Damit wir uns recht verstehen: In meinem automobilen Kosmos haben nicht nur Vorkriegsautos ihren Platz. Gerade für klassische Autos der 1960-80er Wagen konnte ich ich mich schon immer erwärmen, hauptsächlich für Engländer und Italiener. Ein paar Exoten in der Richtung besitze ich auch, wenn auch keine Preziosen.
Deutschen Nachkriegsfabrikaten konnte und kann ich weniger abgewinnen. Porsche-Konstruktionen interessieren mich gar nicht, von meinem einstigen Alltagskäfer abgesehen. Bei BMW lasse ich von jeher nur den 3.0 CS gelten, dem jede teutonische Schwere fehlt, in Sachen Daimler weckte schon zu Schulzeiten nur das W111 Coupé Leidenschaften.
Opel und Ford bauten in den 70ern ganz nette Coupés, aber nichts geht über deren bärenstarke US-Vorbilder, die es nur selten über den großen Teich schafften.
Bei deutschen Vorkriegsfabrikaten sieht die Sache schon anders aus. In meinem geistigen Museum würde es diesbezüglich rasch eng werden: Audi 225 Spezial-Cabrio, BMW 327 Cabriolet, Dürkopp P12 Tourer, Hanomag Sturm Roadster, Hansa 1700 Coupé, Horch 930V Roadster, NAG C4 Monza, Simson Supra, Steiger 12/70 PS, Stoewer D12 Sport-Tourer…
Eine eigene Halle wäre daneben für die echten Exoten vonnöten, die im Deutschland der frühen 1920er Jahre eine Sonderkonjunktur erlebten. Dutzende kurzlebige Fabrikate dürfte es im Kleinwagensektor gegeben haben.
Daneben gab es auch einige Versuche etablierter Maschinen- und Fahrzeugbauer, am Automarkt mitzumischen. Dazu zählten neben den interessanten bis aufregenden Sportwagen von Mannesmann insbesondere die PKWs der Nürnberger Marke Faun.
Ein Exemplar des von 1924-26 gebauten Typs 6/24 PS mit OHC-Ventilsteuerung habe ich hier vor einiger Zeit anhand eines raren Fotos vorgestellt. Dieses Modell hat ansonsten eher in Form von Prospektabbildungen überlebt wie der folgenden:

In Sachen “Faun”-Automobile tat sich danach eine ganze Weile nichts in meinem Fundus. Von diesen Wagen sind vermutlich nur wenige hundert Exemplare entstanden, ansonsten hätte mir erfahrungsgemäß irgendwann wieder ein entsprechendes Foto begegnen müssen.
Das Einzige, was ich zwischenzeitlich auftreiben konnte, war die Abbildung des Motors des 6/24 PS Typs im “Handbuch vom Automobil”, verfasst von Joachim Fischer im Jahr 1927. Dort finden sich auffallend viele Abbildungen deutscher Nischenfabrikate, darunter Bilder vom legendären Sportwagen von Vorster & Stolle!
Jedenfalls sehen wir hier den im Faun 6/24 PS verbauten 1,4 Liter-Motor nebst Schaltgetriebe und sonstigen Aggregaten:

Als ich kürzlich darauf stieß, erinnerte ich mich an eine weitere zeitgenössische Prospektabbildung, die einen Faun dieses 6/24 PS-Typs mit sogenannter Aufsatz-Karosserie zeigt.
Dabei handelt es sich um eine Konstruktion, mit der sich aus einem Tourenwagen eine vollwertige Limousine machen ließ – ein Konzept, das Mitte der 1920er Jahre schon einigermaßen exotisch gewesen sein dürfte.
Jedenfalls tragen solche Sachen – neben der überwältigenden Markenvielfalt – für mich ganz wesentlich zum Reiz von Vorkriegsautos bei, denn so etwas gab es später nie wieder:

Stünde es nicht ausdrücklich dabei, würde man hier kaum auf die Idee kommen, dass sich aus dieser Limousine durch Abheben des Oberteils ein offener Tourenwagen zaubern ließ.
Jaja, mag jetzt einer sagen, in Prospekten gab es alles Mögliche. Oft genug wurde dort abgedruckt, was man gern produziert hätte.
In der Tat weiß man von vielen Fabrikaten nur, weil eine Reklame oder eben eine Verkaufsbroschüre die Zeiten überdauert hat. Jedoch findet sich in der Neuauflage von Werner Oswalds Klassiker “Deutsche Autos 1920-1945” auf S. 160 eine Ausführung des Faun 6/24 PS auch als Aufsatz-Limousine.
Mein Ehrgeiz ist es, solche raren Fahrzeuge anhand weiterer zeitgenössischer Fotografien zu dokumentieren. Dabei hat es sich bewährt, im Netz präsent und aktiv zu sein. So verwalte ich neben diesem Blog ein internationales Vorkriegsforum auf der “Facebook”-Plattform, die über 1.000 Mitglieder aus aller Welt umfasst.
Deutsche sind dort übrigens trotz des Schwerpunkts auf heimischen Fabrikaten bei weitem in der Minderzahl; “German Angst” scheint auch hier ein Hemmnis zu sein, Technologie einfach intelligent zu nutzen, anstatt endlos über Risiken zu lamentieren.
Ich habe dort schon Problemfälle, die ich seit Jahren mit mir herumschleppe, binnen einer Stunde gelöst bekommen. Außerdem gelange ich über die von mir individuell freigeschalteten Mitglieder immer wieder an außergewöhnliche Dokumente.
IIlustrieren kann ich das heute anhand eines Fotos, das mir Jason Palmer aus Australien in digitaler Kopie zur Verfügung gestellt hat. Wie viele seiner Landsleute begeistert er sich für europäische Vorkriegswagen, fährt selbst welche und sammelt zugehörige Materialien.
Dem Kontakt mit ihm habe ich das hier zu verdanken:

