Commerz braucht Eisenerz: Opel Typ 80 10/40 PS

Im Zeitalter der allumfassenden Digitalisierung gerät eines gern in Vergessenheit:

Die Basis unserer Ökonomie ist nach wie auch die „Hardware“ in Form von Grundstoffen für Bau und Betrieb der Kraftwerke, welche die Energie zum Rechnen liefern, für die Roboter, welche in „Dark Factories“ rund um die Uhr am arbeiten sind, sowie für die Chips und Platinen, auf denen sich die Operationen mit Nullen und Einsen vollziehen.

Während heute eher Uran, Kupfer und Silber gefragt sind, war es die letzten 3.000 Jahre das Eisen, welches „den“ Rohstoff für die Wirtschaft lieferte – für Werkzeug und Waffen, Fahrzeugachsen und -federn, Nägel und Nieten, Kessel und Ketten, Kardanwellen und Kastenbrücken…

Ganz gleich, was auch am Ende für ein kommerzielles Produkt daraus entstand, die Basis von alledem war Eisenerz und seine energieintensive Weiterverarbeitung.

Das zumindest hat sich nicht geändert: Kein Commerz ohne Eisenerz – dumm nur, wenn man die Wirtschaft deindustralisiert, eigene Rohstoffe wie Erdgase, Kohle und Uran in der Erde lässt, teuer von Dritten bezieht und obendrein mit zusätzlichen Steuern belegt.

Vor 100 Jahren war in Deutschland fast alles schlechter als heute (Ausnahmen: Alpabetisierung, Grundschulbildung, Bauqualität ), aber so dumm war man nicht, die heimischen Ressourcen nicht zu nutzen und zwecks Commerz zu veredeln.

Wenn Sie sich fragen warum, der Blogwart so altertümlich schreibt, dann finden Sie die Antwort auf dem Foto, mit dem ich Ihnen heute zeigen will, wie Eisen den Rohstoff für Wohlstand schafft und wie man ein Auto identifiziert, bei dem das unmöglich erscheint:

Ha, da steht ja tatsächlich „Commerz“ auf der Fassade des Bankhauses und das passenderweise direkt neben dem Eisenwarengeschäft. So einfach kommt man auf die Idee zu einer Story – sie ist eigentlich immer in den Bildern angelegt, die ich vorstelle.

Der abgebildete Tourenwagen steht gezielt vor dem Eisenhandel – aber nicht, weil der Besitzer dort ein benötigtes Werkzeug erstanden hat. Dann würde man nicht so ein Foto machen.

Und wäre es der Bankdirektor von nebenan, würde er vermutlich nicht so einen Wagen fahren – oder doch? Das entscheiden wir, wenn wir herausgefunden haben, was das für ein Fabrikat war.

Unmöglich mag man jetzt denken – diese Tourer der 1920er Jahre sahen doch von hinten alle gleich aus. Nun, das stimmt in vielen Fällen, doch diesmal nicht.

Werfen Sie zum Vergleich einen Blick auf das folgende Fahrzeug:

Opel Typ 80 10/40 PS; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Hier sieht man in voller Pracht und diesmal mit Opel-Schriftzug das glänzende Trittschutzblech auf dem Schweller unterhalb der Tür, welches auf dem eingangs gezeigten Foto nur zu ahnen ist. Die Form war typisch für die Opels Mitte der 20er Jahre.

Das findet sich auch auf der folgenden Ansicht wieder:

Opel Typ 80 10/40 PS; Originalfoto: Sammlung Klaas Dierks

Beginnt sich hier an der Heckpartie ein einheitiches Bild abzuzeichnen, die Gestaltung der Räder mit sechs Bolzen inklusive?

Gewiss, es gibt auch Abweichungen – so sinddie Türgriffe beim zuletzt gezeigten Exemplar nicht außen montiert und die Motorhaube weist nicht das Profil wie auf dem ersten Foto auf.

Der Grund ist der, dass wir es mit einer frühen Ausführung des Opel-Modells zu tun haben, um das es geht – den Typ 10/40 PS – bezugnehmend auf die Höchstgeschwindigkeit auch als Opel Typ 80 bezeichnet.

Der 1925 eingeführte Vierzylindertyp (2,6 Liter Hubraum) war gewissermaßen der große Bruder des erfolgreichen „Laubfroschs“ – des von Citroen „inspirierten“ 4 PS-Modells.

Die sechs statt vier Radbolzen spiegeln die weit höhere Antriebskräfte wieder und das lange Chassis erlaubt geräumige viertürige Aufbauten.

1927 geschah etwas für die genaue Ansprache Wichtiges: Opel ersetzte den bis dahin oben gerundeten Kühler durch einen nach Vorbild der US-Luxusmarke Packard geschwungenen, dessen Profil sich in der Motorhaube fortsetzte:

Opel Typ 80 10/40 PS; Originalfoto: Sammlung Klaas Dierks

Das hat uns nur scheinbar weit weg vom Ausgangsfoto gebracht, welches nicht wie hier am Ostseestrand entstand, sondern in Sachsen – dem Kennzeichen nach zu vermuten in Zwickau.

Schauen Sie sich jetzt den dort abgelichteten Opel noch einmal an und achten speziell auf die Silhouette der Frontpartie, so wenig auch davon zu sehen ist:

Sind Sie auch überzeugt, dass der Eisenwarenhändler ebenfalls einen Opel Typ 80 10/40 PS in der späten Ausführung mit „Packard“-Kühler ab Sommer 1927 fuhr?

