller Welt bevölkert ist.

Dort hielt es mich nicht lange, ich nahm die berühmte “Piazetta” mit der winzigen Kirche Santo Stefano nur am Rande wahr und wanderte weiter.

Von der Tiberiusvilla aus lässt sich die Insel übrigens auf schmalen alten Pfaden in erstaunlicher Einsamkeit umrunden – man muss nur den rechten Abzweig finden und die grandiose Küste bis zu den berühmten Faraglioni gehört einem fast allein.

Heute, viele Jahre später, bin ich wieder auf der Piazetta gewesen – im Nachkriegs-Capri anno 1950. Klingt chronologisch etwas merkwürdig, und ist in einem Vorkriegsauto-Blog zusätzlich irritierend. Aber sehen Sie selbst:

Vorkriegswagen auf Capri im Jahr 1950; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Was auf den ersten Blick chaotisch wirkt, entpuppt sich bei näherer Betrachtung als ein Kleinod. Es reicht, an der eigentümlichen Kirche Santo Stefano auf der Piazetta von Capri-Stadt vorbeigehuscht zu sein, um sie auch nach langer Zeit wiederzuerkennen.

Eine kurze Bildrecherche bestätigte: Diese auf 1950 datierter Abzug aus einem Berliner Fotogeschäft erzählte von einem Aufenthalt deutscher Reisender auf Capri fünf Jahre nach Ende des 2. Weltkriegs.

Damals waren die Wunden auf beiden Seiten noch längst nicht verheilt. Italien war durch die Ausplünderung für die deutsche Kriegswirtschaft ab 1943 verarmt und zigtausende Italiener hatten Zwangsarbeit in Deutschland leisten müssen.

Und dann kamen just fünf Jahre nach Kriegsende wieder Deutsche ins Land. Nach allem, was ich weiß, überwog auf italienischer Seite der gesunde Geschäftssinn und oft wohl auch natürliche Gastfreundschaft.

Aber selbstverständlich war das nicht, dass man die Deutschen es in der Regel nicht spüren ließ, dass viele ihrer uniformierten Landsleute kurz zuvor noch Gegner und Ausbeuter waren. Rühmliche Ausnahmen gab es freilich auch und sie genießen bis heute großes Ansehen.

Zurück ins Jahr 1950 nach Capri und hinein ins chaotische Treiben, das ein Pier Paolo Pasolini damals kaum hätte besser mit der Kamera einfangen können:

Hier trifft alles zusammen: Die ältere Generation, die elegant gekleidet im Schatten flaniert, und der drahtige junge Bursche, der im Unterhemd über die sonnendurchflutete Straße schreitet – den Kopf einem großen Tourenwagen zugewandt, der fast die ganze Breite zum Wenden zu benötigen scheint.

Im Hintergrund erkennt man vage ein weiteres Auto, das ebenfalls noch in der Vorkriegszeit zu verorten ist. Was ist hier los und warum hat hier jemand genau in diesem Moment auf den Auslöser seiner Mittelformatkamera gedrückt?

Schwer zu sagen. Was uns so reizvoll an der Situation vorkommt, mag auch vor über 70 Jahren einen fähigen Fotoamateur spontan begeistert haben.

Er hat alles richtig gemacht – bis auf eines: Die Marke des Tourers hätte er schon für uns festhalten können, denn der Wagen ist kaum zu identifizieren aus dieser Perspektive.

Das Auto wirkt auf den ersten Blick so, als stamme es vom Ende der 1920er Jahre, doch die seitlichen Schürzen an den Vorderkotflügeln tauchen erst Anfang der 1930er Jahre auf.

Solche offenen Aufbauten wurden übrigens für Taxis auf Capri noch viel länger gefertigt. Das erfuhr ich bei meinem letzten Aufenthalt auf der Insel vor einigen Jahren. Denn das gerade bereitstehende Taxi, das mich damals in charmanter Begleitung in den höhergelegenen Ort Anacapri brachte, war ein Fiat der 1980er Jahre in einer Ausführung als offener Fünfsitzer!

Sie sehen: Auch im Nachkriegs-Capri hat viel Vorkriegszeit überdauert. Am besten genießen Sie das, wenn Sie Capri-Stadt links liegen lassen und hoch nach Anacapri fahren.

In dem weit ruhigeren Städtchen sollten Sie unbedingt die Villa San Michele besuchen, die sich einst der schwedische Arzt und Buchautor Axel Munthe errichten ließ.

