Wie es scheint, neigt sich die kalte Jahreszeit in unseren Breiten dem Ende zu. Die Wintersportfans sind zuletzt noch einmal auf ihre Kosten gekommen, aber wenn es nach uns Oldtimerfreunden ginge, könnte jetzt ruhig die Frühjahrssaison beginnen.
Manch einer bewegt zwar seinen Klassiker ganzjährig, was bei gut vorbereiteter Karosserie vertretbar ist. Doch die meisten schonen ihre vierrädrigen Lieblinge und auch der Verfasser wartet ungeduldig darauf, dass der nächste Regen das Salz von den Straßen spült.
Bei der Gelegenheit sei daran erinnert, dass vielen klassischen Wagen in ihrem früheren Leben solche Schonung kaum gegönnt wurde. Als vor über 70 Jahren in Europa der 2. Weltkrieg tobte, wurden auf alle Seiten massenhaft private Kraftfahrzeuge beschlagnahmt und an der Front und im Hinterland eingesetzt.
Hier ein Originalfoto eines requirierten Adler Trumpf 1,7 Liter auf einer Schlammpiste. Die Kennung WM verweist auf ein Fahrzeug der Kriegsmarine, daher ist das Bild vermutlich eher in Frankreich als in Russland entstanden:
© Adler Trumpf 1,7 Liter bei der Wehrmacht; Fotoquelle: Sammlung Michael Schlenger
Wie bei allen Kriegsparteien – außer den USA – herrschte auch bei der deutschen Wehrmacht von Anfang an chronischer Mangel an PKW. Während der einfache Landser wie schon im 1. Weltkrieg mit Eisenbahn, LKW, Pferdegespann oder auf Schusters Rappen ins Feuer geschickt wurde, wurden für den Bedarf von Offizieren, Kurieren usw. Personenautos in großer Zahl benötigt.
Von den dafür vorgesehenen militärischen Baumustern (Einheits-Kfz) wurden zu keinem Zeitpunkt genügend gebaut, sodass für den Wehrmachtsbedarf alles beschlagnahmt wurde, was halbwegs robust erschien und nicht zwingend für andere Zwecke daheim gebraucht wurde.
Als typisches Beispiel hier ein Kriegsfoto eines eingezogenen Ford Eifel, vermutlich aufgenommen in Norwegen (Bildbericht):
© Ford Eifel Baujahr 1937-39 bei der Wehrmacht; Fotoquelle: Sammlung Michael Schlenger
Aus heutiger Sicht ist es faszinierend zu sehen, was da alles von Skandinavien bis Afrika und von Frankreich bis Russland unterwegs war. Dabei wurden auch heute begehrte Luxuswagen nicht geschont – im Gegenteil:
Für hohe Offiziere war es eine Prestigeangelegenheit, in einem repräsentativen Wagen unterwegs zu sein. Speziell Typen von Horch oder Mercedes waren begehrt, aber auch erbeutete amerikanische Luxuswagen wurden gern genommen.
Dass diese Autos ungeeignet für den harten militärischen Einsatz waren, viel Kraftstoff verbrauchten und mit Frontmitteln kaum zu reparieren waren, interessierte die Herrschaften nicht. Auch darin kommt der Größenwahn eines Großteils der damaligen Führung zum Ausdruck.
Fronterprobte Generäle wie Guderian und Rommel bevorzugten im Einsatz dagegen bewährte Sonder-Kfz. Ihre Unterführer ließen ohnehin nichts auf den unverwüstlichen “Kübel” von Volkswagen kommen.
Das folgende Originalfoto aus dem 2. Weltkrieg dokumentiert, in welchen Situationen Luxuswagen beim deutschen Militär entgegen alle Vernunft eingesetzt wurden:
© Horch 830 BL bei der Wehrmacht; Fotoquelle: Sammlung Michael Schlenger
Man glaubt zunächst nicht, dass der Wagen auf diesem etwas unscharfen Bild zu identifizieren ist. Und doch ist es mit etwas detektivischem Spürsinn möglich.
