Ein Oldtimerblog für Vorkriegsautos und das auch noch auf deutsch – ist das nicht eine arg enge Nische? Nun, wer auf viele “Klicks” und “Follower” aus ist, sucht sich in der Tat besser ein anderes Betätigungsfeld.
Doch das Nischenthema Vorkriegswagen auf historischen Fotografien ist mit Bedacht gewählt. Damit erreicht man eine kenntnisreiche Zielgruppe, die Qualität zu schätzen weiß und oft spannende Details beizutragen vermag.
Das bislang großartigste Ergebnis gezielter Vorkriegsoldtimer-Bloggerei stellen wir heute vor. Dazu blenden wir erst einmal zurück und zeigen ein Foto, das regelmäßige Leser bereits kennen:

BMW 327 Coupé; Originalfoto aus Besitz von Gerd Bühler (zuvor: Sammlung Michael Schlenger)
Diese charmante Aufnahme war Anlass, sich ein wenig mit dem BMW 327 Coupé zu befassen, das zu den schönsten deutschen Vorkriegswagen zählt.
Aufgefallen waren uns damals neben der flotten jungen Dame auf der Haube die alles andere als originalen Hupen. Dass es eine Aufnahme aus der Zeit des 2. Weltkriegs war, verrieten die Tarnüberzüge auf den Scheinwerfern.
Wer auch immer zum Aufnahmezeitpunkt diesen BMW besaß, hatte das Privileg, im Krieg einen privaten PKW fahren zu dürfen, erkennbar am Winkel auf dem Nummernschild, das auf eine Zulassung im Bezirk Quedlinburg (Provinz Sachsen) verweist.
Kurz nach Veröffentlichung dieser Aufnahme erhielt der Verfasser Post von Jochen Thoma von der Klassik-Interessenvertretung des ADAC: Der BMW habe ausweislich des Nummernschilds einem prominenten Erstbesitzer gehört, nämlich Fritz Huschke von Hanstein!
Bei diesem Namen leuchten nicht nur die Augen der Liebhaber früher Porsche der 1950er Jahre. Von Hanstein war schon in den 1930er Jahren eine bekannte Größe im deutschen Automobilsport.
Die Begeisterung des jungen Barons für rasante Fortbewegung scheint während eines Studienaufenthalts in England Anfang der 1930er Jahre entscheidende Impulse erhalten zu haben – dort zunächst noch im Motorradsegment.
Zurück in Deutschland wechselte von Hanstein zur Vierradfraktion und betätigte sich als Privatfahrer auf Adler, Hanomag und zuletzt BMW.
Für den Wechsel zur Marke BMW steht sinnbildlich folgende Aufnahme, die uns BMW-Vorkriegsspezialist Rainer Simons zur Verfügung gestellt hat:

Hanomag Rekord und BMW 327; Originalaufnahme aus Sammlung Rainer Simons
Hier sieht man Huschke von Hanstein im langen zweireihigen Mantel neben seinem Mechanikus und man meint folgenden (fiktiven) Dialog zu hören:
“Pass’ mal auf, Ernst. Mit dem ollen Hanomag ist kein Blumentopf mehr zu gewinnen auf der Autobahn. Wenn die Leute den BMW im Rückspiegel sehen, machen die dagegen freiwillig Platz. Nur ein bisschen was Persönliches kann er noch vertragen.”
“Schon klar, Chef. Aber das ganze Blech-Lametta hängen wir jetzt nicht dem schicken BMW um, oder? Das Zeug nageln wir besser in der Werkstatt an die Wand, wenn Sie mich fragen. Bloß zwei von den Tröten würde ich dem 327 verpassen.”
“Genauso machen wir das, mein Bester. Und häng’ das Nummernschild vom Hanomag gleich mit auf, gibt sonst nur Ärger…”
Tja, das ist schon ein tolles Foto – zwei Autos mit demselben Nummernschild – und ein prominenter Besitzer im Gespräch mit seinem Schrauber dazwischen.
Wann der BMW 327 später in neue Hände kam, wissen wir nicht. Jedenfalls scheint er auf der Aufnahme ganz oben noch zwei der Hupen zu tragen, die einst Huschke von Hanstein montieren ließ.
Auch was aus dem Wagen direkt nach dem Krieg wurde, ist nicht bekannt. Bei tausenden von Autos aus jener Zeit ist ungewiss, durch wieviele Hände sie gingen, bevor sie irgendwann nach 1945 eine neue Identität bekamen.
Nicht zu vergessen: Unzählige Deutsche – nicht nur die ab 1933 entrechteten jüdischen Mitbürger – mussten nach Kriegsbeginn ihre PKW dem Staat überlassen, wenn sie nicht nachweisen konnten, dass sie darauf angewiesen waren.
Die meisten in Deutschland und den besetzten Gebieten zur Wehrmacht eingezogenen Autos kehrten nicht mehr zu ihren rechtmäßigen Besitzern zurück – ein gigantischer staatlicher Raubzug, der selten thematisiert wird.
Nach dem Krieg bedienten sich dann die Besatzungsmächte am verbliebenen Fahrzeugbestand – ein weiterer Aderlass, speziell bei Prestigewagen.
Dass wir heute in Deutschland überhaupt überlebende Fahrzeuge aus der Vorkriegzeit haben, ist dem Enthusiasmus weniger Kenner zu verdanken, die diese Autos in den Wirtschaftswunderjahren vor der Schrottpresse bewahrt haben.
Oft war gar nicht bekannt, woher diese Veteranen ursprünglich stammten. Direkt nach dem Krieg wurde alles, was noch fuhr, dringend benötigt. Selbst für herrenlose Fahrzeuge ließen sich da irgendwie neue Papiere beschaffen.
Ab den 1950er Jahren wollte die Masse dann etwas Neues, Fortschrittliches haben. Vorkriegsautos galten mit einem Mal als wertlos.
Freuen wir uns daher über die Zeitgenossen, die damals den immateriellen Wert dieser historischen Fahrzeuge begriffen und ihn unter persönlichen und finanziellen Opfern bewahrten.
Zum Glück hat auch der BMW 327 auf unserem Foto, der ursprünglich auf Fritz Huschke von Hanstein zugelassen war, bis heute überlebt!
Er gehört nun einem Enthusiasten aus München, der ihn nach aufwendiger Überarbeitung intensiv auf Klassikerausfahrten weltweit einsetzt:

BMW 327 Coupé (ex von Hanstein); mit freundlicher Genehmigung von Gerd Bühler
Mit dieser herrlichen Aufnahme aus der Gegenwart schließt sich der Kreis.
Die einst von Huschke von Hanstein montierten Hupen sind verschwunden – sie schmücken heute vielleicht einen anderen Wagen oder eine Oldtimer-Garage, wer weiß…
Doch das prächtige Coupé mit den Zusatzscheinwerfern kündet auch heute – nach 80 Jahren – noch von sportlicher Ambition und Stil – ganz im Sinne des Erstbesitzers.
So war es nur konsequent, dass der Verfasser seinen Schnappschuss des BMW 327 aus Kriegszeiten dem heutigen Besitzer des Wagens übereignete, denn diese Aufnahme ist Teil seiner Geschichte…
Sehr schönes Detail – weiß ich zu schätzen, danke!
Hallo Herr Schlenger, in 2013 habe ich Herrn Bühler einen VD-Kompressor für sein Coupe verkauft. In meinem Archiv befand sich auch eine Rechnung von Viktor Derbuel an H.v. Hanstein. Beste Grüße Hans Dieckmann