Die Mitte der 1920er Jahre markiert eine Zeitenwende speziell am deutschen Automobilmarkt.
Bis dahin herrschten noch formale Konzepte vor, die sich bis 1913/14 zurückverfolgen lassen – vor allem repräsentiert durch mehr oder weniger spitz zulaufende Kühler, zwar bereits in Kombination mit elektrischer Beleuchtung, aber noch ohne Vorderradbremse.
Von wenigen Ausnahmen abgesehen war damit ziemlich genau im Jahr 1925 Schluss. Die Kühler wurden ab dann flach ausgeführt, Vorderradbremsen wurden Standard und wer bis dahin noch nicht auf Linkslenkung umgestellt hatte, tat es spätestens dann.
Was vielleicht nach Unterschieden in technischen Details klingen mag, ging mit einem unübersehbarem Wandel im Erscheinungsbild einher. Von einem Jahr auf’s andere sahen vor 1925 gebaute deutsche Autos “richtig alt” aus.
Diese Zeitenwende wird auch für den von derlei Feinheiten unbelasteten Betrachter auf folgendem Foto unmittelbar deutlich:
Hansa und Fiat im Januar 1925; Origimalfoto: Sammlung Michael Schlenger
Diese von alter Hand auf Januar 1925 datierte Aufnahme mag technisch nur mittelprächtig sein, für uns Vorkriegsauto-Archäologen stellt sie einen Glücksfall dar.
Sicher wird mancher den links zu sehenden Hansa zunächst als Typ C 8/24 PS von 1913-14 oder als Typ D 10/30 PS ansprechen wollen, wie er im 1. Weltkrieg öfters anzutreffen war.
Doch ein Detail spricht dagegen – das auf die linke Seite gewanderte Lenkrad, welches sich erst beim Hansa 8/26 PS findet, der von 1921-24 gebaut wurde:
Zusammen mit Audi gehört Hansa zu den wenigen deutschen Autobauern, die schon Anfang der 1920er auf Linkslenkung umstellten.
Doch davon abgesehen, ist der Hansa 8/26 PS äußerlich kaum von seinem ab 1913/14 gebauten Vorläufer zu unterscheiden. Zwar wurden damals meist noch Gasscheinwerfer verbaut, doch optional gab es bereits elektrische Beleuchtung ähnlich der, die an diesem Nachkriegsexemplar zu sehen ist.
Typisch für noch in der Zeit vor dem 1. Weltkrieg verwurzelte traditionelle Konstruktionen war die mittig geschwungene Vorderachse, welche später einer gerade ausgeführten wich. Die Gründe dafür wird sicher ein fahrwerkstechnisch versierter Leser nennen können.
Das Fehlen von Stoßdämpfern ist ein weiteres Merkmal der damaligen Vorkriegstradition.
Völlig anders stellt sich nun der ebenfalls mit Tourenwagenaufbau versehene, doch deutlich größere Wagen auf der rechten Seite dar. Meines Erachtens handelt es sich um einen Fiat:
Die wesentlich modernere Anmutung dieses Wagens ergibt sich aus dem Zusammenspiel mehrerer Elemente.
Am markantesten ist sicher der flache Kühler, doch auch die Doppelstoßstange ist ein typisches Detail, das sich erst um die Mitte der 1920er Jahre durchsetzt.
Die mächtigen Scheinwerfer sind nun hochglänzend vernickelt, nicht bloß lackiert. Zudem machen sie durch ihre bessere Ausleuchtung der Fahrbahn die kleinen Zusatzscheinwerfer überflüssig, die sich um 1920 noch bei vielen Wagen finden.
Wer genau hinschaut, erkennt unterhalb der Stoßstange am vorderen Rahmenende die trommelförmigen Stoßdämpfer, deren Funktion auf der Reibung von Scheiben beruhte, die variabel gegeneinander gepresst werden konnten.
An den Vorderrädern, die nun Speichen aus Stahl statt solche aus Holz besitzen, fallen die sehr großen Trommelbremsen ins Auge. Sie sind der Hinweis dafür, dass wir es mit einem leistungsstarken Modell zu tun haben.
Vorausgesetzt, dass meine Fiat-These stimmt, kommt damit die 1925 eingeführte Flachkühlerausführung des nur vierzylindrigen Fiat 505 nicht mehr in Betracht. Es dürfte sich eher um einen der parallel angebotenen Sechszylindertypen handeln.
In Frage kommt zum einen der 1925 ebenfalls mit Flachkühler angebotene “kleine” Sechszylinder-Fiat 510 mit 46 PS aus 3,5 Litern. Zum anderen könnte es sich um das Spitzenmodell 519 handeln, das einen 77 PS starken 4,8 Liter-Motor besaß.
Ich tendiere zu dem ganz großen Typen, überlasse das Feld hier aber gern den Kennern unter meinen Lesern (bitte Kommentarfunktion nutzen).
Festzuhalten bleibt, dass dieses Foto uns nach bald 100 Jahren zum Zeitzeugen einer Zäsur macht, die sich im Straßenbild binnen kurzem unübersehbar bemekrbar machte. Dass meine Sympathie auch den damals rasch aussortierten traditionellen – und oft charakterstärkeren – Modellen gehört, bleibt davon unberührt.
Der Fortschritt braucht keine Nachhilfe – was überlegen ist, setzt sich von alleine durch. Doch die Bewahrung des Vertrauten und Verlässlichen, das dem Einzelnen oft genügt oder ihm schlicht ans Herz gewachsen ist, das erfordert Engagement – damals wie heute…
Michael Schlenger, 2023. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.
Vom schneebedeckten Ätna auf Sizilien ins sommerliche Herrenwies im Schwarzwald – klingt merkwürdig, aber es ist etwas für jeden dabei – für die Fraktion der Fernreisenden, die Liebhaber heimischer Idyllen und in jedem Fall für die Freunde früher Fiats.
Wer sich nun genüsslich einen Kaffee oder Tee macht, und sich auf einen opulent bebilderten Bericht über eine Reise im Automobil über eine Distanz von rund 1.900 km freut, den muss ich (vorerst) enttäuschen.
So kann ich eigentlich nur mit zwei Aufnahmen aufwarten, die für Start und Ziel stehen, aber die haben bereits ihren Reiz. Den Einstieg wagen wir mit einer Zeitreise über 100 Jahre zurück.
Wir schreiben das Jahr 1919 und der Erste Weltkrieg ist erst kurz zuvor zuendegegangen – nebenbei ein Krieg, in den Europa aufgrund absurder Bündnisse und irrationaler Loyalitäten hineingerutscht ist und der dann eine aberwitzige Eigendynamik entfaltete.
Nun schweigen die Geschütze, es gibt keine echten Sieger, selbst die jahrelang aufgeputschte Rüstungsindustrie steht auf allen Seiten angeschmiert da. Was tun mit den Produktionskapazitäten, dem Maschinenpark und dem Können der Entwickler und Arbeiter?
Für Giovanni Agnelli, Geschäftsführer von Fiat, ist die Sache klar. Im armen Italien gab es abgesehen vom schon damals recht entwickelten Norden – keinen Markt, um die gewachsenen Kapazitäten mit den bisherigen meist großen Modellen auszulasten.
Also musste ein neues massenproduktionstaugliches Modell her, das man international vertreiben konnte. Dabei orientierte man sich am erst 1915 eingeführten 2-Liter-Typ 70, der 21 PS leistete. Dem Motor schrumpfte man auf 1,5 Liter und holte nun 23 PS heraus.
Damit war Fiats erster Kleinwagen geboren – der Typ 501. Er sollte ein nie dagewesener Erfolg werden, jedenfalls für einen europäischen Hersteller. Rund 70.000 Exemplare wurden davon gebaut und sie fanden tatsächlich Käufer auf der ganzen Welt.
Dabei machte Fiats großer Wurf optisch nicht gerade viel her, aber das zählte nicht – der Typ 501 war legendär für seine Robustheit und schreckte vor keiner Herausforderung zurück:.
Fiat 501 Tourenwagen; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger
Hier haben wir ein Exemplar des kompakten Fiat am Hang des Vulkans Ätna auf Sizilien. Der Wagen diente dort deutschen Touristen Mitte der 1920er Jahre bei der Erkundung der Lavafelder, die beim Ausbruch 1913 entstanden waren.
Das verrät die Beschriftung des Abzugs. Sonst wäre man vermutlich nicht darauf gekommen, dass man sich hier bereits dem schneebedeckten Gipfel des Giganten genähert hatte.
Ich vermute, dass der einheimische Fahrer des Fiat diese Fotografie angefertigt hat, auf der seine Fahrgäste quasi als Besitzer posieren.
Jetzt fragen Sie sich vielleicht, wie man eigentlich darauf kommt, dieses Gefährt präzise als Fiat 501 zu identifizieren. Nun, man muss bloß einige Exemplare davon gesehen haben, dann klappt das auch ohne Markenemblem.
Die Proportionen der Vorderpartie mit den niedrigen Luftschlitzen und der hoch bauenden, eher kurzen Motorhaube finden sich so nur bei den kleinen Fiats der ersten Hälfte der 1920er Jahre. Zur Illustration füge ich nun doch ein weiteres Bild ein:
Fiat 501 Tourenwagen; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger
Hier sieht man nun auch den noch leicht birnenfömigen Kühler, den alle Fiat-Modelle bis etwa 1924 besaßen, teils lackiert wie oben, teils glänzend vernickelt wie hier.
Die Kühlerform präge man sich ein, wir begegnen ihr gleich wieder.
Übrigens will ich nicht ausschließen, dass es sich bei dem Fiat auf dem letzten Foto auch um den stärkeren Typ 505 (2,3 Liter Hubraum, 33 PS) handeln könnte, der parallel angeboten wurde und ganz ähnlich aussah, bloß insgesamt größer ausfiel.
Vielleicht ist Ihnen aufgefallen, dass der Fiat mit dem glänzenden Kühlergehäuse bereits Vorderradbremsen besitzt – diese waren also schon kurz vor der Einführung des neuen Kühlers anno 1925 verfügbar. Auch hier war Fiat ganz auf der Höhe der Zeit.
Auf dem langen Weg nach Norden wären wir den Vierzylindertypen 501 und 505 von Fiat gewiss noch einige Male begegnet, insbesondere als Taxi wie hier im Doppelpack vor der Kulisse des Doms in Mailand:
Fiat 501 oder 505 in Mailand; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger
Habe ich jetzt doch mehr als nur zwei Fotos präsentiert?
Nun, es gibt Schlimmeres, solange die Himmelsrichtung stimmt, denn es geht nach wie vor heimwärts gen Norden, wo uns die Aussicht auf ein weiteres Exemplar der damaligen Fiat-Familie erwartet.
Unterwegs geht hoffentlich alles gut – möge uns eine größere Kalamität erspart bleiben, wie sie 1924 diesem Fiat 501/505 bei Treviso in der Provinz Venetien widerfuhr – man wünscht sich, dass die Insassen mit wenigen Blessuren davongekommen sind:
Fiat 501 oder 505 bei Treviso; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger
Venetien lassen wir ohnehin rechts liegen, dafür braucht man mehr Urlaub und der war in den 1920er Jahren ein so knappes Gut, wie sich das in unseren Tagen ein Arbeitnehmer mit sechs Wochen Auszeit (plus Feiertage) nicht vorstellen kann.
Auf gehts also von Mailand über die 1924 neu eröffnete erste autobahnähnliche Straße der Welt (Autostrada dei Laghi) Richtung Como. Auf der schnugeraden Piste überholen uns die weit schnelleren Alfas und Lancias der feinen Mailänder Gesellschaft, die zum Wochenende an den Lago Maggiore oder den Comer See strebt.
Wir lassen uns davon nicht beirren, fahren aber hier die Spitzengeschwindigkeit von 70-75 km/h aus, um Strecke zu machen, denn auch die kleinen Fiats waren schon damals drehzahlfest ausgelegt.
Mag sein, dass sich während der Fahrt ein Kabel- oder Kühlwasseranschluss löst, vielleicht gibt ein Teil der Zündung den Geist auf, für das man aber Ersatz mitführt. Wahrscheinlicher ist indessen ein platter Reifen – das war bei langen Strecken beinahe Standard:
Fiat 501 oder 505; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger
Hier hat es einen Fiat mit Zulassung in Bozen aus dem 1920 dank der Großzügigkeit der Siegermächte von Italien einkassierten Südtirol erwischt.
Wir verkneifen uns einen Kommentar zum überschätzten Thema Völkerrecht und wünschen den frisch eingemeindeten Fiat-Kameraden gute Fahrt, denn wir sind nun auf der letzten Etappe ins ebenfalls gedemütigte Germanien.
Dort geht’s der breiten Masse dreckig – ein idealer Nährboden für Radikale roter und brauner Couleur, es braut sich etwas zusammen. Dennoch gibt es immer noch eine heile Welt für die wenigen, die trotz der allgemeinen wirtschaftlichen Misere prosperieren.
Damit sind wir nun endlich am Ende unserer langen Tour vom Ätna nach Herrenwies im Schwarzwald angelangt. Vor der Kulisse des winzigen Orts mit der Kirche St. Antonius wird wird im Juli 1928 dieses Idyll für die Nachwelt festgehalten:
Fiat 510: Originalfoto: Sammlung Patrick Schnurr
Das ist doch ein Fiat der frühen 1920er Jahre!. Das sollte nach der langen Vorbereitung klar sein. Aber lang ist auch die Motorhaube dieses Wagens, ungewöhnlich lang.
Zudem erscheinen die Insassen auf einmal so klein – am Ätna sah das doch noch ganz anders aus. Sollte die Luftveränderung zwischenzeitlich soviel bewirkt haben, dass man die Dinge nun ganz anders sieht?
Nun, die Sache ist ganz einfach: Wir haben hier schlicht einen viel größeren und stärkeren Fiat vor uns, der parallel zu den Typen 501 und 505 entstand – nämlich das Sechszylindermodell 510 mit 3,5 Litern Hubraum und 46 PS Leistung.
Das war Anfang der 1920er Jahre bei deutschen Serienherstellern nicht zu finden. Wer so etwas dennoch wollte, kam an ausländischen Fabrikaten nicht vorbei und Fiat gehörte nicht umsonst zu den führenden Importmarken.
Dabei dürfte dieses prächtige Exemplar erst recht spät seinen Weg nach Deutschland gefunden haben – dafür sprechen die mächtigen Bremstrommeln an den Vorderrädern:
Eigentlich heißt es, dass Vorderradbremsen bei Fiat erst beim Übergang zum kantigen Flachkühler 1925 eingeführt wurden. Doch wie bei einigen anderen Marken waren sie offenbar bereits kurz vorher verfügbar, hier also wohl im Jahr 1924.
Andere ausländische Fabrikate waren in der Hinsicht übrigens noch früher zur Erkenntnis gelangt, dass vorn gebremste Räder eine überlegene Lösung gegenüber den bisher üblichen Getriebe- oder Kardanbremsen waren, welche die auf die Hinterachse wirkende Handbremse unterstützten. Dazu gelegentlich mehr.
Für heute sind wir am Ziel, und ich bin ziemlich sicher, dass die wenigsten nach dem bescheidenen Anfang am Ätna mit diesem Ausgang gerechnet hätten. Doch Fiat war damals ein Hersteller, der das gesamte Spektrum abdeckte – vom Kleinwagen bis zum Luxusauto.
Die Welt war auch in der Hinsicht eine andere, mag es die Marke Fiat noch geben und sogar die dreistellige, mit “5” beginnende Typenbezeichnung über 100 Jahre überdauert haben…
Michael Schlenger, 2023. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.
Es hätte alles so schön sein können: 1935 brachte Fiat einen Wagen heraus, wie er in der Mittelklasse seinesgleichen suchte, den Typ 1500. Nur der Citroen 11CV bot eine ähnlich attraktive Melange aus technischer Raffinesse und eigenständiger Optik.
Deutsche Hersteller hatten nichts Vergleichbares im Programm. Einen geräumigen Sechszylinder-Wagen mit strömungsgünstigem Aufbau, der bei schmalen 1500ccm Hubraum solide 45 PS leistete und an die 115 km/h schnell war, sucht man vergebens:
Fiat 1500; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Hanomags Sechszylindertyp “Sturm” brauchte für vergleichbare Fahrleistungen einen 55 PS leistenden 2,2 Liter-Motor, der Wagen war weit schwerer und aerodynamisch von gestern.
Noch trister war das Bild, das seinerzeit Mercedes-Benz bot: Das 6-Zylindermodell 200 schaffte nicht einmal 100 km/h, mehr als 40 PS gab der große Seitenventiler nicht her. Zudem mutete man der Kundschaft eine 6 Volt-Elektrik zu; bei Fiat war selbst beim kleineren 1100er 12 Volt Standard.
Die Freunde der behäbigen Mercedes-Mittelklassemodelle jener Zeit mögen mir verzeihen, ich habe nichts gegen die Marke, aber das Gebotene war schlicht nicht zeitgemäß – vor allem nicht, wenn man an die Anforderungen der Autobahn dachte.
Als unabhängige Instanz lassen wir im folgenden die gefürchtete Motor-Kritik zu Wort kommen.
Mir liegt deren zweiseitige Testkarte des Fiat 1500 aus dem Jahr 1938 vor, aus der zunächst die Daten des Wagens hervorgehen und die einen Blick in das Innere erlaubt, das dank fehlender B-Säule konkurrenzlos leicht zugänglich war:
Fiat 1500; originale Testkarte aus “Motor-Kritik” Nr. 17-1938; Sammlung Michael Schlenger
Noch interessanter ist die nahezu durchweg positive Bewertung der Fahrleistungen, der Laufkultur des kleinen und doch starken Motors, des Fahrverhaltens und der vorbildlichen Platzverhältnisse.
Entsprechend anerkennend fällt das Urteil über den zum Testzeitpunkt (1938) keineswegs mehr neuen Wagen (ab 1935) aus: “Sportlich, straßensicher, fortschrittlich”.
Aber lesen Sie selbst auf Seite 2 der Testkarte der Motor-Kritik:
Fiat 1500; originale Testkarte aus “Motor-Kritik” Nr. 17-1938; Sammlung Michael Schlenger
So konnte dem Erfolg des Fiat 1500 eigentlich wenig entgegenstehen. Tatsächlich scheint sich der auch im Heilbronner Werk als “NSU-Fiat” gefertigte Wagen hierzulande unter Kennern gut verkauft zu haben.
