Die Begeisterung für das Automobil ist bis heute überwiegend Männersache. Dabei gab es schon immer Frauen, die sich in der Domäne der “Herrenfahrer” selbstbewusst und durchaus erfolgreich bewegten.
Dabei handelte es sich keineswegs um “Mannweiber”, die in einem damals noch extrem fordernden und hochriskanten Sport zeigten, dass sie mit Intelligenz und Kaltblütigkeit mithalten konnten.
Man denke nur an Ernes Merck, die es in den 1920er Jahren sogar zur Mercedes-Werksfahrerin brachte. Im Klausenpassrennen 1927 belegte sie den 2. Platz hinter Rudolf Caracciola – ein sensationeller Erfolg.
Hier sehen wir die als Ernestina Rogalla von Bieberstein in Pommern geborene Rennfahrerin auf einem Alfa-Romeo Typ RL Super Sport – einer Straßenversion des Siegerwagens der Targa-Florio auf Sizilien 1923:

Alfa-Romeo Typ RL Super Sport; zeitgenössisches Kosmos-Sammelbild aus Sammlung Michael Schlenger
Das Vorbild solcher rasanten und zugleich charmanten Damen mag damals die eine oder andere Geschlechtsgenossin bewogen haben, selbst Automobilistin zu werden – und sei es “nur” mit einem Großserienmodell wie dem Brennabor Typ R 6/25 PS, um den es im heutigen Blog-Eintrag geht.
Regelmäßige Leser werden sich vielleicht an folgende reizvolle Aufnahme des ab 1925 gebauten Modells des Herstellers aus Brandenburg an der Havel erinnern:

Brennabor Typ R 6/25 PS; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Gern stellt man sich die selbstbewusste junge Dame am Steuer des wohl erfolgreichsten aller Brennabor-Wagen vor, der damals unter anderem mit dem Adler 6/25 PS Modell konkurrierte.
Interessanterweise war Brennabor mit seiner in fast jeder Hinsicht unterlegenen Konstruktion am Markt weit erfolgreicher.
Der Adler besaß bereits Vierradbremsen, Vierganggetriebe und 12-Volt-Elektrik und erreichte Spitze 80 km/h (ggü. 70/km/h beim Brennabor), war aber rund 20 % teurer.
Brennabor konnte hier ein letztes Mal den Vorteil der rationelleren Produktionsweise ausspielen, der die Firma nach dem 1. Weltkrieg vorübergehend zum größten Autohersteller Deutschlands gemacht hatte.
Dabei war der Brennabor keineswegs weniger robust gefertigt als der Adler. Noch rund zehn Jahre nach seiner Produktion war im Jahr 1936 dieser Brennabor Typ R 6/25 PS in der Nähe von Roth bei Nürnberg unterwegs:

Brennabor Typ R 6/25 PS; Originalaufnahme aus Sammlung Michael Schlenger
Der Wagen stimmt in allen wesentlichen Details mit dem Brennabor auf dem vorherigen Foto überein, das Mitte der 1920er Jahre entstanden war.
Mancher “Youngtimer” der späten 1970er Jahre stand zehn Jahre nach der Produktion längst auf dem Schrottplatz – selbst Daimler-Benz baute damals sagenhafte Roster, ein finsteres Kapitel der Markengeschichte…
Zurück zum Brennabor des Typs “R” 6/25 PS, von dem es vor allem im Osten unserer Republik einige bis in das 21. Jahrhundert geschafft haben.
Hier nun das Foto des Wagens, das im Mittelpunkt des heutigen Blogeintrags steht – bislang das beste dieses Typs aus der Sammlung des Verfassers:

Brennabor Typ R 6/25 PS; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Dieser aus idealer Perspektive aufgenommene Brennabor war tatsächlich reine Männersache – zumindest bei der unbekannten Veranstaltung, an der die Herren einst in einem Tagungslokal irgendwo in Thüringen teilnahmen.
Der Wagen selbst war im Raum Kassel zugelassen, wenn nicht alles täuscht (Quelle: A. Herzfeld, Handbuch Deutsche Kfz-Kennzeichen Band 1, S. 85).
Dem aufmerksamen Betrachter werden die abweichenden Luftschlitze in der Motorhaube auffallen. Doch neben den schräggestellten schmalen Schlitzen finden sich auf Originaldokumenten auch die fünf breiten wie auf dem Foto:

Brennabor Typ R 6/25 PS, aus: “Die Motorfahrzeuge” von P. Wolfram, 1928
Vielleicht kann ein sachkundiger Leser sagen, inwieweit die Form der Luftschlitze baujahrabhängig war. An der Identifikation des Wagens als Brennabor Typ R 6/25 PS gibt es jedoch keinen Zweifel.
Wie immer wollen wir die Menschen nicht unerwähnt lassen, die uns auf dieser rund 90 Jahre alten Aufnahme entgegenblicken. Es ist nicht ganz klar, was die Herren einst verband, die zwei (wenn nicht drei) Generationen anzugehören scheinen.
Vertreten sind hier der “Vatermörder-Kragen” der Zeit vor dem 1. Weltkrieg, die Krawattenmode der 1920/30er Jahre und eine sportliche Variante, die ganz auf Schlips oder Fliege verzichtete:
Abgesehen von den zwei braungebrannten Herren scheinen wir hier “Schreibtischtäter” vor uns zu haben, vielleicht Angehörige einer studentischen Verbindung oder einer anderen Organisation aus der akademischen Welt.
Wie immer bei solchen Aufnahmen ist der Verfasser dankbar für alle Anmerkungen oder auch Korrekturen, die zum Verständnis der Aufnahmesituation beitragen. Das gilt auch für die zweite Ausschnittsvergößerung aus dem Foto:
An der Fassade des Hauses im Hintergrund ist “Joh. Oscar Grabe” zu lesen, außerdem “Thuringia Bier”. Erlauben die beiden Informationen eine Lokalisierung der Örtlichkeit, an der unsere Herren einst mit dem Brennabor posierten?
Abgesehen davon, liebe Leser – schauen Sie mal in die Gesichter der acht Männer, die wir auf diesem Ausschnitt vor uns haben. Da sieht man trotz formeller Kleidung jede Menge Charaktertypen…