Private Fotos von Automobilen aus der Zeit vor dem 2. Weltkrieg sind im Unterschied zu Werksaufnahmen zwar oft von großem Reiz, zeigen sie doch die historischen Fahrzeuge in gebrauchtem Zustand und in Alltagssituationen.
Häufig lässt allerdings die Qualität der Bilder zu wünschen übrig. Viele Fotoamateure arbeiteten mit der falschen Blende oder schätzten die Distanz falsch ein – das Ergebnis waren unscharfe Abbildungen. Oft wurde auch mit den gängigen Rahmensuchern ein zu großer oder ungünstiger Bildausschnitt gewählt.
Die Objektiv- und Filmqualität erlaubte an sich weit bessere Ergebnisse, das half aber nicht, wenn der Fotograf das Bild verwackelte. Nebenbei: Durch die moderne Kameratechnik hat sich das Problem unfähiger Fotoamateure keineswegs erledigt…
Umso beeindruckender ist es, wenn man ein wirklich hochwertiges Originalfoto der 1920/30er Jahre zu sehen bekommt. Das folgende Beispiel verdanken wir Lutz Heimhalt aus Hamburg-Fuhlsbüttel, der uns kürzlich bereits ein großartiges Bild eines frühen Kompressor-Mercedes aus Familienbesitz zur Verfügung gestellt hat.
© Opel Typ 8/25 PS, Baujahr 1921/22; Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung von Lutz Heimhalt
Bevor wir uns dem Fahrzeug zuwenden, ein paar Worte zu den besonderen Qualitäten der Aufnahme:
Zunächst ist der Wagen perfekt im Bild platziert – ein wenig schräg gestellt, was wichtig für die plastische Wirkung im Raum ist. Dann wurde das Tageslicht für eine geradezu ideale Belichtung genutzt. Selbst die Schattenpartien weisen noch Zeichnung auf und es gibt keine überbelichten “ausgefressenen” Partien.
Das Foto ist sehr scharf und dennoch wird durch die weichen Sepia-Tonwerte ein zu harter “technischer” Eindruck vermieden. Offenbar waren nicht nur bei der Aufnahme, sondern auch beim Ausbelichten des Abzugs Könner am Werk.
Das Auto lässt sich bei dieser Detailtreue leicht identifizieren: es ist ein Opel 8/25 PS-Tourenwagen, wie er 1921/22 gebaut wurde. Das markante Spitzkühlermodell wurde auf diesem Blog bereits anhand eines anderen Fotos vorgestellt. Im Unterschied dazu kann man hier auf Anhieb die typischen Elemente erkennen:
Da ist zunächst das Opel-Auge an der Kühlermaske, das sich auf den Nabenkappen wiederholt. Dieses Detail ist auf vielen schlechteren Aufnahmen oft kaum erkennbar. Typisch für das 8/25 PS-Modell ist auch die Verbindungsstange zwischen den Scheinwerfern. Deren Form in Verbindung mit dem elektrischen Horn ist übrigens ein deutlicher Hinweis, dass wir es mit einem Wagen der 1920er Jahre zu tun haben.
Formal betrachtet gab es genau solche Tourenwagen mit modischem Spitzkühler bereits vor Beginn des 1. Weltkriegs. Die deutsche Automobilindustrie brauchte nach dem verlorenen Krieg aber einige Jahre, um gestalterisch wieder den Anschluss an die ausländische Konkurrenz zu finden.
Die starke Verbreitung von Spitzkühlern war ohnehin eine Besonderheit deutscher und österreichischer Marken. Die Idee stammte von der belgischen Firma Metallurgique (Bildbericht), jedoch blieben Spitzkühler bei französischen, britischen und italienischen Wagen die Ausnahme.
Zufälligerweise wissen wir genau, wann das Foto des Opel 8/25 PS entstanden ist. Auf der Rückseite ist das Datum 26.09.1926 vermerkt. Damals waren Spitzkühler auch in Deutschland aus der Mode gekommen. Den Opel dürfte damals also schon den Hauch des Antiken umweht haben. Dennoch war es ein eindrucksvoller Wagen, mit dem man sich durchaus blicken lassen konnte. Die Rüsselsheimer Marke war damals in der Hersteller-Hierarchie höher angesiedelt als heute.
Werfen wir noch einen näheren Blick auf die Fahrzeugmitte, die dank der hervorragenden Aufnahmequalität einige weitere Details erkennen lässt:
In Fahrtrichtung links außen sieht man einen wohl mechanisch betätigten Fahrtrichtungsanzeiger. Die geneigte V-förmige Windschutzscheibe – damals sehr sportlich wirkend – ist auf der Fahrerseite horizontal unterteilt, das Oberteil ist ausklappbar. Rechts am Scheibenrahmen sieht man einen kleinen Knauf zur Fixierung dieses Ausstellfensters. Darunter ist die damals übliche Kombination aus Suchscheinwerfer und Rückspiegel montiert.
Am Lenkrad erkennt man den mittig montierten Mechanismus zur Anpassung des Zündzeitpunkts an die Motordrehzahl bzw. die Lastsituation. Am Volant selbst sitzt Fritz Heimhalt, der Großvater von Lutz Heimhalt, dem Eigentümer des Bilds. In Reichweite seiner rechten Hand befinden sich Schalt- und Handbremshebel.
Bei der Gelegenheit sei angemerkt, dass der Fahrer bei der außen liegenden Anordnung der Hebel auch bei geschlossenem Verdeck ohne Fenster auskommen musste. Auch die am Reserverad montierte Ballhupe wollte bei Regen außen bedient werden. Immerhin war sie durch das elektrische Horn überflüssig geworden.
Zuletzt noch ein Hinweis auf die beiden Reservereifen. Der näher am Wagen montierte entspricht vom Profil den übrigen Rädern. Der außenliegende dagegen weist noch ein Nagelprofil auf, das zum Aufnahmezeitpunkt eigentlich veraltet war. Man kann sich vorstellen, dass man diesen Reifen für alle Fälle aufgehoben hatte. Zum einen konnte man den neueren Reservereifen schonen, zum anderen war eine zweite Reifenpanne auf damaligen Straßen nicht ausgeschlossen.
Reifenwechsel waren natürlich Sache des Chauffeurs und Lutz Heimhalt vermutet, dass sein Großvater einst als solcher bei vermögenden Leuten tätig war. Es müssen großzügige Leute gewesen sein, denn der Berufsfotograf, der dieses und weitere Bilder von Fritz Heimhalt in diversen Automobilen gemacht hat, hat sich seine Dienste sicher gut bezahlen lassen. Vielleicht hat sich der ausweislich der Fotos stets gut gekleidete Fritz Heimhalt diese kleine Eitelkeit aber auch selbst finanziert.
Wir Klassikerfreunde freuen uns auf jeden Fall auch 90 Jahre später noch darüber.