Hanomag 4/23 PS vom Anfang der 1930er Jahre

Allmählich nähern wir uns auf diesem Blog einer vollständigen Dokumentation der einstigen PKW-Typen des Maschinenbaukonzerns Hanomag anhand zeitgenössischer Originalfotos (Bildergalerie).

Aus den Anfängen der Autoproduktion bei Hanomag haben wir uns bereits mit dem Kommissbrot und dem ersten “richtigen” Wagen aus Hannover befasst – dem Typ 3/16 bzw. 4/20 PS.

Anfang der 1930er Jahre näherte sich Hanomag in kleinen Schritten dem Bau immer leistungsfähigerer Wagen. Ganz am Ende dieser Entwicklung sollte das eindrucksvolle 6-Zylindermodell Hanomag Sturm stehen.

Heute geht es um einen selten abgebildeten Hanomag der frühen 1930er Jahre, das Modell 4/23 PS, das die Vorstufe zum Modell Garant darstellte. Ein solcher Wagen ist auf folgender Fotopostkarte zu sehen, die Mitte der 1930er in Bad Tölz entstand:

Hanomag_4-23_PS_in_Bad_Tölz

© Hanomag 4/23 PS, Mitte der 1930er Jahre; Sammlung Michael Schlenger

Man glaubt zunächst nicht, dass das Auto, das mit der Front uns zugewandt parkt, überhaupt interessant sein könnte. Mancher mag auf einen Opel oder einen Fiat um 1930 tippen – von beiden Marken waren solche kompakten Limousinen mit kantigen Linien in Deutschland einst stark verbreitet.

Bei näherem Hinschauen offenbaren sich aber Details, die eine Zuschreibung als Hanomag 4/23 PS erlauben. Der Wagen verfügte über einen konventionellen 1,1 Liter Motor, dessen Leistung bei einem Wagengewicht von 750 kg als ausreichend gelten konnte. Immerhin hatte das Auto schon hydraulische Bremsen, was VW beim anfänglich ähnlich motorisierten Käfer lange Zeit nicht für erforderlich hielt.

Woran erkennt man nun dieses spezielle Hanomag-Modell? Schauen wir genauer hin:

Hanomag_4-23PS_Bad Tölz

Mit etwas gutem Willen und Erfahrung erkennt man zwei Details am Kühler, die es so nur bei Hanomag-PKW der frühen 1930er Jahre gab: Da ist zunächst das Markenemblem, das ein “Kommissbrot” in Seitenansicht einrahmt. Außerdem ahnt man die Umrisse der typischen Kühlerfigur – eines sich aufbäumenden Pferds, das für das Land Niedersachsen steht, wo die Wagen gefertigt wurden.

Wer beide Details in besserer Qualität studieren will, sei auf die oben verlinkten Bildberichte zum 3/16 bzw. 4/20 PS-Modell verwiesen.

Auf den ersten Blick scheinen die schwächeren Vorgänger dieselbe Karosserie gehabt zu haben. Doch zwei Elemente irritieren: Merkwürdig ist der starke Schwung des unteren Frontscheibenrahmens und dessen großer Abstand zur Motorhaube. Das sieht bei den früheren Modellen ganz anders aus. Außerdem verfügten diese über keine Radkappen, wie sie der Wagen auf unserem Bild eindeutig trägt.

Vergleiche mit Fotos in der einschlägigen Literatur (Werner Oswald: Deutsche Autos 1920-1945) ergeben, dass diese beiden Details das Modell 4/23 PS auszeichnen. Ein Foto eines überlebenden Exemplars des Typs ist hier zu sehen (allerdings fehlen dort die Radkappen).

Man könnte es nun dabei bewenden lassen, wenn im gegebenen Zusammenhang nicht noch etwas anderes auffällig wäre. Was jetzt folgt, ist für Hanomag-Kenner gedacht, zu denen sich der dem Verfasser ausdrücklich nicht zählt. Es gibt ein bereits an anderer Stelle erwähntes, hervorragend gemachtes Buch zur einstigen PKW-Produktion von Hanomag:

“Hanomag-Personenwagen. Von Hannover in die Welt” von Görg/Hamacher, Verlag Mundschenk, ISBN: 978-3-933-802026.

Dort wird auf den Seiten 56-59 eine Rekordfahrt eines Hanomag 4/20 PS-Modells beschrieben, die 1929 über eine Strecke von 10.000 km führte. Abgebildet ist dort zum einen – erwartungsgemäß – ein Hanomag des genannten Typs. Gezeigt wird daneben aber auch eine Aufnahme des hier beschrieben Nachfolgers 4/23 PS mit der abweichenden Frontscheibe und den Radkappen (Foto Nr. 92 auf S. 57, rechts unten).

Kurios ist: Beide Wagen tragen auf den Bildern dasselbe Nummernschild und auch am zweiten, erst ab 1931 gebauten Hanomag ist ein zusätzlicher Hinweis auf die vom 4/20 PS-Wagen absolvierte 10.000km-Fahrt an der Front montiert.

Vermutlich wurde der modernere Hanomag 4/23 PS einst für Werbezwecke kurzerhand mit dem Nummernschild des eigentlichen Rekordwagens ausstaffiert. Es wäre interessant zu erfahren, ob dieser Reklametrick bereits seinerzeit aufgefallen ist…

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