52.000 km quer durch Afrika im Skoda Rapid

Wer sich fragt, woher all‘ die Originalfotos von Vorkriegsautos kommen, die auf diesem Oldtimerblog präsentiert werden, dem sei gesagt: aus den Fotoalben der Generation, die gerade abtritt.

Wenn sich in der Familie niemand findet, der Omas und Opas alte Fotos aufbewahren will, die oft ein Spiegelbild ihres Lebens sind, landen die Alben meist auf Flohmärkten oder bei Spezialisten, die die Bilder nach Themen sortiert im Internet anbieten.

So werden die auf Fotopapier festgehaltenen Momente eines Daseins in alle Winde zerstreut. Doch wir Freunde alter Autos freuen uns darüber, dass auf diese Weise reizvolle und rare Zeugnisse früher Mobilität dem Vergessen entrissen werden.

Heute haben wir ein schönes Beispiel dafür. Da hat jemand im Jahr 1938 in Afrika das folgende Foto gemacht, nach der Heimkehr nach Deutschland einen Abzug in sein Album geklebt und wohl irgendwann den Anlass vergessen:

Skoda_Rapid_Maria und Stanislav Škulina_6-1938_Galerie

Skoda Rapid; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Wo diese Aufnahme entstanden ist, darauf hätten wir keinen Hinweis, hätte sich nicht der Negerjunge ins Bild gemogelt, der sich das Lachen zu verkneifen scheint.

Als nächstes fällt auf, dass sich der Wagen offenbar auf einer längeren Reise befindet. Dafür spricht vor allem der Dachgepäckträger. Auch die stark abgefahrenen Reifen und die vielen Embleme am Kühler künden von intensiver Kilometerfresserei.

Dass dieses Foto nicht in den Vereinigten Staaten gemacht wurde, können wir aus der Marke des Wagens erschließen:

Skoda_Rapid_Maria und Stanislav Škulina_6-1938_Ausschnitt1

Auf der Kühlermaske thront oben ein geflügelter Pfeil, das Markenemblem der tschechischen Traditionsmarke Skoda. In der Mitte des Kühlergrills sind unscharf fünf Großbuchstaben zu sehen: RAPID steht dort (naja, wenn man’s weiß).

Der Skoda Rapid war ein technisch unspektakulärer, aber modern gestalteter Mittelklassewagen, der ab 1935 gefertigt wurde. Mit seinem 1,4 Liter-Vierzylinder und etwas über 30 PS war das leichte Fahrzeug für europäische Verhältnisse ausreichend motorisiert.

In Übersee hätte man dafür jedoch keine Käufer gefunden – und der Bedarf nach einem kompakten Zweitwagen entstand erst nach dem Krieg. So können wir eine Entstehung der Aufnahme in den USA ausschließen.

Was waren das nun für Leute, die mit so einem Gefährt auf Fernreise waren? Skoda_Rapid_Maria und Stanislav Škulina_6-1938_Ausschnitt2 Nun, so wie es hierzulande in einigen Regionen typische Gesichter gibt – in Bayern etwa – so ist das auch in den Nachbarländern. Bei dem gut gebräunten und gutgelaunten Herrn würde man eine tschechische Herkunft vermuten.

Slawische Gesichtszüge hat auch seine Partnerin, der man nichts von den Strapazen einer langen Reise ansieht und deren Wellenfrisur makellos sitzt.

Von diesen Indizien – tschechisches Auto, tschechisches Paar und exotische Umgebung – bis zur Lösung ist der Weg nicht weit. Das sind Stanislav und Maria Skulina, die von 1936-38 mit einem Skoda Rapid durch Afrika fuhren.

Stanislav Skulina war Entomologe – also Insektenkundler – und sollte auf dieser Tour für das Nationalmuseum in Prag Käfer sammeln. Dazu hatte Skoda ein technisch serienmäßiges Exemplar des „Rapid“ zur Verfügung gestellt.

Mit diesem Wagen sammelte das Ehepaar Skulina nicht nur über 40.000 Käfer ein, sondern legte auch 52.000 km ohne nennenswerte Defekte zurück.

Begonnen hatte der Afrikatrip in Dakar, wohin man von Bordeaux aus mit dem Schiff gefahren war. Anschließend ging es quer durch das Herz des Schwarzen Kontinents nach Ostafrika und dann nach Süden bis ans Kap der Guten Hoffnung.

Nach einem Wartungsaufenthalt in Südafrika kehrte man über Kenia und Ägypten in die Heimat zurück. Was aus dem Wagen wurde, der sich größtenteils abseits befestigter Straßen hervorragend bewährt hatte, ist dem Verfasser nicht bekannt.

Vielleicht kann ein Leser Wissenswertes zu dieser abenteuerlichen Fahrt der Skulinas mit ihrem treuen Skoda beitragen. Im deutschsprachigen Teil des Netzes ist kaum etwas zu finden, was über die Angaben in diesem Blogeintrag hinausgeht.

Übrigens wurden vom Skoda Rapid keine 4.000 Exemplare gefertigt, obwohl das Modell nach dem 2. Weltkrieg noch bis 1947 gebaut wurde. Dabei handelte es sich um Wagen mit dem 1938 eingeführten 1,6 Liter-Motor, der über 40 PS leistete.

Leider bekommt man hierzulande von den feinen Vorkriegsmodellen tschechischer Hersteller viel zu selten etwas zu sehen, wenn man einmal Tatra außen vor lässt.

© Michael Schlenger, 2017. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and http://www.klassiker-runde-wetterau.com with appropriate and specific direction to the original content.

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