Für deutsche Verhältnisse war der Wagen mit einigen tausend Exemplaren in punkto „Commerz“ ein Erfolg, wenngleich er so teuer war, dass ihn sich nur Leute mit hohem Einkommen leisten konnten- etwa ein angestellter Bankdirektor.

Unser Eisenwarenmann scheint ebenfalls dazu gehört zu haben, was die eingangs skizzierte These unterstreicht, wonach die physischen Grundlagen einer Ökonomie geschäftlich durchaus lukrativ sein können, wenn man kaufmännisches Geschick besitzt.

Ob die beiden jungen Damen am Eingang des Geschäfts zur Familie gehörten oder Angestellte waren, das können wir nur vermuten. Eine davon erlaubte sich eine sommerlich leichte Bekleidung, wie sie damals selten war.

Der Kontrast zum Fahrer könnte kaum größer sein – ich vermute, dass es sich um einen angestellten Chauffeur handelte, von dem man einen disziplinierten Auftritt erwartete.

Der junge Herr auf dem Trittbrett erscheit mir einen Hauch zu lässig für den Juniorchef – er hätte den Wagen der Firma vielleicht auch eher selbst gesteuert.

Fehlt nur der Chef vom Janzen – vermutlich war er es, der den Opel vor seinem Geschäft und der günstig platzierten eventuellen Hausbank fotografierte.

Vielleicht verhielt es sich aber auch ganz anders – wer eine andere plausible Interpretation liefern kann, ist aufgerufen, dies mittels der Kommentarfunktion zu tun.

Nur bei der Ansprache des Wagens als Opel 10/40 PS bin ich mir sicher – und dass man wie einst im Fall von Eisen die Grundlagen der modernen Ökonomie nicht geringschätzen sollte – gute Verfügbarkeit von Rohstoffen, möglichst billige Energie sowie qualifiziertes Personal.

Zumindest das war vor knapp 100 Jahren reichlich vorhanden. Heute scheint das zunehmend selten hierzulande wie auch die einst gut verkauften Opels des 10/40 PS Typs…

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4 Gedanken zu „Commerz braucht Eisenerz: Opel Typ 80 10/40 PS

  1. Eine sehr schöne Geschichte, Herr Weigold, danke dafür! Gut gefallen hat mir auch der Schwenk auf die beiden Mädels und beim „feschen Fleischerjungen mit Framo“ musste ich laut lachen. Diese Abwege machen die Beschäftigung mit den motorisierten „Eisenwaren“ noch reizvoller, finde ich.

  2. Da mein Großvater als Abteilungsdirektor (Naturkunde) des Provinzialmuseums Hannover um 1930 einen solchen „großen“ Opel als Dienstwagen zur Verfügung hatte sprechen mich Fotos der billigsten Tourenwagen dieser Größenklasse im damaligen Deutschland immer besonders an. Ich vergleiche sIe gerne im Geist mit den Fotos in unseren alten Foto- Alben. Nicht daß deutsche Museumsleute als Staatsbeamte solch großzügige Dienstwagen durchweg gefahren hätten! Der Opel war eine großzügige „Spende“ des Fabrikanten Heinz Appel (Feinkost- Appel) , der ein großer Förderer des Natur- und Heimatschutzes in Niedersachsen war und wohl vom Großvater entsprechend „informiert“ worden war, der auf seiner Studienreise durch die USA 1927 die Vorzüge von Autofahrten auch in die “ Natur“ kennen gelernt hatte und noch im gleichen Jahr den Führerschein erwarb. Sein Technik- Lehrbuch war noch meine erste Lektion in Kfz- Technik!
    Das heutige (erste) Beispiel vermutl. aus den frühen Dreißigern zeigt nach meiner Interpretation den Chef am Steuer seines (am Kotflügel links vorn) leicht lädierten Opel, Tochter (wahlweise Schwieger-) und Enkelin im Wagen, Sohn (wahlweise Schwieger-) auf dem Trittbrett. Die ältere Enkelin wuselt irgendwo hinter dem Wagen herum während oben vor der Ladentür die „kleine“ Tochter des stolzen Eisenwarenhändlers das Sommerkleidchen des Vorjahres auftragen muß obwohl sie gerade einen Wachstumsschub „durchlitten“ hat (Mutti meint: den Sommer geht’s gerade noch!).
    Das Ladenmädel dient wohl mehr als Staffage zur Selbstdarstellung des stolzen Geschäftmannes, woran es wenig interessiert scheint.
    Es schaut wohl nach dem feschen Fleischerjungen von schräg gegenüber aus, der manchmal so pfeift im Vorbeifahren mit dem Framo- Dreirad, wenn er sie beim Putzen der Schaufenster erwischt….

  3. Wunderbar, danke! Dachte schon etwas in die Richtung, aber auf ein Emblem allein würde ich mich nie verlassen 🙂

  4. Kein Emblem zu sehen? Doch! Man beachte das einzige Rücklicht (links). Es ist unterteilt, oben lese ich STOP und unten OPEL, zugegeben mit etwas Fantasie, die braucht man aber auch in unserem Hobby. Ganz klar sind aber die Ausschnitte des Rücklichts und da zeichnet sich unten das Opel-Auge ab! Der Wagen ist eindeutig ein Opel. Identifizierung doppelt abgesichert! Beste Grüße aus Berlin Claus

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