Der Juli des Jahres 2017 neigt sich seinem Ende zu. Cabriolet-Fahrer, die auf hochsommerliches Wetter hofften, hatten in den letzten Wochen wenig Spaß.
Selbst schuld, möchte man sagen, wenn man das falsche Auto fährt…
Denn solche Wetterkapriolen gab es schon immer – erinnert sei an Rudi Carells Schlager “Wann wird’s mal wieder richtig Sommer?” aus den 1970er Jahren und die damaligen Warnungen von Klima”experten” vor einer neuen Eiszeit.
Unsere Altvorderen gingen gelassener mit den unvermeidlichen Schwankungen des Wettergeschehens um und passten sich an.
Wer Ende der 1920er Jahre hierzulande beispielsweise einen der brandneuen 6-Zylindertypen der Frankfurter Marke Adler erstehen wollte, stand vor der Frage: “Welchen Aufbau hätten’s denn gern?”
Für viele Automobilisten, die lange genug mit offenen Tourenwagen im meist feuchtkalten Germanien umhergefahren waren, war die Sache klar:

Adler 6/25 PS Tourenwagen; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
“Otto, ich hab’ die Nase voll. Noch ein Jahr mit dem zugigen 6/25 PS tu’ ich mir nicht an. Die haben bei Adler in Frankfurt endlich einen komfortablen neuen Typ aufgelegt, der es mit den Amerikanerwagen aufnehmen kann.”
So stieg ab 1927 wohl so mancher Adler-Fahrer von den Modellen der Nachkriegszeit auf die modernen Typen “Standard 6” und “Standard 8” sowie die äußerlich ähnliche Vierzylinderversion “Favorit” um.
Wer es sich leisten konnte, entschied sich natürlich für die geräumige 6-Fenster-Limousine mit großer Motorisierung (45-50 PS bzw. 70-80 PS):

Adler “Standard 6” oder “Standard 8”; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Nie wieder sahen Adler-Automobile so perfekt amerikanisch aus, was durchaus als Kompliment gemeint ist, da die US-Hersteller Ende der 1920er Jahre in fast jeder Hinsicht tonangebend waren.
Zwar hatte man die Vorbilder aus der Neuen Welt im Detail genau studiert und einiges abgekupfert, doch war man bei Adler zumindest nicht so dreist, auch noch die Kühlerpartie einer bestimmten US-Marke zu kopieren – das überließ man Opel…
Was für Karosserien außer der Limousine waren noch für diese modernen Adler-Modelle verfügbar?
Nun, die mächtigen 6- und 8-Zylindermodelle gab es nach wie vor auch als Tourenwagen – der Verfasser hat aber bisher bloß ein Originalfoto von solch einem Exemplar ergattern können:

Adler “Standard 6” Tourenwagen; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Diese Ausführung haben wir bereits vor längerer Zeit auf diesem Blog vorgestellt.
Auch wenn die Aufnahme wenig zu wünschen übrig lässt, wäre ein weiteres Foto des Standard 6 in der Tourenwagenversion durchaus ein Kandidat für einen neuen Blogeintrag.
Der Verfasser hat seither in dieser Hinsicht kein Glück gehabt – vielleicht kann ein Leser eine ähnlich hochwertige Originalaufnahme dieses Typs beisteuern?
Größere Verbreitung hatten offenbar die zweitürigen Cabriolets des Adler “Standard 6”, von denen wir vor längerer Zeit ein besonders schönes Exemplar vorgestellt haben:

Adler “Standard 6”, 2-Sitzer-Cabriolet: Originalaufnahme aus Sammlung Michael Schlenger
Wem diese in jeder Hinsicht perfekte Aufnahme bekannt vorkommt, hat sie entweder auf diesem Blog oder in der Clubzeitschrift des Adler Motor-Veteranen-Clubs schon einmal gesehen.
Ein Originalfoto des Cabriolets von vergleichbarer technischer Qualität und Ausdruckskraft findet sich nicht so leicht wieder. Und wenn doch, bringen wir es hier eines Tages – gern auch aus dem Fundus eines Lesers.
Bleibt noch eine Version – nämlich die, die den Titel dieses Blogeintrags motivierte:

Adler “Standard 6”; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Wer auch immer in den späten 1930er oder frühen 1930er Jahren diese Aufnahme machte, verstand etwas von klassischem Bildaufbau und dramatischer Wirkung – ganz abgesehen von der kaum zu verbessernden Belichtung.
Den auf der Straße so eindrucksvollen Adler vor der gigantischen Naturkulisse beinahe wie ein Spielzeug zu positionieren, grenzt schon ans Philosophische.
Da besaß einst jemand im Raum Stuttgart (das Kennzeichen verrät es) einen Wagen, der nur für ein Promille der deutschen Bevölkerung erschwinglich war, fuhr damit in die Alpen und platzierte das Gefährt dort so, dass es vor den grandiosen Hervorbringungen der Natur praktisch verschwand.
In dem Bewusstsein der Nichtigkeit menschlichen Tuns schwang aber wohl auch ein wenig Stolz mit, und so wurde das letzte Licht des Tages für den Adler reserviert:
Wir sind dem unbekannten Fotografen für die kleine Eitelkeit dankbar, denn so können wir aus ungewöhnlicher Perspektive einen Spezialaufbau des Adler “Standard 6” genießen – die sogenannte Allwetter-Limousine.
Im Grunde handelt es sich um eine Limousine mit feststehenden Tür- und Fensterrahmen, aber über den gesamten Fahrgastraum zu öffnendem Dach.
Bei einem Viersitzer würde man von einer Cabrio-Limousine sprechen – einer in Deutschland vor dem 2. Weltkrieg verbreiteten Karosserieform, die die Dichtigkeit und Stabilität einer Limousine mit der Offenheit eines Cabriolets vereinte.
Doch eine Sechsfenster-Limousine mit offenem Verdeck ist schon etwas Besonderes. Und eine kluge Lösung war solch eine “Allwetter-Limousine” obendrein angesichts schon damals ewig unbeständigen Wetters in unseren Gefilden.
Gibt es das heute noch, eine Limousine aus Frankfurt mit drei Sitzreihen, über die volle Länge zu öffnendem Verdeck und einem 6- oder 8-Zylinder? Leider nicht, und das ist nur einer von vielen Verlusten, die in automobiler Hinsicht zu beklagen sind…
Die Pendler, die aus dem Taunus oder der Wetterau kommend täglich nach Frankfurt mit der Bahn hineinfahren und die als Gebäude immer noch existierenden Adler-Werke passieren, wissen vermutlich gar nicht, was dort einst an Qualität entstand.
So wechselhaft und unberechenbar wie das Wetter sind die Zeiten…