Eigentlich hatte ich für heute – den 24.12.2022 – etwas anderes geplant in meinem Blog.
Ich freue mich zwar für alle, denen Weihnachten eine heilige oder zumindest liebe Tradition ist – mir ist das Fest aber nicht so wichtig und so wollte ich bloß einen winterlichen Fotoausflug in alte Zeiten ohne feierliche Begleitung unternehmen.
Fortuna – meine alte Freundin – hat mich aber unter ihre Fittiche genommen und auch für mich eine schöne Bescherung vorgesehen, bei der mir die Augen glänzen.
Dazu hat sich die holde Göttin des Glücks jedoch nicht selbst herbeibemüht – sie hat zuviel zu tun auf Erden und kommt leider nicht damit nach, alles Elend zu lindern. Stattdessen hat sie als Boten einen Leser meines Blogs auserkoren, dem wir hier (wie weiteren Sammlerkollegen) schon einige kostbare Momente verdanken.
Er hat mir zu Weihnachten ein Geschenk gemacht – wenn auch nur in digitaler Form – das so großartig ist, dass ich es nicht für mich behalten kann. Auf den ersten Blick mag es so gar nicht zur Jahreszeit passen – aber warten Sie es ab: das gibt eine schöne Bescherung!

Na, was sagen Sie? Stört die sommerliche Atmosphäre die weihnachtliche Stimmung? Ich glaube nicht – der Wärme und dem Licht strebt der Mensch doch gerade jetzt zu.
Der Gedanke an einen strahlenden Sommertag am Meer ist mitten im Winter, wenn uns Dunkelheit und Grau zu schaffen machen, etwas Kostbares. Kostbar war freilich auch das traumschöne Sport-Cabriolet, das wir hier vor uns sehen.
Es trug nach den Recherchen des Besitzers des Fotos – Jörg Pielmann – einen Aufbau der Berliner Karosseriebaufirma Buhne. Der Stil des Wagens war Anfang der 1930er Jahre in Deutschland keineswegs einzigartig, aber dennoch verdient die Ausführung unbedingtes Lob.
Im Unterschied zu den ähnlichen Sport-Cabriolets von NAG hatte man sich bei Buhne für horizontale Luftschlitze statt senkrechter entschieden – damit hatte bereits Stoewer Ende der 1920er Jahren seinen 8-Zylinderwagen besondere Eleganz verliehen.

Würden Sie anhand dieses Ausschnitts auf den Hersteller des Wagens kommen? Ich jedenfalls nicht. Die Kühlerfigur ist nicht zu erkennen und die Gestaltung der Radkappen erscheint mir ziemlich einzigartig.
Zum Glück existiert eine zweite Aufnahme, die uns in dieser Hinsicht Klarheit verschafft, doch zuvor muss ich Sie noch mit ein wenig Wissen zu dem einstigen Besitzer dieses wunderbaren Wagens belästigen.
Das Auto gab 1932 ein gewisser Marcel Wittrisch bei Buhne in Auftrag. Auch wenn ich mich zu den Freunden der klassischen Oper zähle und einige Vertreter dieses Fachs aus der Vorkriegszeit schätze – vor allem Lauritz Melchior – war mir nicht bekannt, dass der 1903 in Antwerpen geborene Wittrisch zu den bedeutenden Tenören seiner Zeit zählte.
Neben klassischen Bühnenrollen machten ihn vor allem Liedervorträge und -platten bekannt. Seine Stimme besaß die seltene Mischung aus lyrischer Qualität und – bei Bedarf – der nötigen Kraft für Heldenfiguren. Ich komme darauf zurück.
Jedenfalls war Marcel Wittrisch in beiden Welten außerordentlich erfolgreich – über 300 Platten nahm er auf – davon können selbst heutige Spitzensänger nur träumen.
Dieser Erfolg war es, der ihm nicht nur den Erwerb eines Manufakturwagens ermöglichte, sondern offenbar auch die Gunst attraktiver Vertreter des weiblichen Geschlechts einbrachte:

Wir dürfen wohl davon ausgehen, dass die beiden Ladies nicht Wittlichs Schwestern oder Managerinnen waren – gern wüsste man mehr über sie. Bekanntlich sind manche Männer ja mehreren Frauen nebeneinander zugetan und diese wissen dann sogar voneinander.
Doch hier betreten wir das dünne Eis der Spekulation. Vielleicht bevorzugte Marcel Wittlich neben seinem fordernden Beruf ja bloß platonische Beziehungen zu Frauen, die wiederum fest gebunden und mit der Gesellschaft des bewunderten Künstlers zufrieden waren.
An „Jüngerinnen“ scheint es unserem Heros dabei nicht gemangelt zu haben – das beweist eine zweite Aufnahme, die uns dann auch Aufschluss über den Hersteller des Autos gibt – und das, liebe Leser, ist nun wirklich eine Bescherung, wie sie schöner kaum sein könnte:

„Das ist doch ein Austro-Daimler“, ruft jeder Kenner aus, der sich von dem mittlerweile auf drei Damen gewachsenen weiblichen Gefolge ablenken kann.
So ist es, und es wird sich dabei um einen Wagen des Typs ADR handeln, der ab 1928 mit 6-Zylindermotor (70 PS) und ab 1930 mit Achtzylinder (100 PS) gebaut wurde. Äußerlich sind die beiden Modelle bei einer solchen Sonderkarosserie schwer auseinanderzuhalten – vielleicht kann ein Spezialist den genauen Typ benennen.
„Ist ja eine schöne Bescherung, wie werde ich die Mädels jetzt wieder los?“, mag unser Sangesheld bei dieser Gelegenheit gedacht haben:

Tja, bei diesem Luxusproblem können wir Marcel Wittrisch leider nicht behilflich sein.
„Ich singe ihnen nachher etwas vor, dann werden sie schon zufrieden sein“. – Damit ist zumindest etwas Zeit gewonnen, aber heimgehen wollen werden die Damen dann erst recht noch nicht.
„Das ist ja eine schöne Bescherung, wie werde ich nur die anderen los“, könnte die eine oder andere unterdessen gedacht haben.
Wir wissen nicht, wie der Tag für die Beteiligten geendet hat, hoffen aber, dass er einen harmonischen Ausklang nahm (dass es dabei etwas Hübsches auszupacken gab, das denken nur SIE, meine Herren…).
Ich will sie nun mit dieser schönen Bescherung in einen hoffentlich schönen Heiligen Abend entlassen, nicht aber ohne vorher Marcel Wittrisch selbst zu Wort kommen zu lassen.
Nehmen Sie sich ein paar Minuten Zeit und achten Sie darauf, wie ab etwa 1:45 min aus dem lyrischen Liedsänger mit einem Mal ein heroischer Wagner-Tenor wird. Kein Wunder, dass diesem Lohengrin die Frauen wie die Tauben zuflogen…
Michael Schlenger, 2022. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.