Vor 90 Jahren: Ein 75 PS-Roadster von Buick

Beim Stichwort Vorkriegsautos werden hierzulande gern einige Vorurteile heruntergebetet: zu lahm, zuwenig Platz, zu schwache Bremsen, zu teuer usw…

Nun, wenn man mit heutigen Komfort”bedürfnissen” an historische Gefährte herangeht, ist ja schon der fehlende Internetanschluss ein Ausschlusskriterium. Für so veranlagte Zeitgenossen gibt es jede Menge moderne Autos.

Wer dagegen das Einparken ohne Servolenkung sportlich sieht und auch sonst nacherleben will, was unsere Altvorderen einst klaglos bewältigten, hat mit Vorkriegswagen ein Fahrvergnügen, das heutigen Autos nur noch angedichtet wird.

Man braucht keine 400 PS, um auf der Landstraße mit Sonntagsfahrern mitzuhalten, für die Tempo 70 eine magische Grenze darzustellen scheint. Auch innerorts genügen 40 PS, um dem unvermeidlichen Rentner-Benz auf die Pelle zu rücken.

So gesehen kann man schon mit den meist mäßig motorisierten Vorkriegsmobilen deutscher Hersteller glücklich werden.

Wer aber die auf dem Land erlaubte Geschwindigkeit auch einmal ausfahren und vielleicht an der Saalburg-Steigung bei Bad Homburg das Tempo halten möchte, der ist mit einem Vorkriegswagen aus US-Produktion wie diesem hier gut beraten:

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© Buick Master Six Roadster; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Dieses schöne Foto, das einst bei tiefstehender Sonne entstanden ist, zeigt ein Gefährt der 1920er Jahre, das Leistung satt, großzügige Dimensionen und Vierradbremsen vereint – zum Gegenwert eines gut ausgestatteten VW Golf.

Obendrein gibt es reichlich Chrom, lackierte Speichenräder und Zweifarblackierung – das boten einst in bezahlbarer Form nur amerikanische Fabrikate. Die Rede ist hier keineswegs von gehobenen Marken wie Chrysler oder Packard. Der Wagen auf unserem Foto ist ein banaler Buick.

buick_master_six_1926_frontpartieDer markante Schwung der Kühlermaske, der sich in der Form der Scheinwerfer wiederholt, ist typisch für den Buick Master Six, wie er von 1926-28 gebaut wurde. 

Unter der Haube arbeitete ein 4,5 Liter großer Reihensechszylinder mit kopfgesteuerten Ventilen, der souveräne 75 PS (später 80 PS) leistete. Die Serienausstattung umfasste Details wie Heizung, Zeituhr und Zigarettenanzünder.

Die hier abgebildete Roadster-Version bot außerdem hinter der Sitzbank ein separates Fach für eine Golftasche oder ähnliche Sportutensilien, was den gehobenen Anspruch des Wagens unterstreicht.

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Der Besitzer schaut zwar etwas grimmig drein, scheint sich aber extra für diese Aufnahme in Positur gestellt zu haben. Der Strohhut und der Anzug aus leichtem Stoff verweisen auf einen warmen Tag – leider wissen wir nicht, wo das Foto entstanden ist.

Der Aufnahmeort könnte durchaus in Europa liegen, wo Buick in den 1920er Jahren ein Vertriebsnetz hatte. Von 1927 bis 1931 wurden Buicks sogar in Deutschland gebaut und verkauften sich ausgezeichnet (Beispiel).

Mit dem Master Six schaffte Buick übrigens einen Produktionsrekord: Knapp 267.000 Exemplare wurden 1926 gefertigt – erst 1940 wurde diese Marke übertroffen. Davon haben genügend überlebt, um heutigen Enthusiasten einen bezahlbaren Einstieg in die Welt leistungsfähiger Vorkriegswagen zu ermöglichen.

Während der Prestigewert eines Buick vor dem Krieg eher begrenzt war, kann man sich mit solch einem Roadster heute der Aufmerksamkeit der Zeitgenossen sicher sein. Zweireiher und Fliege müssen dazu nicht mehr sein, aber unser Foto zeigt, dass auch ein moderner Buick-Fahrer mit einem Mindestmaß an Stil gut fährt…

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