Jedenfalls finden sich haufenweise zeitgenössische Fotos in Deutschland zugelassener Exemplare davon. Es gab sogar schicke Cabriolet-Aufbauten aus einheimischer Produktion.
Was hätte also mit einem so ausgezeichneten Auto schiefgehen können, wo doch alles bestens für eine Ausfahrt vorbereitet war – wie bei diesem im Ruhrgebiet (Raum Eneppe) zugelassenen Fiat 1500?
Fiat 1500; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Nun, der Hinweis auf das entscheidende Hindernis findet sich bei diesem Fahrzeug an der Front.
Dort ist nämlich die ab Beginn des 2. Weltkriegs bei den wenigen noch erlaubten Privatwagen vorgeschriebene Tarnbeleuchtung zu erkennen.
Mangels anderer Möglichkeiten ist der typische “Notek”-Tarnscheinwerfer hier auf einem Bügel mittig vor dem Kühler angebracht:
Das Schild hinter der Windschutzscheibe verrät, wer diesen Fiat 1500 auch nach Beginn des Feldzugs gegen Polen weiterfahren durfte – ein Arzt.
Der weit überwiegende Teil noch nicht veralteter Privat-PKW wurde gegen eine symbolische Entschädigung für das Militär beschlagnahmt – ein Raubzug des nationalsozialistschen Staats an den “Volksgenossen”, der m.W. später keine Kompensation nach sich zog.
Für private Ausfahrten wird der Herr Doktor jedenfalls kaum noch Gelegenheiten gefunden bzw. Kraftstoffrationen erhalten haben. Leider wissen wir nicht, was aus diesem Auto wurde.
Andere Besitzer wurden ihren Fiat 1500 gleich zu Kriegsbeginn los und sahen ihn nie wieder.
Interessant ist das folgende Exemplar, das ausweislich der Beschriftung der Aufnahme einem Kompaniezugführer der Wehrmacht zur Verfügung stand:
Fiat 1500; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Im Unterschied zum mattlackierten Wanderer im Hintergrund trägt der Fiat noch seine zivile Lackierung.
Das Nummernschild ist noch keines der Truppe, auch kein deutsches. Man erkennt die Jahreszahl 1941 darauf – wer kann sagen, in welchem Land dieser 1500er zugelassen war?
Ich würde hier auf den Balkan tippen, auf dem die Wehrmacht ab dem Frühjahr 1941 ungeplant zum Einsatz kam, nachdem die dortigen Feldzüge des mit dem Deutschen Reich verbündeten Italien sich als Fiasko erwiesen hatten.
Die Waffenbrüderschaft zwischen den Regimen in Berlin und Rom wird auf folgender Aufnahme besonders anschaulich.
Sie entstand aus dem Cockpit einer deutschen Junkers Ju-52 heraus und zeigt den italienischen Militärflughafen “Castel Benito” in Nordafrika, wo sich Mussolini ein weiteres Abenteuer leistete, das abermals die Wehrmacht auf den Plan rief und zusätzlich zum Russlandfeldzug zur Überforderung der Kräfte beitrug:
Italienischer Militärflughafen “Castel Benito” 1941/42; Original aus Sammlung Michael Schlenger
Bemerkenswert sind hier die Sturzkampfbomber des Typs Junkers JU-87 auf der rechten Seite.
Sie gehörten ausweislich der Markierung auf dem Leitwerk nicht zur deutschen Luftwaffe , sondern wurden von deren italienischem Pendant – der “Regia Aeronautica” – gegen englische Stützpunkte und Verbände geflogen .
Für uns interessanter ist jedoch das Automobil, das bei näherem Hinsehen vor dem vorderen Hangar zu sehen ist:
Dem Kenner offenbart sich dieses Auto anhand des Ersatzrads unterhalb der markanten geteilten Heckscheibe als ein weiterer Fiat 1500.
Der Volkswagen “Kübel” ganz links sei der Vollständigkeit halber ebenfalls erwähnt – diesem Fahrzeug werde ich mich zu gegebener Gelegenheit noch ausführlich widmen.
Wem die Heckpartie eines Fiat 1500 weniger vertraut ist, dem sei diese hübsche Aufnahme aus Friedenszeiten empfohlen, welche ein in Deutschland zugelassenes Exemplar zeigt:
Fiat 1500; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Wie die Allianz Deutschlands und Italiens auf dem Schlachtfeld ausgegangen ist, wissen wir. Spätestens mit dem Eintritt der USA mit ihrem gigantischen Industriepotential und überlegenen logistischen Fähigkeiten war die Sache verloren.
Nachdem sich im Frühjahr 1943 Teile des deutschen Afrika-Korps mit italienischen Truppen über Sizilien nach Italien gerettet hatte, gelang es den Italienern nach großangelegten Streiks (von den Turiner Fiat-Werken ausgehend…) so starken Druck auf die politische Führung zu machen, dass Mussolini seine Absetzung Ende Juli 1943 hinnahm.
Im September wurde der Waffenstillstand zwischen Italien und den Westalliierten unterzeichnet – plötzlich waren die deutschen Truppen Gegner des einstigen Verbündeten.
Italien litt von nun an bis 1945 zum einen unter den Repressalien der Wehrmacht, die oft durch sinnlose Aktionen auf eigene Rechnung handelnder Widerstandskämpfer provoziert wurden (was Vergeltungstaten nicht entschuldigt, aber erklärt).
Zum anderen “wanderte” die Front zwischen den in Süd- und Mittelitalien gelandeten Allierten und den deutschen Verbänden auf ganzer Breite nach Norden, eine Spur der Verwüstung hinterlassend. Dabei schreckten alliierte Bomber auch nach dem Waffenstillstand Italiens nicht vor Angriffen auf Städte zurück, die viele Opfer forderten.
Rücksichtlos ging unterdessen auch die Wehrmacht mit der Substanz der italienischen Kunstmetropolen um – unzählige Brücken, die Jahrhunderte und Jahrtausende überdauert hatten, wurden auf dem Rückzug gesprengt, etwa die antike römische Brücke in Verona:
Römische Brücke in Verona, wiederhergestellter Zustand 2013; Bildrechte Michael Schlenger
Irgendwann war der Krieg vorbei und in Italien begann wie in vielen Ländern Europas der mühsame Wiederaufbau.
Die italienische Wirtschaft war unter deutscher Besatzung radikal für die Kriegsführung in Anspruch genommen worden – für die Bevölkerung blieb nur das allernötigste übrig.
Dass die Italiener die Deutschen wenige Jahre nach dem Krieg wieder in ihrem versehrten und verarmten Land begrüßten, als sei nichts gewesen, ist ein Wunder. Umso verstörender die deutsche Herablassung, mit der man Italien noch lange Jahre betrachtete.
Jetzt bin ich etwas vom Weg abgekommen, aber als alter Italienreisender komme ich an diesem Kapitel nicht vorbei – in dem es übrigens auch von Mut und Menschlichkeit kündende Episoden gab wie die des deutschen Oberst Valentin Müller, dem man im umbrischen Assisi ein Denkmal gesetzt hat.
“Ausfahrt mit Hindernissen”, so lautet der Titel meines heutigen Blog-Eintrags. Das größte Hindernis für eine friedliche Ausfahrt im famosen Fiat 1500 haben wir nun hinter uns, den 2. Weltkrieg. Was könnte jetzt noch schiefgehen, sollte man meinen?
Wir machen die Probe auf’s Exempel und unternehmen für heute eine letzte Zeitreise – in den April 1946. Es ist ein kühler Frühlingstag im Veneto, etwas nördlich von Padua.
Der Krieg ist noch kein Jahr vorbei, doch einige Unbeirrbare wollen wieder etwas Normalität genießen und haben sich zum Sonntagsausflug im Automobil verabredet. Einer von ihnen – nennen wir ihn Fabrizio – hat seinen Fiat 1500 mit altem Kennzeichen Rom klargemacht und Freunde zu einer Spritztour eingeladen.
Vom Städtchen Limena aus soll es über Land nach San Giorgio in Bosco gehen. Dort will man Halt beim Barbesitzer Flavio machen, wo es den besten Caffé weit und breit gibt.
Doch Fortuna hat es nicht gut gemeint mit dem Fiat 1500, denn die erste Reifenpanne ereilt unsere kleine Gesellschaft schon kurz nach dem Start:
Fiat 1500 im April 1946; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Zum Glück hat man zwei Ersatzreifen dabei. So ist der Fiat rasch wieder einsatzbereit.
Was könnte jetzt noch passieren, sollte man meinen? Doch man fordere Fortuna nicht mit solcher Selbstgewissheit heraus.
Die Strafe der Götter folgt auf dem Fuße – kurze Zeit später gibt’s den nächsten Platten, aber zum Glück hat man ja noch einen weiteren Reservereifen.
Zudem gibt das Gelegenheit für ein romantisches Foto an der menschenleeren Allee:
Fiat 1500 im April 1946; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Jetzt sind es nur noch einige Kilometer bis San Giorgio in Bosco und Fabrizio lässt den Fiat für kurze Zeit mit hundert Sachen die schnurgerade Straße entlangfliegen.
“Wisst Ihr noch, wie wir damals – kurz vor dem Krieg – auf der Autostrada Richtung Lago Maggiore unterwegs waren und die deutschen Touristen reihenweise überholt haben?“
So könnte Fabrizio seine Mitreisenden an längst vergangene Zeiten erinnert haben. Doch wie gesagt: Fortuna mag es nicht, wenn sich der Mensch allzu selbstsicher gibt.
Daher kam es, wie es kommen musste: Kurz vor dem Ziel war ein drittes Mal die Luft raus – nicht aus dem wackeren Fiat, aber erneut aus einem der Reifen.
Diesmal half nur noch eines: Nach alter Väter Sitte den defekten Schlauch wechseln:
Fiat 1500 im April 1946; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Inzwischen war die Zeit weit vorangeschritten und Flavios Bar war am Sonntag nur bis Mittag geöffnet. Also hieß es: Den Versuch abbrechen und zurückfahren.
“Vano tentativa di gita – tra Limena e San Giorgio in Bosco … tre forature!”
So lautet der handschriftliche Vermerk auf dem Papier, auf dem diese drei Fotos einst aufgeklebt wurden. Jetzt sind sie Teil meiner Sammlung und anhand dieser dürren Worte konnte ich diese Ausfahrt mit Hindernissen im Frühjahr 1946 im Fiat 1500 nacherzählen.
Im 21. Jahrhundert bin ich überhaupt erst einem Fiat 1500 in natura begegnet, live und in Farbe ein Automobil von phänomenaler Präsenz.
Sie werden eher einen Bentley oder Bugatti auf einer der hiesigen “Oldtimer”-Veranstaltungen finden als diesen damals wie heute herausragenden italienischen Wagen…
Original erhaltener Fiat 1500 auf den Classic Days 2018 (Schloss Dyck); Bildrechte: Michael Schlenger
Michael Schlenger, 2022. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.
Mitte November, nach einem recht milden Herbst wird es in meiner Heimatregion – der hessischen Wetterau – spürbar kälter.
Warm anziehen müssen sich heute auch die Opel-Freunde, die trotz gegenteiligen Titels des gestrigen Blog-Eintrags noch recht gut weggekommen waren beim Vergleich des 1927er Chevrolet und des gleichzeitigen Opel 7/34 PS.
Die Schonzeit für die Freunde des alten Rüsselsheimer Eisens ist nämlich vorbei – die Italiener greifen an! Wer an dieser Stelle überheblich lacht, wird im Folgenden eines Besseren belehrt.
Hier sieht das Nebeneinander der beiden Marken noch sehr harmonisch aus, nicht wahr?
Fiat 509 und Opel 4/12 PS; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Besser kann eine Aufnahme solcher Tourenwagen von der Mitte der 1920er Jahre kaum werden:
Die beiden Autos sind aus attraktiver Perspektive aufgenommen, Besitzer und Mitfahrer sind gut aufgelegt und perfekt darum bzw. darauf platziert, ein reizvoller Hintergrund verleiht dem Bild Tiefe und Dynamik.
Unsere sächsischen Freunde werden die Szene natürlich sofort wiedererkennen – der Fichtelberg im Erzgebirge war von jeher ein beliebtes Fotomotiv bei frühen Automobilisten.
Uns interessieren aber mehr die beiden festgehaltenen Wagen: Rechts haben wir den damals verbreiteten Opel “Laubfrosch”, der 1924 eingeführt worden war, hier in der frühen Ausführung mit moderatem Spitzkühler:
Damit hatte sich die einst Weltruhm genießende Firma nicht mit Ruhm bekleckert. Äußerlich war der Wagen ohne Not ein peinliches Plagiat des etablierten Citroen 5CV, unter der Haube fand sich ein 950ccm-Vierzylinder, der schmale 12 PS leistete.
Das war Anfang der 1920er Jahre Standard in dieser Hubraumklasse, aber nicht mehr Mitte des Jahrzehnts, weshalb man sich bis 1930 mühsam auf 20 PS hocharbeitete.
Mag sein, dass dies bei der simplen Motorenkonstruktion nicht besser ging. Aber es ging wesentlich besser, wenn man auf zeitgemäße Konzepte setzte. Genau das machte ausgerechnet Fiat aus dem damals noch wenig entwickelten Italien.
Die Turiner konnten wie Opel auf eine grandiose Oberklassentradition bis zum 1. Weltkrieg zurückschauen, vollzogen aber schon 1919 eine radikale Kehrtwende. Mit dem kompakten 1,5 Liter-Typ 501 landete man auf Anhieb einen gigantischen Erfolg.
Der 1925 eingeführte Fiat 509 sollte noch einen draufsetzen. Das tat er zum einen optisch mit einer Gestaltung, wie sie klassischer nicht sein konnte:
Was im unteren Kühlerbereich herausragt, ist übrigens die Abdeckung der Lichtmaschine, das gab es bei keinem anderen Fiat – wenn Sie so etwas sehen, wissen Sie: ein 509!
Auf diese Weise lässt sich auch ein auf den ersten Blick ganz anders wirkendes Fahrzeug wie diese Limousine als Fiat 509 ansprechen – der Wagen war im Rheinland zugelassen und einer von vielen, die seinerzeit in Deutschland Käufer mangels Alternative fanden:
Fiat 509 Limousine; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Hier lässt sich die damals Fiat-typische Gestaltung der Frontpartie noch besser studieren: Das Profil der Kühleroberseite, die sich an Dreiecksgiebeln antiker Tempelfassaden orientiert, setzt sich in dern Haubenpartie bis zur Frontscheibe fort.
Das findet sich so bei allen parallel angebotenen Fiat-Modellen, auch bei den mächtigen Sechszylinderwagen, welche man mit beachtlichem Erfolg anbot und von deren einstiger Bedeutung man heute kaum noch eine Vorstellung hat, aber das nur nebenbei.
Aufmerksame Leser warten vermutlich immer noch darauf, dass das vor geraumer Zeit verwendete “zum einen” endlich die glückliche Vermählung mit “zum anderen” erlebt.
Genau das soll nun geschehen, denn der Fiat 509 sprach nicht nur durch seine Optik an, sondern auch durch den Motor, der in der Kleinwagenklasse seinerzeit herausragte.
Mit 990ccm war der Hubraum des Vierzylinders ebenso bescheiden wie der des Opel 4 PS-Typs. Aber in Turin war man der Meinung, dass man so einem Minimalagreggat ein paar Pferdestärken extra hineinkonstruieren sollte und so wurden es 20 statt deren 12.
Das war damals zuverlässig am ehesten dadurch zu machen, indem man von der simplen, aber wenig effizienten Verwendung seitlich neben dem Zylinder stehender Ventile Abstand nahm und selbige darüber v-förmig hängend anbrachte.
Bei dieser Lösung blieb man in Turin nicht stehen und verpasste dem Motor noch eine obenliegende Nockenwelle für präziseste Ventilsteuerung und optimalen Gaswechsel im Ansaug- und Auslasstakt.
Das war ein echtes Bubenstück, denn damit hatte man Sportwagentechnik in Großserie realisiert. Kein Wunder, dass Fiat vom 509 über 90.000 Exemplare absetzen sollte.
Hier haben wir ein weiteres Fahrzeug, das in Deutschland begeisterte Käufer fand und dieses Foto passt recht gut zum Stichwort “Bubenstück”:
Fiat 509 Sport-Zweisitzer; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Bitte prägen Sie sich schon einmal die Frontpartie mit der markanten Haube ein, an deren Flanke eine breite Zierleiste das Scharnier des Seitenteils verbirgt.
Es überrascht kaum, dass die in seiner Hubraumklasse ungewöhnliche Leistungsfähigkeit und Drehfreude des Fiat-Aggregats früh sportlich veranlagte Zeitgenossen inspirierte.
Während Fiat selbst mit dem 509 S.M. (Spinto Monza) eine Werks-Sportausführung anbot, die bei unverändertem Hubraum statt 20 satte 30 PS leistete, dachte sich auch mancher Amateur, dass sich etwas in sportlicher Hinsicht machen lässt, und sei es nur optisch.
Das passende “Beweisfoto” sandte mir kürzlich in digitaler Kopie mein Sammlerkollege Jörg Pielmann zu, wobei er noch nicht wusste, was ihm da ins Netz gegangen war:
Fiat 509 Zweisitzer “Spezial”; Originalfoto aus Sammlung Jörg Pielmann
Dass es sich auch hier um ein lupenreines Bubenstück handelt, liegt auf der Hand – diese Herren waren offensichtlich sehr zufrieden mit ihrem Werk, welches sie in irgendeiner Werkstatt am Stadtrand oder auf dem Lande zuwegegebracht hatten.
Nebenbei: Von Akkumulatoren der Marke “Franka” habe ich noch nie gehört, man lernt nicht aus. Aber “Fulda”-Reifen kennt man noch heute, während mir “Ferodo”-Bremstechnik eher aus England geläufig ist. “Deka” rechts oben steht m.E. für eine verblichene Reifenmarke.
Was aber ist das für ein sportlicher Zweisitzer mit rennmäßiger Bootsheckkarosserie und auf’s Wesentliche beschränkten Koflügeln?
Nun, ich bin der Ansicht, dass es sich um einen Fiat 509 mit für Sportzwecke individuell angefertigter Karosserie handelt. Ja, die Motorhaube ist etwas länger als gewöhnlich – ein geschickter Blechkünstler könnte sie ergänzt haben.
