Wir schreiben das Jahr 2017, in dem sich die Eröffnung des Nürburgrings zum 90. Mal jährt – neben der Targa-Florio-Strecke der anspruchsvollste Rennkurs der Welt.
Die Rede ist hier natürlich von der über 20 km langen Nordschleife mit ihren mehr als 70 Kurven und fast 300m Höhenunterschied. Beim Eröffnungsrennen im Juni 1927 gewann Rudolf Caracciola auf einem Kompressor-Mercedes.
Auf diesem Oldtimerblog interessieren uns aber die Rennereignisse der Vorkriegszeit nur am Rande, auch wenn wir gelegentlich Originalfotos von Renneinsätzen der 1920/30er Jahre vorstellen werden.
Bestimmt hat sich vom Titel niemand Rennfotos des 10-PS starken Hanomag “Kommissbrot” auf dem Nürburgring erhofft.
Und doch geht beides zusammen – der eigenwillige PKW-Erstling des Maschinenbaukonzerns Hanomag und das 90-jährige Jubiläum des “Rings”, der für Rennbegeisterte dieselbe Magie hat wie Richard Wagners gleichnamiges Werk.
Lassen wir uns nun von folgendem Originalfoto wie mit einer Zeitmaschine zurück ins Jahr 1927 transportieren:

Nürburgring 1927; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Hier sehen wir den damals noch herrlich wilden Parkplatz in Sichtweite der Nürburg. Für uns Altautofreunde ist diese Aufnahme eine Augenweide – da schauen wir uns näher um.
Keine Sorge, wir werden nicht alle Autos bestimmen wie exotische Schmetterlinge, obwohl da einiges Interessantes herumsteht. Es sind einfach zu viele Wagen und die Qualität des Abzugs steht einer genauen Ansprache entgegen, meistens…
Genießen wir erst einmal die Vielfalt des Gebotenen:

Nürburgring 1927; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Da weiß man gar nicht, wohin man schauen soll: Links unten der knackige Zweisitzer hat schon etwas, aber der helle Mercedes weiter oben, der uns die Flanke mit den dicken Auspuffrohren zeigt, wäre die noch bessere Wahl.
Doch der Benz Tourenwagen darunter mit seinem eigenwilligen Verdeck hat auch seinen archaischen Reiz. Putzig wirkt der Fiat 501-Zweisitzer, der in der rechten Hälfte von schweren Limousinen und Tourern umzingelt ist.
Wer heute eine ähnlich sinneverwirrende Auswahl wie selbstverständlich abgestellter Vorkriegsschätze sehen möchte, muss schon den Besucherparkplatz des Goodwood Revival in Südengland oder die Classic Days auf Schloss Dyck aufsuchen.
Wo ist nun aber das versprochene Hanomag 2/10 PS “Kommissbrot”? Tja, das ist von der erwachsenen Konkurrenz ein wenig verschreckt und versteckt sich daher:
Doch es verrät sich durch ein Detail. Dazu nehmen wir erst einmal den Kühler des Wagens in der Mitte ins Visier – wahrscheinlich ein Wanderer.
Rechts von ihm – aus unserer Perspektive – sieht man eine leicht schrägstehende Frontscheibe aufragen, die zu einem kleinen weißen Auto gehört.
Nun peilen wir unter dem Verdeck des Tourenwagens unten rechts die Heckpartie des Wägelchens an: fünf senkrechte Streifen sind dort zu sehen.
“Meine Güte, wie soll man denn so ein Auto identifizieren?”, mag jetzt einer fragen. Nun, oft genug geht es nicht anders auf den alten Fotos, die meist das Einzige sind, was von den Wagen geblieben ist.
Und dieses feine Vergleichsfoto hilft einem dann rasch auf die Sprünge:

Hanomag 2/10 PS “Kommissbrot”; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
“Aha, dieselbe Anordnung von Luftschlitzen, das Gefährt am Nürburgring ist also ein Heckmotorwagen. Klarer Fall, Hanomag 2/10 PS Cabrio, Baujahr 1925-28, passt!”
Doch ganz so einfach ist der Fall nicht. Dazu noch einmal zurück auf den Parkplatz auf dem Nürburgring, obwohl die flotte Fahrerin im Hanomag sicher einen zweiten Blick verdient hätte. Aber wir haben hier ja “einen Job zu erledigen”…
Nun also noch einmal das Hanomag “Kommissbrot” in Nahaufnahme:
Täuscht es, oder hat der weiße Wagen einen Türausschnitt, der nach hinten steil aufwärts verläuft? Ja, hat er, denn das ist der rare Sport-Zweisitzer des Hanomag 2/10 PS, der erst im Jahr der Eröffnung des Nürburgrings vorgestellt wurde.
Hier hat also jemand 1927 seinen neuen Wagen mit 10 PS und 60 km/h Spitze in die Eifel gelenkt, um sich zwischen den großen Autos so richtig sportlich zu fühlen.
Für den Verfasser ist der Hanomag der Held des Tages. Er verdient es, auch mit 90 Jahren Verspätung für seinen Einsatz gefeiert zu werden.
Bringen wir dieser kleinen Sensation am Nürburgring 1927 ein gleichnamiges Ständchen, das etwas vom Lebensgefühl und Tempo der Vorkriegszeit transportiert:
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