Wer die letzten Einträge in diesem Blog für Vorkriegsautos auf alten Fotos verfolgt hat, wird vielleicht feststellen: “Ziemlich viele Ami-Wagen werden hier besprochen – und immer wieder Fiats – vielleicht nicht ganz ideal für deutsche Leser”.
Tja, meine Damen und Herren, so sahen aber die Verhältnisse im deutschsprachigen Raum vor allem in der Zwischenkriegszeit aus: Jede Menge importierte oder hierzulande fabrizierte US-Wagen und auch Fiats allerorten.
Folgende Postkarte aus Berlin, die im März 1941 Matrose Josef Beyreder versandte, kündet bei genauem Hinsehen davon:

Postkarte aus Berlin, Feldpostnr. 35628, März 1941; Original aus Sammlung Michael Schlenger
Wer sich der Mühe unterzieht, wird neben einem Fiat 1100 und einigen US-Wagen auch die Vertretung der amerikanischen Reederei United States Lines erkennen, was einiges über die damalige Präsenz von US-Unternehmen in Europa verrät.
Im Unterschied zu vielen deutschen Herstellern hatten die Turiner bereits nach dem 1. Weltkrieg ihre Lehren aus der überlegenen Industrieproduktion in den Vereinigten Staaten gezogen und ihre Wagen von vornherein auf Großserie getrimmt.
Da im damals bitterarmen Italien nur begrenzte Absatzmöglichkeiten bestanden, zielte man auf den internationalen Markt ab und war mit sorgfältig konstruierten und enorm robusten Wagen weltweit erfolgreich.
Geholfen hat dabei, dass Fiat-Wagen auf die Bewältigung extremer Anforderungen ausgelegt waren, wie man sie im topographisch vielfältigen Italien antrifft.
Ob bei extremer Hitze im tiefen Süden, auf kaum befestigten Pisten des Appenin, endlosen Geraden in der Po-Ebene oder unter schwierigsten Verhältnissen in der Alpenregion – ein Fiat hatte sich zuallererst in der Heimat zu bewähren.
Dann war natürlich auch eine Alpenüberquerung im Rahmen des Möglichen:

Fiat 514 auf einem Alpenpass; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Der Verfasser verfügt über keine sonderliche Kenntnis der zahlreichen Alpenpässe. Lediglich den Gotthard hat er vor rund 20 Jahren mit einem 34 PS-Volkswagen auf der Paßstraße überquert, um die öde Tunneldurchfahrt zu vermeiden.
Sicher kann ein Leser sagen, welchen Alpenpass wir auf dieser schönen Aufnahme sehen – die parallele Eisenbahnlinie und die ältere Trasse im Talgrund könnten Aufschluss geben.
Unterdessen konzentrieren wir uns auf den unscheinbar wirkenden Wagen, der auf einer ansteigenden Straßenpartie gehalten hat:
Aus dieser Perspektive scheint es kaum möglich, den Wagen zu identifizieren. Dennoch ist es gelungen, nachdem sich die Hypothese “US-Fabrikat” nicht bestätigt hatte.
Hier sehen wir einen Fiat des von 1929-32 gebauten Vierzylindertyps 514. Der nur 1,4 Liter “große” Motor leistete knapp 30 PS – für damalige Verhältnisse beachtlich.
Aus geringen Hubräumen maximale standfeste Leistung herauszuquetschen, war seit den frühen 1920er Jahren eine Spezialität von Fiat.
Fast 37.000 Stück dieses Typs baute Fiat von diesem bodenständigen Mittelklassewagen. Doch wie erkennt man eigentlich das Modell auf der Aufnahme?
Nun, dazu muss man wie so oft ganz genau hinschauen. Die Haubenpartie gibt dabei die entscheidenden Hinweise. Sie ist seitlich und mittig abgetreppt gestaltet, was sich im Verlauf der Chromleiste am hinterem Haubenende widerspiegelt.
Das klingt zugegebenermaßen abstrakt, daher hier ein Anschauungsobjekt aus entgegengesetzter doch kaum minder ungewöhnlicher Perspektive:

Fiat 514 Tourenwagen; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Hier sehen wir sowohl den ausgeprägten Mittelsteg in der Motorhaube als auch den stufenartigen Übergang zur Haubenseite – besagte Chromleiste folgt dieser Linie präzise und ist auch auf der ersten Aufnahme nachzuvollziehen.
Zusammen mit den – bei der zweiten Aufnahme nicht zu sehenden – nach innen geschüsselten Scheibenrädern mit verchromter Nabenkappe spricht alles für einen Fiat 514 als zweitürige Limousine.
Wohin genau einst Anfang der 1930er Jahre die Reise im Fiat ging, dazu hätten wir gern die fesche Dame befragt, die hier kühn die Richtung vorzugeben scheint:
Vielleicht hätte sie frei nach Altmeister Goethe geantwortet:
Du kennst das Land, wo die Zitronen blühn,
im dunkeln Laub die Goldorangen glühn,
Ein sanfter Wind vom Himmel weht,
Die Myrte hoch und still der Lorbeer steht,
Du kennst es wohl.
Dahin! Dahin
Möcht’ ich mit meinem Fiat ziehn.