Hochzeitstag, darauf ein Bier! Der letzte „Rex-Simplex“

Mit den Wagen der Marke Rex-Simplex, die ab 1902 im thüringischen Gera bzw. Ronneburg vom Automobilwerk Richard & Hering gebaut wurden, habe ich mich in diesem Blog überhaupt erst zweimal befasst, zuletzt hier.

Auf die beachtlichen Mittel- und Oberklassewagen-, die bis zum 1. Weltkrieg entstanden, folgte ab 1918 keine nennenswerte Produktion mehr – so die Standardliteratur.

In Heinrich von Fersens Abhandlung „Autos in Deutschland 1885-1920“ von 1965 hieß es sogar, dass nach Kriegsende gar keine Automobile unter der Marke Rex-Simplex entstanden. Dass dies nicht stimmt, wird zwar in der jüngeren Literatur zugestanden, aber es finden sich kaum genaue Angaben dazu.

Rex-Simplex baute mindestens über das Jahr 1914 hinaus noch PKW, das geht allein schon aus der folgenden Reklame aus meiner Sammlung hervor:

Rex-Simplex Reklame zwischen 1914 und 1920; Original aus Sammlung Michael Schlenger

Alle mir aus der Literatur bekannten Aufnahmen von Rex-Simplex-Wagen zeigen Fahrzeuge mit Flachkühlern, während hier ein Tourenwagen mit Spitzkühler zu sehen ist. Vor 1914 ist diese Reklame mit Sicherheit nicht entstanden, eher später.

Vom Stil des Aufbaus und der Grafik kommt hier der Zeitraum von Anfang des 1. Weltkriegs bis 1920 in Frage.

Die Zeichnung des Wagens entstand im Atelier des begabten Künstlers und passionierten Kraftfahrers Ernst Neumann-Neander, dessen Signet mit der stilisierten Eule in der rechten unteren Ecke zu sehen ist.

Die Kühlerpartie könnte mit einiger künstlerischen Freiheit gestaltet worden sein, doch der Aufbau entspricht genau den markanten Entwürfen, mit denen Neumann-Neander damals stilbildend wurde.

Bleibt die Frage, ob sich auch Fotos finden, die solch mutmaßlich nach 1914 entstandene Spitzkühlerwagen der Marke von Rex-Simplex zeigen. In der Literatur herrschte diesbezüglich lange weitgehend Fehlanzeige.

Doch heute kann ich gleich zwei Aufnahmen zeigen, die genau solche späten Rex-Simplex-Wagen zeigen. Den Anfang macht dieses Foto aus der Sammlung von Leser Klaas Dierks:

Rex-Simplex 30 oder 40 PS-Wagen; Originalfoto aus Sammlung Klaas Dierks

Dieses Foto voller Leben entstand anlässlich einer Hochzeit in Gera und ich sehe darauf nichts, das nicht zu einer Entstehung um 1920 passen würde – vor dem 1. Weltkrieg ist die Aufnahme sicherlich nicht entstanden.

Theoretisch könnte das Auto selbst – dessen Marke deutlich auf dem Spitzkühler zu erkennen ist – noch 1914 gebaut worden sein. Ich halte aber angesichts des Fehlens entsprechender Abbildungen in der Literatur eine spätere Bauzeit für wahrscheinlicher.

Tatsächlich gibt es eine Aufnahme, die auf 1920 datiert ist und den Ausstellungsstand von Rex-Simplex in Berlin mit zwei Fahrzeugen mit entsprechenden Spitzkühlern zeigt. Dieses Foto findet sich in „Autoland Thüringen“ von Horst Ihling (2002) auf Seite 47.

Der Rex-Simplex auf dem Foto aus dem Fundus von Klaas Dierks ist daher mit großer Wahrscheinlichkeit ebenfalls der kaum dokumentierten frühen Nachkriegsproduktion der Marke zuzuordnen.

Wer über die Neuauflage des Klassikers „Deutsche Autos 1920-1945“ von Werner Oswald (2019) verfügt, findet dort ein weiteres Foto eines sehr ähnlichen Wagens.