Die Übereinstimmung mit der Faun 6/24 PS Aufsatz-Limouisine auf der Prospektabbildung ist auf den ersten Blick fast vollkommen, nur die auf dem Foto abgedeckten Drahtspeichenräder weichen ab, oder?
Nun, bei aller Begeisterung setzt sich rasch wieder eine nüchterne Betrachtungsweise durch. Die Ansprache als Faun 6/24 PS mit Aufsatzkarosserie steht für mich außer Frage.
Doch fällt auf, dass der Wagen auf Jason Palmer Fotos eine deutlich größere Bodenfreiheit aufweist und zugleich der Abstand der Kotflügel zu den Reifen kleiner ist. Das könnte auf eine andere Refendimension hindeuten.
Möglich ist aber auch, dass man bei diesem Exemplar die Schwellerpartie zwischen Rahmen und Trittbrett nicht so hoch ausgeführt hat wie bei dem Wagen im Prospekt.
Dies hatte offenbar zur Folge, dass aus dieser Perspektive auch die rahmenartige Struktur zutagetritt, die sich am Unterboden mittig befand, deren Zweck mir nicht ganz klar ist. Ideen dazu sind willkommen (bitte die Kommentarfunktion nutzen).
Der eigentliche Aufbau stimmt hingegen vollkommen mit der Prospektabbildung überein. Besonders schön ist, dass wir hier die Frontpartie im Detail studieren können:

Dieser Ausschnitt eignet sich dazu, sich die Gestaltung des Kühlers einzuprägen, um eventuell weitere solcher Faun-Automobile identifizieren zu können.
Irgendwann während der kurzen Bauzeit scheint ein Flachkühler eingeführt worden zu sein, wobei der genaue Zeitpunkt noch offen ist. Vielleicht findet sich ja eine weitere Aufnahme, welche diesbezüglich Aufschluss gibt.
Ein solcher Flachkühler-Faun muss übrigens in der Nachkriegszeit noch existiert haben, jedenfalls findet sich im Netz diese Aufnahme:

Hier sehen wir zudem Stahlspeichenräder mit fünf statt vier Radbolzen, allerdings nach wie vor noch keine Vorderradbremsen, die wohl erst 1926 Standard wurden. Demnach hätte der Übergang zum Flachkühler wohl 1925 stattgefunden.
Wer etwas über dieses spezielle Fahrzeug weiß, dass in den 1960er Jahren aufgenommen wurde, möge das bitte über die Kommentarfunktion kundtun. Unterdessen will ich den bislang noch in der Exoten-Kategorie beheimateten Faun-Automobilen eine eigene Galerie gönnen, es scheint da doch noch einiges mehr zu geben…
Michael Schlenger, 2023. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.
Hier bringt unser Blog- Wart eine offensichtlich interessante Konstruktion zur Sprache.
Der kleine Faun- Wagen bietet offenbar, sowohl beim Motor als auch in der Fahrwerks- Gestaltung so noch nie gesehene Merkmale.
Bei dem herrlichen Foto der Aufsatz- Limousine fällt nicht nur das rätselhafte Gestell am Unterboden auf, daß ich auch nicht zu deuten weiß.
Die Vorderachse jedoch stellt eindeutig eine an zwei (ungleich langen) Längslenkern geführte vordere Starrachse dar, die von zwei Cantilever- Federn getragen wird. Und die Räder sind hier sehr frühe Stahlscheibenräder mit noch völlig ebener Scheibe, die nach und nach immer stärker profiliert wurden, um sie in sich zu stabilisieren und gegen Verzug zu immunisieren.
Die Bilder aus Prospekten oder Büchern sind meist schlechte Ratgeber, da meist von schlechter Qualität und mit scharfem Radiermesser bearbeitet, wie wir an der Abbildung der Limousine (nicht) sehen. Eine herkömmliche Blatt- feder passte offenbar besser in die Vorstellungswelt des Retuscheurs.
Besten Dank, Herr Klioba! Das würde bedeuten, dass auch das Modell K3 anfänglich (1926) noch ohne Vorderradbremsen angeboten wurde.
Hallo Herr Schlenger,
bei dem Faun auf dem 60er-Jahre-Foto dürfte es sich um das Fahrzeug handeln, das inzwischen restauriert im Museum für Industriekultur in Nürnberg ausgestellt ist. Entgegen Ihrer Bildunterschrift ist es aber kein 6/24 PS, sondern ein 6/30 PS Typ K3. Im selben Museum kann man auch einen Faun 6/24 PS Typ K2 bewundern. Ferner existiert noch eine 6/30 PS Typ K3 Limousine, die vor zweieinhalb Jahren in einer Sonderausstellung im Bayernmuseum in Regensburg zu sehen war.