Spurensuche: Beckmann-Wagen (Folge 1: 1898-1902)

Mitte Juli 2023 – der Sommer ist, wie er sein soll, bloß der “Fund des Monats” ist noch arg weit entfernt. Was tut man also, um seine Blog-Leser bei Laune zu halten?

Nun, man hält sie mit etwas bei der Stange, was das Warten auf “neue” Auto-Sensationen aus alter Zeit erträglicher macht. Dazu muss man schon Außergewöhnliches zu bieten haben.

Dass ich ein geeignetes Thema gefunden habe, das verdanke ich Christian Börner aus Pinneberg. Er ist der Urenkel von Paul Beckmann, der 1898 die erste und wohl einzige schlesische Automobilfabrikation ins Leben rief – in Breslau (heute Wroclaw, Polen).

Über die bis zu Übernahme durch Opel im Jahr 1927 gebauten Beckmann-Wagen ist nicht viel mehr bekannt als das, was schon in den 1960er Jahren Hans-Heinrich von Fersen in seinem Werk “Autos in Deutschland 1885-1920” veröffentlicht hat.

Christian Börner (geboren 1944 in Breslau) hat sich seit 1962 mit der Geschichte der Autofabrik seiner Vorfahren beschäftigt. Seither trägt er unermüdlich alles zusammen, was in Bibliotheken, in Museen, Autoclubs und bei Sammlern zu Beckmann zu finden ist.

Leider blieb die Resonanz auf seine Anfragen oft dürftig. So ist es einerseits beeindruckend, was er bei seinen Recherchen an Material entdecken konnte, andererseits fällt es schwer zu glauben, dass eine so profilierte Marke nicht mehr Spuren hinterlassen haben soll.

Zwar heißt es bei von Fersen in Bezug auf die Beckmann-Wagen, dass die “Verbreitung hauptsächlich auf den schlesischen und ostdeutschen Raum” beschränkt war.

Mir fällt es schwer, dieser These zu folgen. So dient diese zur Monatsmitte erscheinende Folge nicht nur der Erbauung der Leserschaft. Sie soll auch Anreiz und Aufruf sein, noch irgendwo schlummernde Dokumente und Informationen zu Beckmann-Automobilen zutagezufördern.

Nach dieser Vorrede übergebe ich das Wort an Christian Börner, Urenkel von Paul Beckmann, dem Schöpfer der ersten Wagen dieses Namens:

Beckmann-Automobile? Sie meinen wohl Bergmann, ein Berliner Unternehmen, das einst Wagen der belgischen Firma Metallurgique in Lizenz herstellte?

Nein, ich meine tatsächlich: Beckmann-Automobile. Diese wurden von 1898 bis 1926 in Schlesiens Hauptstadt Breslau produziert, also 28 Jahre lang.”

So verlief manches Gespräch mit Experten, als ich als Urenkel des Produzenten vor rund 60 Jahren begann, über die Firma meiner Ahnen und deren Fahrzeuge zu recherchieren.

Firmengründer war Otto Beckmann. Er war Sohn eines Bäckers aus Wohlau/Schlesien und erlernte zunächst das Uhrmacherhandwerk. Nach seinem Umzug nach Breslau erschien es ihm alsbald lukrativer, mit gröberen Objekten umzugehen, denn die Großstadt brauchte Gas- und Wasserleitungen in großem Umfang.

Mit der dabei erworbenen Expertise im Rohrleitungsbereich witterte Otto Beckmann Anfang der 1880er Jahre eine neue Chance. Die Nachfrage nach Fahrrädern boomte, und 1882 startete er die Herstellung der damals so genannten Velocipeden:

Beckmann-Fahrradreklame von 1896; bereitgestellt von Christian Börner (Pinneberg)

Nur ein Jahr nach Erscheinen dieser Reklame – also 1897 – starb Firmengründer Otto Beckmann.

Doch glücklicherweise hatte sein Sohn Paul bereits zeitgemäße „Flausen im Kopf“ herausgebildet, die nach Umsetzung verlangten. 

