Ein Auto mit nur 15 PS Höchstleistung – konnte man damit jemals die Schwiegereltern beeindrucken? Dieser Frage wollen wir heute anhand eines prachtvollen Originalfotos aus der Sammlung des Verfassers nachgehen.
Den Typ 5/15 PS des Neckarsulmer Fahrzeugherstellers, der 1906 mit der Autoproduktion begonnen hatte, haben wir vor längerer Zeit bereits hier vorgestellt. Doch dabei handelte es sich um einen viersitzigen Tourenwagen.
Nunmehr können wir den raren Sport-Zweisitzer zeigen, der zwar ebensowenig sportlich war wie der Tourer oder die Limousine, aber zumindest rasant aussah:

NSU 5/15 PS Sport-Zweisitzer; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
In dem hinter den Vordersitzen steil abfallenden Heck war – wie hier zu besichtigen – noch eine ausklappbare Notsitzbank untergebracht.
Bei voller Besetzung mit Gattin und Schwiegermutter in der zweiten Reihe war es natürlich mit der sportlichen Optik vorbei und die 15 PS hatten ihre liebe Not.
Doch bevor wir über den technischen Stand des Wagens lächeln, wollen wir ihn in den richtigen Kontext stellen. Dazu geht es über 100 Jahre zurück – vielleicht die erste Überraschung.
Denn auch wenn diese schöne Aufnahme auf einer Ende der 1920er versandten Postkarte erhalten geblieben ist, zeigt sie eindeutig ein Modell aus der Zeit vor dem 1. Weltkrieg – das verraten vor allem die gasbetriebenen Scheinwerfer:
Elektrische Beleuchtung gab es zwar auch schon 1914 gegen Aufpreis – so auch bei diesem Wagen, der sich anhand der Kühlerplakette als NSU offenbart – doch auf zeitgenössischen Fotos sieht man so etwas nur ganz selten.
Ein weiterer Datierungshinweis ist die 1913 eingeführte birnenförmige Kühlermaske, die bei NSU erst nach dem 1. Weltkrieg einem schnittigen Spitzkühler wich wie bei so vielen Herstellern im deutschsprachigen Raum.
Anhand der Größe des Wagens können wir diesen als Basismodell 5/15 PS von NSU identifizieren. Es wurde ab 1914 gebaut, womit man auf die Konkurrenz der 1913 vorgestellten 5/12 PS Modelle von Wanderer und Opel reagierte.
Nachdem sich NSU zunächst mit Mittelklassewagen einen Namen gemacht hatte, konkurrierte man frühzeitig auch im Kleinwagensektor mit den etablierten deutschen Herstellern.

NSU-Originalreklame aus Braunbecks Sportlexikon 1910
Dabei setzte NSU bereits ab 1909 auf kleine Hubräume von etwas mehr als 1 Liter – bemerkenswert, da viele Autos jener Zeit großvolumig angelegt waren. Selbst das legendäre Volksauto Model T von Ford mit 20 PS besaß fast 3 Liter Hubraum.
Der NSU Typ 5/15 PS, den wir auf dem Foto sehen, kam mit lediglich 1,2 Litern Hubraum aus und war mit Spitze 60 km/h kaum langsamer als das US-Pendant.
Der entscheidende Unterschied war der Preis: 1914 begann die Fließbandfertigung des Ford T-Modells und damit wurde es auf einmal für die Arbeiter erschwinglich, die es fertigten – genau das wollte der kühle Rechner Henry Ford erreichen.
Damit konnte keiner der deutschen Hersteller mithalten, von denen die meisten bis Ende der 1920er Jahre nicht begriffen, dass der Schlüssel zum Volksautomobil in einer streng rationellen Produktionsweise lag.
So blieb ein Automobil in Deutschland 1914 (und selbst noch 25 Jahre später) eine exklusive Angelegenheit, ganz gleich wie bescheiden die Leistung war. Entsprechend zufrieden schaut der Schwiegersohn hier drein:
Der Ausschnitt lässt übrigens klar erkennen, dass das Verdeck bei einem Schauer die rückwärtigen Insassen buchstäblich im Regen hätte sitzen lassen.
Zudem hätten die Damen – eindeutig Mutter und Tochter – dann die Rückseite des Verdecks vor der Nase gehabt. Die beiden Herren waren also hier in privilegierter Position, ganz gleich wie das Kräfteverhältnis auch sonst ausgesehen haben mag.
Eine Sache mag noch erwähnenswert sein: Der adrette NSU Sport-Zweisitzer des Typs 5/15 PS scheint über eine Luxemburger Zulassung verfügt zu haben.
Bei einer Bevölkerung von etwas mehr als 250.000 vor 100 Jahren (Quelle) genügte in dem Zwergstaat damals offenbar ein vierstelliger Nummernkreis ohne ergänzende Buchstaben für alle dort zugelassenen Autos.
Über den Aufnahmeort wissen wir leider nichts. Das Foto mag irgendwann in den 1920er Jahren auf luxemburgischen Territorium entstanden sein, wo es durchaus mittelgebirgsartige Landschaften gibt.
Vom Leistungsvermögen her ist auch anderes denkbar: 1914 wurde ein serienmäßiger NSU 5/15 PS auf die 2.500 km lange Strecke von Neckarsulm ins spanische Barcelona geschickt, wo der Wagen nach Überwindung der Pyrenäen auch ankam…
Literatur: NSU Automobile, von: Klaus Arth, Verlag Delius-Klasing, 2. Auflage 2015
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