Ausgangspunkt ist der mit schwarzem Überzug versehene quadratische Stander auf dem linken Vorderkotflügel. Er weist darauf hin, dass der Wagen einen Befehlshaber ab Armeekorps aufwärts und höchste Stäbe chauffierte, also den Kommandeur eines Großverbandes (Dank an Klaas Dierks für den sachkundigen Hinweis an dieser Stelle)
Auf dieser Führungsebene wurden außer ausländischen Luxuswagen Erzeugnisse der erwähnten deutschen Marken Horch und Mercedes bevorzugt. Die Neigung der Kühlermaske und der Mittelsteg sprechen für einen Horch, und diese Zuschreibung bestätigt sich bei einem Abgleich der Details (Scheinwerfer, Radkappen, Zierleiste, Trittbrettverlauf usw.) mit entsprechenden Abbildungen.
Übrigens ist auf der Motorhaube eine wohl aus Stroh hergestellte Abdeckung zu sehen, die in Verbindung mit der weitgehend blockierten Kühlluftzufuhr das Erreichen der Betriebstemperatur des Motors bei strengem Frost erleichtern sollte.
Man darf davon ausgehen, dass diese Aufnahme im Winter irgendwo an der Ostfront entstanden ist. Die langen Wintermäntel der beiden Soldaten sind von der Machart, die im ersten russischen Kriegswinter 1941/42 fatalerweise noch kaum verfügbar war.
Hier sehen wir zudem die von der russischen Armee abgeschaute Fellmütze, auf die die deutschen Soldaten anfangs ebenfalls verzichten mussten.Wenn man genau hinschaut, sieht man neben dem linken Ärmel des Soldaten einen Verdeckbügel und einen Türgriff. Diese Details erlauben die Identifikation des Wagentyps!
Offenbar handelt es sich um ein viertüriges Cabriolet. Und das gab es von Horch in Verbindung mit der flachen Frontscheibe nur beim Modell 830 BL (mit längerem Radstand als der 830 BK). Der von 1935 bis April 1940 etwas mehr als 6.000mal gebaute Wagen verfügte je nach Baujahr über einen 75 bis 92 PS starken V8-Motor mit 3,5 Liter Hubraum.
Bei über 2 Tonnen Leergewicht waren damit natürlich keine sportlichen Fahrleistungen möglich, was auch nie Ziel der sächsischen Traditionsmarke war. Bedenklich war allerdings der Benzinverbrauch von fast 20 Liter auf 100 km.
Doch in diesem Blog geht es ebenso um die Menschen, die in einer Verbindung zu den gezeigten Fahrzeugen standen. Daher sollen auch die beiden Männer gewürdigt werden, die sich irgendwo an der Ostfront mit dem Horch haben ablichten lassen.
Der Kamerad, der auf Höhe der Motorhaube steht, trägt über der Schulter eine lederne Kartentasche, wie man sie oft auf zeitgenössischen Bildern von Kradmeldern findet. Auf der Brust ist links eine bei Militär und Polizei einst gängige Taschenlampe zu sehen, die über einen Drehknopf auch mit Handschuhen betätigt werden konnte.
Von Dienstgradabzeichen und Auszeichnungen ist nichts zu sehen. Hier stand ganz klar der Kälteschutz im Vordergrund.
Nun könnte man vermuten, dass zwei zufällig anwesende Soldaten die Gelegenheit nutzten, sich vor einem der schon damals legendären Horch-Achtzylinder fotografieren zu lassen. Tatsächlich fällt auf, wie oft auf Kriegsfotos hochkarätige Wagen zu sehen sind, während es von weit öfter gebauten Modellen vergleichsweise wenige Bilder gibt.
Solche Aufnahmen künden vom Bedürfnis, der eigenen Existenz auch unter schlimmsten Bedingungen eine gewisse Qualität abzuringen. Und sei es nur, dass man mit den Negativen die Botschaft nach Hause schickte: “Schaut, ich lebe noch und hatte heute in der Stellung hohen Besuch.”
Doch hier liegt der Fall anders. Denn zu der Aufnahme gehört ein zweites Foto, dass die beiden Soldaten im Horch sitzend zeigt:
Offenbar gehörten die beiden Männer zu dem Wagen. Einer war der Fahrer und der andere möglicherweise der Adjutant des “hohen Tieres”, der in dem Horch auf der Rückbank unterwegs war.
Wer aber das Bild gemacht hat, wann und wo, lässt sich nicht mehr klären. Der Blick des verhalten lächelnden Fahrers berührt auch nach über 70 Jahren noch. Was wohl aus den beiden und dem Horch wohl geworden ist?