Jetzt wird’s politisch, mag jetzt mancher denken, dem beim Stichwort “Poller in Berlin” zuerst die – sagen wir: eigenwillige – “Fußverkehrsstrategie” des dortigen Senats einfällt.
Doch der “Poller” ist keine Anspielung auf systematische Parkplatzbeseitigungen wie im Schlesischen Viertel der Hauptstadt (hier der hübsche Kommentar einer Betroffenen).
“Poller” bezieht sich vielmehr auf die Citroen-Wagen, die ab Frühjahr 1927 auf dem Areal der einstigen Rheinwerk GmbH im Kölner Stadtteil Poll gebaut wurden.
Das erste dort gefertigte Modell war der kurz zuvor vorgestellte Typ B14. Gegenüber dem Vorgänger B12 besaß er einen leicht vergrößerten Vierzylindermotor, dessen Leistung von 22 auf 25 PS stieg. Damit waren nun 80 statt 70 km/h Spitze drin.
Wie der Vorläufer verfügte der Citroen B14 über eine Ganzstahlkarosserie und Vierradbremsen. In seiner Klasse war das fließbandgefertigte Modell eines der modernsten in Europa.
Auch in Deutschland stellte sich ein beachtlicher Verkaufserfolg ein, nicht zuletzt dank einfallsreicher Werbemaßnahmen, die bei einheimischen Herstellern ihresgleichen suchten. Folgendes Dokument dieses Erfolgs habe ich hier vorgestellt:

So schön wie dieses Foto einer im Raum Dresden zugelassenen Taxi-Ausführung ist das Dokument leider nicht, das ich heute präsentiere. Doch ist es bei aller Unzulänglichkeit interessant, da seine Karosserie eine Besonderheit aufweist.
Im Unterschied zu obigem Citroen handelt es sich um kein Landaulet, bei dem die Passagiere auf der hinteren Sitzbank – und nur sie – bei geöffnetem Verdeck im Freien saßen.
Stattdessen scheint bei dem Aufbau das Verdeck bis zum Fahrerabteil zu reichen, während die seitlichen Fensterrahmen im Unterschied zum Cabriolet stehenblieben:

Der Aufbau wirkt recht archaisch und man ist im ersten Moment versucht, eine frühere Entstehung als die zweite Hälfte der 1920er Jahre zu vermuten.
Doch aus dieser Perspektive ist die Übereinstimmung der Frontpartie mit derjenigen des Dresdener Citroen B14 klar ersichtlich.
Lediglich das Nummernschild ist etwas höher angebracht und die (wohl nachgerüstete) Stoßstange ist ein- statt zweiteilig.
Ganz ausschließen kann man nicht, dass wir einen Citroen B12 vor uns haben, also ein Exemplar des optisch weitgehend identischen Vorgängertyps. Von diesem entstanden während der nur knapp 15-monatigen Fertigungsdauer fast 40.000 Exemplare.
Doch spricht die Wahrscheinlichkeit eher für das auch in Deutschland gefertigte Modell B14.
Zwar war in Berlin Mitte der 1920er Jahre so ziemlich alles möglich, doch in automobiler Hinsicht galt das eher für Prestigewagen, nicht für ein französisches Fließbandprodukt.
Übrigens findet sich auf Seite 21 von Immo Mikloweits Buch “Citroen – Die ersten deutschen Jahre 1919 bis 1969” ein Wagen des Typs B14 mit identischem Dachaufbau.
Dieses erst 2019 herausgekommene Werk ist für mich ein in jeder Hinsicht gelungenes Autobuch, das ich allen Freunden klassischer Automobile ans Herz lege. Dort wird auch eingehend auf das titelgebende “Poller Werk” eingegangen, zu dem der Autor einen ganz persönlichen Bezug hat – mehr will ich an dieser Stelle nicht verraten…
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Die beiden ersten Fahrzeugtypen, die in Köln-Poll gefertigt wurden, gefallen mir am besten : B14 und C4 ! Für die Baujahre 1927-1932 finde ich hier auch bei den anderen Herstellern immer wieder eindrucksvolle Bildberichte, ob Adler oder Brennabor, ob Austro-Daimler oder Pontiac … oder eben zu Citroën, so wie auch den zur “Royal Family”!