Militärfahrzeuge sind normalerweise eine ernsthafte Angelegenheit und sie spielen in meinem Blog allenfalls am Rand eine Rolle.
Wer selbst noch zu Zeiten des Kalten Kriegs gedient hat, weiß aber auch, dass Soldaten berufsbedingt einen speziellen Humor haben – schon deshalb verbietet sich übrigens die Anwesenheit von “Frauensvolk” (Filmzitat, nicht bös gemeint…) beim Militär.
Dieser Humor speist sich aus unterschiedlichen Quellen, wie ich als einstiger Panzergrenadier weiß: dem schwer erträglichen Gehabe komplexbehafteter Unteroffiziere, evident sinnlosen Befehlen und absurden am Schreibtisch ersonnenen Vorschriften, nicht zuletzt dem Auseinderklaffen zwischen dem maßlosen Anspruch deutscher Exzellenz und dem praktischem Versagen von Kriegsgerät schon bei moderater Inanspruchnahme.
Ging es anno 1988/89 auf eigener Kette zu einer Übung, so waren die ersten unserer “Marder”-Schützenpanzer schon kurz hinter dem Rotenburger Kasernentor “im Eimer”. Ganz so lachhaft wie heute war der Zustand der Truppe damals aber wohl noch nicht.
Vom “Eimer” ist der Weg nicht weit zum “Kübel” – und um diese eigentümliche Fahrzeuggattung geht es heute. Im offiziellen Sprachgebrauch nannte man die auf Zivil-PKW basierenden offenen Militärfahrzeuge “Kübelsitzwagen”.
Diese Bezeichnung bezog sich auf die Sitze, die besonderen Seitenhalt bieten sollten, im Idealfall in Kombination mit offenen Türausschnitten. Hier haben wir ein typisches Exemplar in Form eines Stoewer M12 RW:

Dieses 1940 in der Normandie aufgenommene Fahrzeug habe ich vor längerem hier ausführlich präsentiert.
Solche Wagen mit Kübelsitzaufbau boten praktisch alle deutschen PKW-Hersteller an – in der Hoffnung, an lukrative Aufträge der Reichswehr (später Wehrmacht) zu gelangen.
Die Initiative ging also häufig von den Firmen selbst aus und man scheute sich nicht, auch mit schwach motorisierten Modellen anzutreten, wie etwa Hanomag mit dem Typ 3/20 PS.
Doch vielleicht im Vertrauen auf die Ahnungslosigkeit praxisferner Entscheider am Schreibtisch wagte sich mancher auch mit noch weniger Leistung in den Ring.
Wenn ich nicht völlig danebenliege, haben wir es hier mit so einem Fall zu tun:

An diesem Fahrzeug ist offenbar so ziemlich alles “im Eimer” und es ist irgendwo neben einer Holzbaracke abgestellt worden.
Vier gutgelaunte Soldaten der Reichswehr hält das nicht davon ab, mit diesem Gefährt frohen Mutes und siegesgewiss an die Front zu “fahren”.
Das Gerät ist übrigens eine Beispiel für eine Variante des Kübelwagens, die einfache Türen aufweist – welche freilich ebenso leicht zu entfernen waren, wie man sieht.
Der Zustand mit platten Reifen, ausgeschlachteten Scheinwerfern und geöffneter Haube lässt darauf schließen, dass dieser Kübelwagen am Ende seiner Dienstzeit angelangt ist.
Das macht ihn freilich kaum weniger interessant. Denn dieses Exemplar fehlte bislang in meiner Kübelwagen-Galerie, die ich bis dato für ziemlich vollständig hielt.
Was könnte hier als Ausgangsbasis gedient haben? Das wollte auch der Besitzer der Originalaufnahme, Leser Klaas Dierks, von mir wissen.
Mir kam an der Frontpartie einiges auffallend bekannt vor:

Bitte prägen Sie sich folgende Details ein:
Kühlergehäuse, trommelförmige Scheinwerfer, optisch zweigeteilte und mit Sicken versehene Kotflügel, Scheibenräder mit vier Radbolzen – nicht zuletzt die Art und Weise, wie die gewölbte Blechpartie hinter der Motorhaube auf den unteren Windschutzscheibenabschluss trifft.
Nun werfen wir einen Blick auf einen DKW des Typs P15 PS, der 1928 als erstes Serienauto des bis dahin als Motorradproduzent bekannten sächsischen Herstellers eingeführt wurde.
Hier haben wir aus ähnlicher Perspektive festgehalten ein vollkommen ziviles Exemplar:

Sicher sehen Sie die weitgehenden Übereinstimmungen, aber auch einige Unterschiede.
Abweichend ausgeführt sind beim serienmäßigen DKW Typ P 15 PS vor allem die seitlichen Luftschlitze in der Motorhaube. Doch auch der Kühler scheint anders gestaltet zu sein.
Dazu muss man allerdings wissen, dass der neuentwickelte DKW auch mit einem Kühler gebaut wurde, welcher dieselbe Ausbuchtung auf dem Oberteil aufwies wie der zuvor gezeigte “Kübelwagen”.
Ein besonders schönes Beispiel dafür zeigt diese Aufnahme aus dem Fundus von Leser und DKW-Experte Volker Wissemann:

Auf diesem Foto erkennt man außerdem klar eine oben ausstellbare Windschutzscheibe, wie sie auch das von Reichswehr-Männern “besetzte” Fahrzeug aufweist.
Nicht irritieren lassen sollte man sich von den den mittig an der Vorderachse angebrachten Reibungsstoßdämpfern, die sich als Extra nicht an jedem Fahrzeug fanden.
Volker Wissemann kann auch diesbezüglich mit dem passenden Beweisfoto aufwarten:

Zwei Hauptunterschiede bleiben indessen: Die abweichenden Luftschlitze in der Motorhaube und nicht zuletzt die Länge des Chassis.
Den DKW gab es ausweislich der Literatur (Thomas Erdmann: DKW Automobile 1904-1945, Verlag Delius Klasing) nur als Zwei- oder Dreisitzer. Auch konnte ich in den mir zugänglichen Quellen keinen Hinweis auf eine Kübelwagenversion finden.
Aber: Die Prototypen des DKW P15 PS besaßen ebenfalls noch senkrechte Haubenluftschlitze, wie sie sich übrigens auch an der Sportversion PS 600 finden.
Ich vermute daher, dass der Reichswehr-Wagen, an dem so ziemlich alles “im Eimer” war, ein speziell für die Truppenerprobung gebautes Fahrzeug auf Basis des DKW P15 mit verlängertem Chassis war.
Eine bessere Erklärung für die vielen auffallenden Übereinstimmungen mit dem zivilen Model bzw. dessen Prototyp habe ich nicht. Aber vielleicht weiß es ja jemand besser als ich und das Fahrzeug entpuppt sich als etwa ganz anderes.
Dann wäre zwar mein schöner Blog-Eintrag “im Eimer”, aber Niederlagen gehören nicht nur beim Militär zum Geschäft. Auf verlorenem Posten kämpfen, ist sinnlos, auch wenn es nur um eine harmlose Sache wie die Deutungshoheit bei alten Autofotos geht.
Daher gilt nun, liebe DKW-Experten: Feuer frei!
Michael Schlenger, 2023. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.
Nein – ich weiß es nicht besser !
Denn, unbestritten, waren alle damaligen Hersteller an der “Heereserprobung” ihrer neuentwickelten Typen interessiert (und bosselten den Lastenheften der Heeres- verwaltung entsprechende Erprobungsmuster zusammen).
Und in der Tat scheint dies Fahr(?)zeug ein solcher gewesen zu sein. Auch die Basis des ersten DKW- Autos P 15 scheint hier der vielen übereinstimmenden Merkmale
wegen evident.
Forderung: Platz für 4 Personen mit voller Ausrüstung ?
Kein Problem – schneiden wir die beiden Bretter, die hochkant gestellt, im Wesentlichen die tragenden Elemente der selbst- trageden Holzkarosse bildeten,
einfach etwas länger zu und schon haben wir Platz für vier Soldaten – in voller Montur!
Aber woher die Leistung zur Fortbewegung der Fuhre mit
4 Personen nehmen – mit voller
Montur? War doch der kleine 600er Motorradmotor mit max.
18 PS schon bei 2 Personen am Berg am Ende seiner Möglichkeiten.
Kein Problem: bauen wir einfach
zwei von den Dingern hintereinander und schon gehts los durch alle widrigen Geländeformationen !
Der Kühler wurde, wie wir sehen, ein Stück nach vorn verschoben und wenn man unter den aufgestellten Haubenflügel linst sieht man das dürre Wassersteigrohr vom hinteren Zylinder. Der offensichtlich wesentlich stärkere Verbindungsschlauch zum Kühlerblock deutet auf ein weiteres vorn liegendes Steigrohr vom vorderen Zylinder
hin. Von der bekannten Modellgeschichte bei DKW her
Ist eigentlich nur das Jahr 1929
als Entstehungsjahr dieser Aus- geburt anzunehmen. Da zu der
Zeit der damals noch allgewaltige Herr Rasmussen auch einen Vierzyl.(!)- Reihenmotor erproben ließ (der ja eine Alternative zum problematischen V 4- Motor mit den Ladepumpen sein sollte) wäre sogar die Erprobung dieses
hierin denkbar !
Leider gibt das Bild für eine solche Hypothese nicht genug Aufschluss sodaß die reine Spekulation bleiben muß….