Aber ansonsten scheint mir die Frontpartie identisch zu sein. Zufällig hatte ich selbst das perfekte Vergleichsfoto im Fundus:
Fiat 509 Zweisitzer “Spezial”; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Auch wenn die Buben auf dieser Aufnahme im Hintertreffen sind und die Damen das Heft bzw. das Lenkrad in die Hand genommen haben, bin ich doch der Ansicht, dass genau solch ein Fiat 509 die Basis für das zuvor gezeigte “Bubenstück” lieferte.
Das finale Urteil überlasse ich allerdings gern Ihnen, liebe Leser, und ich bin gespannt, was ich alles übersehen oder falsch interpretiert habe. Sie dürfen mir aber auch rundheraus rechtgeben, damit kann ich ebenfalls umgehen…
Michael Schlenger, 2022. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.
Wir leben in merkwürdigen Zeiten: Nie zuvor gab es Automobile, welche die Umwelt derart wenig belasten wie moderne Verbrennerwagen. Sich mit den Abgasen in der Garage ins Jenseits zu befördern, dürfte heute schwierig werden (übernehme keine Haftung).
Dennoch gilt er aus Sicht der herrschenden Ideologie zumindest in Europa als Auslaufmodell, ohne dass ein vollwertiger Ersatz für jedermann in Sicht wäre.
Dabei steht der Verbrenner in der Gesamtenergiebilanz – also unter Einbeziehung des Herstellungsprozesses und der Entsorgung – nach wie vor konkurrenzlos dar. Von der Frage, woher der Strom für Millionen von Elektroautos herkommen soll, ganz abgesehen.
Wirkliche Luftverpester sind Autos seit den 1980er Jahren nicht mehr. Jüngere Leute wissen gar nicht, wie übel einst das nur mittelprächtig verbrannte Gemisch roch, wenn es aus dem Auspuff kam.
Vielleicht sollte man die Prediger der angeblich emissionsfreien Batteriemobilität einmal mit der Zeitmaschine zurück in die Vorkriegsepoche schicken, um zu erfahren, was früher echte “Stinker” waren.
Dann würden sie vielleicht diesem zwar eindrucksvollen, aber letzlich noch recht ineffizienten Fahrzeug begegnen:
Fiat 520, 6-Fenster-Limousine; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Solche großzügig dimensionierten Limousinen bot Fiat ab Mitte der 1920er Jahre auch hierzulande mit einigem Erfolg an – man findet sie jdenfalls oft mit deutschem Kennzeichen (hier: Bezirk Oldenburg-Lübeck).
Besonders leistungsfähig war der schon seit 1922 gebaute Sechszylindertyp 519, der dank 75 PS rund 115 km/h Spitze erreichen konnte. Dafür brauchte es beim damaligen Stand der Technik freilich erheblichen Hubraum (4,8 Liter).
Während beim Typ 519 im Zylinderkopf hängende Ventile für eine bessere Gemischzufuhr und damit sauberere Verbrennung sorgten, war dies bei den beiden kleineren Sechyzlindertypen 525 und 520 nicht der Fall.
Dort waren noch nach alter Väter Sitte seitlich stehende Ventile verbaut, die zwar einen einfachen Betätigungsmechanismus erlaubten, aber dem Gaswechsel nicht zuträglich waren. Mit dieser Technik waren gut 65 PS (Typ 525) bzw. rund 45 PS (Typ 520) drin.
Mit Fiats kleinstem und schwächsten Sechszylinder haben wir es nach meiner Einschätzung auf dem vorliegenden Foto zu tun – wobei die Modelle mitunter schwer zu unterscheiden sind.
Zwar war so ein Fiat 520 auch mit dem Limousinenaufbau viel leichter als heutige Wagen dieser Größenklasse, dennoch musste sich der kleine und wenig agile Motor einigermaßen damit abmühen, was der Effizienz speziell in bergigem Gelände nicht zuträglich war.
Wem die Mehrausgaben für die deutlich souveränen großen Sechszylinder zuviel waren, musste daher über Alternativen nachdenken.
Der ökologisch korrekt denkende Zeitgenosse von heute würde vielleicht etwas von “nachwachsenden Rohstoffen” fabulieren, inspiriert von dem Holzstapel auf dem Foto:
Doch die Verwertung solcher Biomasse war damals nur mit einem Holzvergaser möglich, was einem nochmals weniger Effizienz und wenig erbauliche Abgaswerte beschert hätte.
Dass die Sache funktioniert, wurde unfreiwillig im 2. Weltkrieg nachgewiesen, als mit Holzgas angetriebene Wagen eine der wenigen verbliebenen Möglichkeiten waren, noch automobil unterwegs zu sein (sofern man das nicht in Diensten der Wehrmacht “durfte”).
Ein spezieller alternativer Antrieb wurde aber einst mit Erfolg am Fiat 520 erprobt und zwar anhand einer serienmäßigen Limousine ganz ähnlich der auf obigem Foto.
Das Experiment fand im April 1929 bei Einsiedl (Böhmen, heute Tschechien) statt. Es wurde unter realistischen Alltagsbedingungen unter freiem Himmel durchgeführt.
Dabei sollte bewiesen werden, dass der in Betracht gezogene alternative Antrieb ausreichend bemessen war, um auch einen recht großen Wagen aus einer feuchten und schlüprigen Wiese über eine Böschung auf die Straße zu ziehen.
So konnte es bei den damals kaum befestigten Untergründen und mäßigen Fahrwerken mit wenig wirksamem Reifenfprofil durchaus vorkommen, dass man in einer allzu schwungvoll genommenden Kurve aus derselben in die Botanik getragen wurde.
Zwar ist der genaue Ausgang des Experiments mit dem alternativen Antrieb nicht überliefert, doch immerhin hat sich eine Aufnahme erhalten, welche den Fiat in dem Moment zeigt, unmittelbar bevor dieser Antrieb zum Einsatz kam.
Nicht unerwähnt bleiben soll, dass der erprobte alternative Antrieb aus der Region bezogen wurde und ausschließlich auf nachwachsenden Rohstoffen basierte. Die Versuchsanordnung macht auch heute noch Eindruck und stellte sich so dar:
Fiat 520, 6-Fenster-Limousine; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Sehen Sie? Mit etwas gutem Willen und der richtigen Technologie klappt es mit dem umweltfreundlichen Antrieb selbst bei alten “Stinkern” wie dem Fiat 520.
Könnte dies das Vorbild sein, dass den hehre Motive vorgebenden Ideologen unserer Tage als alternative Mobiliät für das hartnäckig autovernarrte Volk vorschwebt?
Dann könnte am Ende doch Kaiser Wilhelm mit seinem Ausspruch recht gehabt haben: “Ich halte das Automobil für ein vorübergehende Erscheinung – die Zukunft gehört dem Pferd.”
Dumm nur, dass damit die Zweiklassengesellschaft zurückkehrt, denn ein einfaches Auto mit ordentlicher Leistung kann sich heute (noch) jeder leisten – für zwei PS auf vier Beinen muss man dagegen schon ein wenig Spielgeld übrig haben…
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“What’s next?” – Was kommt als Nächstes? Das fragten einst Journalisten den Leiter des Projekts Apollo – Wernher von Braun – nach der Mondlandung 1969.
“Mars” lautete seine Antwort. Wir wissen natürlich, dass es nicht dazu kam, weil die USA sich kein weiteres Prestigeprojekt dieser Größenordnung leisten konnten. Der Vernichtungskrieg in Vietnam wollte schließlich auch finanziert werden…
Schade eigentlich, denn man darf davon ausgehen, dass die damaligen Entwickler, Techniker und Astronauten es auch zum roten Planeten geschafft hätten. Unterdessen versucht die NASA im Jahr 2022 verzweifelt, zumindest wieder eine unbemannte Mondrakete auf die Umlaufbahn zu bringen – bisher vergeblich.
Was in der Zwischenzeit an Kompetenz nicht nur in der Raumfahrt verlorengegangen ist, soll nicht Gegenteil dieses Blogeintrags sein.
“What’s next?” ist heute einfach nur die Frage, die sich mir jedesmal stellt, wenn ich nach Gegenstand und Titel des nächsten Blog-Eintrags suche.
Die Auswahl ist beängstigend, zumal sich laufend neues Material einfindet, nicht zuletzt dank etlicher großzügiger Sammlerkollegen. Doch diesmal fällt die Entscheidung leicht.
Denn was sollte als Nächstes auf die Vorstellung eines Fiat folgen? Nun, ein Wagen aus den USA! Wer jetzt auf einen der Wagen hofft, die von 1909 bis 1918 im Fiat-Werk in Poughkeepsie im US-Bundesstaat New York entstanden, wird enttäuscht sein.
Dass nach einem populären Fiat natürlich ein amerikanisches Fabrikat das nächste ist, das ist anders gemeint – es ergibt sich von selbst aus dieser Aufnahme, die ich kürzlich erwarb:
Studebaker “Special Six” und Fiat 501; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Dass der Wagen rechts ein Fiat sein muss, das hatte ich gleich erkannt. Mich reizte aber das Fahrzeug daneben, das ich auf Anhieb nicht identifizieren konnte.
Um zur Lösung zu gelangen, kommt man um eine kurze Beschäftigung mit dem Fiat nicht umhin – aber es gibt ja Schlimmeres. Die Kühlerform und die Gestaltung der Motorhaube mit sehr schmalen, recht tief liegenden Luftschlitzen deutete auf den Typ 501 hin.
Dieser ab 1919 gebaute Vierzylinderwagen mit 1,5 Liter-Motor und standfesten 23 PS war der erste Welterfolg der Turiner Marke, die zuvor noch auf Manufaktur ausgerichtet war.
Es gab auch eine etwas längere Ausführung davon, den Typ 502, aber dieser ist auf solchen Fotos kaum eindeutig zu identifizieren, obwohl der Radstand hier schon recht lang erscheint. Der deutlich stärkere und noch größere Paralleltyp 505 mit 2,3 Litern Hubraum und 33 PS könnte prinzipiell ebenfalls in Betracht kommen.
Fiat 501 (evtl. auch 505), ab 1919
Jedoch spricht viel für den 501, von dem die größeren Stückzahlen entstanden. Speziell in Deutschland, wo dieses Foto ausweislich des Nummernschilds entstand, gab es in der 1,5 Liter-Klasse anno 1920 kein so leistungsfähiges und zugleich geräumiges Serienauto.
Was bringt uns das jetzt im Hinblick auf den danebenstehenden Wagen? Nun, ganz einfach: Im direkten Vergleich ist unübersehbar, dass der dem Fiat “Nächste” einen wesentlich längeren Vorderwagen besitzt.
Die schiere Länge der Haube bei sonst vergleichbaren Dimensionen des Tourenwagenaufbaus spricht dafür, dass sich darunter auch ein längeres Aggregat verbirgt – wofür in den frühen 1920er Jahren hauptsächlich ein Sechszylinder in Betracht kam.
Allerdings bot damals kein deutscher Hersteller einen Sechszylinderwagen mit einer so unscheinbaren Frontpartie an:
Studebaker “Big Six” von 1923
Ich erinnerte mich, eine solche Kühlergestaltung schon bei gängigen US-Mittelklassewagen der frühen 1920er Jahre gesehen zu haben und landet so nach einigen Versuchen bei Studebaker.
Tatsächlich tauchen bei den 1923 gebauten Sechszylinder-Studebakers markante Details auf, wie sie hier zu sehen sind. Vor allem zu nennen sind die Positionslampen, die nunmehr im unteren Windschutzscheibenrahmen untergebracht waren.
Nur bei den stärkeren Ausführungen “Special Six” und “Big Six” finden sich zudem die Trittschutzbleche am Schweller, von denen der hintere eine Wartungsöffnung aufweist – nicht schön, aber ungewöhnlich und damit bei der Identifikation hilfreich.
Bei der Spitzenmotorisierung “Big Six” schließlich wurde ein vernickelter statt nur lackiertes Kühlergehäuse verbaut, außerdem die ansatzweise zu sehende Stoßstange, damals noch ein Novum und meist nur als Zubehör erhältlich.
Die beim “Big Six” in der Literatur (Kimes/Clark: Standard Catalog of American Cars) genannten serienmäßigen Scheibenräder fehlen hier zwar, doch waren optional stets auch Drahtspeichen- oder Holzspeichenräder erhältlich.
Nach der Lage der Dinge spricht daher vieles dafür, dass der hier dem Fiat “nächste Wagen” ein Studebaker des Typs “Big Six” von anno 1923 war. Mit seinem bärenstarken 5,8 Liter-Motor, der schon bei 2000 Umdrehungen seine Höchstleistung von 60 PS abwarf, spielte der Studebaker in einer völlig anderen Liga als der Fiat und deutsche Konkurrenten.
Wie souverän sich ein solcher Wagen auch nach bald 100 Jahren im modernen Verkehr bewegen lässt, davon vermittelt das folgende Video einen Eindruck:
“What’s next?”, mögen Sie jetzt fragen? Das weiß ich noch nicht, aber es wird sich schon etwas Hübsches finden…
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Der Sommer hat sich verflüchtigt und in der hessischen Wetterau – meiner Heimatregion – wird das Regendefizit der letzten Monate derzeit großzügig ausgeglichen.
Natur und Gärten reagieren sichtlich erfreut, doch schnell stellt sich nach ein paar Tagen ausgiebigen Regens und deutlicher Abkühlung beim Menschen Missvergnügen ein. Die politische Großwetterlage trägt ebenfalls nicht gerade zur Hebung der Stimmung bei.
Zu den Unwägbarkeiten und Grausamkeiten der militärischen Auseinandersetzung in der Ukraine gesellt sich in der hiesigen Politik eine Kombination von betonköpfiger Ideologie und bizarrer Inkompetenz, die sprachlos macht.
Was tun? Ich pflege zu sagen, dass jeder ein klein wenig selbst zum Zustand unserer Gesellschaft beiträgt. Zunächst gilt es, sich bei allem Zorn auf die in Berlin dilettierenden Spitzbuben (m/w/d) sich nicht die gute Laune verderben zu lassen.
“Euch werd’ ich’s zeigen, Ihr da oben”, das mag der eine oder andere mit Blick auf anstehende Wahlen und Massenproteste denken. Ich beschränke mich hier darauf, die erfreulichen und beglückenden Dinge des Lebens nicht zu kurz kommen zu lassen.
Was das weite Feld der Vorkriegsautos angeht, bieten sich da zahllose Möglichkeiten. Ich habe mich heute für ein Exemplar entschieden, das wohl wie kaum ein anderes die Qualität besitzt, jedem nicht völlig abgebrühten Zeitgenossen ein Lächeln aufs Gesicht zu zaubern.
Dummerweise ist dies bei diesem Exemplar noch nicht ganz gelungen:
Fiat 500; Originalfoto von 1968 aus Sammlung Michael Schlenger
Dieser schnuckelige Fiat 500 in Limousinenausführung aus der zweiten Hälfte der 1930er Jahre war zum Aufnahmezeitpunkt (1968) nicht mehr ganz taufrisch, bot aber immer noch eine annehmbare und auch ästhetisch ansprechende Form der Mobilität.
Das galt zumindest so lange, wie die Kinder klein genug waren, um auf dem hinteren Notsitz des an sich als Zweisitzers konzipierten Wagens Platz zu finden.
Auf dem Papier erscheinen die 13 PS des 1936 vorgestellten Turiner Kleinstwagens arg wenig. Der gleichzeitig angebotene DKW F5 holte aus beinahe identischem Hubraum (600ccm) fast das anderthalbfache (18 PS).
Doch die Leistungentfaltung des Italieners mit seinem Vierzylinder-Viertakter war derjenigen des zweitaktenden Zweizylinders von DKW überlegen. Gut 85 km/h Spitze standen 80 Stundenkilometern gegenüber.
Zudem verfügte der Fiat über hydraulische Bremsen und 12 Volt-Elektrik – zusammen mit der Ganzstahlkarosserie waren das einige Pluspunkte gegenüber dem DKW. Nur beim Platzangebot und bei der Traktion (Frontantrieb) war letzterer überlegen.
Übrigens wurde der Fiat 500 auch in Deutschland gefertigt, und zwar im alten NSU-Autowerk in Heilbronn, das die Turiner 1929 erworben hatten. Dort entstand auch eine Variante, die in Italien nicht erhältlich war, nämlich eine Cabrio-Limousine:
Fiat 500; Originalfoto der frühen Nachkriegszeit (ab 1948) aus Sammlung Michael Schlenger
Diese in Deutschland gern gekaufte Ausführung ist am vorderen Verdeckabschluss über der Frontscheibe zu erkennen.
Als Besonderheit ist zu vermerken, dass diese Karosserie aus deutscher Produktion nach alter Väter Sitte noch auf einem Holzgerüst basierend und mit einem Kunstlederüberzug gefertigt wurde – ganz ähnlich wie die DKW-Fronttriebler übrigens.
Im Heilbronner Werk wurde außerdem ein hübscher Roadster auf Basis des Fiat 500 gebaut, von dem mir bislang noch keine zeitgenössische Aufnahme vorlieg. Vielleicht kann jemand damit dienen, das wäre mir glatt einen eigenen Blog-Eintrag wert!
Daneben gab es eine weitere, nunmehr wieder serienmäßige Variante aus italienischer Produktion, die ich noch nicht vorgestellt habe, die Rolldach-Limousine.
Kürzlich habe ich ein entsprechendes Foto erworben, das mir selbst den Ausruf erlaubt “Euch werd’ ich’s zeigen!”, zumindest was die Vielfalt der Aufbauten beim Fiat 500 angeht.
Doch noch besser scheint mir hier die eingangs zitierte vollständige Fassung zu passen: “Euch werd’ ich’s zeigen, Ihr da oben!”:
Fiat 500 Rolldach-Limousine; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Wir wissen nicht, wem dieser Herr neben dem Fiat mit Rolldach hier im Scherz zu drohen scheint. Doch unabhängig davon, wen er mit “Ihr da oben” meinte, sollten wir uns unbedingt von seiner guten Laune anstecken lassen.
Ganz gleich, was einem gerade die berechtigte Zornesröte ins Gesicht treibt – der Anblick eines Fiat 500 aus der zweiten Hälfte der 1930er Jahre erinnert einen daran, dass der Mensch neben jeder Menge zerstörerischer Energie einen schöpferischen Impuls besitzt, der darauf abzielt, die Welt besser und auch schöner zu machen.
