Horch 8 Typ 780 Cabriolet: winterliche Wagenwäsche

So mild sich der Winter derzeit hierzulande auch gibt, so streng fällt er in anderen Regionen wie den USA aus. Ändert sich die Großwetterlage nochmals, ist auch bei uns ein winterliches Idyll wie das auf dem folgenden Originalfoto nicht auszuschließen – wenn auch gewiss nicht mit einem Fahrzeug dieses Kalibers:

Horch_8_ Typ_780_

© Horch 8 Typ 780 der 1930er Jahre; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Der majestätische Wagen ist schnell identifiziert – was die Ausnahme bei historischen Privatfotos darstellt. Schon Größe und Proportionen sowie die Form der Kühlermaske deuten auf einen Horch der 1930er Jahre hin.

Kurz im „Oswald“ (Deutsche Autos 1920-45) nachgeschlagen und der Fall ist klar: ein Horch 8 des Typs 780, der nur von 1932-34 gebaut wurde. Erleichtert wird die Zuordnung durch die dreiteilige Frontscheibe, ein selten zu findendes Detail.

Einige technische Fakten: Der Horch 780 verfügte über die stärkste Variante des Anfang der 1930er Jahre neukonstruierten Reihenachtzylinder-Motors der Luxuswagenmarke aus dem sächsischen Zwickau. Aus knapp 5 Liter Hubraum schöpfte das Aggregat standfeste 100 PS. Das klingt aus heutiger Sicht nach nicht viel, doch mit obenliegender Nockenwelle, Königswellenantrieb und 10 Kurbelwellenlagern war der Motor technisch durchaus anspruchsvoll.

Bei einem Wagen dieser Dimensionen – die Länge betrug über 5 Meter, das Gewicht mehr als 2 Tonnen – kam es vor allem auf souveräne Kraftentfaltung als auf sportliche Qualitäten an. Ein Ausfahren der Höchstgeschwindigkeit von 125 km/h war Mitte der 1930er Jahre kaum irgendwo möglich  – das Autobahnnetz im Deutschen Reich befand sich erst in seinen Anfängen.

Speziell die Cabriolet-Versionen des Horch 8 zählten seinerzeit in Deutschland zu den repräsentativsten und stilvollsten Wagen überhaupt. Werfen wir einen näheren Blick auf die Frontpartie des prachtvollen Vehikels:

Horch_8_Typ_780_Front

Die verchromte Kühlermaske ist durch einen Überzug verdeckt, an dem im Winter Lamellen aus Kunstleder zur Begrenzung der Luftzufuhr angeknöpft werden konnten. Dieses Zubehör war für die gängigsten Kühlerformen und -größen erhältlich. Die Kühlerfigur scheint nicht dem Standard  – einer geflügelten Weltkugel – zu entsprechen.

Das Markenlogo, ein H, das vom Schriftzug „Horch“ gekrönt war, ist hier zwar nicht auf dem Kühler zu erkennen, man kann es jedoch auf der Radkappe erahnen. Auch wenn es schwer zu erkennen ist, scheint der Wagen über Scheiben- statt Speichenräder zu verfügen – lieferbar waren beide Varianten.

Auffallend ist der sehr große Nebelscheinwerfer, der an der Mittelstange zwischen den beiden Hauptscheinwerfern montiert ist. Da die Lichtmaschine nur 130 Watt leistete, dürfte statt gleichzeitigen Betriebs aller drei Scheinwerfer eher eine Wahlmöglichkeit bei Nebel bestanden haben. Das Nummernschild mit der (röm.) Ziffern-Buchstaben-Kombination „IA“ verweist auf die Zulassung des Horch im Bezirk Berlin.

Als nächstes ein Blick auf die mittlere Wagenpartie:

Horch_8_Typ_780_Mitte

Auch hier zeichnet sich das Horch-Logo schwach auf der Radkappe ab. Am Windschutzscheibenrahmen sind auf beiden Seiten die Winker zur Fahrtrichtungsanzeige angebracht, rechts ist außerdem ein Zusatzscheinwerfer montiert, mit dem man dunkle Hauseingänge anstrahlen konnte – ein charmantes Detail, das leider in Vergessenheit geraten ist.

Auf der Innenseite der Frontscheibe ist eine mit Saugnäpfen befestigte Heizspirale angebracht, ein den Winterbetrieb erleichterndes Accessoire, das auch bei kleineren Fahrzeugen gern nachgerüstet wurde. Bei Horch dürfte dieses Extra ab Werk lieferbar gewesen sein.

Kommen wir zur Heckpartie des Horch, wo sich zwei vergnügt dreinschauende Männer zu schaffen machen:

Horch_8_Typ_780_Heck

Wie es scheint, schüttet der dem Schauspieler Heinz Rühmann ähnelnde Brillenträger aus einem Emailleeimer Wasser in ein größeres zinkfarbenes Behältnis. Sein Kompagnon im Mantel streicht derweil über den hinteren Kotflügel des Horch.

Man darf annehmen, dass wir es hier mit einer winterlichen Wagenwäsche zu tun haben. Dafür spricht, dass der Horch auf dem Ausgangsbild nur noch auf dem linken Vorderkotflügel und dem Dach eine Schneeschicht trägt und ansonsten blitzblank dasteht.

Wahrscheinlich stand der Wagen anlässlich eines Besuchs über Nacht im Freien – zuhause verfügte der Besitzer sicher über eine Garage – und war am Morgen zugeschneit. Hier wurde der Horch vermutlich mit warmem Wasser lackschonend vom Schnee befreit. Der Mantelträger trocknete die gereinigten Partien wohl rasch mit einem Leder, bevor das Wasser gefrieren konnte.

Nicht unerwähnt bleiben soll die Schirmmütze auf dem Dach des Cabriolets. Sie könnte dem Chauffeur des Wagens – der Herr im Mantel? – gehören. Der Brillenträger in Anzug und Krawatte wohnt womöglich in dem großzügigen Haus im Hintergrund und hat das Wasser von dort geholt. Plausiblerweise ist das Foto dann vom Besitzer des Horch selbst kurz vor der Abfahrt geschossen worden.

Entstanden sein muss das Bild vor Kriegsbeginn. Andernfalls würde der Horch bereits über Tarnüberzüge auf den Scheinwerfern verfügen, die auch an Zivilfahrzeugen vorgeschrieben waren. Oder er wäre bereits als Wagen eines hohen Offiziers bei der Wehrmacht unterwegs…

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