Hamburg-Bogotá und zurück: Ein Buick von 1934

Heute dürfen wir uns doppelt glücklich schätzen. Zum einen unternehmen wir eine Reise von Hamburg ins ferne Kolumbien nach Bogotá – wer könnte um diese Jahreszeit keinen Kurzurlaub am Äquator vertragen?

Zum anderen begegnen wir dort zwei Glücklichen, und wer ohne Neid durch’s Leben geht, kann sich daran ebenso erfreuen wie an dem Automobil, das uns dabei begleiten wird.

Wie aber gelangt man eigentlich nach Bogotá, wenn man sich in Deutschland mit Fotos von Vorkriegswagen befasst, welche die Gezeiten der letzten Jahrzehnte an die Gestade der Gegenwart gespült haben?

Nun, das ist unter anderem das Schöne an dieser Beschäftigung, man unternimmt mitunter ganz erstaunliche Reisen dabei und die Fotos von anno dazumal sind unser Führer.

Zunächst einmal gibt es bereits seit dem 16. Jahrhundert Verbindungen aus deutschen Landen in die an Karibik, Pazifik und Amazonasraum grenzende Region Südamerikas , die nach dem Italiener Cristoforo Colombo („Kolumbus“) benannt wurde, obwohl er nie dort war.

An der Gründung der Hauptstadt Bogotá 1539 war der Augsburger Nikolaus Federmann beteiligt – später entstanden deutsche Kolonien, die mit eigenen Schulen und protestanischen Kirchen noch lange Traditionen der alten Heimat pflegten.

Die deutschen Auswanderer kamen damals per Schiff von Bremen oder Hamburg, alte Passagierlisten belegen diesen bis in die 1930er Jahre anhaltenden Exodus.

Wenn wir uns für unsere Überseetour für Hamburg als Ausgangspunkt entscheiden, hat das einen einfachen Grund: Dort steht nämlich der Wagen für die Überfahrt bereit!

Buick Modelljahr 1934/35; Originalfoto aus Sammlung Klaas Dierks

Unterwegs nach Bogotá wird dieser eindrucksvolle Buick aus dem Modelljahr 1934/35 einige Veränderungen erfahren. So wird nicht nur das Hamburger Kennzeichen über Bord gehen, auch der offene Aufbau als vierfenstriges Cabrio muss weichen.

Unter der Haube bleibt aber alles gleich – wogegen sollte man auch den Reihenachtzylinder tauschen, der je nach Ausführung ca. 90 bis 110 PS leistete? Damit war man auf jeden Fall gut bedient, ebenso mit dem nochmals verbesserten vollsynchronisierten Getriebe.

Mit Blick auf das tropische Klima am Zielort erscheint es jedoch ratsam, sich nicht der prallen Sonne auszusetzen, sondern einen geschlossenen Aufbau zu bevorzugen.

Auch mit einem der Schnelldampfer der 1930er Jahre war man eine Weile unterwegs von Hamburg nach Bogotá, sodass Zeit bleibt für solche Karosseriekosmetik. Die Kühlerpartie mit der expressiven Figur, die verchromten Scheinwerfer im Tropfenlook sowie die bedrohlich aussehenden Hupen und die geschwungene Stoßstange können aber bleiben.

In Bogotá angekommen bemühen wir uns natürlich um Anschluss an die lokale deutsche Kolonie, man weiß ja praktisch noch nichts über das ferne Land und seine Bräuche.

Allerdings stellen wir rasch fest, dass die Deutschstämmigen bereits zum Teil einheimischen Reizen erlegen sind – und ich muss zugeben, das ist nur zu verständlich:

Buick Modelljahr 1934; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

So trefflich auch die Verwandlung des Buick seit der Abfahrt in Hamburg gelungen ist – der nun geschlossene Aufbau wirkt von vorn sehr stimmig und der helle Lack hilft die Innentemperaturen erträglich zu halten – so wenig kann der Wagen mit dem Charme der schwarzhaarigen Schönheit links davon mithalten.

Auch ihr Gegenüber, wohl der Angetraute, kann nicht die Augen von ihr abwenden. Er dürfte einer der deutschen Auswanderer gewesen sein, und so glücklich hätte er es in der alten Heimat kaum treffen können, dazu hätte er schon einer Spanierin begegnen müssen.

In Bogotá war das viel einfacher, aber das wird nicht der alleinige Grund gewesen sein, das Land der Vorväter hinter sich zu lassen. Offenbar hatte sich für unseren Buick-Besitzer die Reise auch in wirtschaftlicher Hinsicht bezahlt gemacht.

Dazu passt, was auf der Rückseite des Abzugs in deutscher Sprache geschrieben steht: „Zwei Glückliche und ihr Auto“. Dem kann ich heute ausnahmsweise nichts mehr hinzufügen – erfreulich nur, dass dieses schöne Zeugnis später den Weg zurück nach Deutschland fand und dort bis in unsere Tage auf uns wartete.

Michael Schlenger, 2022. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

3 Gedanken zu „Hamburg-Bogotá und zurück: Ein Buick von 1934

  1. Lieber Herr Schmidt, danke für Ihre freundliche Nachricht! Natürlich handelt es sich nicht um denselben Wagen, das habe ich nur suggeriert, um eine Verbindung zwischen den beiden Fotos herstellen und eine Geschichte erzählen zu können. Bei vielen meiner Blog-Einträgen geht es um gepflegte Unterhaltung anhand solcher Dokumente, über deren ursprünglichen Kontext wir leider nichts mehr wissen – ich betreibe keine Wissenschaft, sondern möchte lediglich ein klein wenig von der Faszination der Vorkriegsautomobile vermitteln. Bleiben Sie mir gewogen!

  2. Hallo Herr Schlenger,
    nach längerer Pause bin ich mal wieder bei Ihren Blog gelandet und wieder sehr fasziniert.
    Ihren Gedanken, dass es sich bei den beiden Fotos eines Buick um denselben Wagen handelt, halte ich aber für abwegig. Zu viele Details sind unterschiedlich (Form der Windschutzscheibe, Position der Scheibenwischer, Positionslaternen, unterschiedliche Hupen,..). Und warum sollte man umbauen, wenn man nur das Verdeck schließen muss?

  3. Wenn der Vater eines Schiffbauingenieurs denselben Beruf hatte und nach Kolumbien auswanderte, wo er eine Einheimische ehelichte, dann wäre dieses Bild der 2 Glücklichen mit ihrem Buick Ser. 60 Sedan (ob 2d-Touring oder 4d-Club, ist beim unter Nr. 1833 zugelassenen nicht ersichtlich) jetzt bestimmt eine tolle Überraschung !

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