Im Zeitalter staatlich verordneten “Downsizings” in mannigfaltiger Hinsicht gibt es für den erfindungsreichen Geist immer die Möglichkeit, Freiheit und Lebensqualität nicht zu kurz kommen zu lassen. Fortschritt besteht gerade nicht darin, sich angeblichen Notwendigkeiten zu unterwerfen, sondern sein Dasein besser und schöner zu gestalten.
Einst genügte für den “kleinen Mann” bereits ein Fiat 500 dazu, um es “denen da oben zu zeigen”, die das Privileg des Individualtransports gern für sich reserviert hätten.
Wohl nie zuvor und nie danach wurde ein Kleinwagen geschaffen, der über primitiven Funktionalismus hinaus nicht nur technisch überzeugte, sondern zugleich ein rundherum dermaßen erfreulicher Anblick war.
Egal, was von den Großverdienern ganz oben gerade an Verzicht gepredigt wird, hinter solche zivilisatorischen Standards sollten wir als Kulturnation nicht zurückfallen – auch nicht, was die basisdemokratische Erfindung schlechthin betrifft: das schöne Automobil für jedermann!
Michael Schlenger, 2022. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.
Im Bereich der Automobilliteratur zu Vorkriegswagen deutscher Provenienz gibt es aus jüngerer Zeit einige eindrucksvolle Ergebnisse im Hinblick auf die Marken der Auto-Union sowie hervorragende Arbeiten einzelner Enthusiasten wie im Fall von Röhr oder Steiger.
Doch in der Breite tut sich seit der automobilliterarischen Blütezeit der 1970/80er Jahre in punkto Vorkriegsautos für meine Begriffe zu wenig hierzulande. Jahrbücher lassen Jahre auf sich warten, neue Markenbiografien werden nicht fertig, lang angekündigte Online-Typenübersichten bleiben unvollendet.
Dabei lässt sich doch im Netz der vorläufige Stand jederzeit darstellen und bei neuen Erkenntnissen ergänzen, korrigieren und vertiefen.
Genau das praktiziert Ferdinand Lanner in Bezug auf Fiat seit einigen Jahren und das Ergebnis seiner bisherigen Arbeit ist überwältigend – hier können Sie viele schlaflose Nächte zubringen, liebe Vorkriegsfreunde!
Das geht nur mit dem Mut zur Lücke und dem Willen, die Welt nach und nach an etwas teilhaben zu lassen, für das man brennt und das wohl niemals “fertig” werden wird. Aber man muss einmal damit anfangen und nie war das einfacher als heute.
Illustrieren lässt sich das anhand von zwei Fiat-Fotos aus meiner Sammlung, die zwar Schwierigkeiten bei der Identifikation der abgebildeten Wagen aufwerfen, aber mit Mut zur Lücke doch eine plausible These erlauben, die sich dann bewähren muss oder auch nicht.
Los geht’s:
Fiat 522 Limousine; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Eine prachtvolle Werkstattaufnahme ist das, nicht wahr? Sie entstand 1935 im Raum Leipzig, soviel ist überliefert.
Aber was für ein Wagen ist darauf abgebildet? Der Mechaniker, der hier ein Datenblatt zu studieren scheint, wird es genau gewusst haben, steht uns aber nicht mehr zur Verfügung.
Wir Nachgeborenen sind daher auf unseren detektivischen Spürsinn angewiesen und letztlich auch auf den Mut zur Lücke.
Denn dummerweise ist die Kühlermaske mit einer kunstledernen Abdeckung versehen, an der in der kalten Jahreszeit eine Manschette angeknöpft wurde, welche den Luftdurchlass reduzierte und so bei Fehlen eines Thermostats für schnelles Warmwerden des Motors sorgte.
Welche Details liefern einen Hinweis auf die Identität des Wagens? Nach meiner Meinung vor allem die “geknickt” verlaufende Zierleiste hinter der Motorhaube. Dieses markante Detail findet sich beispielsweise am Fiat 514 – einem 1929 eingeführten Vierzylindertyp:
Fiat 514; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Dieses misshandelte Exemplar kam in einem deutschen Schnulzenfilm zum Einsatz, den ich hier ausführlich gewürdigt habe.
Der Fiat 514 besaß jedoch eine gerade Scheinwerferstange und besaß auch keine so markant gestaltete Doppelstoßstange wie der Werkstattbesucher auf dem eingangs gezeigten Foto.
Allerdings hatte der Fiat 514 einen großen Bruder – den Sechszylindertyp 522 – der kurze Zeit später eingeführt wurde. Dieser war mit mittig ansteigender Stoßstange und einer geschwungenen Scheinwerferstange verfügbar, daneben wies er auch die “geknickte” Zierleiste hinter der Motorhaube auf.
Scheibenräder besaßen beide Modelle, wobei es nach meinem Eindruck vom Baujahr oder der Ausstattung abhing, ob nur eine kleine Nabenkappe oder eine auch die Radbolzen abdeckende Radkappe montiert war.
Mit diesem oberflächlichen “Wissen” ausgestattet nähern wir uns nun dem eigentlichen Gegenstand meines heutigen Blog-Eintrags an, welcher abermals Mut zur Lücke verlangt, aber einfach zu reizvoll ist, um länger im Fundus zu schlummern:
Fiat 522 Cabriolet; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Auf den ersten Blick würde man bei diesem 1935 bei Oberhof (Thüringen) abgelichteten Wagen wohl nicht auf einen Fiat tippen.
Doch der Steinschlagschutz mit den gepfeilten Streben täuscht. Dahinter verbirgt sich nach meiner Überzeugung ein Turiner Modell um 1930 – bloß welches?
Die Stoßstange ist schon einmal identisch mit derjenigen am oben vorgestellten Werkstatt-Fiat, den ich als Sechszylindertyp 522 ansprechen würde. Auf den Scheibenrädern finden sich nun die erwähnten großen Radkappen, die mir übrigens vor längerer Zeit auch die Identifikation des folgenden Wagens als Fiat (Typ 514) ermöglichten:
Fiat 514 Limousine; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Auch der erwähnte “Knick” der Zierleiste hinter der Motorhaube findet sich wieder.
Doch dahinter beginnt “terra incognita” – und wie einst Kolumbus auf dem Weg nach Indien muss man Mut zur Lücke haben. Vielleicht bekommt man ja auf der Reise ins Ungewisse irgendwann wieder festes Land unter die Füße.
Doch wird man auch ans erhoffte Ziel gelangen? Kolumbus musste bekanntlich einsehen, dass er sich mit seinem Mut zur Lücke auf dem Globus zwar gründlich verkalkuliert hatte, aber immerhin hatte er den Blick auf eine faszinierend neue Welt eröffnet.
Ist das am Ende auch bei diesem wunderbar gestalteten zweitürigen Cabriolet der Fall? Ich konnte zwar bislang keine Entsprechung finden, doch halte ich es für sehr wahrscheinlich, dass wir es mit einem Manufakturaufbau auf Basis eines Fiat 522 zu tun haben:
Ein dermaßen exquisites Cabriolet mit schräggestellter Frontscheibe und elegant geschwungenem unteren Türabschluss auf Basis eines Fiat um 1930 konnte ich bislang auch in Ferdinand Lanners Dokumentation der in Frage kommenden Typen nicht finden.
Meine Vermutung – Sie sehen, ich habe immer noch Mut zur Lücke – geht dahin, dass wir es bei diesem erlesen schönen Exemplar mit Berliner Zulassung um eine Sonderanfertigung einer deutschen Karosseriefirma zu tun haben.
Das stand zwar im Widerspruch zur Ausrichtung von Fiat auf Großerienproduktion, die bereits 1919 begann. Doch im Deutschland der Vorkriegszeit waren Automobile dieser Kategorie nach wie vor Luxusobjekte, die nur für einen sehr geringen Teil der Bürger überhaupt erreichbar waren.
Diese Kundschaft konnte sich oft auch einen nochmals wesentlich teureren Manufakturaufbau leisten – was übrigens auch bei vielen importierten US-Wagen zu beobachten ist, die in der Heimat reine Massenprodukte waren.
Was meinen Sie nun zu diesem Wagen? Liege ich richtig mit meiner Vermutung, oder habe ich mich mit meinem Mut zur Lücke doch zu weit hinaus gewagt ins Ungewisse? In letzterem Fall könnte ich aber doch immerhin Glück gehabt haben wie einst Kolumbus und auf etwas ganz anderes gestoßen sein als vermutet, aber was?
Nachtrag: Dem Hinweis von Leser Erhardt Schmidt folgend konnte ich ermitteln, dass der Fiat 522 tatsächlich auch im Heilbronner NSU-Werk als NSU-Fiat 10/52 PS (bzw. NSU-Fiat 2500) gefertigt wurde. Wagen aus der Heilbronner Fiat-Fertigung wurden gern auch mit deutschen Sonderkarosserien versehen (hier vermutlich von Drauz).
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Es ist bald Ende Mai und der Frühling zeigt sich wechselhaft. Da schleichen sich leicht Gedanken ein wie dieser: Was wäre, wenn man jetzt eine spontane Tour in den Süden unternähme, bevor der Sommer kommt und alle anderen auf die Idee kommen?
Die Pässe sind ja längst frei und in Italien hätte man die schönsten Gegenden und Sehenswürdigkeiten jetzt noch fast für sich.
So mag im Deutschland der 1920er Jahre vielleicht einer gedacht haben, der zu den wenigen Glücklichen zählte, die ein eigenes Auto besaßen, das einem die Freiheit zu solchen Abenteuern verlieh.
Unter diesen wenigen waren hierzulande erstaunlich viele, die auch noch den passenden Wagen für eine Italienreise besaßen – einen Fiat!
Speziell das 1919 neu eingeführte Modell 501 hatte auch in Deutschland rasch zahlreiche Käufer überzeugt. Die Turiner hatten nämlich das Kunststück vollbracht, aus einem 1,5 Liter “großen” Vierzylinder absolut standfeste 23 PS herauszuquetschen.
Rasch gewann der Fiat international Renommee für Zuverlässigkeit und astronomische Laufleistungen. Während er heute in deutschen Landen völlig verschwunden zu sein scheint, findet man ihn und seinen ähnlichen großen Bruder 505 auf Vorkriegsautofotos ständig und in allen möglichen Erscheinungsformen.
Sogar Fotos von Serienwagen bei Sporteinsätzen finden sich, etwa dieses:
Fiat 501 oder 505 Tourer; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Was man dem Fiat abverlangen konnte, wurde aber erst bei leistungsgesteigerten Versionen deutlich, wie sie teils vom Werk angeboten wurden (Typ 501S mit 27 PS) oder in Eigeninitiative “frisiert” wurden.
Ein solches von einem Amateurfahrer hergerichtetes Exemplar sehen wir wahrscheinlich auf dieser rasanten Aufnahme, die ich Leser Klaas Dierks verdanke:
Fiat 501 mit Sportkarosserie; Originalfoto aus Sammlung Klaas Dierks
Hier hat jemand zur Gewichtsreduzierung kurzerhand das Heck eines Fiat-Tourers entfernt zugunsten eines zweisitzigen Aufbaus, der am Heck bestenfalls noch Platz für das Reserverad ließ.
Wer Fiats des Serientyps 501 bei solchen fordernden Sportaktivitäten sah, wurde in der Überzeugung bestärkt, dass man mit so einem Wagen auch sonst einiges anstellen kann – etwa eine spontan erdachte Italientour!
Mancher hatte da in Gedanken schon das Gepäck zusammengestellt und zur Erinnerung eine Aufnahme vom Start gemacht – die könnte etwa so ausgesehen haben:
Fiat 501 oder 505 Tourer; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Doch irgendein Bedenkenträger mag zuvor dazu geraten haben, den Fiat erst einmal “fit” machen zu lassen für die vorgesehenen Strapazen. Das sagte man zwar seinerzeit noch nicht so, aber gemeint war etwas in der Richtung.
Dafür bot sich ein Aufenthalt in einer Werkstatt des Vertrauens an, beispielsweise in der von Wilhelm Gruber, der nebenher auch noch Fahrlehrer war. Kurzerhand wird der Fiat dorthin gebracht, wo man sich mit allem Möglichen auskennt, wie das einst der Fall war.
Hier sehen wir den Wagen, bevor er auf Herz und Nieren geprüft wird.
Fiat 501 Tourer; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Offenbar steht der Fiat hier noch nicht im Mittelpunkt, erst will noch ein DKW-Motorrad verarztet werden.
Anschließend erhält der Fiat frisches Öl und bekommt einen Schmierdienst, außerdem neue Zündkerzen und einige Ersatzteile für unterwegs wie etwa einen Keilriemen. Die Reifen werden einer Sichtprüfung unterzogen, aber noch für gut befunden.
Für die Arbeiter in der Werkstatt, die sich um den Wagen bemüht haben, springt sogar noch ein Erinnerungsfoto heraus:
Fiat 501 Tourer; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Zweierlei ist hier zu erkennen: Zum einen besitzt dieser Tourer eine etwas verfeinerte Karosserie mit kühn geschwungenen Vorderkotflügel und ohne Trittbrett.
Zum anderen sind die “noch guten” Reifen vorne mit unterschiedlichem Profil ausgestattet, doch das sah man damals nicht so eng.
“Fit” gemacht präsentiert sich der Fiat jedenfalls anschließend dem Besitzer vor der Werkstatt von Wilhelm Gruber, bevor es losgehen konnte:
Fiat 501 Tourer; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Beherzt ging man nun die Tour in den Süden an, die unweigerlich großartige Aussichten erwarten ließ, wie sie nur im Alpenraum zu erleben sind.
Am Rande erkennt man dies an dem folgenden schönen Schnappschuss, der tatsächlich bei einer Alpenüberquerung eines Fiat 501 Tourers entstand, wenn auch nicht desselben, den wir soeben beim Werkstattaufenthalt gesehen haben.
Aber so eine Aufnahme ist dermaßen rar und faszinierend, dass ich sie einfach zeigen muss, denn so erlebten die Insassen einen Fiat 501 auf Alpentour:
Fiat 501 Tourer; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Die genaue Route überlasse ich Ihrer Phantasie, liebe Leser, denn jeder hat eine andere Lieblingsroute gen Süden.
Einen Anhaltspunkt gibt aber ein weiteres Foto – das auf wundersame Weise in diese Reihe aus unterschiedlichen Quellen passt.
So könnte nämlich einem Italienreisenden im Fiat 501 einst unterwegs ein Kamerad in Südtirol entgegenkommen sein.
Jedenfalls haben wir hier ein solches Exemplar mit Zulassung in Bozen, übrigens mit interessanter Zweifarblackierung:
Fiat 501 Tourer; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Da wir es nicht eilig haben – in Italien ohnehin eine Sünde – und der Fiat wie ein Uhrwerk läuft, machen wir nach der Alpenüberquerung erst einmal einen Abstecher nach Venetien.
Denn einmal im Leben sollte man doch eine der ältesten Traumstädte der Welt gesehen haben – Venedig.
Unterwegs dorthin – in der Nähe von Treviso, so ist es auf dem Foto umseitig vermerkt – begegnet uns ein weiterer Fiat-Tourer, doch leider diesmal arg lädiert.
Fiat 501 Tourer; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Gern würde ich nun in diesem Stil weitermachen und Sie mit weiteren solchen Zeugnissen immer weiter in den Süden locken.
Doch zwei Gründe sprechen dagegen: Der eine ist der, dass ich aktuell keine weiteren historischen Fotos von Fiats des Typs 501 aus noch südlicheren Gefilden habe (wer welche in seinem Fundus hat, bitte melden).
Der andere ist der, dass ich selbst morgen nach Italien aufbreche.
Und wie es der Zufall will, werde ich südlich des Veneto, wo wir zuletzt einen Fiat 501 gesehen haben, von Cesena aus ins Herz Italiens vorstoßen, über Cittá di Castello nach Umbrien, meiner zweiten Heimat südlich der Alpen.
Ob ich dort einem Fiat 501 begegne, das kann ich zwar nicht versprechen.
Doch weiß ich, dass es dort einen gibt, der dort schon immer zuhause war (mit Zulassung in Perugia) – nämlich eine Sportversion ähnlich der, die ich eingangs gezeigt habe:
Während ich eine runde Woche in Italien weile, ist zwar auch der Blog in Ferien, doch vielleicht mag unterdessen dieser Fiat 501 davon erzählen, wie “fit” für den Süden so ein über 100 Jahre altes Auto sein kann…
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Vorkriegswagen verbindet man nicht gerade mit der Moderne – doch das ist nur eine Frage des Kontextes.
Die damalige Formensprache mutet aus heutiger Sicht altertümlich an. So gut wie nichts davon ist bis in unserer Zeit erhalten geblieben – außer Begriffen wie etwa dem Kotflügel, die ihre ursprüngliche Funktion und Form indessen längst verloren haben.
Eines aber hat sich unverändert gehalten, der Gedanke des Automobils schlechthin: Ein nahezu jedes Terrain bewältigendes autonomes Fahrzeug, welches Distanzen auf Stunden verkürzt, für die einst Tage oder gar Wochen zu veranschlagen waren.
Die damit verbundene Freiheit der Bewegung, die Überwindung von Topografie und Entfernung mittels eines unabhängigen Antriebs ist das eigentlich Moderne. Das wird spätestens dann deutlich, wenn man den historischen Maßstab anlegt.
Genau diese Erkenntnis vermittelt das Foto, welches ich heute vorstellen möchte. Darin treffen drei Welten aufeinander: die Antike, die christlich geprägte Epoche und die säkularisierte Moderne, deren Technik für viele eine eigene Magie besitzt.
Diese Moderne begegnet einem prinzipiell schon in den frühesten Automobilen, als diese noch ein Spielzeug einiger weniger sehr Betuchter waren. Das gilt etwa für den unbekannten Wagen, der um 1905 auf dieser Ansichtskarte abgelichtet wurde:
Ansichtskarte aus Ligurien (Verlag Brunner, Zürich und Como); Original aus Sammlung Michael Schlenger
Das Paar in dem Wagen war damals unterwegs im italienischen Ligurien auf der Küstenstraße, die von Santa Margherita Ligure nach Portofino führt. Der später so berühmte Hafenort war damals völlig unbedeutend, wenngleich er bereits in der Römerzeit existierte.
