Ein Wagen für jede Jahreszeit: Auburn 851 von 1935

Noch ist Sommer – endlos scheinende Wochen praller Sonne liegen hinter uns. Ich weiß: Die Wärme ist nicht jedermanns Sache, doch ich liebe sie.

Bei über 30 Grad nutze ich jeden Vorwand für eine Beschäftigung im Freien, im Garten etwa – es geht nichts über einen mit Arbeit erworbenen Teint.

Spätnachmittags dann noch eine Runde mit dem Rad – den Rhythmus von Atem und Puls, den freien Flug der Gedanken unter blauem Himmel, die Entspannung danach genieße ich.

Da stimmen mich erste Anzeichen für einen Wetterumschwung fast ein wenig melancholisch – wir werden doch keinen vorgezogenen Herbst bekommen? Die Tage werden jedenfalls merklich kürzer, die Nächte deutlich kühler.

Vielleicht ist der skeptische Blick nach vorn auf die näherrückende kalte Jahreszeit verfrüht. Doch ist es sicher nicht verkehrt, sich rechtzeitig darauf einzustellen, und sei es nur gedanklich. Keine Sorge: heute geht es nicht um Energiesicherheit oder dergleichen.

Nein, wir spielen bloß genüsslich aus automobilistischer Sicht unterschiedliche jahreszeitliche Szenarien durch, in denen wir uns in die Mitte der 1930er Jahre zurückversetzen. Der Einfachheit halber nehmen wir dabei an, dass wir Geld wir Heu haben.

Mit letzterem dürften sich die meisten spontan anfreunden können, auch wenn hierzulande gern so getan wird, als ob Geld nicht so wichtig sei – oder gar den Charakter verderbe.

Mit dieser Einstellung hätte man Ärger mit der jungen Dame auf folgenden Foto bekommen:

Auburn 851 Phaeton von 1935; Originalfoto aus Sammlung Raoul Rainer

Diese reizvolle Aufnahme stellte mir kürzlich Raoul Rainer aus Stuttgart zur Verfügung, dessen Flickr-Fotoalbum Vintage Cars & People ich jedem ans Herz lege, der sich für historische Autofotos begeistert, auf denen das menschliche Element nicht zu kurz kommt.

Natürlich wusste er bereits, was er da für ein Prachtstück an Wagen dingfest gemacht hatte – einen Auburn des Typs 851 von 1935.

Dieser Achtzylinderwagen mit Kompressor und über 150 km/h Spitzengeschwindigkeit war das letzte Modell des 1900 in Auburn (Indiana) gegründeten Herstellers, dessen Schicksal seit 1924 eng mit dem des Marketinggenies Errett L. Cord verknüpft war.

Ein Exemplar des Auburn 851 in der Ausführung als Vierfenster-Cabriolet (vom Hersteller als „Phaeton“ bezeichnet“) gelangte damals nach Lübeck. Das verrät das Kennzeichen, das mit „O“ für das einstige Herzogtum Oldenburg beginnt, gefolgt von römisch „II“ für das einstige Fürstentum Lübeck. Diese Nomenklatur wurde bis 1945 beibehalten.

Während Raoul Rainer mit sicherem Blick das beste Foto dieses großartigen Wagens ergattert hat, konnte ich immerhin eine zweite, technisch weniger brilliante Aufnahme desselben Autos für meinen Fundus sichern.

Das vorliegende Beispiel mag illustrieren, welch schöne Ergebnisse möglich sind, wenn Sammler von Automobilia zusammenarbeiten anstatt ihre Schätze vor der Öffentlichkeit zu verbergen (bis sie im Nachlassfall in alle Winde zerstreut oder gleich entsorgt werden).

Als ich das Foto von Raoul Rainer sah, dachte ich: „Den Wagen kennst Du doch.“ So erinnerte ich mich an eine Aufnahme eines „Ami-Autos“ aus meiner Sammlung, mit der ich mich noch nicht näher beschäftigt hatte – weil die Jahreszeit mir nicht passte:

Auburn 851 Phaeton; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Zweifellos handelt es sich um eine Aufnahme desselben Wagens – welche nebenbei beweist, dass dieser damals für jede Jahreszeit als tauglich angesehen wurde.

Heute ist eine solche Situation schwer vorstellbar – die überlebenden Exemplare werden sorgsam gehütet und nur bei trockenem Wetter ausgefahren.

Anno 1935 hätte die junge Dame, die sich einst auf dem Auburn hatte ablichten lassen, dafür kein Verständnis gehabt: „Selbstverständlich fahren wir den Wagen auch im Winter, was denken Sie denn, wir haben sogar eine Heizung an Bord!“

Wie so oft fällt es schwer zu verstehen, dass ein dermaßen eindrucksvolles, leistungsfähiges und teures Automobil einfach verschwunden sein soll. Ein paar Relikte davon mag es sogar noch irgendwo geben – vielleicht die Kühlerfigur oder die Radkappen.

Doch ansonsten wird das, was einst als topmodern, ewig haltbar und für jedes Wetter gemacht erschien, irgendwann achtlos verschrottet worden sein. Die Zeiten hatten sich geändert und niemand konnte ahnen, welchen Weg die Geschichte nehmen würde.

Sicher ist nur der ewige Gang der Jahreszeiten, alles andere ist ungewiss…

Michael Schlenger, 2022. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Ein Gedanke zu „Ein Wagen für jede Jahreszeit: Auburn 851 von 1935

  1. Schöner Artikel!
    Danke für Deine tolle Arbeit, mach weiter so.

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