Wer beim Stichwort Piccolo zuerst an Sektflaschen im Miniaturformat denkt und nicht an einen weit über 100 Jahre alten Autotyp, dem kann man es nicht verdenken.
Auch auf diesem Vorkriegs-Oldtimerblog hatten wir erst einmal das Vergnügen, eines der ab 1904 gebauten Fahrzeuge der Firma Ruppe & Sohn aus dem thüringischen Apolda kennenzulernen.
Den kompletten Bericht zu den recht erfolgreichen Kleinwagen mit luftgekühltem V-Zweizylindermotor gibt es hier zu lesen. Folgendes Foto zeigt das Modell von 1905, das wir seinerzeit in der Kategorie Fund des Monats vorgestellt haben:

Piccolo um 1905; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Dieses noch altertümlich wirkende Modell mit frei im Fahrtwind stehenden “Twin”-Aggregat wurde laufend weiterentwickelt, wobei die Leistung des auf 800ccm vergrößerten Motors bis 1910 von anfänglich 5 auf 7 PS stieg.
Für das Erscheinungsbild der modellgepflegten späten Versionen war aber ein anderes Detail wichtiger: 1907 erhielt der Piccolo eine Motorhaube, die ihn nun wie ein vollwertiges Automobil erscheinen ließ.
Vorgeblendet wurde bei der Gelegenheit auch eine Kühlerattrappe – für die eigentliche Kühlung des mit steigender Leistung thermisch stärker belasteten Aggregats sorgten dahinter verborgene Ventilatoren.
So weit die spärliche und im Detail widersprüchliche Literatur zu den ganz frühen Modellen von Ruppe & Sohn (späterer Markenname “Apollo” bekannt). Doch ein historisches Originalfoto eines dieser späten Piccolo-Typen? Schwierig.
Eine Recherche im Netz fördert zwar einige moderne Aufnahmen überlebender Piccolo-Wagen zutage, was erfreulich ist, aber nicht dem Anspruch dieses Blogs genügt.
Doch irgendwann gelingt ein Fund wie dieser:

Piccolo um 1907; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Das ist eine in doppelter Hinsicht historisch interessante Aufnahme.
Sie ist auf Mai 1931 datiert und zeigt zwei junge Burschen, die sich für einen Veteranenwagen interessieren , der zum Zeitpunkt der Aufnahme nach heutigen Maßstäben allenfalls ein Youngtimer wäre.
Vermutlich ist die Aufnahme bei einer KfZ-Ausstellung entstanden, bei der dieser Veteranenwagen eine Statistenrolle innehatte.
Nach eingehendem Studium ist sich der Verfasser sicher, dass wir hier einen Piccolo in der Form sehen, wie sie ab 1907 gebaut wurde.
Deutlich erkennbar ist, dass der “Kühler” eine Attrappe ist. Auch Anordnung. Form und Zahl der seitlichen Luftschlitze “passen”:
Was irritiert, ist der Schriftzug “ANNO 1902” auf der Motorhaube. Zu diesem Zeitpunkt baute Ruppe & Sohn noch keine Automobile.
Jedoch wäre dies nicht der erste Fall, bei dem ein historischer Wagen falsch datiert wurde – eventuell hat jemand ein handschriftlich in der Fahrzeugdokumentation vermerktes Baujahr “1907” falsch interpretiert.
Der Verfasser lässt sich gern eines Besseren belehren, doch bis zum Beweis des Gegenteils sieht er hier einen Piccolo im Erscheinungsbild des Jahres 1907. Praktisch das gleiche Auto ist auf einer Werbeabbildung auf S. 34 des Buchs “Ahnen unserer Autos” von Paul Gränz und Peter Kirchberg zu sehen.
Möglicherweise hat ein Leser eine zündende Idee, was die Gelegenheit angeht, bei der diese ungewöhnliche Aufnahme entstand. Hinten sieht man eine DKW Block 300 oder 350 – das Spitzenmodell der sächsischen Marke Anfang der 1930er Jahre:
Der Schriftzug auf dem Schild im Hintergrund ist nur teilweise zu lesen. Auf dem Originalabzug ist in etwa Folgendes zu entziffern:
“Zum (?) … der Zeit und der Tat gehört (?) das Rad”.