Wir bleiben, weil es so schön ist, in Italien und auch die alten Römer werden uns gleich wieder begegnen, auch wenn sie im vorliegenden Fall etwas mitgenommen aussehen.
Die Aufnahme, um die es geht, stammt aus einem mir vorliegenden Fotoalbum deutscher Reisender, die in den 1930er Jahren in Italien lebten und dort mit dem Automobil Fahrten vom Norden bis hinunter nach Kampanien unternahmen.
Autos spielen dabei immer wieder eine hübsche Nebenrolle, aber der eigentliche Reiz liegt in den fotografischen Dokumenten selbst, die nach bald 90 Jahren auch dann noch faszinieren, wenn man die Stätten selbst kennt – oder vielleicht gerade deshalb.
Die Aufbereitung dieses Schatzes wird einige Zeit in Anspruch nehmen, daher gibt es heute nur einen kleinen Vorgeschmack auf das, was einen erwartet:
Fiat 522 auf der Via Appia; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Jeder, der schon einmal Rom und Umgebung auf den Spuren der klassischen Antike bereist hat, wird diese im Juli 1937 festgehaltene Situation auf Anhieb erkennen:
Die Aufnahme entstand auf der berühmten Via Appia südlich von Rom, der ältesten der großartigen Römerstraßen, die auf dem Höhepunkt des Imperiums um 200 n. Chr. geschätzte 80.000 km umfassten.
Auf den ersten Kilometern außerhalb der spätantiken Stadtmauer Roms ist die Via Appia von Grabmälern bedeutender römischer Familien gesäumt, so auch hier.
In der Ferne sind die Albaner Berge zu erahnen, in denen seit der Antike vermögende Römer ihre Sommerlandsitze haben.
Nicht ganz unvermögend musste man auch sein, um sich mit dieser großen Fiat-Limousine umherkutschieren zu lassen:
Dabei handelt es sich sehr wahrscheinlich um das Sechszylinder-Modell 522, das Anfang der 1930er Jahre den Typ 521 ablöste.
Die Motorisierung war mit gut 50 PS aus 2,5 Litern Hubraum weitgehend unverändert geblieben. Mit hydraulischen Bremsen und Synchronisierung der oberen Gänge war der Fiat 522 jedoch zweifellos moderner und auch optisch hatte man ihn behutsam weiterentwickelt.
Speziell die großen Radkappen finden sich erst beim 522 (und beim parallel angebotenen Vierzylindermodell 514). Unterschiedliche Radstände erlaubten eine Vielzahl von Aufbauten, hier haben wir eine großzügige Sechsfenster-Limousine.
Mit dieser kommoden Fortbewegungsform scheint hier auch die von Berufs wegen eigentlich der Bescheidenheit verpflichtete Ordensfrau zufrieden gewesen sein.
Die Dame ohne Kopf links von ihr ist eine altrömische Statue, die mit Christenleuten bereits in der Spätantike Kontakt hatte – allerdings auf weniger friedliche Weise.
Nachdem das Christentum im römischen Reich Staatsreligion geworden war, vergaß es nämlich prompt seine eigenen friedfertigen Wurzeln und ging mit äußerster Aggressivität gegen sämtliche Traditionen vor.
Christliche Fanatiker zerstörten binnen kurzer Zeit nicht nur die großen städtischen Bibliotheken, weshalb schon um das Jahr 500 über 90 % der antiken Literatur verloren waren, sondern schlugen nahezu allen Statuen auch weltlichen Charakters die Köpfe ab.
Im christlichen Umfeld entstanden viel später unzweifelhafte Meisterwerke wie die gotischen Kirchenbauten oder Bachs geistliche Musik, doch machen sie die ungeheuren Verluste an Weisheit, Wissen und Kunst der Antike nicht annähernd wett.
So kommt es, dass mir heute auf dieser Aufnahme die antike Via Appia und der die aufgeklärte Moderne repräsentierende Fiat 522 am liebsten sind.
Kein römischer Kaiser und kein sich christlich gebender Herrscher verfügte annähernd über die phänomenale Bewegungsfreiheit, die das Automobil frühzeitig ermöglichte und die heute jedermann zur Verfügung steht.
Diese technische Revolution hat vielleicht mehr Freiheit geschaffen als fast jede andere – ihre Errungenschaften sind in unseren Tagen allerdings erneut von fanatischen Predigern des Verzichts bedroht…
Heute beschäftige ich mich nach langer Zeit wieder einmal mit einem Wagen der Vorkriegszeit, zu dem ich eine besondere Beziehung habe – dem Fiat 1100, der 1937 eingeführt wurde.
Der modern gezeichnete Wagen der unteren Mittelklasse wurde ab 1938 auch im alten NSU-Werk in Heilbronn gebaut und entsprechend als “NSU-Fiat” verkauft.
Das Auto mit seinem anfänglich 32 PS leistenden Vierzylinder war wie in Italien ein großer Erfolg und man findet ihn häufig auf Vorkriegsfotos aus deutschen Landen – zu denen damals bekanntlich auch Österreich gehörte.
Hier haben wir einen NSU-Fiat 1100 mit Wiener Kennzeichen, der im Sommer 1939 – kurz vor Beginn des 2. Weltkriegs – eine Reise nach Italien unternahm:
NSU-Fiat 1100 in Italien (1939); Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Man findet diesen Wagen mit seiner gefälligen Kühlerpartie auch nach dem 2. Weltkrieg noch sehr zahlreich – kein Wunder bei rund 60.000 (!) gebauten Exemplaren zwischen 1937 und 1939.
Einige solcher Überlebenden habe ich bereits bei anderer Gelegenheit gezeigt (etwa hier).
Heute kann ich eine “neue” Aufnahme” zeigen, die sich in zweierlei Hinsicht davon unterscheidet. Zum einen ist dieses Foto in Rumänien entstanden, wie der umseitigen Beschriftung zu entnehmen war:
Fiat 1100 in den 1950er Jahren; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Zum anderen war dieses Exemplar kein in Deutschland gefertigter NSU-Fiat, sondern stammte direkt aus dem Turiner Werk – zu erkennen am vorderen Anschlag der Türen. Die 1100er Fiats aus Heilbronn besaßen als Limousine eine “Weinsberg”-Karosserie mit hinten angeschlagenen Türen.
Einen Aufbau von Weinsberg hat auch mein 1964er NSU Fiat 1100, der zwar der damaligen Mode folgend ganz anders aussieht, aber unter dem Blech im Wesentlichen noch die Vorkriegstechnik besitzt (Foto des Wagens am Ende des Beitrags hier).
Da der unrestaurierte Wagen erst rund 35.000 km gelaufen ist, vermittelt der Motor einen unmittelbaren Eindruck von den hervorragenden Qualitäten dieses Vorkriegsaggregats.
Im Leerlauf kaum hörbar, geschmeidig hochdrehend ohne nennenswerte mechanische Geräusche und für eine so alte Konstruktion von bemerkenswerter Lebhaftigkeit. Der Motor mag gedreht werden, ohne angestrengt zu wirken – in den 1930ern die Ausnahme.
Zurück zum “Original”. Wer jetzt eine meiner von einigen Lesern geschätzten Betrachtungen des Personals auf obiger Aufnahme erwartet, wird enttäuscht sein. Heute steht mir der Sinn nach anderem.
Der so erfolgreiche Fiat 1100, der in Deutschland mit dem beliebten Ford Eifel konkurrierte, erhielt noch kurz vor dem Krieg ein “Facelift”, das weniger bekannt ist und das auf den ersten Blick einen gestalterischen Rückschritt darstellte.
Dabei scheint man sich ausgerechnet bei Ford einiges abgeschaut zu haben:
Fiat 1100 ab 1939; originale Abbildung aus unbekanntem Magazin (Sammlung Michael Schlenger)
Der zuvor stromlinienförmige Kühlergrill wich dabei einer keilförmigen Ausführung, wie sie zuerst beim bahnbrechenden Ford V8 zu sehen war und auch von anderen Marken übernommen wurde – Renault etwa.
Der italienische Volksmund gab diesem Facelift des Fiat 1100 den Beinamen “musone”.
Das Wort ist verwandt mit “muso”, was sich mit “Schnute” übersetzen lässt. “Fare il muso” bedeutet soviel wie “eine Schnute ziehen” oder auch “schmollen”. Ein “musone” ist jemand, der “ein Gesicht zieht” – also etwas sauertöpfisch dreinschaut.
Missgelaunt dürfte auch dieser Fiat 1100 gewesen sein, der im Jahr 1943 einer italienischen Militäreinheit dienen musste. Immerhin scheint er aber eine eigene Garage und sogar Personal gehabt zu haben:
Fiat 1100; Abbildung aus “Motor & Sport”, Januar 1943 (Original aus Sammlung Michael Schlenger)
Übrigens wurde der Fiat 1100 mit der “musone”-Frontpartie den ganzen Krieg über weitergebaut. Bis 1948 das nächste Facelift anstand, wurden nochmals über 50.000 Exemplare produziert (Quelle). Ich wüsste kein anderes Auto, das auf dem europäischen Kontinent damals in solchen Stückzahlen entstand.
So kommt es, dass auch diese Variante des Fiat 1100 nach dem Krieg noch häufig anzutreffen war. Und nun kann ich auch mit echten Fotos aufwarten, nicht nur mit zeitgenössischen Abbildungen aus Magazinen.
Hier haben wir einen Fiat 1100 “musone”, der 1957 in Rom vor der “Stazione Termini” abgelichtet worden war, welche eine bemerkenswerte Kreuzung aus Neoklassizismus und Moderne darstellt:
Fiat 1100 in Rom (1957); Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Interessant ist dieses Fahrzeug insoweit, als es sich um eine viertürige Limousine mit sechs Seitenfenstern handelt – das war die auf verlängertem Chassis gebaute Taxiversion!
Die Bezeichnung “1100 AL” unterschied diese Ausführung vom “normalen” Fiat 1100 L. In Deutschland wurden beide meines Wissens nie verkauft, weshalb es nicht ganz einfach ist, hierzulande an entsprechende Originalfotos heranzukommen.
Doch ist in solchen Fällen Verlass auf deutsche Urlauber, die ab 1950 sich auf’s Neue Italien zu erobern begannen, das nach der Kapitulation des einstigen Verbündeten 1943 während des deutschen Rückzugs schwer gelitten hatte – unter brutalen Vergeltungsaktionen gegen Zivilisten wie rücksichtslosen Bombardierungen durch die Alliierten.
Jedenfalls drückte ein deutscher Reisender Anfang der 1950er Jahre für uns in Mailand genau im richtigen Moment auf den Auslöser:
Fiat 1100 AL (Taxiversion); Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass man für eine dermaßen perfekte Momentaufnahme viel Geduld und etliche Versuche benötigt.
Zwar lässt die Schärfe etwas zu wünschen übrig – aber herrje, es soll Leute geben, die auch im 21. Jahrhundert keinen solchen Schnappschuss hinbekommen.
Hier ist alles versammelt, was die Mobilität im Italien der frühen Nachkriegszeit ausmacht.
Ganz links eine Vespa in der ersten Ausführung mit Scheinwerfer auf dem Kotflügel (“faro basso”, vor 1953), dann Fahrräder ohne Gangschaltung, rechts ein Leichtkraftrad mit typisch italienischer eleganter Linienführung.
Und genau durch die Mitte rauscht wie bestellt ein Fiat 1100 in der Taxiausführung “AL”!
Das war’s von meiner Seite für heute zum Fiat 1100 in der letzten Vorkriegsausführung.
Wer nun immer noch nicht genug hat, kann hier einsteigen auf eine kleine Zeitreise im Fiat 1100 E von 1950, der noch fast dem “musone” entspricht.
Schauen Sie von Anfang an genau hin – es gibt einiges Erbauliches zu sehen auf dieser Runde…
Mein heutiger Blogeintrag steht auf den ersten Blick im krassen Kontrast zur Weihnachtszeit, in der man sich mit Kerzen, Innerlichkeit und Gemütlichkeit über die düstere Zeit der kürzesten Tage hinweghilft.
Das ist alles sehr erbaulich und gesellig, dafür muss man nicht einmal dem christlichen Glauben anhängen. So sympathisiere ich mit den Anhängern des spätrömischen Kultes des Sonnengotts, dessen Geburt zufällig ebenfalls am 25. Dezember gefeiert wurde.
Dieser Sol Invictus repräsentierte den Sieg des Lichts und des Lebens über das Dunkel und den Tod – und ist damit auch der Schöpfer der starken Kontraste, die wir auf alten Schwarz-Weiß-Aufnahmen hochsommerlicher Szenen so schätzen.
Und so ist meine Weihnachtsgabe für die Leser meines Blogs dieses Jahr eine Erinnerung an die Lust am Leben und das Strahlen des Sommers – sowie die große Klasse von Vorkriegsautomobilen, die vor allem im Licht des Südens ihre Magie entfalten:
Fiat 512 Landaulet; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Große Klasse und krasse Kontraste sind auf diesem Dokument aus meiner Sammlung auf vollkommene Weise vereint, das 1927 irgendwo in Italien entstand und im Fotoalbum deutscher Reisender die letzten fast 95 Jahre überdauert hat.
Krass ist mit Sicherheit der Kontrast der majestätischen Erscheinung dieses Fiat zu dem Image, welches die Marke in unseren Tagen besitzt.
Als Besitzer eines Fiat 1100 von 1964 weiß ich die Qualitäten von Turiner Schöpfungen der Nachkriegszeit zwar zu schätzen. Doch eine derartig große Klasse wie der Wagen auf diesem Bild erreichte Fiat nur in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts und deshalb lohnt sich die Beschäftigung mit der Vorkriegsproduktion immer wieder.
Wer meinem Blog schon länger folgt, erinnert sich vielleicht an die Aufnahme eines auf den ersten Blick ganz ähnlichen Fiat (Porträt hier):
Fiat 519 Coupé de Ville; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Dieses grandiose Automobil wurde in der ersten Hälfte der 1920er Jahre auf einem Concours d’Elegance irgendwo in Deutschland aufgenommen.
Das Erscheinungsbild lehnte sich an den 12-Zylinder-Typ 520 “Superfiat” von 1921 an, der mit 90 PS aus 6,8 Litern Hubraum damals mit Rolls-Royce konkurrierte. So vergessen wie diese Großtat sind die Sechszylindermodelle, die Fiat daraus ableitete.
Eines davon – der ab 1922 gebaute Typ 519 mit 75 PS – ist sehr wahrscheinlich auf obigem Foto zu sehen. Er wurde in einer etwas modernisierten Version bis 1927 gebaut und bekam 1926 einen “kleinen” Bruder zur Seite gestellt – den Fiat 512.
Seine Frontpartie unterschied sich geringfügig von der des großen Sechszylinders, wenngleich dem Grundsatz nach die gleiche klassische “Architektur” zu besichtigen ist:
Die gigantischen Scheinwerfer und die riesigen Reifen stehen in krassem Kontrast zur Größe des Fahrers dieses Wagens, der uns hier selbstbewusst und glänzend aufgelegt entgegenblickt.
Er könnte glatt ein Cousin des legendären italienischen Rennfahrers Tazio Nuvolari sein, der zwar ebenfalls eher kleinwüchsig war, aber mit seiner Erscheinung eine enorme Präsenz entfaltete, nicht nur am Volant.
Die Damen unter meinen Lesern werden vielleicht bestätigen können, dass wir es mit einem gutaussehenden Mann zu tun haben, dessen makelloser Aufzug auf ebensolche Manieren schließen lässt (was von Heiratsschwindlern regelmäßig ausgenutzt wird…).
Man beachte den Kontrast des braungebrannten Gesichts und der Hände zu dem in der Sonne gleißenden doppelreihigen Staubmantel, unter dem sich ein blütenweißes Hemd nebst Krawatte verbirgt.
Die Schirmmütze weist diesen Mann als angestellten Fahrer aus und der Koffer auf dem Beifahrersitz spricht dafür, dass er an diesem Tag Reisende als Fahrgäste hatte.
Sie hatten den mächtigen Wagen nebst Fahrer wohl für einige Tage gemietet, um sich irgendwo in Oberitalien umzusehen. Vermutlich war es ihnen gleichgültig, dass der rechte Vorderreifen des Fiat heillos abgenutzt war – die Spitzengeschwindigkeit von 100 km/ des Typs 512 wird dieser mit Passagieren kaum gefahren sein.
Selbige Insassen stehen leider in krassem Kontrast zu dem in strahlendes Licht getauchten und gut gelaunten Fahrer:
Bei diesem Damen wird es sich um die deutschen Fahrgäste handeln, die – soweit erkennbar – leider nicht in dem Maß “bella figura” machen, wie das ihren Geschlechtsgenossinnen im Süden von den Göttern mit auf den Weg gegeben wurde.
Der sympathische und bestens gelaunte italienische Fahrer im Freien, die zahlenden und nicht sonderlich gut aufgelegten Kunden aus dem Norden im Passagierabteil dieses Landaulets – krasser könnte der Kontrast kaum sein.
Doch an der großen Klasse dieses Fiats ändert das nichts und auch nichts daran, dass die Beschäftigung mit den Schöpfungen unserer Altvorderen auch in unseren Zeiten mühelos ein Lächeln auf die Lippen zaubert, während viele Hersteller längst verschwunden oder ein bloßer Schatten ihrer selbst sind.
In diesem Sinn wünsche ich meinen Lesern, dass es ihnen gelingt, sich über das Weihnachtsfest hinaus den Sinn für die schönen Dinge des Lebens zu bewahren und mit unerschütterlicher Zuversicht und guter Laune dazu beizutragen, unsere Welt ein wenig besser zu machen.
Ich will es gleich zugeben: Der Titel meines heutigen Blog-Eintrags gehört nicht zu meinen besten Einfällen – das liegt aber daran, dass er nicht von mir stammt. Jedoch passt er so perfekt, dass ich keine Zeit damit verschwenden wollte, mir einen besseren auszudenken.
“Die heißen Vier” – was – oder besser: wer – könnte sich dahinter verbergen? Haben sich “Die Drei von der Tankstelle” zwischenzeitlich vermehrt oder sind vielleicht “Vier warme Brüder” gemeint, die heute politisch korrekt etwas anders heißen?
