Ein Fiat 1100 Transporter der 1940er Jahre

Transporter-Versionen klassischer Automobile haben einen ganz eigenen Reiz. Gerade bei Pritschenwagen der Vorkriegszeit sorgt der Bruch zwischen der gefälligen Frontpartie und dem schmucklosen Aufbau für eine Spannung, die der Limousine meist fehlt.

Oft genug ist das Heck ohnehin die weniger attraktive  Partie. Beim Peugeot 202 etwa hat der Abschluss der Normalausführung keine Chance, mit der großartigen Linienführung an der Front mitzuhalten. Folglich vermisst man beim Pickup hinter der Fahrerkabine auch nichts.

© Peugeot 202UH von 1949, Peugeot 201, NSU Fiat 500, Autobianchi Panoramica, Fiat 500 Giardiniera; Bildrechte: Michael Schlenger 

Dann gibt es Modelle mit hohem Niedlichkeitsfaktor, denen man kaum eine Nutzfahrzeugvariante zutraut. Die als “Giardiniera” bezeichnete Kombiversion des Fiat 500 beispielsweise sorgt immer wieder für Erstaunen. Auch hier hat der Kontrast zwischen der hübschen Ausgangsversion und der sachlichen Heckpartie seinen Reiz.

Es gibt allerdings auch Fahrzeuge, bei denen das Bemühen erkennbar ist, die schnöde Transportfunktion durch handwerklich aufwendige und formschöne Gestaltung des Hecks zumindest etwas zu kaschieren. Eines der seltenen Beispiele dafür zeigt das folgende Bild:

Fiat_1100L_Furgone

© Originalfoto Fiat 1100 L Transporter aus dem 2. Weltkrieg; Sammlung: Michael Schlenger 

Zu sehen ist ein Fiat 1100 L mit offener Ladefläche, der als Furgoncino oder Camioncino bezeichnet wurde, was so viel wie Kleintransporter bedeutet. Das “L” weist auf das gegenüber der Standardversion verlängerte Chassis hin, das es von 1938 bis 1948 gab.

Für das italienische Militär wurden tausende Exemplare der Transportversion des “Millecento” gebaut, für den harten Einsatz im Afrika-Feldzug (1940-1943) auch als “Coloniale”mit verstärktem Fahrwerk und höherer Zuladung (750 kg).

Der Fiat auf obigem Bild ist offenbar einer dieser militärisch genutzten Transporter vom Typ 1100L. Dennoch verfügt auch er über die schön geschwungene Heckpartie in bester Schreinerarbeit, die in merkwürdigem Gegensatz zum eigentlichen Nutzwert steht.

Fiat_1100L_Furgone_Ausschnitt

Die Ausschnittsvergrößerung lässt nur ahnen, wie aufwendig der Aufbau des Transporters tatsächlich war. An einem restaurierter Fiat 1100L Camioncino kann man die sorgfältige Holzkonstruktion genau studieren.

Das Bild muss zwischen 1943 und 1945 in Italien entstanden sein. Die drei Soldaten tragen die für die Südfront typische deutsche Uniform. Der Fiat stammt wohl von den ehemaligen italienischen Verbündeten, die nach der Eroberung Siziliens durch die Alliierten 1943 die Seiten wechselten. Er trägt jedenfalls keine Divisionsabzeichen und taktischen Zeichen, wie sie bei der Wehrmacht auch bei Fremd- und Beutefahrzeugen üblich waren.

Über den genauen Entstehungsort des Fotos lässt sich nur mutmaßen. Die Landschaft deutet auf eine dünn besiedelte Gegend irgendwo im Apenninen-Gebirge hin. Die Straße scheint jedoch bereits asphaltiert zu sein, was eher für Mittelitalien spricht als für den tiefen Süden.

Die Ladung umfasst offenbar einen Motorradreifen und allerlei Ausrüstung. Sollte der Fiat allein unterwegs gewesen sein, hätten zwei der vier Mann (einschließlich des Fotografen) nur Platz auf der Ladefläche finden können. Die Szenerie hat etwas von einer “Lustreise” abseits des Dienstalltags.

Sollte der Fiat den Krieg überstanden haben, stand ihm noch ein hartes Dasein bevor. Denn im Nachkriegsitalien wurde jede Form motorisierter Transportkapazität gnadenlos aufgebraucht. Deshalb sind gerade die Nutzfahrzeugvarianten von Fiat und Co. heute so selten und faszinierende Zeitzeugen.

Mehr zur Modellgeschichte des Fiat 1100 hier.

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