Diese Aufnahme stammt aus meiner Sammlung und ist eine von zahlreichen, die ich dem Motorbuch-Verlag für die Neuauflage zur Verfügung gestellt habe (an den zahlreichen redaktionellen Schnitzern in dem Werk bin ich indessen unschuldig):

Rex-Simplex 30 oder 40 PS-Wagen; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Fast könnte man meinen, man habe es hier mit Resten der obigen Hochzeitsgesellschaft zu tun, die sich hier etwas abseits von den anstrengenden Festivitäten erholt. Hier ist jedenfalls unübersehbar das Motto „Darauf ein Bier!“.

Doch während der Markenschriftzug auf dem Kühler identisch ist, unterscheiden sich die Wagen in einigen Details. So sind hier wesentlich größere vernickelte Scheinwerfer montiert, und die geneigte, mittig unterteilte und gepfeilte Frontscheibe lässt das zweite Auto sportlicher wirken.

Ich möchte nicht ausschließen, dass wir es auch mit zwei unterschiedlichen Motorisierungen zu tun haben. Die Angaben dazu sind freilich (das gilt schon für die Vorkriegsversionen) einigermaßen verwirrend.

Mein Eindruck ist der, dass nach dem 1. Weltkrieg zwei Rex-Simplex-Modelle mit modernem Spitzkühler weitergebaut wurden, die zuvor 28 bzw. 38 PS leisteten. Sie könnten nach Kriegsende noch eine Weile mit 30 bzw. 40 PS angeboten worden sein.

So unsicher diese Zuschreibung auch ist, haben wir es in beiden Fällen mit Dokumenten zu tun, die das Bild der Marke Rex-Simplex vervollständigen helfen, welche 1921 im Zuge der Übernahme des Ronneburger Werks durch den „Elite“-Konzern aus der Geschichte verschwand.

Auf den heute vorgestellten Fotos gibt sich Rex-Simplex ein letztes Stelldichein, was „Darauf ein Bier“ absolut rechtfertigt. Ich selbst zelebriere den Anlass mit einem Glas Sekt, was mir im Fall eines solchen großzügigen Qualitätswagens noch angemessener erscheint.

Übrigens habe ich noch eine ganze Reihe von Dokumenten zu früheren „Rex-Simplex“-Automobilen in petto, die ich ebenfalls nach und nach vorstellen will. Wer sich speziell für diese Marke interessiert, kann diese aber schon vorher bei mir anfordern.

© Michael Schlenger, 2021. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

2 Gedanken zu „Hochzeitstag, darauf ein Bier! Der letzte „Rex-Simplex“

  1. Danke für Deinen wertvollen Hinweis, Claus! Ein Leser aus Australien (sic!) hat mir noch ein weiteres Foto des Spitzkühlertyps zugesandt – so furchtbar selten waren die Dinger also nicht. Kommt bei Gelegenheit im Blog wieder an die Reihe.

  2. Hallo Michael,
    das sind ja mal wieder großartige Fotos, die REX SIMPLEX Modelle mit Spitzkühler zeigen !
    M.E. hat sich von Fersen selber widersprochen, wenn er im Band über Autos in Deutschland ( 1885 – 1920 ) behauptet, dass nach dem WKI keine REX SIMPLEX mehr in Ronneburg gebaut wurden sind, im Band über die Jahre 1920 – 1939 aber einen REX SIMPLEX aus Ronneburg (Typ 10/30 ) bespricht. Er hat wohl die Bände in der chronologischen Reihenfolge geschrieben – vermute ich – und konnte dann keine Korrektur mehr einbringen.
    Fakt ist jedenfalls, dass REX SIMPLEX, also die Richard & Hering AG aus Ronneburg, noch an der Automobilausstellung in Berlin im Herbst 1921 mit einem repräsentativem Stand teilgenommen hatte, wo just das Model gezeigt wurde, von dem Du hier die großartigen Fotos präsentierst. Dies ist nicht meine Theorie, sondern belegt durch die mir vorliegende Ausgabe der Zeitschrift Motor von G. Braunbeck, wo die Ausgabe September – Oktober 1921 auf S. 250 den Stand zeigt und auf S. 137 eine Farbanzeige des gezeichneten Spitzkühlerwagens.
    Mit den besten Grüßen aus Bärlin

    Claus H. Wulff

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