Weit gefehlt, eigentlich kann man nur auf Umwegen darauf kommen, so abwegig ist das Ganze. Im vorliegenden Fall führt uns der Weg zunächst zurück in die Vorkriegszeit und dann über italienische Landstraßen dorthin.
Das Fahrzeug unserer Wahl auf dieser Tour ist ein alter Bekannter, der einst jeden Alpenpass nahm, auch wenn er nur 28 PS unter der Haube hatte – der Fiat 514 von 1929:
Fiat 514 Limousine; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Dieses wackere Exemplar mit der siegessicher zum Gipfel deutenden Dame habe ich vor längerer Zeit hier vorgestellt. Dabei hatte ich auch anhand eines Bildausschnitts ausgeführt, woran man das Modell erkennen kann.
Was auf obiger Aufnahme nur ansatzweise zu sehen ist – aber ausreichend, um den Typ zu identifizieren – kann man auf einem weiteren Foto aus ungewohnter Perspektive besichtigen. Dieses entstand einst irgendwo im deutschen Mittelgebirge:
Fiat 514 Tourer; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Diese offene Version entspricht schon sehr weitgehend dem Fahrzeug, das ich heute anhand eines kuriosen Dokuments vorstellen kann.
Das entscheidende Element ist die Gestaltung der Mittelpartie der Motorhaube – mit einem nach hinten breiter werdenden “Steg”, dessen getrepptes Profil die Chromzierleiste akkurat nachvollzieht, welche das hintere Ende der Haube markiert.
Dieses Detail findet sich – zusammen mit der ebenfalls gestuften Kante der Haube, die sich bis zur Frontscheibe fortsetzt – am besagten Fiat 514, welcher den Typ 503 beerbte und mit fast 40.000 Exemplaren kaum weniger erfolgreich war als dieser.
Kein Wunder, dass davon etliche auch am deutschen Markt Käufer fanden und einige sogar den 2. Weltkrieg überlebten – dieses Exemplar beispielsweise:
Fiat 514; originales Kinoaushangfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Moment einmal, kommen die kolorierten Fassungen solcher Fotos nicht normalerweise erst am Ende? Nun im vorliegenden Fall ist das Original bereits in Farbe gehalten und hier sieht man einmal, wie mäßig frühe Coloraufnahmen oft noch waren.
Übrigens: Besagte “Heiße Vier” sind auf dieser Aufnahme zusammen mit dem Fiat zu sehen – ich komme darauf zurück.
Dass man bei dem Auto vielleicht nicht gleich an einen Fiat denkt, mag an der “Kriegsbemalung” liegen – speziell den in weiß aufgepinselten Haubenschlitzen. Die Identifikation erschwert hat auch das Fehlen der Radkappen, aber die Nabenform ist typisch genug, um zusammen mit der übrigen Gestaltung einen Fiat 514 in Betracht zu ziehen.
Neben dem erwähnten Profil der Motorhaube und der Abschlussleiste passt auch die Form des nach unten etwas breiter werdenen Kühlers mit derm eingerahmten Öffnung für die (nur in Notfällen benötigte) Anlasserkurbel.
Kenner von Vorkriegs-Fiats könnten jetzt einwenden, dass es sich hier auch um das größere Schwestermodell 520 handeln könnte, das einen 6-Zylindermotor und einen längeren Radstand aufwies, aber formal ansonsten nahezu identisch ausfiel.
Ein kleines Detail spricht aber aus meiner Sicht für den kompakteren Fiat 514 – das trommelfömige Gehäuse, das auf der Innenseite des Kotflügels am vorderen Ende zu sehen ist. Darin verbarg sich nämlich ein klassischer Reibungsstoßdämpfer, während der Typ 520 über modernere hydraulische Stoßdämpfer verfügte.
Was ist jetzt aber mit den “Heißen Vier”? Tja, diesen Namen hatte sich die deutsche Musikertruppe gegeben, die einst mit ihrem Fiat 514 nach Italien reiste, um dort ihre gewiss lang ersehnte Kunst darzubieten.
Das klingt so haarsträubend, dass man das nur einem Unterhaltungsfilm der 1950er Jahre zutrauen würde – und genau so verhielt es sich. 1954 kam ein Schinken mit dem Titel “Gitarren der Liebe” in die Kinos des allmählich wieder dem Schutt entsteigenden Deutschlands. Das heute vorgestellte Foto diente einst als Kinoaushang zu diesem Film.
Besetzt hatte man das Werk mit “Größen” wie Harald Juhnke – den ein Spaßvogel später einmal als “deutschen Frank Sinatra” bezeichnen sollte – und dem schweizerischen Aushilfs-Italiener Vico Torriani – der mindestens so hölzern agierte wie die germanischen Kollegen.
Immerhin waren die weiblichen Rollen ansehnlich besetzt – ansonsten taten die Bilder der südlichen Landschaft ihre Wirkung. Gedreht wurden die Außenaufnahmen im Umland von Genua (Liguren), speziell im eleganten Hafenort Santa Margherita Ligure.
Ein eigenes Bild von diesem cineastischen Opus kann man sich in der originalen Filmvorschau machen.
Dort kommt der Fiat ab 3:01 min zusammen mit der überaus ansehnlichen Elma Karlova ins Bild. Ab 2:19 min ist er dann in voller Fahrt zu sehen – wenn man das wirklich peinliche Geträller zuvor überstanden hat, eine verdiente Belohnung:
Ein Fiat 508 in der 1932 vorgestellten Erstausführung ist nicht gerade das, was man landläufig mit Luxus verbindet.
Zwar stellte für den Großteil der Menschen außerhalb der Vereinigten Staaten damals jedes Automobil einen Luxusgegenstand dar. Doch innerhalb der Autohierachie war der Fiat 508 mit seinem 20 PS leistenden 1 Liter-Motor recht weit unten angesiedelt.
Jedoch verstanden die Turiner es schon damals, auch einen Wagen der unteren Mittelklasse ausgesprochen schmuck daherkommen zu lassen – zumindest in der Version als offener Zweisitzer, die offiziell tatsächlich die Bezeichnung “Spider” trug.
Warum ausgerechnet italienische Wagen dieses Typs bis in die Nachkriegszeit häufig diesen englischen Namen trugen, kann vielleicht ein Leser erklären. Im Fall des Fiat 508 “Spider” fiel das Ergebnis jedenfalls ziemlich ansehnlich aus:
Fiat 508 “Spider”; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Dieses schöne Exemplar mit Nachkriegszulassung in der sowjetischen Besatzungszone (Raum Leipzig) habe ich vor bald fünf Jahren bereits präsentiert (hier).
Das Fahrzeug dient mir als Referenz bei der Besprechung eines weiteren Fiat 508 “Spider”, der im Detail etwas weniger opulent mit Chrom geschmückt ist, aber auch in der Basisversion durchaus einen Hauch von Luxus besitzt.
Halten wir zunächst die Ausstattung des nach dem Krieg in Ostdeutschland weiterbenutzten Wagen fest:
Am ehesten ins Auge fällt das verchromte Steinschlaggitter vor dem Kühler mit dem Schriftzug “Balilla” – das war der zeitgenössische Beiname aller 508-Modelle. Ebenfalls verchromt sind Scheinwerfer, Stoßstange und Frontscheibenrahmen.
Auch die Radkappen auf den filigranen Drahtspeichenräder dürften mit Chrom beschichtet gewesen sein. Dasselbe trifft auf die Seitenscheibenrahmen zu.
Alle diese Elemente waren kennzeichnend für die Luxusausstattung des Fiat 508 Spider, wie sie in der deutschsprachigen Verkaufsbroschüre beschrieben wird, die Ferdinand Lanner auf seiner vorbildlichen Fiat-Website hochgeladen hat.
Nun zum Vergleich ein “neues” Foto desselben Typs, das uns unübersehbar in die Vorkriegszeit zurücktransportiert.
Fiat 508 “Spider”; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Dieser einst in München zugelassene Wagen muss nicht nur ohne das prächtige Steinschlaggitter auskommen, ihm fehlen auch die Seitenscheiben mit Chromrahmen – stattdessen sorgen hier Steckscheiben für notdürftigen Schutz bei Wind und Regen.
Wie es scheint, bringt der Herr auf der Fahrerseite gerade eine dieser Scheiben an, die aus Zelluloid bestanden und in einen mit Kunstleder bespannten Rahmen eingesetzt waren.
Soweit passt das Erscheinungsbild zur Basisversion. Doch eigentlich müsste bei dieser auch die Frontscheibe schlichter ausfallen und keine Stoßstange montiert sein. Auch wären lackierte Scheinwerfer zu erwarten gewesen.
Ich erkläre mir das damit, dass die Luxusversion das volle Programm an Chrom- und Komfortzubehör umfasste, während die Basisausführung auf Wunsch um das eine oder andere dieser Extras aufgestockt werden konnte.
So wird ein Käufer aus der Großtadt München auf jeden Fall eine Stoßstange geordert haben, um den Schaden bei Parkremplern oder Auffahrunfällen in Grenzen zu halten. Die ausstellbare Frontscheibe dürfte ihm ebenfalls willkommen gewesen sein.
Ein Hauch von Luxus ließ sich auf diese Weise auch bei einem Budget realisieren, für das die Luxusversion außer Reichweite lag. Das Ergebnis war ein charmanter offener Zweisitzer, der sich von gängigen deutschen Wagen abhob und doch alle Vorteile eines Großserienherstellers bot.
Während der nur zweijährigen Bauzeit fertigte Fiat über 40.000 Exemplare des Typs 508 “Balilla” – die Stückzahl der “Spider”-Version dürfte freilich überschaubar gewesen sein.
Auch heute verströmt der hübsche Wagen noch einen Hauch von Luxus, wie dieses geschmackvoll restaurierte Exemplar aus Italien beweist:
Kellner, Kellner – hatten wir das nicht gerade? Natürlich nicht den Kellner im Restaurant – den Umgang mit ihm hat uns die Obrigkeit ja seit geraumer Zeit verboten.
Doch in meinem Blog darf man mit Kellnern weiterhin auf Tuchfühlung gehen – zuletzt in Form eines Renault “Reinastella” mit Karosserie von Kellner (Billancourt). Heute machen wir nun Bekanntschaft mit einem “Kellner” ganz anderer Provenienz.
Der nicht ganz alltägliche Vorname “Alexis” bestimmte diesen vermutlich dazu, sich in seinem Leben gründlich der Extravaganz zu widmen. Das tat Alexis Kellner ab 1910 mit seinem Karosseriebetrieb in Berlin, der legendären Status erlangen sollte.
Alexis Kellner wusste eine anspruchsvolle Klientel nicht nur mit luxuriös ausgestatteten Aufbauten zu verwöhnen – er lieferte auch eine herrlich arrogante Begleitmusik dazu. 1911 verkündete er im Artikel “Der Stil im Autosport” unter anderem:
“Im Innern der Limousine ist jeder, auch der raffinierteste Luxus gestattet, ich möchte beinahe sagen: geboten… Zeige mir Deine Limousine und ich werde Dir sagen, wie Du zu Hause eingerichtet bist!”
Außerdem: “Nur in der Limousine kann die Dame Eleganz entwickeln – sie kann den größten Federhut aufsetzen, den sie hat, vorausgesetzt, dass er durch die Tür geht.”
Nicht gut weg kommt bei Kellner hingegen das Landaulet:
“Ein Landaulet ist niemals schick, man überlasse diese Karosserieform den Droschkenkutschern – und den Spatzen.”
Mehr Sympathie bringt er für den offenen Tourenwagen oder Phaeton auf:
“Als Herrenwagen ist das Phaeton auch im Winter richtig; es kommt aber auch hier auf die Form an… Besonders schmerzend wirkt ein Offizier in Uniform hinter dem Windschutz.”
Diesen Eindruck wollten die Herren Offiziere partout vermeiden – selbst im Winter nahmen sie im zugigen Heck Platz, wenn sie in ihrem – natürlich offenen Wagen – unterwegs waren:
Fiat Tipo 2B, aufgenommen im Januar 1918; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Was Alexis Kellner so lässig und leicht ironisch vor dem 1. Weltkrieg an Regeln für die Kundschaft seiner Karosseriemanufaktur “erlassen” hatte, wurde der fotografischen Evidenz folgend beim Militär streng befolgt.
Hohe Chargen fanden sich tatsächlich stets auf der Rückbank, während der Fahrer von der Windschutzscheibe und der Abwärme des Motors profitierte. Das obige Foto eignet sich aber nicht nur in dieser Hinsicht als Einstieg ins eigentliche Thema.
Vielmehr zeigt es bei aller Unschärfe sehr wahrscheinlich einen engen Verwandten des Fiat Tipo 3, den ich heute vorstellen möchte. Es handelt sich wohl um den ab 1912 gebauten Tipo 2B 15/20 PS mit 2,8 Liter großem Vierzylindermotor (Vergleichsfoto hier).
Dieses Modell war der erste große Erfolg der Marke aus Turin, wie ich zu meiner eigenen Überraschung feststellen musste. Bis dato war ich der Ansicht, dass Fiat erst kurz nach dem 1. Weltkrieg mit dem Kleinwagen 501 wirklich große Stückzahlen baute.
Doch auf Ferdinand Lanners fabelhafter Fiat-Website wird man eines Besseren belehrt: Über 21.000 Exemplare des frühen Mittelklassemodells Tipo 2B wurden zu einer Zeit gefertigt, als Italien noch ein bitterarmes Land war.
Da blieb nur der globale Markt als Absatzgebiet – und davon machte Fiat Gebrauch wie das kein deutscher Hersteller damals zustandebrachte. Nicht nur, dass man in die ganze Welt einschließlich Skandinaviens, Russlands und Australiens exportierte – das taten deutsche Hersteller auch. Nein, Fiats wurden auch in den USA produziert!
Das galt ganz speziell für das Fiat-Modell, um das es heute geht – den Tipo 3 20/30 PS mit 4 Liter-Vierzylinder. Er wurde in Italien mangels Kapazitäten 1915 eingestellt, während die Fertigung in Poughkeepsie (US-Bundesstaat New York) bis 1918 weiterlief.
Dieser (mutmaßliche) Fiat Tipo 3 stammte aber eindeutig aus europäischer Fertigung und erhielt sein Blechkleid von Alexis Kellner in Berlin:
Fiat Tipo 3 (Karosserie: Alexis Kellner, Berlin); Originalfoto aus Sammlung Klaas Dierks
Auf diesem reizvollen Foto, das mir Leser Klaas Dierks zur Verfügung gestellt hat, ist der typische birnenförmige Kühler zu erkennen, der bei Fiat ab 1914 verbaut wurde.
Zwar entspricht die Grundform grob derjenigen des Tipo 2B auf dem ersten Foto, doch die Proportionen sprechen klar für ein größeres Modell. Die noch stärkeren Modelle Tipo 4 bis 7 kommen aufgrund der geringen Stückzahlen weniger in Betracht, ganz ausschließen lassen sie sich nicht. Sie besaßen teilweise Sechszylindermotoren mit bis zu 9 Litern Hubraum.
Dass Fiats aus der Zeit vor dem 1. Weltkrieg so gar nicht zu dem Kleinwagenimage passten, das erst ab den 1930er Jahren entstand, zeigt auch die Verwendung einer Sonderkarosserie von einem Luxus-Blechschneider wie Alexis Kellner.
Doch woran erkennt man eigentlich, dass hier der Berliner Couturier am Werk war?
Nun, ein Indiz spricht sehr deutlich dafür, dass wir es mit einem Fiat zu tun haben, der einst einen Aufbau bei Kellner erhielt – die stromlinienförmig verkleideten Positionslichter auf den Kotflügeln!
Den Hinweis, dass dies sehr wahrscheinlich ein Markenzeichen von Alexis Kellner war, verdanke ich Thomas Ullrich aus Berlin. Dass der Aufbau nicht ganz alltäglich war, das lässt auch der horizontale Knick erahnen, der am Ende der Motorhaube ansetzt.
Leider liegt die Karosserieflanke im Dunkel, sodass von der übrigen Gestaltung nicht viel zu erkennen ist, doch dafür werden wir mit zwei prachtvollen Physiognomien entlohnt:
Während uns vorne in typischer doppelreihiger Lederjacke ein Angehöriger der Kraftfahrertruppe finster mustert, residiert am Ende des Wagens ein nicht mehr ganz junger Offizier – dem Fahrtwind ausgesetzt, ganz wie das Alexis Kellner gefordert hatte.
Der Kasten auf dem Trittbrett ist offenbar der Karbidentwickler, in dem das Gas für die riesigen Scheinwerfer produziert wurde. Auch dazu konnte Alexis Kellner mit endgültigen Wahrheiten dienen:
“Mächtige Scheinwerfer sind am Stadtwagen unbedingt zu vermeiden…Die großen Scheinwerfer sind überflüssig und störend, nur protzig.”
Da wir es im vorliegenden Fall mit einem Armeefahrzeug zu tun haben, das nachts gegebenfalls in völlig unbeleuchteten Gefilden unterwegs war, hätte Alexis Kellner für die überdimensionierten Scheinwerfer gewiss Verständnis gezeigt.
Seine Schöpfungen wandten sich jedenfalls an “Automobilisten, die wissen was man fährt” – im vorliegenden Fall fuhr hier der Chef der deutschen “Festungs-Eisenbahn-Bau-Kompanie 7” mit Kellner-Karosserie in den Krieg:
Reklame für Karosserien von Alexis Kellner von Januar 1914; Original aus Sammlung Michael Schlenger
Quellenhinweis: Die Zitate von Alex Kellner sind folgender Publikation entnommen: “Autos aus Berlin: Protos und NAG”, von Hans-Otto Neubauer, Verlag W. Kohlhammer, 1983.
Wer in meinem Blog für Vorkriegsautos auf alten Fotos schon ein wenig länger mitliest, kennt vielleicht meine Schwäche für zwei spezielle Mittelklassewagen, die in den 1930er Jahren in deutschen Landen eine gewisse Verbreitung fanden, aber heute so gut wie verschwunden sind.
Der eine ist der Hansa 1700mit klassischem Coupéaufbau und Sechszylindermotor, der andere ist der Fiat 1500 – ein Vertreter der Stromlinie ebenfalls mit Sechszylinder.
Wer mit dem Fiat 1500 ein mäßig erfolgreiches Vierzylindermodell der 1960er Jahre verbindet, wird nun möglicherweise aufhorchen – bauten die Turiner vor dem Krieg wirklich einen Sechsyzlinder in dieser Hubraumklasse?
