Mit dem heutigen Blogeintrag setzen wir gewissermaßen den Schlußstein in der Dokumentation der einstigen PKW-Produktion von Hanomag.
Dann haben wir jedes Modell des Maschinenbauers aus Hannover mindestens einmal – in vielen Fällen öfters – anhand zeitgenössischer Originalfotos vorgestellt. Keine Sorge: Es wird immer wieder Gelegenheit geben, besonders reizvolle weitere Exemplare zu zeigen, darunter echte Exoten.
Die meisten Vorkriegsautofreunde mögen bei Hanomag-PKW an das possierliche “Kommissbrot” denken, mit dem 1925 versucht wurde, einen deutschen “Volkswagen” zu kreieren.
Der Versuch darf angesichts einer Produktion von etwas mehr als 15.000 Exemplaren in drei Jahren als gescheitert gelten.
Das Hanomag “Kommissbrot” ist ein Beispiel für die Sonderwege, die der deutsche Automobilbau seinerzeit beschritt, während in England mit dem Austin 7 und in Frankreich mit dem Citroen 5 CV längst massenmarkttaugliche Konzepte existierten – von den USA ganz zu schweigen.
Doch für den heutigen Betrachter sind solche Sackgassen oft von großem Reiz – dafür mag dieses Foto eines Hanomag “Kommissbrot” Cabriolet stellvertretend stehen:
Wenn der “rasende Kohlenkasten”, wie der Volksmund den Hanomag 2/10 PS auch titulierte, hier so modern wirkt, hat das zwei Gründe:
Zum einen kommt hier die Pontonkarosserie gut zur Geltung, die wohl erste in der Geschichte des Serienautomobils. Zum anderen hat der Besitzer des Wägelchens, vermutlich der Fotograf, sein Kommissbrot mit einer Stoßstange eines späteren Hanomag-Modells “aktualisiert”.
Die markant profilierte Stoßstange findet sich auch am erfolgreichsten Hanomag-PKW wieder, der in diesem Blog ein besonders häufiger Gast ist, dem Modell “Rekord”.
Leser Michael Mennigen verdanken wir diese schöne Aufnahme, die den Hanomag “Rekord” seiner Eltern zeigt:
Im Unterschied zum Kommissbrot war das ein hochwertiger, leistungsfähiger und stilsicher gestalteter Mittelklassewagen – damit konnte man sich sehen lassen, das vermittelt diese Aufnahme sehr gut.
Der klassisch geformte Rekord wurde bis 1938 gebaut und wurde dann von einem völlig neu konzipierten Modell abgelöst, mit dem Hanomag der Anschluss an die damalige Mode der Stromlinienform gelang.
Damit waren trotz kleineren Motors (1300 statt 1500 ccm und 32 statt 35 PS) dennoch bessere Fahrleistungen möglich. Kurzzeitig waren an die 115 km/h drin, als Dauertempo wurden 100 km/h angegeben.
Die hochmoderne Karosserie war vielleicht nicht sonderlich elegant, brachte aber die Autobahntauglichkeit durchaus wirksam zum Ausdruck:

Hanomag 1,3 Liter; Orignalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Die Frontpartie findet sich ähnlich am Ford Buckeltaunus, ist hier aber geschmeidiger und weniger “amerikanisch” ausgeführt. Die Gestaltung der Fahrgastzelle erinnert zwar an den Volkswagen, doch besaß der Hanomag einen größeren Innenraum.
Mit 12 Volt-Elektrik und hydraulischen Bremsen war der Hanomag dem “KdF”-Wagen auch sonst überlegen und im Unterschied zu diesem verfügbar. Entsprechend selbstbewusst priesen die Werbeleute in Hannover das Modell an:

Hanomag-Originalreklame von 1939 aus Sammlung Michael Schlenger
Trotz aller Meriten – der Hinweis “großer Kofferraum” dürfte wohl auf VW abgezielt haben – war der Hanomag 1,3 Liter mit über 3.000 Mark für die meisten “Volksgenossen” schlicht unerschwinglich.
Immerhin wurden noch mehr als 9.000 Exemplare ausgeliefert, bevor Hanomag die Produktion kriegsbedingt ganz auf Rüstungsgüter umstellen musste.
Wohl noch vor Kriegsausbruch ließ sich dieser Luftwaffensoldat auf Heimaturlaub mit einem Hanomag 1,3 Liter ablichten, der in ländlicher Umgebung intensiv genutzt wurde:

Hanomag 1,3 Liter; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Wie die meisten privaten PKW wurden auch die Hanomag 1,3 Liter Wagen im Krieg entschädigungslos vom Staat beschlagnahmt und landeten im Militäreinsatz oft in Situationen, für die sie nicht gemacht waren.
Man darf davon ausgehen, dass sie sich dank robuster Machart dennoch ähnlich bewährt haben wie die zahlreichen Exemplare des Vorgängertyps Hanomag “Rekord”, die nach Kriegsende ihren meist neuen Besitzern noch treue Dienste leisteten.
Ein Beispiel für einen überlebenden Hanomag 1,3 Liter sehen wir hier:
Dieser Wagen besitzt sogar noch seine Chromradkappen – vermutlich war er nie in Wehrmachtsdiensten, sondern gehörte einem der wenigen Besitzer, die dank unabweisbaren Bedarfs ihr motorisiertes Eigentum den Krieg über behalten durften.
Woher aber wissen wir, dass diese eine Nachkriegsaufnahme ist? Nun, die Szene ist ein Ausschnitt einer Postkarte, die jemand im September 1949 aus dem zerbombten Köln verschickte.
So ziemlich das einzige Postkartenmotiv aus der Domstadt war damals die glimpflich davongekommene gotische Kathedrale. Zwar wurde auch sie von zahllosen den umliegenden Wohngebieten zugedachten Bomben getroffen. Die offene Konstruktion mit großen Fenstern und die Stabilität der Strebepfeiler milderten aber die Wirkung der Sprengbomben ab, die ansonsten zuverlässig ganze Wohnblöcke einebneten.
Auch der Einsatz der Männer der Dombauhütte, die während der Bombenangriffe auf den Dächern ausharrten und so Brände frühzeitig löschen konnten, hat zur Rettung dieses mittelalterlichen Meisterwerks beigetragen.
So stellte sich das Westportal des Kölner Doms nach dem Krieg einigermaßen intakt dar:

Postkarte aus Köln von 1949 aus Sammlung Michael Schlenge
Diese Aufnahme ist auch deshalb interessant, da sie eine der wenigen ist, auf denen man einen direkten Vergleich zwischen dem Hanomag 1,3 Liter und dem später so erfolgreichen Volkswagen ziehen kann.
Auch wenn der VW hier als Behelfslieferwagen daherkommt – für sich genommen schon wieder etwas besonderes – ahnt man den Größenunterschied, speziell was den Innenraum angeht.
Auch fällt die dynamischere Linienführung des Hanomag auf, während der Volkswagen bodenständiger erscheint.
Der Verfasser, der lange Zeit selbst einen 1200er Käfer im Alltag mit Vergnügen gefahren ist (u.a., weil er sich um die Funktionsfähigkeit der an sich leistungsfähigen Heizung kümmerte) würde aus heutiger Sicht dem erwachseneren Hanomag 1,3 Liter den Vorzug geben, auch wenn dessen Benzinverbrauch etwas höher war.
Leider gelang Hanomag jedoch wie vielen deutschen Herstellern mit überzeugenden Fahrzeugkonzepten eines nicht: der Sprung in die Großserienproduktion. So blieb es nach dem Krieg bei einem halbherzigen Versuch, mit dem 1951 vorgestellten Prototyp des Hanomag “Partner” nochmals einen PKW zu bauen.
Wie im Fall von Adler fragt man sich, was gewesen wäre, wenn man nach dem Krieg wieder in den Automobilbau eingestiegen wäre. Aber diese Frage stellt man sich bei der Beschäftigung mit Vorkriegsautos ohnehin ständig: Was wäre gewesen, wenn?
© Michael Schlenger, 2018. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://www.klassiker-runde-wetterau.com with appropriate and specific direction to the original content.