Wie im letzten Blogeintrag versprochen widmen wir uns in den nächsten Tagen einigen Preziosen der Vorkriegszeit, die bei den Classic Days 2018 auf Schloss Dyck zu bestaunen waren.
Dabei beginnen wir ganz klein – mit einer Sportversion des Hanomag 2/10 PS der späten 1920er Jahre, der wegen seiner Form im Volksmund als “Kommissbrot” firmierte.
Hier ein Potpourri aus bereits vorgestellten Originalfotos des Serientyps, der als Limousine und offener Zweisitzer erhältlich war:
Man mag kaum glauben, dass dieses primitive Gefährt, dem der Erfolg eines echten Volkswagens versagt bleiben musste, auch einige Sporteinsätze erlebte.
Dazu wurde die Pontonkarosserie – das zukunftsweisendste Element des Wagens – entfernt und durch einen leichten Aufbau aus Korbgeflecht ersetzt.
Eine dieser “Renn”versionen kam sogar fast ganz ohne Karosserie aus und startete beim Eröffnungsrennen am Nürburgring 1927 aus der ersten Reihe(!).
Tatsächlich gelang dem aus Dortmund stammenden Fahrer Hellmuth Butenuth damit der Sieg in der Klasse bis 750ccm – und das mit gerade einmal 0,5 Liter Hubraum!
Eine dem Siegertyp ähnliche Sportversion des Hanomag 2/10 PS fand bei den Classic Days 2018 den Weg ins “Alte Fahrerlager”, das sonst überwiegend leistungsstarken Vorkriegsrennern vorbehalten ist:

Hanomag 2/10 PS “Sport”; Bildrechte: Michael Schlenger
Zwar dürfte es sich beim Aufbau um kein Original der Vorkriegszeit handeln, aber der Monoposto mit Heckmotor hat erkennbar schon einige Jahrzehnte auf dem Buckel.
Vielleicht kennt ein Leser das Fahrzeug und kann etwas zu seiner Historie sagen.
Reizvoll sind auf jeden Fall die Einblicke, die diese leichtgewichtige Konstruktion aus Holz und Korbgeflecht auf dem originalen Rahmen erlaubt:
Zu erkennen sind hier:
- die unabhängige Aufhängung der Vorderräder an zwei übereinander angeordneten Querblattfedern,
- die Hebel für Gangschaltung und Handbremse, die bei der Serienkarosserie im Innern lagen,
- ein vierspeichiges Lenkrad, das von einem anderem Fahrzeug stammen dürfte – auf zeitgenössischen Fotos des Hanomag 2/10 PS sind nur drei Speichen zu sehen.
Kommen wir zum spannendsten Teil – dem Motor”raum”:

Hanomag 2/10 PS “Sport”; Bildrechte: Michael Schlenger
Hier haben wir von rechts nach links:
- den hoch hinter dem Fahrer angeordneten Benzintank, der eine Kraftstoffpumpe überflüssig machte,
- den daran angeschlossenen Pallas-Steigstromvergaser,
- den Zylinder mit Kühlwasserstutzen und dazwischen angebrachter Zündkerze,
- den 6 Volt-Magnetzünder.
Auch die andere Motorseite lässt genau alle funktionellen Bauteile erkennen:

Hanomag 2/10 PS “Sport”;Bildrechte: Michael Schlenger
Interessant sind hier vor allem zwei Elemente:
- der am Motorgehäuse angebrachte zentrale Öler, von dem aus die Schmierstellen des Motors direkt versorgt wurden,
- die Kette zum manuellen “Anreißen” des Motors vom Innenraum aus.
Der Verzicht auf einen Anlasser bzw. die Anordnung des Anreißhebels links vom Fahrer gehört zu den zahlreichen Gründen, weshalb der Hanomag 2/10 PS ein Kuriosum blieb.
Wie ein bezahlbares vollwertiges Volksautomobil aussehen muss, hatten bereits Anfang der 1920er Jahre Ford, Austin und Citroen gezeigt.
Deutschen Herstellern fiel bis in die 30er Jahre in dieser Hinsicht kaum Besseres ein, als Nachbauten zu fabrizieren oder – wie im Fall von Hanomag – konstruktive Sackgassen zu beschreiten.
Aus heutiger Sicht sind freilich solche “Fehlzündungen” von besonderem Reiz. Sie bieten Einblicke in das verschrobene Denken deutscher Automobilingenieure jener Zeit:

Hanomag 2/10 PS; Bildrechte: Michael Schlenger
- ein 1-Zylindermotor als PKW-Antrieb Mitte der 1920er Jahre – auf eine solche Lösung aus dem 19. Jh. muss man erst einmal kommen,
- eine Hinterachse ohne Differential und mit Kettenantrieb – eine weitere Retro-Konstruktion aus den Anfängen des Automobils,
- raffiniert immerhin der Antrieb des Kühlluftventilators durch den Kühler…
Doch sollten wir nicht zu harsch urteilen. Schließlich mühen sich “moderne” Ingenieure in unseren Tagen ebenfalls verzweifelt an einer Technologie des 19. Jahrhunderts ab – dem Elektroauto.
Dabei sollte doch klar sein: weniger Mobilität als bei einem vollwertigen Automobil (und das zum drastisch höheren Preis!) ist keine Innovation und fällt beim Kunden durch – das lehrt uns das Hanomag Kommissbrot auch in der “Sportversion”…