Tatsächlich und ich wundere mich, warum dieses komfortable und leistungsfähige Modell mit der modernen Stromlinienkarosserie heute kaum noch jemand kennt. Am deutschen Markt gab es jedenfalls nichts Vergleichbares.
Der Fiat 1500 sprach in Deutschland seinerzeit Individualisten an, die einen gut motorisierten Qualitätswagen wollten, der dennoch aus dem Rahmen fiel. Kein deutsches Großserienauto jener Zeit kam mit einer so windschnittigen Frontpartie daher:
Fiat 1500 Limousine; Originalfoto aus Sammlung Klaas Dierks
Diese außergewöhnliche Aufnahme, die mit dem damaligen Filmmaterial nicht so einfach zu realisieren war, verdanken wir Leser Klaas Dierks, aus dessen Fotofundus ich auch dieses Jahr wieder einige Schätze vorstellen darf.
Er lieferte auch gleich die Information mit, dass wir hier quasi im Ausstellungsraum des Hamburger Fiat Generalvertreters Klok stehen. Natürlich bot man dort die im einstigen NSU-Werk in Heilbronn gefertigten Fiat-Modelle an, die hierzulande daher als NSU-Fiat firmierten und im Detail einigeBesonderheiten aufwiesen.
Bei aller Individualität, vor allem bei den offenen Versionen (wie wir noch sehen werden), waren Exemplare des Fiat 1500 immer an der markanten Frontpartie mit dem stark geneigten Kühlergrill und den halb eingelassenen Scheinwerfern zu erkennen.
Dieses Detail genügt meist bereits zur Identifikation des Typs, wie das draußen vor dem Schaufenster stehende weitere Exemplar belegt. Und insoweit wird uns auch das Fahrzeug keine Schwierigkeiten bereiten, welches ich heute “neu” zeigen kann.
Es handelt sich wieder einmal um eine offene Version des Fiat 1500 und ist auf den ersten Blick ein Indiz dafür, dass diese gar nicht so rar waren, wie ich noch dachte, als ich vor längerer Zeit folgende Ausführung als Fund des Monats vorstellte:
Fiat 1500 Cabriolet; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Neben der hübschen Aufnahmesituation fand ich hier die Karosseriegestaltung mit den sonst nirgends zu findenden seitlichen Zierleisten besonders.
Damit hob sich dieser Wagen von der Ausführung ab, wie sie Gläser aus Dresden auf Basis des Fiat 1500 anbot. Eine entsprechende Prospektabbildung findet sich auf der hervorragenden Website von Ferdinand Lanner mit Schwerpunkt Fiat.
Leser Rolf Ackermann, der zu fast jedem Vorkriegsexoten etwas auftreiben kann, hat mir folgende Aufnahme aus dem Album seiner Familie zur Verfügung gestellt:
Fiat 1500 Cabriolet von Gläser; Originalfoto aus Sammlung Rolf Ackermann
Hier haben wir genau solch ein Cabriolet von Gläser aus Dresden (man ahnt die typische Plakette hinter dem Vorderkotflügel), das wahrscheinlich in meinem Heimatort Bad Nauheim aufgenommen wurde (das Haus im Hintergrund kommt mir vertraut vor.)
Nicht ganz so elegant ist die Linienführung einer dritten offenen Version des Fiat 1500, die ich heute anhand einer Aufnahme aus meiner eigenen Sammlung vorstellen kann.
Mein Bauchgefühl sagt mir, dass wir es mit einem kurz nach dem 2. Weltkrieg modifizierten Fahrzeug zu tun haben, auch wenn ein eindeutiger Datierungshinweis fehlt.
Hier haben wir das gute Stück, das an der Frontpartie unschwer als Fiat 1500 zu erkennen ist:
Fiat 1500 Cabriolet; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Vergleicht man diesen Wagen mit dem Gläser-Cabriolet, fallen etliche Unterschiede auf:
Am markantesten sind die kiemenartigen Luftschlitze in der Seitenwand des Motorraums (die Haube war bei Fiat 1500 bereits wie bei modernen Autos oben aufliegend). Die Gestaltung der Schlitze nimmt Bezug auf die große Luftklappe, die sich bei serienmäßigen Fiats dieses Typs findet.
Vor den Schlitzen befindet sich eventuell die Plakette der Karosseriebaufirma oder des Autohauses, das den Fiat einst an den Mann brachte – es kann aber auch ein Fehler auf dem Abzug sein:
Das eigenwillige Firmenlogo über der Tür des Fahrradladens im Hintergrund könnte einen Hinweis auf den Aufnahmeort und vielleicht das Entstehungsdatum des Fotos liefern.
Für eine Nachkriegsmodifikation spricht aus meiner Sicht die an der Unterseite des Vorderkotflügels angesetzte Partie, die in das Trittbrett übergeht. Das Ganze ist zwar recht ordentlich gemacht, wirkt auf mich aber nicht gerade wie das Werk eines hervorragenden Karosseriebauers der 30er Jahre.
Möglicherweise hat sich hier jemand ein wenig von US-Wagen der 1940er Jahre inspirieren lassen, wie das auch Peugeot mit dem 1948 vorgestellten Typ 203 tat.
Interessant ist ein weiteres Detail an diesem Fiat – und zwar der hintere Türpfosten, den es bei einem Cabriolet eigentlich gar nicht geben sollte:
Bei näherer Betrachtung der Dachpartie scheint mir dieser Fiat 1500 gar keine Cabrio-Karosserie zu besitzen, sondern einen Aufbau als Cabrio-Limousine, bei der auch die Querholme der Fenster stehenblieben, wenn man das Verdeck niederlegte.
Eine solche Ausführung scheint mir dann am Ende doch etwas Rares zu sein, denn die Literatur nennt nur eine Cabrio-Limousine, die der niederländische Fiat-Importeur Leonard Lang aus Amsterdam anbot (Belegfoto).
Diese Ausführung war jedoch viertürig und besaß die typischen senkrechten Türgriffe, die in der Karosserie versenkt waren. Dagegen besaß “unser” Fiat wie auch das Gläser-Cabriolet konventionelle außenliegende Griffe.
Kennt jemanden den Hersteller dieser speziellen Version des Fiat 1500, sofern es sich nicht ohnehin um die Kreation eines lokalen Karosseriebaubetriebs handelt? So oder so tragen Beispiele wie dieses dazu, unser Bild von diesem interessanten Wagentyp zu vervollständigen, das facettenreicher war, als es die Literatur vermuten lässt.
Apropos Facetten: Unsere nächste Begegnung mit dem Fiat 1500 wird uns nach Afrika führen, und zwar in ein ganz und gar exotisches Umfeld…
Der einzige moderne Fiat, der noch als authentisch wahrgenommen wird, ist wohl das Modell 500. Ich habe den Wiedergänger des legendären “Cinquecento” letztes Jahr als Mietauto über Englands Landstraßen gescheucht und viel Freude daran gehabt.
Doch auch diesem ausgezeichnet konstruierten, effizienten und kompakten Auto wird der irre Krieg der Politik gegen den Verbrennungsmotor und die erschwingliche Mobilität auf vier Rädern für jedermann demnächst den Garaus machen.
Vor rund 100 Jahren hätte man es nicht für möglich gehalten, dass man das Automobil wieder zu einer exklusiven Angelegenheit für gutsituierte Käufer von Batteriekutschen machen will – während sich die Bonzen weiter gepanzerte Benzinmobile gönnen…
So ändern sich die Zeiten und man gewinnt hierzulande mehr und mehr den Eindruck – nicht zum Besseren. Den Zumutungen des Alltags kann man jedoch zuverlässig durch die Flucht in die Vergangenheit entgehen – und sei es auch nur vorübergehend. Klassische Automobile sind dafür die perfekte Zeitmaschine…
An den Auftakterfolg des Fiat 501, der ab 1919 in über 80.000 Exemplaren gebaut und zu einem globalen Erfolg wurde, knüpften die Turiner 1925 mit dem Nachfolger 509 an.
Die Leistung blieb mit 23 PS überschaubar, doch genügten dazu nun nur noch 990 ccm Hubraum statt zuvor 1,5 Liter. Dank obenliegender Nockenwelle war der kleine Vierzylinder so drehwillig wie wohl kein anderes Großserienaggregat in dieser Klasse.
Dass der Fiat 509 ebenfalls am Markt einschlug, das verraten die Produktionszahlen: Bis 1929 entstanden über 90.000 Stück davon. Viele fanden auch in deutschen Landen Käufer, für die die heimische Autoindustrie nichts Vergleichbares im Angebot hatte:
Fiat 509 Tourenwagen, Zulassung im Raum Berlin; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Während weltfremde deutsche Ingenieure an Luxuswagen oder skurrilen Konzepten zu einem “Volksautomobil” herumdokterten, zeigte Fiat mit dem Typ 509, dass man schlicht den Bedarf des Marktes verstanden hatte:
Ein Kleinwagen darf nicht wie das Bastelprodukt einer Hinterhofgarage aussehen, sondern muss wie ein ernstzunehmendes Automobil daherkommen. Fiat gelang das mit der an der Oberklasse orientierten klassischen Kühlerfront absolut perfekt.
Wie bei Rolls-Royce ist die Kühlermaske der Front eines antiken Tempels mit Dreiecksgiebel nachempfunden. Das Profil setzt sich bis zur Frontscheibe fort. Diese wie gemeißelt wirkende klassische Ästhetik findet sich bei allen Fiats ab 1925.
Die Schattenseite für uns Nachgeborene besteht nicht nur darin, dass so stilsicher heute kaum noch gestaltet wird, sondern dass die Fiat-Wagen der zweiten Hälfte der 1920er Jahre teilweise schwer auseinanderzuhalten sind. Beim Fiat 509 findet sich als einzigartiges Detail das vorn unter dem Kühler hervorschauende Anlassergehäuse.
Doch in anderen Fällen ist die Sache nicht so einfach. So warten noch etliche Fiat-Aufnahmen in meinem Fundus auf die Identifizierung des abgebildeten Typs. Unterdessen kann ich heute wieder einmal ein Exemplar zeigen, bei dem Klarheit besteht:
Fiat 512 Außenlenker; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Dieses Prachtstück spielt eindeutig in einer anderen Liga als der zuvor gezeigte Fiat 509 Tourer, auch wenn die Frontpartie dem Prinzip nach gleich gestaltet ist.
Doch hier ist der Kühler deutlich höher und auch die Motorhaube reicht wesentlich weiter nach oben. Auf einen deutlichen Klassenunterschied weisen außerdem die Scheinwerfer mit vernickeltem Zierring und die (wohl nachgerüstete) Stoßstange hin.
Dass wir uns hier nicht in den Sphären einer ordinären Familienkutsche bewegen, zeigt aber vor allem das vom Passagierraum abgeteilte Fahrerabteil, in dem ein eigens angestellter Chauffeur schaltete und waltete.
Links hinter dem Fahrer sieht man das Sprechrohr, über das die Insassen Anweisungen geben konnten. Übrigens saß der Chauffeur bei Regen nicht im Freien, sondern konnte ein Notverdeck vorn am Scheibenrahmen befestigen.
Ein Fiat mit dermaßen luxuriöser Anmutung bot auch antriebsseitig Besonderes. Denn die Gestaltung der Haubenseite mit den weit unten endenden Luftschlitzen und der beträchtlichen freien Fläche oberhalb der darüberliegenden Zierleiste ist typisch für das Modell 512, der ein Jahr nach dem 509 erschien.
Der Typ 512 war Fiats Nachfolger des Sechszylindermodells 510, das ab 1919 parallel um kompakten 501 gebaut wurde. Im Unterschied zum 509 besaß der 512 zwar weiterhin nur seitlich stehende Ventile, doch stieg dieLeistung auf 50 PS.
Damit war der Fiat völlig ausreichend motorisiert, zumal der Hubraum von 3,5 Litern eine elastische Motorcharakteristik erwarten lässt, die sich auch auf Reisen in bergigen Gegenden bewährt.
Ein rares Detail sei zuletzt noch erwähnt. Dieser Wagen verfügt nämlich über einen links angebrachten Außenspiegel, der dem noch rechts sitzenden Fahrer das Leben leichter machte. Weitere Details lassen sich auf diesem Ausschnitt genießen:
Was der Titel meines heutigen Blog-Eintrags so “groß” ankündigt, war zwar einst nur ein Automobil der Einsteigerklasse – doch “große Klasse” verkörpert der Wagen, um den es geht, auf jeden Fall.
Große Klasse war natürlich schon der wirtschaftliche Erfolg des 1919 vorgestellten Fiat 501 – er sollte der erste Großserienwagen der Turiner Marke werden, die sich vor dem 1. Weltkrieg auf das höherpreisige Segment konzentriert hatte.
Nach amerikanischem Vorbild trimmte Fiat das neue Modell von vornherein auf Massenproduktion und nutzte die im 1. Weltkrieg gewonnenen Erfahrungen mit großindustrieller Herstellung genormter Bauteile konsequent.
Dabei mied man es, sich mit technischen Schmankerln oder Sonderwegen auf den Markt zu wagen. Vor allem robust, zuverlässig und sparsam sollte der Fiat 501 werden.
Dazu begnügte man sich mit einem 23 PS leistenden Vierzylinder konventioneller Bauart (Seitenventiler), der 1,5 Liter Hubraum besaß. 70 km/h Spitze waren damit erzielbar.
Der Erfolg des Konzepts war für einen europäischen Hersteller beispiellos: Rund 80.000 Exemplare entstanden bis 1926 vom Fiat 501. Ein Großteil davon ging in den Export, denn Italien war damals ein bitterarmes Land mit noch geringerer Autodichte als Deutschland.
Wenn man zeitgenössische Fotos als Maßstab heranzieht, wurde der Fiat 501 hauptsächlich als Tourenwagen gekauft – das war die preisgünstigste Variante. Hier ein Beispiel aus meiner Sammlung mit Zulassung in Österreich:
Fiat 501 Tourer; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Typisch für alle Fiats der ersten Hälfte der 1920er Jahre war der birnenförmige Kühler, der auch dann eine Identifikation erlaubt, wenn das Markenemblem wie hier nicht lesbar ist.
Ein weiteres Erkennungsmerkmal war die Gestaltung der Motorhaube mit nur knapp über die Mitte reichenden Luftschlitzen. Die gedrungenen Proportionen und weitere kleine Details erlauben die Ansprache als Basismodell 501.
Die zeitgleich angebotenen stärkeren Typen 505 (2,3 Liter Vierzylinder) und 510 (3,5 Liter Sechszylinder) lassen sich trotz ähnlicher Grundform meist recht gut davon unterscheiden.
Neben dem klassischen Tourer war der Fiat 501 auch in hübschen Zweisitzerversionen (mit Notsitz im Heck) erhältlich – hier ein Foto, das ich ebenfalls bereits gezeigt habe:
Fiat 501 “Spider”; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Ob diese von Fiat als “Spider” bezeichnete Ausführung ihren Aufbau möglicherweise erst im Land des Käufers erhielt (hier: Deutschland, Zulassung: Raum Berlin), vermag ich nicht zu sagen. Die Doppelstoßstangen und die vollverchromten Scheinwerfer deuten jedenfalls auf eine spätere Modernisierung des Autos hin.
Einen ganz besonderen Aufbau auf Basis des für seine Nehmerqualitäten geschätzten Autos habe ich hier vorgestellt. Jedenfalls zeigen alle mir bisher “zugelaufenen” Originalfotos (einschließlich solcher von Lesern) offene Ausführungen des Fiat 501.
Umso erfreuter war ich, als ich kürzlich eine Aufnahme für kleines Geld erstehen konnte, die im wahrsten Sinne des Wortes “große Klasse” ist. Denn sie zeigt die seltene – und besonders teure – Ausführung des Fiat 501 als großzügige Sechsfenster-Limousine:
Fiat 501 Limousine; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Hier sind alle typspezifischen Details in wünschenswerter Klarheit zu erkennen. Leider ist das Kennzeichen teilweise verdeckt, sodass nur die Zulassung in Westfalen gesichert ist.
Nicht ganz klar war mir anfänglich nur, ob dies sogar eine Sechsfenster-Limousine sein kann. Doch zum Glück findet sich in Wolfgang Schmarbecks Klassiker “Alle Fiat Automobile” (2. Auflage 1986) auf Seite 46 eine Prospektabbildung, die einen praktisch identischen Typ 501 mit insgesamt sechs Seitenfenstern zeigt.
Das ist ein zweifellos ein schöner Fund und so bald werden wir keiner zweiten Aufnahme dieser Güte begegnen, die einen so aufwendigen Limousinenaufbau auf Basis des wackeren Fiat 501 zeigt.
Nicht ausschließen möchte ich, dass wir es hier mit einer Version zu tun haben, die einen um 10 Zentimeter längeren Radstand aufwies, die Bezeichnung Fiat 502 trug, aber ansonsten vollkommen dem Typ 501 entsprochen zu haben scheint.
Große Klasse ist aber nicht zuletzt auch die fotografische Qualität dieses Dokuments:
Der Fotograf dürfte ein Profi gewesen sein. Dafür spricht neben Bildaufbau und günstiger Perspektive die Tatsache, dass er durch die oben ausgestellte Frontscheibe die freundlich lächelnde junge Dame am Steuer ins Visier nahm.
So etwas bekamen Amateure damals kaum hin, die sich die Spiegeleffekte bei geschlossener Scheibe nicht vorstellen konnte, da das Auge sie teilweise ausgleicht.
Im Juni 1926 ist diese schöne Situation festgehalten worden, so ist es von alter Hand auf der Rückseite des Abzugs vermerkt. Vielleicht war die hübsche Fiat-Lenkerin damals gerade 20 – und unwillkürlich fragt man sich: Was hat das Schicksal für sie bereitgehalten?
Wenn man jung ist, denkt man ja nicht daran, dass es für das Leben, wie man es kennt, keine Bestandsgarantie gibt. Dieser Gedanke dürfte aber auch die mutmaßlichen Eltern neben dem Wagen kaum beschäftigt haben:
“Große Klasse”, so mag das Dasein den beiden zum Zeitpunkt dieser Aufnahme erschienen sein, möchte man meinen.
