Heute haben wir das Vergnügen, uns mit einem Mercedes der 1930er Jahre auf unerwartete Weise auseinanderzusetzen – das Beste kommt dabei zum Schluss.
Der Wagen, um den es geht, gehört zu den elegantesten Kreationen der Stuttgarter, auch wenn er nicht an die hinreißenden Kompressortypen 500 und 540 K heranreicht.
Auf den ersten Blick wirkt der Typ, um den es geht, sogar recht unscheinbar:

Mercedes-Benz 320 Cabriolet; Originalaufnahme aus Sammlung Michael Schlenger
Ziemlich genau vor 80 Jahren – wohl im ausgehenden Winter 1938 oder 1939 – schoss jemand mit einer Mittelformatkamera diese stimmungsvolle Aufnahme.
Die Sonne steht nur flach über dem Horizont, der Wagen trägt die übliche Kunstledermanschette, mit der sich in der kalten Jahreszeit die Luftzufuhr drosseln ließ, damit der Motor rascher warm wurde.
Vielleicht war es einer der ersten milden Tage, an dem man bereits die Kraft der Sonne spüren konnte. Die nicht mehr ganz winterliche Kleidung der Insassen und das offene Verdeck sprechen dafür.
Dass wir hier einen Mercedes vor uns haben, verrät der Stern auf der Haube und der Radkappe – aber das genaue Modell erschließt sich erst beim näheren Hinsehen:
Für einen Mercedes 170 mit vier Zylindern ist der Vorderwagen zu voluminös, auch die mächtigen Scheinwerfer passen nicht dazu. Schon eher in Frage kommt der Sechszylindertyp 230, der ab 1937 gebaut wurde.
Doch eines macht stutzig: die gepfeilte Frontscheibe – das gab es serienmäßig nicht beim Typ 230. So bleibt nur der parallel gebaute Mercedes 320, bei dem die Werkscabriolets B und D eine solche keilförmige Scheibe besaßen.
Die beiden Varianten unterschieden sich nur durch die Zahl der Türen – zwei beim Cabriolet B und vier beim Cabriolet D.
Dummerweise lässt sich auf unserem Foto kaum entscheiden, ob wir es mit dem zwei- oder viertürigen Cabriolet zu tun haben – oder doch?
Mercedes-Vorkriegsspezialisten vor – möglicherweise verrät der Ausschnitt mehr, als es den Anschein hat. Der Verfasser tippt jedenfalls auf das zweitürige Cabriolet B.
Übrigens gab es auch ein traumhaftes Cabriolet des Mercedes 320 ohne Knickscheibe. Davon können wir zwar kein historisches Originalfoto zeigen, doch eine zeitgenössische Aufnahme tut es ausnahmsweise auch.
Hier haben wir solch einen 320er Mercedes mit flacher Frontscheibe mit den typischen zwei Reihen Luftschlitze in der Haube – die merke man sich bitte:

Mercedes-Benz 320 Cabriolet; Bildrechte: Michael Schlenger
Dieses herrliche Geschöpf war 2016 bei den Classic Days auf Schloss Dyck zu sehen. Es dürfte keine zweite Klassikerveranstaltung in Deutschland geben, bei der man so etwas schon auf dem Besucherparkplatz zu Gesicht bekommt.
Vermutlich handelt es sich hierbei um kein Werkscabriolet, sondern um einen Sonderaufbau eines deutschen Karosseriebauers der Vorkriegszeit – wer kann Genaues dazu sagen?
Zum Schluss stürzen wir uns in ein besonderes Vergnügen, bei dem gleich zwei Cabriolet B des Mercedes 320 eine wesentliche Rolle spielen.
Es handelt sich um einen Zusammenschnitt von Originalfilmaufnahmen aus den späten 1930er Jahren, unterlegt mit der eleganten Vertonung von “Hurry Home” durch den schweizerischen Jazz- und Swingmusiker Teddy Stauffer.
Man muss dieses fabelhafte Dokument bis zum Ende genießen.
- Am Anfang sehen wir zwei 320er Mercedes-Cabrios, von denen eines anschließend auf die Autobahn auffährt. Mit 78 PS und Spitzentempo 130 km/h war souveränes Überholen drin.
- Bei 0:40 min kommt ein Opel Kapitän ins Bild – zwar nicht so elegant, aber durchaus eindrucksvoll.
- Die reizvollen Szenen ab 0:57 min und 1:20 min gingen nur mit Außenbordkamera.
- Freunde des BMW Dixi kommen bei 1:50 min auf ihre Kosten.
- Wer gerne Milch trinkt, wird die junge Dame ab 2:17 min lieben.
- Bei 2:45 min wird ein dicker US-Wagen überholt, sicher kein Zufall.
- Nach Zwischenhalt in Leipzig kommt man bei 3:00 min in Dresden an, streift bei 3:05 min Breslau und ist schon bei 3:09 min in Stettin.
Das Beste aber kommt – wie versprochen – zum Schluss: Bei 3:15 min erreicht man Berlin – das Ziel. Dort kommen einige unerwartete Mitfahrer aus dem Mercedes, gefolgt von … aber sehen und genießen Sie einfach selbst:
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Das Ganze war ein schöner Traum, der durch eine unselige totalitäre Politik hierzulande zunichtegemacht wurde. Deutschland und die Welt würden anders aussehen, wenn vor 80 Jahren eine alternative Route gewählt worden wäre…
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