Ausflug im offenen Adler 6/25 PS

Bereits vor einiger Zeit wurde hier ein schönes Originalfoto eines Adler 6/25 PS mit Tourenwagenkarosserie aus den 1920er Jahren vorgestellt (Bildbericht). Im Unterschied zum bekannteren und moderneren Adler Standard 6 sind Bilder dieses von 1925-28 gebauten Modells selten zu finden.

Nun ist eine weitere zeitgenössische Aufnahme eines Adler 6/25 PS-Tourenwagen aufgetaucht, die von der Bildqualität zwar nicht mit dem ersten Foto mithalten kann, aber dennoch viel Zeitkolorit transportiert und zudem in der Karosserieausführung etwas abweicht:

Adler_6-25_PS_Spezial© Adler 6/25 PS Tourenwagen, späte 1920er Jahre; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Leider hat der Fotograf den Wagen und die Personen auf dem Bild mit voll aufgeblendetem Objektiv fotografiert. Dadurch ist die Schärfentiefe sehr gering, sie reicht nur etwa von den Reserverreifen bis zur rechten Hand des Fahrer. Bei voller Blendenöffnung kam es bei frühen unkorrigierten Kameraobjektiven zusätzlich zu Unschärfen im Randbereich.

Dennoch ist genug zu erkennen, um den Wagen zu identifizieren. Hier Kühler und Motorhaube im Detail:

Adler_6-25_PS_Spezial_Kühler

Die dreieckige Emailplakette an der Kühlermaske erlaubt eine eindeutige Ansprache als Adler der 1920er Jahre. Die senkrechten Luftschlitze in der Motorhaube unterscheiden das 6/25 PS-Modell vom Standard 6. Kenner könnten vielleicht auch die Scheinwerferform als typisch anführen.

Ein weiteres Detail, das für das ältere Adler 6/25-Modell spricht, ist auf dem folgenden Ausschnitt zu sehen:

Adler_6-25_PS_Spezial_Mittelteil.jpg

Die Scheibenfelgen weisen einen recht kleinen Lochkreis für die Radbolzen auf. Beim später gebauten Adler Standard 6 – der nebenbei als erster deutscher Serienwagen hydraulische Bremsen hatte – war der Durchmesser größer.

Interessant im Vergleich zu anderen Aufnahmen von Adler-Tourenwagen desselben Typs ist die weiter nach hinten versetzte Reserveradmulde, die das Trittbrett durchstößt. Diese Lösung wurde gewählt, wenn der Käufer zwei Reservereifen wollte, für die im Vorderschutzblech nicht genug Platz gewesen wäre.

Die Ballhupe dürfte nachgerüstet worden sein. Denn eigentlich verfügte der Wagen bereits über eine elektrisch betrieben Bosch-Hupe. Vielleicht traute der Besitzer ihr nicht.

Zu guter Letzt noch ein Blick auf die Personen im Adler bzw. den Herrn daneben:

Adler_6-25_PS_Spezial_Insassen

Hier sind Vertreter von zwei, wenn nicht drei Generationen zusehen. Der bullige Glatzkopf im weißen Hemd – er ist sicher nur kurz aus dem Haus gekommen – und der Beifahrer mit der Schirmmütze lassen vom Erscheinungsbild her noch etwas vom vergangenen Kaiserreich ahnen, als viele Herren  opulente Schnauzbärte trugen.

Der Fahrer und der hintere Passagier mit dem kecken Hut sind deutlich jünger. Speziell der Wagenlenker mit Schieberkappe und recht kurzem Hemdkragen hat den 1. Weltkrieg gewiss nur als Jugendlicher erlebt. Die Dame mit der Wollmütze im Heck des Adler schließlich dürfte die Jüngste im Bunde sein. 

Man darf annehmen, dass diese Aufnahme Ende der 1920er Jahre entstand. Leider ist über Anlass und Ort des Fotos nichts bekannt. Die Architektur im Hintergrund deutet auf eine großbürgerliche Wohngegend hin. Die schmucklosen Fensterlaibungen sprechen dafür, dass das Haus nach dem 1. Weltkrieg gebaut wurde, offenbar auf einem großen Grundstück mit altem Baumbestand und schmiedeeisernen Gittern des 19. Jahrhunderts.

Auf diesem Bild sind Menschen und Dinge mehrerer Epochen harmonisch vereint. Dieses Foto ist erkennbar vor dem Einbruch der Moderne in eine über Jahrhunderte gewachsene Wirklichkeit entstanden, in der auch das Automobil sich mit seinen Formen und Materialien noch in die Tradition fügte. Nur wenig später war diese Welt in Deutschland untergegangen.

2 Gedanken zu „Ausflug im offenen Adler 6/25 PS

  1. Danke für diese wertvollen Informationen, Herr Holst! Habe den Artikel in punkto Reservereifen ergänzt.
    Wann genau wurde eigentlich auf Linkslenkung umgestellt? Ist das irgendwo dokumentiert?

  2. Zur Position der Reservereifen: Der Kunde bestellte doppelte Reservereifen. Diese lassen sich nicht nebeneinander im Kotflügel unterbringen, wohl aber im Trittbrett.
    Der Wagen hat noch Rechtslenkung, spätere Wagen hatten schon Linkslenkung. Die Ballhupe als Fanfare ist nostalgisches Zubehör, denn ein elektrisches Boschhorn ist Standard.

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