Heute darf ich dank der Zusendung von Leser Reinhard Sudhoff etwas Schabernack mit einer Reihe von Fotos treiben, die einst im Raum Berlin von einem Pontiac des Modelljahrs 1929 entstanden.
Das Wortspiel “Der ist nicht ganz sauber” ist hier durchaus konkret gemeint, wie sich noch zeigen wird. Keinesfalls ist es auf den Namen des damaligen Pontiac-Chefs Alfred Glancy gemünzt, denn der hatte nicht nur dem Namen nach einen glänzenden Ruf.
Unter seiner Führung entstand im Juni 1929 der 500.000ste Pontiac, dabei war die Marke aus dem General Motors-Konzern erst 1926 geschaffen worden.
Pontiac wurde gezielt im Segment preisgünstiger Sechszylinderwagen angesiedelt und der Erfolg gab der Markenstrategie von GM recht. Auch am von heimischen Herstellern massiv unterversorgten deutschen Markt hatte man leichtes Spiel.
Hier haben wir einen im Raum Berlin zugelassenen Pontiac mit dem 1929 eingeführten vertikal unterteilten Kühlergrill:

Wie man sieht, bemüht sich gerade ein dienstbarer Geist – nennen wir ihn der Einfachheit halber Fritz – um die Reinigung des Wagens, angesichts damals in Deutschland noch verbreiteter Pferdeäpfel und vielerorts mäßiger Straßen eine Sisyphos-Aufgabe.
Verschärfend hinzu kam, dass die damaligen Besitzer des Wagens ausgesprochen kritisch gewesen zu sein scheinen – derweil sich der wackere Fritz im Hintergrund dem äußeren Zustand des Wagens widmet:

Könnte man Gedanken lesen, so würde die etwas säuerlich dreinschauende junge Dame im Vordergrund – sie könnte Magdalene geheißen haben – vermutlich gerade zu sich sagen: “Nee, der ist doch nicht ganz sauber. Mal sehen, was Gustav dazu sagt…”
“Gustavchen, jetzt schau Dir doch das mal an. Der Kühler glänzt ja überhaupt nicht. Der ist nicht ganz sauber, hier muss unser Fritz nochmal wienern. Meinst Du doch auch?”
Daraufhin brummelt er: “Mmh, ja, mmh, also ich muss sagen, Lenchen, wenn ich mir das genau anschaue – wo Du recht hast, hast Du recht.”

Wie man sieht, ist unterdessen eine dritte Person aufgetaucht – wir nehmen an ein alter Studienfreund, der zwar mehr der Eleganz zuneigt als der gemütliche Gustav, aber mit ihm die Leidenschaft für das Automobil teilt.
“Wenn Du mich fragst, Gustav – alter Schwede – ist der Wagen auch hier nicht ganz sauber. Schau, die Räder könnten noch eine tüchtige Reinigung vertragen, da ruiniert noch jede Menge Berliner Mist das Profil.”
Während sich Fritz unermüdlich ans Werk macht, wirft Gustav – ein gewichtiger Beamter im Reichsministerium für Ernährung und Landwirtschaft – einen Blick unter die Motorhaube:

“Mmh, ja, mmh, also das scheint mir ja, mmh, ein prächtiger, mmh, Mehrzylindermotor zu sein, den wir hier haben. Genauer kann ich das ohne Rücksprache nicht sagen – der ist jedenfalls auch nicht ganz sauber. Muss ich hier etwa selbst Hand anlegen, Fritz?”
Angesichts solcher Einsatzbereitschaft ist auch Magdalene sprachlos, wie man sieht. Es kann also nicht nur die Aura der Macht gewesen sein, die sie einst an den einflussreichen und wortgewaltigen Gustav fesselte…
Zum Glück beschränkte sich am Ende die Gustavsche Intervention auf den Innenraum, während der für das Vorwärtskommen entscheidende Antrieb verschont blieb:

Am Ende scheint es gelungen zu sein, den Pontiac wieder so stadtfein zu machen, wie es die Herrschaften sich wünschten.
“Macht Euern Dreck doch alleene”, so mag indessen Fritz in Anlehnung an den letzten sächsischen König Friedrich August III. gedacht haben, nachdem seine Bemühungen nicht die angemessene Anerkennung gefunden hatten.
“Die sind doch nicht ganz sauber – haben einen dicken Amerikanerwagen und mäkeln an einem bisschen Straßendreck herum…” mag er gedacht haben…
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Sehr interessant, besten Dank, Claus!
Hallo Michael,
zum Markennamen Pontiac darf ich mir noch die Hinweise erlauben, dass der Indianerhäuptling Pontiac als Namensgeber ausgesucht wurde, weil er der Häuptling von 6 Indianerstämmen war und der neue Wagen zunächst ausschließlich den 6-Zylinder Markt bedienen sollte. Dementsprechend steht auch auch auf dem Emblem von 1926 bis 1930 “PONTIAC CHIEF OF THE SIXES”. Der Indianer im Emblem hat sich übrigens bis 1955 gehalten; danach war er dann doch aus der Mode gekommen und wurde als altmodisch aussortiert und durch raketenähnliche Embleme ersetzt.
Beste Grüße
Claus H. Wulff