Der Besitz eines solchen Automobils wies sie als Angehörige einer dünnen Schicht aus, die breite Masse der Deutschen besaß im Sommer 1926 nicht einmal ein Fahrrad.
Doch wie wir aus der Geschichte wissen, konnte schon zehn Jahre später alles anders sein – je nach dem, auf welcher Seite man sich wiederfand. Dasselbe gilt natürlich für uns – und das ist vielleicht die eigentliche Botschaft dieser alten Fotos.
Heute möchte ich ein wunderbar melancholisches Foto vorstellen, das vom Welterfolg des Fiat 501 Anfang der 1920er Jahre kündet, aber zugleich ein zeitloses Thema anklingen lässt – die merkwürdige Mischung aus Schönheit und Schmerz.
Dabei unternehmen wir eine Reise aus Europa ins ferne Brasilien – ins Mutterland der Bossa Nova, die zwar erst in den 1950er Jahren entstand, aber schon wieder historisch ist. Wem dieser Musikstil nichts sagt, kann am Ende eine Kostprobe davon genießen.
Doch beginnen wir erst einmal ganz sachlich mit diesem Tourenwagen:
Fiat 501 Tourenwagen; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Dieses ab 1919 gebaute Fahrzeug war der erste Welterfolg von Fiat aus Turin: Bis 1926 wurden rund 80.000 Exemplare des Typs 501 mit 1,5 Liter-Seitenventiler (23 PS) gebaut.
Italien war zum damaligen Zeitpunkt zwar eines der Armenhäuser Europas, gehörte aber wie Rumänien zu den “Siegern” des 1. Weltkriegs, die die Gunst der Stunde genutzt hatten, fragwürdige Gebietsansprüche durchzusetzen.
So stand Fiat 1919 für die Seite der “Guten” und konnte entsprechend unbelastet in die globale Offensive gehen. Tatsächlich begegnet man dem kompakten, bald als unzerstörbar geltenden Typ 501 in fast jedem Winkel der Welt.
Selbst beim einstigen Gegner ließen sich etliche Fiats des Typs 501 absetzen, so dieser “Roadster” mit Schwiegermuttersitz, der in Berlin Käufer fand:
Fiat 501 Roadster; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Neben klassischen Tourern und solchen sportlich anmutenden Zweisitzern mit Notsitzen im Heck für Schwiegermutter und Schwägerin gab es auch raffiniertere Sonderaufbauten.
Ein großartiges Beispiel dafür präsentierte vor einiger Zeit Fernando Sobrinho aus Brasilien in der Facebook-Gruppe “Cars of the 1900s to the 1930s”. Es handelt sich um einen extravaganten “Boattail”-Roadster” auf Basis des Fiat 501.
Die genaue Quelle der Aufnahme aus Rio de Janeiro ließ sich nicht klären, dennoch möchte ich dieses Dokument meiner Leserschaft nicht vorenthalten:
Fiat 501 Bootsheck-Roadster; Foto via Fernando Sobrinho (Brasilien), Originalquelle unbekannt
Viele Dinge gefallen mir an diesem Sport-Zweisitzer. So ist der Aufbau elegant auf’s Unerlässliche reduziert:
– Ja, man braucht Räder, aber man verwendet filigrane Drahtspeichenräder, die dem Auge nichts verbergen.
– Ja, man braucht Kotfügel, aber man reduziert sie auf die Schutzfunktion für die Insassen.
– Ja man braucht einen Einstieg, verzichtet aber auf Türen.
– Ja, man muss irgendwie ins Auto kommen, beschränkt sich aber auf eine winzige Trittstufe.
– Ja, man braucht irgendeine Heckpartie, verzichtet aber auf ein dort angebrachtes Verdeck und lässt die Karosserie nach hinten abfallen.
Nur einen Luxus leistet man sich: eine pfeilfömig zulaufende zweigeteilte Windschutzscheibe…
Das ist die gestalterische Logik dieses hinreißenden Roadsters mit Bootsheckkarosserie.Leicht im Aufbau, lässig in der Konstruktion und dabei von perfekter Eleganz.
Damit sind wir fast schon beim eingangs erwähnten Musikstil der Bossa Nova. Doch ein Element fehlt noch bei soviel Schönheit – die Melancholie, mit der jede nahezu vollkommene Schöpfung daherkommt. Auch sie findet sich letztlich auf dieser Aufnahme:
Die beiden Männer in dem rassigen Fiat hatten eigentlich allen Grund, sich glücklich zu schätzen – vor rund 90 Jahren in Rio de Janeiro gehörten sie mit einem solchen Fabeltier zu einer hauchdünnen Oberschicht.
Doch beide schauen so, als seien sie mit dem Kopf woanders, als hofften sie, dass die Sache bald vorbei sei. Es gibt viele Gründe im Leben, die einem Anlass geben, äußerlich zu funktionieren, aber dennoch von Traurigkeit erfüllt zu sein.
Wir wissen nicht, was die beiden Fiat-Insassen einst innerlich beschäftigte. Ich habe meine eigenen Gründe, dieser Tage mit ihrer offenkundigen Melancholie zu sympathisieren – nein, es ist kein Liebeskummer.
Eine Antwort bleiben uns auch diese alten Fotos oft schuldig, die von vergangenen Leben und alten Automobilen erzählen und fast das einzige sind, das uns heute noch mit der Welt von gestern verbindet.
Doch es gibt neben der Fotografie eine weitere Technologie, die auf wunderbare Weise eine Zeitreise ermöglicht, die Tonaufzeichnung. So können wir im 21. Jahrhundert Klängen lauschen, deren Schöpfer längst vergangen sind.
Passend zum heutigen Bild aus Rio de Janeiro empfinde ich diese kühle und stets ein wenig traurige Bossa Nova-Stimmung, die vor bald 60 Jahren verewigt wurde:
Hochgeladen von Universal Music Group; Quelle: Youtube.com
Der Fiat 500 gehört wie der VW Käfer und der Mini zu den Autos, die wohl jeder kennt. Nicht zufällig waren es diese drei, von denen es moderne Wiedergänger gibt.
Besonders gelungen ist aus meiner Sicht der seit 2007 angebotene Fiat 500. Kein Wunder, dass er äußerlich unverändert immer noch gebaut wird, denn er ist wie sein Vorbild aus den 1950er Jahren ein Augenschmaus.
2019 war das bisher beste Verkaufsjahr und entgegen manchen Gerüchten wird der Fiat 500 noch eine Weile weitergebaut. Ein Nischendasein dürfte dagegen der 2020 vorgestellte vollelektrische Fiat 500 führen, der wie alle Autos seiner Art am Kernübel des Elektroantriebs leidet: weniger Mobilität zum drastisch höheren Preis.
Als Drittwagen für die Stadt wird er wohl einige Liebhaber finden, die für diesen Luxus tausende Euro Subventionen von ihren steuerzahlenden Mitbürger kassieren, die einen fast 40.000 EUR teuren Kleinwagen meist für dekadent halten werden.
Dabei sollte gerade der Fiat 500 von Anfang an ein erschwingliches Auto für möglichst viele Menschen sein, die sonst ganzjährig mit Fahrrad und Straßenbahn unterwegs waren und genau das hinter sich lassen wollten, was neuerdings als urbane Utopie gepriesen wird.
Heute beleuchte ich die Anfänge des Fiat 500, aber nicht anhand des legendären Modells der Nachkriegszeit – der aus gutem Grund “Nuova 500” hieß. Vielmehr geht es zurück in die 1930er Jahre, als erstmals ein Fiat “Cinquecento” das Licht der Welt erblickte.
Der Vater des Wagens – Dante Giacosa – sollte derselbe sein, der auch das Nachkriegsmodell “Nuova 500” entwickelte, obwohl beide kaum etwas gemeinsam hatten – außer, dass sie sehr kompakt und hübsch anzuschauen waren.
Fiat-Reklame aus “Kfz-Handel und -Bewirtschaftung”, Ausgabe vom 17.02.1939 (Original aus Sammlung Michael Schlenger)
Selbst ohne Vorkenntnisse wird man auf dieser Reklame auf Anhieb den zweisitzigen Fiat 500 erkennen, auch wenn die Typbezeichnung hier nicht auftaucht.
Es ist kaum ein Zufall, dass Fiat sein Einstiegsmodell 1939 auf der IAMA in Berlin zeigte – schon die Weltpremiere hatte 1936 in der Reichshauptstadt stattgefunden.
Neben dem Fiat 500 ganz links sieht man die beiden weiteren Erfolgsmodelle – den 1100 und den 1500. Zur Technik des Fiat 500 – sei folgendes vermerkt:
– Der Motor war ein wasserkühlter 4-Zylinder mit 570ccm, vorne längs eingebaut – der Fiat 500 der Nachkriegszeit erhielt einen im Heck montierten 2-Zylinder mit Luftkühlung.
– Die Vorderräder waren unabhängig voneinander aufgehängt und wurden mit einer Querblattfeder gefedert; Hebelstoßdämpfer waren Standard.
– Das kurze Chassis bot nur Platz für zwei Personen, außerdem einen Notsitz für Kleinkinder oder einen Hund – der spätere Fiat “Nuova 500” war dagegen ein Viersitzer.
Nach seiner Vorstellung wurde der Fiat 500 auch in Deutschland ein achtbarer Erfolg. Er wurde sogar hierzulande gefertigt und zwar als NSU-Fiat im alten NSU-Automobilwerk in Heilbronn. Eine Verbindung mit dem gleichnamigen Motorradbauer bestand nicht.
So begegnet einem der Fiat 500 immer wieder auf Abbildungen aus dem Deutschland der 1930er Jahre – beispielsweise auf dieser Ansichtskarte aus Stolberg im Harz:
Ansichtskarte aus Stolberg (Harz); Original aus Sammlung Michael Schlenger
Angesichts der eindrucksvollen Kulisse des Ratskellers (links) mit dahinterliegender gotischer Martinikirche, in der 1525 Martin Luther eine Predigt hielt, schrumpfen die im Vordergrund abgestellten Autos zu Spielzeug.
Das gilt sogar für die mächtige Buick-Pullmanlimousine von 1933, die links neben dem Ausflugsbus von Mercedes-Benz steht. Wie kompakt der benachbarte Fiat 500 geraten war, ist hier besonders augenfällig.
Aber selbst im Vergleich zum braven Ford Köln links daneben ist der Fiat 500 noch eine ganze Nummer kleiner:
Abgesehen von den längst verschwundenen Autos bietet sich diese Ansicht dem Besucher der sehenswerten, vom Bombenkrieg fast ganz verschont gebliebenen Altstadt noch genauso dar.
Das Stichwort Krieg ist in diesem Kontext leider nicht zu vermeiden – auch nicht im Hinblick auf den kleinen Fiat 500, dem wie seinen damaligen Besitzern einige harte Jahre bevorstanden – gleich die nächste Aufnahme verweist unmittelbar darauf:
NSU-Fiat 500 Cabrio-Limousine; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Der junge Soldat, der es sich hier auf der Motorhaube bequem gemacht hat und sich nonchalant mit den genagelten Sohlen seiner Stiefel auf der Stoßstange abstützt, war den Kragenspiegeln nach zu urteilen ein Gefreiter der Luftwaffe.
Die Aufnahme dürfte kurz nach Kriegsausbruch 1939 entstanden sein, als bereits die Tarnüberzüge auf den Scheinwerfern vorgeschrieben waren. Das Ärmelabzeichen weist den Soldaten als Mitglied des Kraftfahrerpersonals aus (Leserhinweis).
Auf dem Kennzeichen des Fiat fehlt der typische Winkel, der PKW kenntlich machte, die in Kriegszeiten weiterhin privat bewegt werden durften. Denkbar ist aber auch, dass der Fiat bereits seinen “Einberufungsbefehl” erhalten hatte und demnächst beim Militär abgeliefert werden musste.
Ein Detail verrät, dass es sich um einen NSU-Fiat gehandelt haben muss. Die Normalausführung des Fiat 500 besaß ein Rolldach, das sich bis ganz hinten öffnen ließ.
Hier sieht man jedoch ein bis zum Windschutzscheibenrahmen reichendes Verdeck. Daran ist die Cabrio-Limousine zu erkennen, die serienmäßig nur als NSU-Fiat in Deutschland gefertigt wurde.
Die nächste Aufnahme transportiert uns nun direkt zur Wehrmacht, wo sich offenbar eine Trosseinheit ebenfalls einen Fiat 500 einverleibt hatte. Das Militär nahm angesichts notorischen Fahrzeugmangels alles, was man bekommen konnte, wenn es nicht gerade aus den 1920er Jahren stammte oder vollkommen exotisch war.
Hier sehen wir einen gutgelaunten Soldaten im Arbeitsanzug, der den Kühlergrill abgenommen hat, um mit einer Ölspritze Wartungsarbeiten im Motorraum vorzunehmen:
Fiat 500 (Wehrmachtsfahrzeug); Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Auf diesem Foto sind einige interessante Details zu erkennen:
– Der Motor baut sehr flach, wie es typisch für klassische Seitenventiler ist, denen der hoch aufbauende Zylinderkopf kopfgesteuerter Motoren fehlt.
– Oberhalb des Motors sitzt die Lichtmaschine, deren Welle zugleich den Lüfterflügel antreibt, der sein Werk hinter dem Motor verrichtet, wo auch der Kühler angebracht ist – eine seltene Anordnung, die man vor allem von frühen Renault-Wagen kennt.
– Der hochangebrachte Wasserkasten des Kühlers bestimmt die Höhe der dahinter beginnenden “Motorhaube”. Darunter befand sich außer dem Kraftstofftank nicht viel – hier entwich hauptsächlich die durch den Kühler nach hinten geschaufelte Abwärme durch die Luftschlitze nach oben.
In der folgenden Querschnittsabbildung wird deutlich, dass man durch diese technisch einwandfreie Lösung einigen Platz im Vorderwagen verschenkte:
Hätte man den Benzintank im Heck untergebracht, wäre ein zusätzlicher Gepäckraum entstanden, doch dann hätte man eine Kraftstoffpumpe installieren müssen. Konstrukteur Dante Giacosa hätte uns vermutlich erklären können, warum das unterblieb.
Weiter geht es mit dem großen Rad der Zeit – auf der nächsten Aufnahme befinden wir uns schon in der frühen Nachkriegszeit – in Leipzig, um genau zu sein. :
NSU-Fiat 500 Cabrio-Limousine; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Entstanden ist dieses Foto anlässlich einer Hochzeit – der Herr mit dem Zylinder könnte der Brautvater gewesen sein.
Leider ist aufgrund der ungünstigen Lichtverhältnisse und Spiegelungen auf den Scheiben des Wagens – nicht zu erkennen, ob jemand im Wagen sitzt.
Dafür können wir hier den bereits erwähnten Verdeckansatz ausmachen, der uns verrät, dass auch dieser Wagen ein NSU-Fiat 500 mit dem für den deutschen Markt produzierten Aufbau als Cabrio-Limousine war.
Das Nummernschild wurde in der Sowjetischen Besatzungszone im Raum Leipzig (vertikal vorangestellte Buchstaben SL) ausgegeben, und zwar ab 1948 (siehe die mittig am unteren Rand des Kennzeichens angebrachte “48”).
Auf den letzten beiden Fotos, mit denen ich diese Zeitreise im Fiat 500 abschließen möchte, bleiben wir in dem Teil Deutschlands, der 1945 vom braunen Sozialismus befreit wurde, sich aber nun mit einer rotlackierten Variante konfrontiert sah.
Das neue Regime fuhr die Oppression der Reste des Bürgertums und freien Unternehmertums nur allmählich hoch. Sieht man von weiterbetriebenen KZs wie Buchenwald und Sachsenhausen ab, dauerte es in der “DDR” noch eine Weile, bis Nonkonformismus tödlich wurde.
Erst nach dem Bau der Mauer ab 1961 musst der ordinäre Genosse, der nicht die Reiseprivilegien von Funktionären und politisch verlässlichen Wissenschaftlern besaß, damit rechnen, beim ungenehmigten Verlassen des Arbeiter- und Bauernparadieses hinterrücks erschossen zu werden.
Ende der 1960er Jahre, als der Bau des “antifaschistischen Schutzwalls” bereits vollendet war, sind die folgenden Aufnahmen entstanden:
Fiat 500 Limousine; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Die junge Frau neben dem Fiat trägt unter dem Mantel mit Reißverschluss ein über dem Knie endendes Kleid – wie es in Ost und West in den 1960er Jahren aufkam. Sie schaut uns verhalten lächelnd an, doch scheint ihr Alltag von großem Ernst geprägt zu sein.
Der Fiat hat sich der “neuen Zeit” ebenfalls unterwerfen müssen und trägt nun nachgerüstete Blinker auf den Kotflügeln. Übrigens haben wir es hier mit einer Limousine ohne Rolldach zu tun, die eher selten verkauft wurde.
Die zweiteilige Stoßstange könnte von einem DKW der Vorkriegszeit stammen – sie scheint nachträglich lackiert worden zu sein. Auch der helle Lack des Fiat dürfte erst aus der Nachkriegszeit stammen.
Nun die zweite Aufnahme desselben Wagens, aufgenommen im September 1968:
Fiat 500 Limousine; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
An sich wäre das ein sehr schönes Dokument, das vom Weiterleben eines Fiat 500 der Vorkriegszeit rund 30 Jahre nach seiner Entstehung kündet.
Der schlanke Mann auf der Stoßstange ist perfekt in der Mode jener Zeit gekleidet – die Vorbilder dafür bezog man aus dem Westen, Schnitt und Materialien waren damals auch im Osten noch auf der Höhe der Zeit.
Doch auch “er” schaut eher missvergnügt in die Kamera. Über 20 Jahre sozialistische Diktatur hatten je nach gesellschaftlicher Position womöglich ihren Tribut gefordert – weitere 20 Jahre sollten noch folgen.
Für mich, der 1969 in eine Bundesrepublik hineingeboren wurde, die ihre Bürger lange Zeit von staatlichen Anmaßungen weitgehend unbehelligt ihr Dasein führen ließ, ist das eine schwer erträgliche Vorstellung.
Damit will ich es für heute bewenden lassen, was das lange Leben des ersten Fiat 500 als automobiler Begleiter in deutschen Landen angeht. Aber wir werden dem großen Wurf von Dante Giacosa wiederbegegnen – auf einer Reise, die uns abermals in die Nachkriegszeit führt, doch diesmal im Westen unseres Landes…