Der Hanomag “Sturm”, das 1934 eingeführte 6-Zylinder-Spitzenmodell der Marke, wurde nach meinem Eindruck meist mit geschlossenen Aufbauten verkauft, die von der Berliner Karosseriefirma Ambi-Budd geliefert wurden.
Dieser Hersteller war auf industriell gefertigte Ganzstahlaufbauten spezialisiert, die nach US-Vorbild in großen Serien entstanden. Eine sonderlich vielfältige Gestaltung erwartet man hier nicht gerade.
Doch ging beides bis zu einem gewissen Grad zusammen und ergab ein trotz Großserie durchaus abwechslungsreiches Bild.
Vorführen will ich dies heute anhand einer ganzen Reihe von Fotos des Hanomag “Sturm”, an deren Ende jedoch eine Cabriolet-Ausführung steht, die ich noch nicht einordnen kann. Beginnen wir mit einem ganz konventionellen geschlossenen Exemplar:

Hier sehen wir die wohl häufigste Variante des Hanomag “Sturm” – die viertürige Limousine mit sechs Seitenfenstern.
Dieser von Ambi-Budd gefertigte Aufbau wurde parallel auch von Adler beim Modell “Diplomat” verwendet, weshalb sich die beiden Wagen von der Seite recht ähnlich waren.
Ein interessanter Unterschied betrifft allerdings die Zahl der Fenster. So sind mir vom Adler “Diplomat” bislang nur viertürige Limousinen mit vier statt sechs Seitenfenstern bekannt. Das verlieh dem Adler eine fast coupéhafte Anmutung, die ich sehr ansprechend finde:

Trotz Verwendung der identischen Karosserie von Ambi-Budd findet sich die viertürige Limousine des Hanomag “Sturm” nach meinem Eindruck immer mit sechs Fenstern wie auf dem eingangs gezeigten Foto.
Diese Ausführung wurde wiederholt auch in Reklamen von Hanomag wie beispielsweise dieser hier reproduziert:

Die zusätzliche Luftklappe hinter der Motorhaube findet sich beim Hanomag “Sturm” des öfteren. Dabei handelte es sich nicht um eine weitere Klappe zum Ableiten erwärmter Luft aus dem Motorraum, sondern eine gegenläufig zu öffnenden Klappe zur Belüftung des Innenraums, die ein Extra gewesen zu sein scheint.
Ambi-Budd baute auch eine ähnliche Karosserie mit nur zwei Türen, die beim Hanomag “Sturm”, nicht aber beim Adler “Diplomat verwendet wurde. Diese Variante stellte dann ein tatsächliches Coupé dar.
Ein solches Exemplar, welches zudem einen kürzeren Radstand aufzuweisen scheint und aus meiner Sicht attraktiver war als der massige Viertürer, ist auf dem folgenden charmanten Foto zu sehen:

Gut zu erkennen sind hier übrigens die vom Adler “Diplomat” deutlich abweichenden Radkappen des Hanomag-Modells, deren Größe besser zu den Dimensionen des Wagens passen und die dank der Vollverchromung einen willkommenen Glanzeffekt liefern.
Von wahrscheinlich demselben Wagen habe ich später eine weitere Aufnahme gefunden, die offenbar nach Kriegsausbruch im Jahr 1939 entstanden ist, wie die Verdunkelungsschlitze der Frontscheinwerfer erkennen lassen.

Der im Raum Berlin (Kürzel “IA”) zugelassene Wagen war von der Beschlagnahme für das Militär verschont geblieben, weil der Besitzer ein nicht abweisbares Bedürfnis nachweisen konnte.
Kenntlich gemacht wurde dies mit einem roten Winkel auf dem Nummernschild, den man auf obiger Aufnahme zwischen der Identifikation “IA” und der laufenden Nummer erkennen kann.
Der zwar geneigte, aber flache Kühler findet sich – wenn ich es richtig sehe (thematisiert wird dies in der Literatur zu Hanomag-PKWs nirgends) – bei frühen Exemplaren des Modells (1934/35). Später findet sich eine stärker gewölbte Ausführung, die hier gut zu studieren ist:

Festzuhalten für später ist die Position des Griffs an der Motorhaubenseite sowie der dahinter befindlichen Haubenhalterung, von der hier nur der verchromte Zuggriff zu sehen ist. Links davon befindet sich die typische Ambi-Budd-Plakette – ein abgerundetes Dreieck mit mit den Buchstaben ABP.
Das Emblem begegnet uns auf einer Postkarte wieder, die nun eine von Amb-Budd angebotene Cabriolet-Ausführung zeigt. Diese wurde auf der Internationalen Automobil- und Motorrad-Ausstellung (IAMA) in Berlin 1935 präsentiert:

Hier findet sich noch die erwähnte flache Ausführung des Kühlergrills, die 1936 einer gewölbten gewichen zu sein scheint. Die gesamte Frontpartie scheint – wie man es auch erwarten würde – bis ins Detail derjenigen der Limousine zu entsprechen.
Wichtig für die weitere Betrachtung ist der Verlauf der in Wagenfarbe gehaltenen Zierleiste entlang der Flanke, die nach hinten leicht abfallend bis zum angesetzten Kofferraum reicht.
Genau diese Ausführung des Hanomag “Sturm” mit Cabriolet-Aufbau von Ambi-Budd fand ich auf einem Foto aus dem Zweiten Weltkrieg, das einen solchen Wagen in Wehrmachts-Diensten zeigt:

Das auf der IAMA 1935 gezeigte Cabriolet von Ambi-Budd war demnach nicht nur ein Einzelstück auf Basis des Hanomag “Sturm” zur Illustration des Karosseriestils, sondern wurde in dieser Ausführung auch von Hanomag verkauft .
Während soweit die Dokumentation der unerschiedlichen, für den Hanomag “Sturm” erhältlichen Standardaufbauten von Ambi-Budd unproblematisch ist, stellt sich das im Fall der folgenden Aufnahme anders dar, welche mir Leser Marcus Bengsch zur Verfügung gestellt hat:

Die oben erwähnten Details wie Haubengriff- und -halter, Luftklappen und Radkappen finden sich genau so wieder. Auch meint man eine gewölbte Kühlerfront zu erkennen, an der sich schemenhaft das Hanomag-Emblem abzeichnet.
An der Ansprache des Cabriolets als Hanomag “Sturm” ab 1936 auf dem Foto von Marcus Bengsch besteht demnach aus meiner Sicht kein Zweifel. Allerdings bereitet die Gestaltung der Seitenpartie Schwierigkeiten, weicht sie doch deutlich von der oben gezeigten Ambi-Budd-Version ab.
Zwar erwähnt die Literatur neben Ambi-Budd mehrere Hersteller offener Aufbauten auf Basis des Hanomag Sturm, doch keine der dort abgebildeten Wagen will passen.
Die nähere Betrachtung der wie ein Kometenschweif geformten, nach hinten abfallenden Zierleiste an der Flanke brachte mich zunächst auf die Idee, dass es sich vielleicht um eine seltene Cabriolet-Ausführung von Gläser handeln könnte:

Bei Gläser-Aufbauten der zweiten Hälfte der 1930er Jahre findet man dieses Gestaltungselement öfters. Allerdings war die seitliche Zierleiste bei den mir bekannten Gläser-Karosserien stets verchromt, während sie hier in Wagenfarbe gehalten ist.
Jedoch ist denkbar, dass wir es mit einem später umlackierten Fahrzeug zu tun haben, das erst nach nach dem Zweiten Welkrieg aufgenommen wurde. Möglicherweise handelt es sich um einen Wagen, der zwischenzeitlich eine militärische Lackierung erhalten hatte, für die man um der besseren Haltbarkeit des Lacks willen die Chromschicht der Zierleiste abgeschliffen hatte.
Das würde erklären, weshalb diese Partie hier in Wagenfarbe erscheint, während die vollverchromten Scheinwerfer aus Altbestand nachgerüstet worden sein dürften – jedenfalls fanden sich diese nach meiner Wahrnehmung so nicht am Hanomag “Sturm”.
Eine zwischenzeitliche Karriere bei der Wehrmacht könnte auch die Ursache der Beschädigung der Karosserie im Bereich des hinteren Türendes gewesen sein, die ich mir nur mit einem Unfall erklären kann.
Mehr vermag ich leider auf dem derzeitigen Kenntnisstand nicht zu diesem interessanten Cabriolet auf Basis eines späten Hanomag “Sturm” zu sagen. Wie immer interessiert mich die Meinung von Lesern, die eventuell mehr dazu sagen können.
Nachtrag: Leser Gerd Klioba verwies mich auf die Aufnahme eines solchen Cabriolets (hier), dessen Aufbau ebenfalls von Ambi-Budd stammt – wie es scheint, wies die spätere Ausführung die erwähnte Gestaltung der Zierleiste auf, die mich zunächst an Gläser denken ließ.
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Besten Dank, Herr Klioba! Es scheint, als habe es hier zwei Ausführungen gegeben – die mit der breiten Zierleiste in Form eines Kometenschweifs war wohl die spätere.
Auch bei dem Cabriolet auf dem Foto von Herrn Bengsch dürfte es sich um einen Ambi-Budd-Aufbau handeln, vgl. https://www.coachbuild.com/forum/viewtopic.php?f=345&t=5980&p=63158&hilit=sturm#p63158