Nachtrag: Leser Klaas Dierks hat den Slogan eingehender betrachtet und schlägt folgende (stimmige) Auflösung vor: “Zum Tempo der Zeit und der Tat gehört das Rad”
Auf die beiden jungen Burschen, die sich hier für den Piccolo interessieren, muss der Wagen trotz seines Alters von gerade einmal 24 Jahren wie eine Erscheinung aus grauer Vorzeit gewirkt haben.
Zwischen 1907 und 1931 hatte das Automobil in rasendem Tempo eine Entwicklung durchlaufen, die wir uns heute kaum vorstellen können.
Man wünscht sich, dass die ganz frühen Zeugen der Automobilität hierzulande auch bei den jungen Leuten auf denselben Enthusiasmus stoßen, wie er bei unseren französischen, niederländischen und britischen Nachbarn selbstverständlich ist.
Die “Youngtimer” im Jahr 1931 waren definitiv faszinierender als die des Jahres 2017 es sind. Das zu vermitteln, ist Aufgabe der Generation, die derzeit Hüter der ganz frühen Automobile ist.
Wer im deutschsprachigen Raum über das Desinteresse der Jugend an wirklich historischen Fahrzeugen jammert, muss sich die Frage gefallen lassen: Was tust Du dagegen?
© Michael Schlenger, 2017. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://www.klassiker-runde-wetterau.com with appropriate and specific direction to the original content.
Ja, ich gebe zu – ich habe etwas “Hart” formuliert und geurteilt. Andererseits – die Informationen zu Karl Slevogt sind seit 2016 online und auch zu finden, so man nur will.
Übrigens: obwohl Karl Slevogt von Luftkühlung gar nichts hielt, mußte er
luftgekühlte Apollo bauen wegen der Nachfrage aus dem hohen Norden:
der “Apollo-A” war ein “B” mit Piccolo-V2 motor, unrestauriertes Exemplar im Museum Oslo. der “Apollo-E” war ein “F” mit dem Piccolo-Vierzylinder, in Norwegen ist ein top restauriertes Exemplar, fahrbereit. Allerdings verbesserte Slevogt den Murks der Ruppes durch eine andere Anordnung der Ventilatoren, so daß der Zylinderkopf gekühlt wurde anstelle der Zylinder, damit liefen die Kisten …
Sehr geehrter Herr Spitzbarth, für konstruktive Kritik bin ich immer offen. Bei den Piccolo-Wagen weise ich m.W. stets darauf hin, dass der Markenname sich erst später in Apollo änderte. Die Website zu Karl Slevogt war mir schlicht nicht bekannt, gern lese ich mich dort ein. Bitte verstehen Sie, dass mir mit den mir bisher zugänglichen Quellen keine bessere Darstellung in Sachen Piccolo/Apollo gelungen ist, ich aber nun gerne Korrekturen vornehme, wo sie geboten sind. Eine Generalkritik an meinem markenübergreifenden Blog halte ich indessen für überzogen.
Es ist schwer, so viele Fehler werden hier in diesem “BLOG” publiziert, daß man schon einen GEGEN-BLOG verfassen müsste.
APOLLO heißen die Fahrzeuge aus Apolda seit 1912, da wurde aus “Ruppe&Sohn AG” die “Apollo AG”, vorher hiessen diese Produkte “PICCOLO”, eigentlich doch GANZ EINFACH, oder ???
Karl Slevogt ist DEUTSCHER aus dem schönen Sparneck am Fuß des Waldsteins im Fichtelgebirge, der in vielen Firmen seinen “Fußabdruck” hinterlassen hat und nicht wie hier rausgequäl ein “Österreicher” – ist es denn so schwer, unter “http://www.karl-slevogt.de” nachzulesen, BEVoR man sogenannte “FAKE-News” verbreitet ??
Man könnte ja z.B. auch nachlesen, wie die (viel kopierte) Einzelradaufhängung von Slevogt im Apollo funktionierte, wie man 8 ohv-Ventile mit 4 Stößelstangen steuert und 1921 aus dem 1100 ccm-Apollo-Motor ohne Kompressor und so über 40 PS rausholte und vieles Andere mehr.
Sorry – dieser “BLOG” strotzt von Fehlern, die nie verbessert wurden oder werden und das finde ich GAR NICHT GUT.
mfg
Wolfgang Spitzbarth