Heute konnte der Verfasser dieses Blogs für Vorkriegsautos auf alten Fotos mehrere unbekannte Fahrzeuge auf Bildern in seinem Fundus näher bestimmen.
In einigen Fällen ist der Erwerb ergänzender zeitgenössischer Reklamematerialien nötig, um ein umfassendes Bild der jeweiligen Autotypen zeichnen zu können.
Kostenlos ist so ein Hobby nicht zu betreiben. Doch konstant über 1.500 Besucher pro Monat, der Zuspruch, die Anmerkungen und Bilderbeiträge von Lesern sind Lohn genug. Zum Glück ist die Sache (noch) nicht vergnügungssteuerpflichtig…
Einen der neu identifizierten Wagen können wir schon heute zeigen. Der Typ ist an sich ein alter Bekannter, aber auch das will ja erst einmal ermittelt werden:

Fiat 520 Tourenwagen; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Der Anblick eines solchen klassischen Tourenwagens der 1920er Jahre ist immer wieder eine Freude, selbst wenn das Auto erst einmal ein Rätsel darstellt.
Dabei wissen Leser dieses Blogs, dass der Verfasser gar kein besonderer Anhänger dieses sachlichen Stils ist, den viele Großserienhersteller ab 1925 pflegten.
Die kastigen Türen und die statische waagerechte Linie der Gürtellinie des Wagens lassen die Spannung vermissen, die speziell deutsche Autos noch Anfang der 1920er Jahre auszeichnete.
Hier zum Vergleich ein Stoewer des Typs D3, aufgenommen im Jahr 1921:

Stoewer D3; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Dieser schon im Stand dynamisch wirkende Tourenwagen mit v-förmig geteilter Frontscheibe trifft eher den Geschmack des Verfassers dieses Blogs – aber solche Stilfragen sind immer subjektiv.
Im 21. Jahrhundert, in dem (bislang) bei vielen Automobilen keine nachvollziehbare gestalterische Logik mehr obwaltet, sind die klaren Linien des Wagens auf dem eingangs gezeigten Foto jedenfalls eine Wohltat.
Dabei mag eine Rolle spielen, dass es sich um ein Auto aus Italien handelt, dem Mutterland fast aller Schönheit, die Europa einst auszeichnete.
Der handschriftliche Vermerk auf der Rückseite des Abzugs gibt einen Hinweis in dieser Richtung: “Fahrt nach Rapallo” steht dort geschrieben. Also entstand das Foto unweit des traditionsreichen Badeorts im italienischen Ligurien.
Schauen wir genauer hin:
Auf drei Elemente sei der Betrachter hingewiesen:
- den markant profilierten Chromring am Frontscheinwerfer,
- den oben spitz zulaufenden Ausschnitt des Armaturenbretts,
- den Abstand des oberen Abschlusses der Luftschlitze von der Zierleiste auf der Motorhaube.
Das erscheint erst einmal wenig charakteristisch. Doch folgendes Vergleichsfoto macht deutlich, dass genau diese Details eine Identifikation erlauben:
Man muss hier nichts mehr eigens aufzählen. Praktisch alle Details stimmen überein, sogar die Gestaltung des Verschlusses am Batteriekasten!
Das Vergleichsfoto zeigt einen Fiat des 6-Zylindertyps 520, der ab 1927 gebaut wurde (Porträt). Es war übrigens der erste Serien-Fiat mit Linkslenkung, ein weiteres Indiz dafür, dass das Foto der Fahrt nach Rapallo ebenfalls so einen Wagen zeigt.
Mit dem Fiat 520 boten die Turiner eine kompaktere Alternative zu ihrem seit 1926 gebauten 3,5 Liter-Sechszylindertyp 512 an. Der Typ 520 leistete ebenfalls 46 PS, aber bei einem Hubraum von nur 2,2 Litern.
In einer noch kleineren Version mit 1,9 Litern war der Fiat 520 als Taxi verfügbar. So einen Wagen haben wir nach der Lage der Dinge vor uns:
Gut zu erkennen ist hier die Linkslenkung. Der Fahrer dieses Taxis trägt die damals übliche Chauffeursmütze. Wenn es nach dem Verfasser ginge, könnte man bei heutigen Taxifahrern gern wieder dieses uniforme Outfit einführen…
Ein Wort aus heutiger Sicht sei noch zum Aufnahmeort nahe Rapallo erlaubt:
Im berühmten Vertrag von Rapallo vereinbarten die einstigen Kriegsgegner Deutschland und Russland 1921 den Verzicht auf Reparationszahlungen und die Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen.
Den westlichen Alliierten gefiel dieser Schachzug nicht – dabei wäre ihnen (und uns) bei einer ähnlichen Annäherungspolitik das national-sozialistische Regime und der 2. Weltkrieg wohl erspart geblieben.
Übrigens: Dieser Fiat und alle ab Mitte der 1920er Jahre gebauten Wagen der Turiner Marke verfügten bereits über Vierradbremsen. Kein Grund also, im 21. Jahrhundert Angst vor Vorkriegsautos zu haben….