Er war von den allerersten Motorfahrzeugen angetan und prophezeite ihnen eine große Zukunft. Bereits 1898 bot er ein Motor-Dreirad an, von dem übrgens noch ein Bild fehlt.

1899 brachte Paul Beckmann dann seinen ersten vierrädrigen Motorwagen (Modell XIII) auf den Markt:

Beckmann Typ XIII; Originalreklame von 1900 via Christian Börner (Pinneberg)

Dieser Beckmann-Wagen glich wie viele deutsche Wagen seiner Zeit äußerlich und technisch noch stark damals führenden Vorbildern aus Frankreich, vor allem von DeDion-Bouton. Auch der 1-Zylinder-Motor war kein Eigengewächs, sondern wurde zugekauft.

Jetzt fragen Sie vielleicht, woher Christian Börner die genaue Typbezeichnung dieses Beckmann-Wagens kennt. Auch das kann er uns verraten:

Das bereits 1898 angebotene Motor-Dreirad wurde als Modell XII bezeichnet, die Modelle I bis XI waren Fahrräder. Das Modell XIII war der vierrädrige Wagen.

Das ergibt sich aus der Originalreklame, welche im April 1900 in der Breslauer-Morgen-Zeitung abgedruckt war:

Beckmann-Originalreklame von 1900 via Christian Börner (Pinneberg)

Bereits diese frühe Fahrzeugpalette erscheint zu beeindruckend, um lediglich auf einen lokalen Markt zugeschnitten gewesen zu sein.

Es wäre interessant zu erfahren, in welchen anderen deutschen (oder gar ausländischen) Gazetten diese Anzeige ebenfalls abgedruckt wurde. Wer etwas dazu weiß, bitte melden.

Christian Börner verfügt übrigens über ein Exemplar des Beckmann-Prospekts, in dem die weiteren Einzylindertypen XIV bis XVI beschrieben sind. Hier haben wir das etwas weiterentwickelte Modell XIV:

Beckmann Modell XIV; Prospektabbildung von 1902 aus Sammlung Chr. Börner (Pinneberg)

Auf der gleichen technischen Basis wurde das Model XV angeboten, welches keinen eigenständigen Typ darstellte, sondern sich nur durch das Vorhandensein von Türen vom Modell XIV unterschied. Dennoch ist die Wirkung eine bemerkenswert andere:

Beckmann Typ XV, Prospektabbildung von 1902 aus Sammlung Christian Börner (Pinneberg)

Diese beiden Modelle wurden als “Voituretten” oder auch “leichte Beckmann-Wagen” angeboten. Sie besaßen noch von DeDion zugekaufte Einzylindermotoren mit 6,5 PS Leistung.

Dass Paul Beckmann ehrgeizige Pläne hatte in Sachen Autofabrikation, wurde bald deutlich. Rasch wurde das Angebot um größere Wagen mit 2- bzw. 4-Zylindermotoren erweitert.

Hier haben wir eine um 1902 entstandene Abbildung des Beckmann-Typ XVII mit Motorisierung 12-16 PS, welcher einen wenig erfolgreichen Zwischentyp XVI ablöste:

Beckmann Typ XVII 12-16 PS von 1902; Abbildung via Christian Börner (Pinneberg)

Auch bei diesem Modell wurden zunächst noch französische Zuliefermotoren verbaut.

Doch bereits 1903 entwickelte Beckmann einen selbstgebauten Vierzylindermotor mit beachtlichen 30 PS.

Man hatte offenbar Großes vor in Sachen Automobilbau bei Beckmann in Breslau, und das wollen wir in der nächsten Folge im August näher unter die Lupe nehmen.

Bis dahin haben unsere Sammlerkollegen Zeit, um im eigenen Fundus nach weiteren frühen Dokumenten von Beckmann-Fahrzeugen zu stöbern. Diese würden Christian Börner und ich dann gemeinsam vorstellen auf unserer Spurensuche…

Michael Schlenger, 2023. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

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