In jeder Hinsicht Spitze: Austro-Daimler 25 PS

Freunde österreichischer Vorkriegsmarken kommen in meinem Blog immer wieder auf ihre Kosten – von bekannten Herstellern wie Steyr, Puch oder Gräf & Stift reicht die Palette bis hin zu Exotenfabrikaten wie Grofri, Perl oder Baja.

Ich habe nicht den Eindruck, dass in Deutschland die reiche österreichische Automobilgeschichte der Vorkriegszeit online so gewürdigt wird. Marken aus KuK-Zeiten wie Praga habe ich ebenfalls gestreift – in der Hinsicht lässt sich aber noch mehr tun.

Heute ist aber erst einmal wieder Austro-Daimler an der Reihe, mit etwas keineswegs Alltäglichem. Leser meines Blogs haben schon mit einer ganzen Reihe der luxuriösen und ausgezeichnet motorisierten Wagen Bekanntschaft gemacht, die von der 1899 in Wien gegründeten Österreichischen Daimler-Motoren-Gesellschaft gebaut wurden .

Zuletzt hatte ich zum wiederholten Mal einen Austro-Daimler des nach dem 1. Weltkrieg von Ferdinand Porsche neu konstruierten Typs 6-17 besprochen (Porträt). Hier zur Erinnerung das Prachtstück:

Austro-Daimler Typ AD -17; Originalfoto aus Sammlung Matthias Schmidt (Dresden)

Heute kann ich erstmals eines der kleineren Modelle mit 25 bzw. 35 PS präsentieren, die Anfang der 1920er Jahre parallel dazu erhältlich waren.

Sie basierten noch auf Vorkriegsentwürfen und besaßen lediglich Vierzylindermotoren. Dennoch legte Austro-Daimler auch bei diesen kleinen Typen Wert auf ein nicht alltägliches Äußeres und beste Verarbeitung.

Billig konnten solche Manufakturwagen natürlich auch bei schwächerer Motorisierung nicht sein, weshalb sich manche Käufer auch bei den kleinen Austro-Daimler-Wagen für eine individuelle Karosserie entschieden.

Ein besonders hübsches Beispiel zeigt die folgende Aufnahme aus meinem Fundus:

Austro-Daimler 25 PS Typ; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Der Abzug ist im Original stark verblasst und gerade im vorderen Bereich unscharf. Daher hat es eine ganze Weile gedauert, bis ich Hersteller und Typ identifizieren konnte.

Letztlich brachten mich die Umrisse des Kühlers – und speziell die Konturen an der oben vorkragenden Spitze auf Austro-Daimler (zum Vergleich sei ein Blick auf den Kühler des oben gezeigten Typs 6-17 PS angeraten).

Auch die Drahtspeichenräder und die Gestaltung der Zentralverschlussmutter passten zu dem Wiener Luxushersteller. Einzigartig scheint mir jedoch die Karosserie zu sein.

Hier ist nicht nur der Kühler „spitze“, sondern auch das nach Art sportlicher Motorboote auslaufende Heck. Effektvoll wirkt daneben die nach innen gewölbte Karosserieflanke – sie verleiht dem Aufbau eine schlanke „Taille“.

An der Frontpartie hat man zwar auf den ersten Blick den Eindruck, dass die Oberseite der Motorhaube wie die Schutzbleche dunkel vom hellen Karosseriekörper abgesetzt ist, doch der Eindruck täuscht – es handelt sich wohl nur um dem Gebäudeschatten:

Vielleicht kann jemand etwas zu den Schildern an der Hauswand im Hintergrund sagen. Dasjenige mit dem merkwürdigen Logo in der Mitte konnte ich nur teilweise entziffern.

Auf ein Wort mit wohl sechs Buchstaben folgte „Bayerische(r/s)“, in der vorletzten Zeile steht „Automobil“ gefolgt von einem Wort aus vier Buchstaben. Nachtrag: „Kartell Bayerischer Automobil Clubs“ – lautet vermutlich die Lösung, wie mir ein Leser mitteilte.

Das Schild darunter könnte auf die „American Automobile Association“ (AAA) verweisen, der seit altersher die Funktion des ADAC in den Vereinigten Staaten wahrnimmt und auch in europäischen Großstädten präsent war.

An der Seitenpartie fällt das Fehlen eines durchgehenden Trittbretts und eines Schwellerblechs am Rahmen auf, so ist die Auspuffanlage frei sichtbar. Ein hübsches Detail ist das kleine Trittbrett für den Einstieg, dessen Schatten auf der Straße vermuten lässt, dass es durchbrochen gearbeitet war.

Weiter hinten, vor dem Kotflügel ist schemenhaft eine kleinere Stufe zu sehen, die zusammen mit dem ausklappbaren Element in der Flanke offenbar den Zugang zu einem Notsitz im Heck ermöglichte:

Hier legte jemand wohl Wert auf eine möglichst minimalistische Optik in Verbindung mit einer sportlichen Karosse – ich finde das Ergebnis ausgeprochen reizvoll. Der kurze Radstand ist übrigens aus meiner Sicht ein Hinweis auf die Motorisierung mit 25 PS.

Bleibt die Frage, wer diesen Aufbau geschneidert hat, die in jeder Hinsicht „spitze“ ist und ihresgleichen sucht – zumindest in der mir zugänglichen Literatur…

© Michael Schlenger, 2020. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

2 Gedanken zu „In jeder Hinsicht Spitze: Austro-Daimler 25 PS

  1. Perfekt, das passt. Kannte ich noch nicht. Ganz herzlichen Dank!

  2. Sehr geehrter Herr Schlenger,
    ich lese Kartell Bayrischer Automobil Clubs
    Mit freundlichen Grüßen
    THomasBillicsich

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