Wir haben Mitte Dezember und die einzigen Vorkriegsautos, die man jetzt noch zu Gesicht bekommt, sind solche auf alten Fotos, wie sie dieser Oldtimerblog zeigt. Immerhin: Noch vor vier Wochen brauste ein offener Morgan durch den Wohnort des Verfasser, am Steuer ein zufrieden dreinschauender junger Besitzer – well done!
Vor 90 Jahren, als man noch nicht wusste, dass man Vorkriegsautos fuhr, war auch der Begriff des Cabriowetters unbekannt. Ein offener Wagen war damals kein Spielzeug für Wochenendausflüge bei Sonnenschein, sondern der Normalfall.
Für’s Offenfahren entschied man sich meist deshalb, weil die geschlossenen Varianten weit teurer und auch schwerer waren. Zudem war das Autofahren hierzulande auch noch eine Sensation – da wollte man sehen und gesehen werden.
Deshalb sind Bilder aus der kalten Jahreszeit wie das folgende keine Seltenheit:
© Presto D-Typ Tourenwagen, aus Sammlung Michael Schlenger
Zugegeben: die Insassen dieses klassischen Tourenwagens machen den Eindruck, als wollten sie schnell wieder nach Hause. Offenbar pfiff der Wind mächtig über die Chaussee und für kalte Temperaturen war man nicht gewappnet.
Auch der Fotograf muss klamme Finger gehabt haben, denn viel Sorgfalt hat er nicht auf die Aufnahme verwendet: Bildaufbau, nun ja – Schärfentiefe unzureichend – und das Ganze auch noch verwackelt. Wenigstens die Belichtung passt einigermaßen.
Das bekommen allerdings heutzutage auch noch Leute hin, die meinen, ein 0815-Telefon ersetze eine anständige Kamera. Daher wollen wir gnädig sein und wenden uns der Frage zu, was das für ein Wagen ist.
Auch wenn man nicht allzuviel erkennt, ist die Sache klar: Das ist ein Presto D-Typ, das Erfolgsmodell des Chemnitzer Herstellers, der seit 1901 Autos baute. Die Frontpartie ist charakteristisch für den 30 PS leistenden 2,4 Liter Vierzylinder.
Dass es nicht der sehr ähnliche, ab 1925 gebaute Nachfolgetyp E mit 40 PS ist, verrät das Fehlen von Vorderradbremsen. Wer hinsichtlich der Identifikation skeptisch ist, sei auf einen älteren Blogeintrag verwiesen oder auf dieses Foto:
© Presto D-Typ Tourenwagen, aus Sammlung Michael Schlenger
Hier sehen wir einen Presto D-Typ in wünschenswerter Qualität, übrigens auf einer Ausschnittsvergrößerung aus einem viermal so großen Foto mit weiteren Wagen.
Die Kombination aus Spitzkühler mit frontal angebrachtem Markenemblem, bis zu den Vorderenden der Rahmenausleger reichenden Schutzblechen und sechs nach hinten versetzten Luftschlitzen in der Motorhaube sind typisch für das Modell.
Warum der Kühler hier nicht verchromt bzw. vernickelt ist, muss offen bleiben. Möglicherweise war die glänzende Galvanisierung ein aufpreispflichtiges Extra.
Die sechs Herren scheinen dennoch mit dem Gefährt nicht unglücklich gewesen zu sein – abgesehen vom Beifahrer ab, der vielleicht Zahnschmerzen hatte…