Was er dort der Nachwelt hinterlassen hat, ist einer der magischsten Orte in Europa überhaupt. Die Zeit dort oben über den Felsen der Insel, die so viel gesehen hat, scheint stillzustehen. In der weiß gekalkten Villa und dem herrlichen Park finden sich zahllose antike Werke, die Munthe einst mit mit sicherem Geschmack zusammengetragen hat.

Wenn nicht gerade eine Reisegesellschaft dort ist, gehören Ihnen diese bis heute liebevoll bewahrten Schätze praktisch alleine.

Am äußersten Ende des Parks befindet sich ein Säulengang, der in einer Art Loggia endet. Dort schaut eine altägyptische Sphinx über das Meer und ich verspreche Ihnen: Diesen Blick über den Golf von Neapel mit dem Vesuv im Hintergrund vergessen Sie nie:

Villa San Michele, Anacapri, Mai 2017; Bildrechte: Michael Schlenger

Erfahrene Leser meines Blogs wissen natürlich, was ihnen jetzt blüht: Der Autor geht auf Reisen in den Süden und so wird es für etwas mehr als eine Woche hier keine automobilen Neuigkeiten aus der wundersamen Welt von gestern geben…

Michael Schlenger, 2023. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Lässigkeit des Seins: Ein Pontiac Tourer 1928

Man muss sich das Leben nicht schwerer machen, als es ohnehin ist – dafür ist es zu kurz.

Also lassen Sie die Finger von verkopfter Problemliteratur wie der “Unerträglichen Leichtigkeit des Seins” von Milan Kundera – einer endlosen Beziehungsstory, die es aus mir unerfindlichen Gründen zum Bestseller geschafft hat.

Folgen Sie mir stattdessen heute auf der Suche nach der überaus erträglichen Lässigkeit des Seins. Erfreuen Sie sich am frühen Aufgang der Sonne, an der Wärme und dem bis spätabends anhaltenden Licht. Allzubald wird nämlich auch das wieder vorbei sein.

Je nach dem, wann Sie dies lesen, machen Sie es sich gemütlich bei einem Glas Weißwein oder Bier, einer Tasse Tee oder Kaffee, vergessen Sie einmal, was Sie heute geärgert hat oder was Sie noch Nerviges vor sich haben.

Sagen Sie sich einfach: Ich schaue mir jetzt ein altes Autofoto an und das macht mich im besten Fall glücklich, im schlechtesten melancholisch (die wahren Gourmets des Daseins bevorzugen vermutlich das Letztere).

Hier mein heutiges Therapieangebot:

Pontiac Tourer von 1928; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Na, was meinen Sie? Kann es heute sommerlich-entspannter zugehen als hier?

Ein schicker amerikanischer Tourenwagen – am Indianerkopf auf dem Kühler als Pontiac zu erkennen – bietet sich hier von seiner besten Seite dar, nämlich mit montiertem Verdeck, aber ohne die üblichen seitlichen Steckscheiben.

Damit lässt sich ein strahlender Sommertag entspannt verbringen. Wem die Sonne zuviel wird, findet Schutz im Innern, wer nicht genug davon bekommen kann, macht es sich draußen bequem.

Den Fotografen kann man lässig ignorieren, stattdessen beschäftigt man sich mit dem vierbeinigen Gefährten seines Daseins. Ob mit oder Glimmstengel, darauf sei gepfiffen.

Hätte ich die Wahl, würde ich es dem Herrn auf dem Kotflügel gleichtun, der meine Sympathie genießt. Einem souverän wirkenden Mann mit ehrlich erworbenem Teint, hoher Stirn und kräftigem Haar darf man eher trauen als einem glatzköpfigem, blassen Bürokraten, oder?

Würden Sie aber auch mit ihm oder seinem Zeitgenossen am Steuer tauschen wollen? Vermutlich kaum, denn diese Aufnahme von 1935, die der Architektur nach zu urteilen irgendwo in Südosteuropa entstand, verheißt nichts Gutes.

Einer ganzen Generation war damals in Europa ein Schicksal beschieden, gegen das die Unzuträglichkeiten des Hier und Jetzt mit Lässigkeit ertragbar scheinen.

Das soll nicht heißen, dass man sich gegenwärtiger Übergriffe in das Private nicht erwehren sollte. Man sollte aber auch nicht die großartigen Möglichkeiten der inneren Emigration aus dem Auge verlieren. Die bestehen durchaus, nicht nur in der Beschäftigung mit der Lässigkeit des Seins mit Vorkriegsautomobilen…

Michael Schlenger, 2023. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.