Autos und Zweiräder der Vorkriegszeit gehören zu den wenigen Zeitmaschinen, die einen zuverlässig in die Welt von gestern zurücktransportieren.
Zusammen mit einer mechanischen Sucherkamera, einem Grammophon und einer Schreibmaschine ist man mit nahezu allem ausgestattet, was damals an “moderner” Alltagstechnologie verfügbar war – sofern man das Kleingeld dafür hatte.
Doch schon eine Landpartie mit dem Automobil braucht etwas Vorbereitung. Der Wagen hat nämlich den Winter über in der Garage gestanden. Da kann man nicht einfach losfahren. Also schauen wir erst nach Reifendruck, Benzin, Kühlwasser und Ölstand, alles in Ordnung.
Während der Standzeit ist das Motoröl nach unten abgesackt – bei einem Kaltstart würden Bauteile wie die Ventile eine Weile ohne Schmierstoff arbeiten müssen – nicht gut.
Also drehen wir den Motor bei ausgeschalteter Zündung etliche Male mit der Anlasserkurbel durch – je nach Hubraum schrauben wir zuvor die Zündkerzen heraus, dann geht’s leichter, weil der Verdichtungsdruck der Kolben nach außen entweichen kann.
Als nächstes wird dem Vergaser frischer Sprit zugeführt. Bei Wagen mit Tank im Heck erledigt das während der Fahrt eine mechanische Benzinpumpe am Motor.
Doch zum Start müssen wir an dieser erst einmal von Hand Kraftstoff nach vorne fördern, sonst orgeln wir endlos beim Anlassen. Bei manchen Modellen flutet man noch die Schwimmerkammer des Vergasers von Hand. Spannend ist das, nicht wahr?

Dann den Zündzeitpunkt am Lenkrad oder Armaturenbrett auf “spät” gestellt, sofern keine Automatik vorhanden, und die Luftzufuhr am Vergaser gedrosselt (“Choke”), damit das Gemisch möglichst “fett” und entsprechend zündwillig ist.
Schalthebel in Leerlaufposition und Zündung betätigt – nach kurzer Zeit springt der Motor an – so sollte es jedenfalls sein. Wenn nicht, hat man ein Problem…
Wir haben heute keine Probleme, denn mit etwas Vorbereitung läuft alles wie geschmiert unter der Haube und wir kommen zuverlässig ans Ziel – heute mit einem Citroen B14 Tourer!
Um auf der sicheren Seite zu sein, machen wir uns erst einmal mit einer Limousine dieses von 1926-28 auch im Kölner Citroen-Werk gebauten Typs vertraut:

Wenn ein Taxifahrer wie in diesem Fall einen solchen Wagen wählte, war das im Regelfall ein Qualitätsausweis. Tatsächlich vertrauten in der zweiten Hälfte der 1920er Jahre auch viele deutsche Käufer auf dieses französische Modell – zumal es devisenschonend fast vollständig mit heimischen Materialien und Vorprodukten gefertigt wurde.
Wir behalten aber nur ein Detail dieses Wagens im Hinterkopf: das Schubfach in der Schwellerpartie mit den beiden glänzenden Knöpfen.
Diesem begegnen wir im Rahmen unserer Vorbereitungen gleich wieder, jetzt an einem Citroen B14, der am Klausenpass eine Pause zur Abkühlung des Motors einlegte:

Hier registrieren wir erneut auch die acht schmalen und hohen Entlüftungsschlitze in der hinteren Hälfte der Motorhaube sowie die vier Radbolzen an den Scheibenrädern, diesmal sogar mit einer verchromten Kappe versehen.
Bis auf die erwähnte Schublade im Schweller sehen wir alle diese Details auf der folgenden Aufnahme wieder, die einen weiteren Citroen B14 zeigt – nun aber in der preisgünstigeren Tourenwagenausführung.
Diese besitzt aber immerhin eine Zweifarblackierung und eine zusätzliche Windschutzscheibe für die Passagiere auf den hintersten Sitzen:

So, das war jetzt aber genug der Vorbereitung. Wir haben unterdessen unseren Wagen klargemacht, zum Laufen gebracht und uns vergewissert, dass keine ungewöhnlichen Geräusche auftreten oder Flüssigkeiten austreten.
Dann kann’s ja losgehen – denn heute steht eine beschauliche Landpartie an. Die Schwiegermutter will besucht werden bzw. will die Tochter wieder einmal mit allerlei Weisheiten zu Ehealltag und Haushaltsführung bedenken.
Irgendwann ist dort der Kuchen verputzt, der Kaffee getrunken und der Gesprächsstoff erschöpft – zum Glück hat man ein Automobil und damit einen Vorwand, sich rechtzeitig zu absentieren: “Muss jetzt noch nach dem Wagen schauen, liebe Schwiegermama, Du weißt ja: Diesen Franzosen ist nicht zu trauen, da hilft nur deutscher Ordnungssinn!”
Draußen am Auto zündet sich der Automobilist erst einmal eine Zigarette an. Dann schaut er bei geöffneter Haube nach der Kraftstoffzufuhr – auf der Hinfahrt hatte der Motor unterwegs etwas geruckelt. Sieht aber alles dicht aus, vielleicht waren noch ein paar Rückstande im Tank, die kurzzeitig im Vergaser hängengeblieben waren.
Schon tritt die bessere Hälfte vor die Tür, verdreht die Augen und bedeutet: “Lass’ uns bloß losfahren, für heute habe ich genug Belehrung erfahren”.
Das ist das erhoffte Signal, es kann losgehen und der Citroen fliegt mit Tempo 80 zurück über die Landstraße. Allerdings will es das Gesetz des Automobilismus, dass man noch eine Pause im Wald einlegt, um dem Wagen Gelegenheit zur Abkühlung zu geben und den Besuch bei der Schwiegermutter mit einem Kontrastprogramm zu kompensieren.
Darunter kann man sich jetzt alles Mögliche vorstellen, jedenfalls gehört es dazu, dass man unter diesen Umständen die bessere Hälfte am Lenkrad des Wagens ablichtet. Auch in dem Moment erweist sich der Wert einer guten Vorbereitung.
Denn hier stimmen nicht nur die Blende und Belichtungszeit der Kamera, sondern auch die Wiedergabe der Details, die wir benötigen, um genau zu wissen, was das für ein Auto war:

Ganz ehrlich: Ohne die frühere Beschäftigung mit dem Modell B14 von Citroen wäre ich wohl nie darauf gekommen, was das für ein Auto ist. Das Foto war schon einige Zeit Bestandteil meines Fundus, bis irgendwann der Groschen fiel.
Nebenbei: Das ist ein gutes Beispiel dafür, dass es nur wenige historische Autofotos gibt, die man von vornherein als hoffnungslosen Fall abschreiben kann. Nicht immer entdeckt man auf solchen zunächst unzugänglichen Aufnahmen Raritäten, doch manchmal auch das.
Wir sind heute jedenfalls glücklich mit dem Resultat unserer soliden Vorbereitung und werfen noch einen genaueren Blick auf den Citroen:

Sehen Sie sich einmal Größe und Neigung des Lenkrads an – man weiß, was damit anzustellen ist, aber das sieht noch ziemlich anders aus als das, was heute der billigste Kleinwagen zu bieten hat.
Immerhin scheint dieser Citroen einen elektrisch betriebenen Scheibenwischer besessen zu haben – darauf deutet der Motor oben an der Frontscheibe hin. Links von dieser ist der elektrisch ausklappbare Fahrtrichtungsanzeiger zu sehen, das war’s mit dem Komfort.
Werfen wir noch einen abschließenden Blick auf die Heckpartie des Wagens, wenn sich schon so eine Gelegenheit ergibt. Leider ist diese Partie dadurch beeinträchtigt, dass bei der Aufnahme unerwünschtes Seitenlicht in die Kamera eintrat:

Immerhin sehen wir hier gut die vor den rückwärtigen Passagieren angebrachte zweite Windschutzscheibe – ein nicht ganz alltägliches, aber sinnvolles Zubehör.
Studieren lässt sich außerdem ungewöhnlich gut die Befestigung des Verdeckgestänges sowie die Gestaltung des am Heck angebrachten Gepäckkoffers. War man an diesem Tag vielleicht doch nicht nur die Schwiegermutter besuchen gewesen?
Hatte man gar eine Fernreise unternommen? Ein verlockender Gedanke. Braucht nur etwas Vorbereitung, dann könnte es losgehen, von mir aus sehr gern im Citroen B14.
Michael Schlenger, 2023. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.
Naja – ganz so einfach war das nicht mit dem “Aufwecken”.
Auch bei “moderneren Autos gibts oft Ärger nach der Winterpause weben undichter Brems- und Kupplungshydraulik zum Beispiel.
Aber damals wollten viele Teile geschmiert werden, Lichtmaschinen, Bremsseile bzw. -gestänge, das Fahrwerk abschmieren.
Sofern keine “Zahnstange” – die alten Schneckenlenkungen glänzen durch systembedingte Undichtigkeiten (deswegen rate ich da zu Getriebebefliessfett) und Lenken möchte man irgendwie schon gerne, nicht wahr ?
Ob noch Getriebeöl drin ist und ob sich das Differentialöl nicht etwa in die Bremsen verdünnisiert hat, das ist auch einen Blick wert.
Das man vor der Fahrt die Bremsen und alle Leuchten prüft, sollte selbstverständlich sein.
Oft ist auch der Unterbrecher oder Verteiler oxidiert, das Benzin im Vergaser verharzt und die Düsen dicht und und und …
Aber je weiter man zurück geht, desto größer der Aufwand.
Oft war der Ventiltrieb nicht Teil des Ölkreislaufes, man musste von Hand immer wieder Ölen. Wirklich “Altes” hatte Verlustschmierung, einen Tropföler, der gereinigt, befüllt und eingestellt sein wollte, Konus-Kupplungen wollten mit Lebertran geschmiert werden.
Die Karbid-Beleuchtung wollte gereinigt, mit Karbid und frischem Wasser befüllt werden.
Die “Sauerei” mit den Ketten – nach jeder Fahrt demontieren, reinigen, fetten und wieder montieren – wer das einmal gemacht hat, schwört auf Kardanwelle ..
Die alten Dinger hatten sogenannte “Zischhähne”, an jedem Zylinder so einen kleinen Hahn mit einem Trichterchen obenauf, der beim Starten mit Leichtbenzin zu füllen war. Dann hieß es schnell sein: Zündung auf “spät”, Drosselklappe nach “Erfahrung”, Zischhähne auf (das Benzin floss in die Zylinder und der “Dekompressor” war an) und kurbeln was das Zeug hält –
hat man alles richtig gemacht, kommt der erste pif-paff – Zischhähne zu, Zündung und Gas nachregeln dass das Ding weiterlief – sonst alles von Vorn.
Das war der “normale” Startvorgang, auch ohne Winterpause.
Kein Wunder, daß bei den Damen die Elekro-Autos bei allen Nachteilen so beliebt waren (auch Oma Duck hat einen “Detroit Electric”) und das regelte
sich erst nach Erfindung des Anlassers …
NEE – das mit “reinsetzen und losfahren” – das kommt viel später .. .
Klasse Beitrag und interessante Kommentare!
Danke dafür an alle Beteiligten!
KD
Danke für die kundigen Ergänzungen, speziell zum Thema Wasser und Batterie.
Die Winterpause war bei den Automobilisten der Frühzeit der
Normalfall. Der arme Piccolo des Landarztes – da war die Luftkühlung schon vorteilhaft!
Ansonsten wurde das Wasser nämlich abgelassen…
Ich kenne es noch vom DKW des Großvaters. Man bockte das Auto auf , wegen der Reifen und um die Federn zu entlasten.
Zu Zeiten der Muskelkraft- Anlasser gab es für jeden Zyl.
einen “Zisch”-hahn, die man öffnete um die Andreharbeit zu erleichtern. Zeigten erste Verpuffungen das baldige An- springen des Motors an, mußte der Maschinist springen, um schnellstmöglich in der Reihenfolge der Zündfolge die Hähne zu schließen. Heraus- schrauben der Kerzen war erst nach dem Absaufen des Motors nötig, wenn man die Anwerfstellung zu fett gewählt hatte! Übrigens war vor WK I und bis in die Zwanziger Jahre
neben der Benzinförderung durch Gefälle die “Förderung durch Druck der Auspuffgase” üblich. Hier wurde der Sprit in eine an der Spritzwand angebrachte Dose, meist mit
Handpumpe für den Anlass- Vorgang, gefördert, wodurch das nötige Gefälle gegeben war.
Zur Inbetriebnahme nach langem Winter wurde dann der Kühler mit heißem Wasser aufgefüllt, um das steife Öl zu verflüssigen und damit das Anwerfen zu erleichtern.
War die im warmen Kartoffelkeller, besser noch Heizungskeller überwinterte Batterie frisch geladen und eingebaut, konnte ein Startvesuch unternommen werden. Üblich war die Überwinterung und fachgerechte Wartung der Batterie in der Werkstatt oder beim Batteriedienst. Säurestand prüfen, abspindeln (mittels Aerometer) und regelmäßiges Nachladen der kostbaren Batterie war hier gewährleistet.
Bei uns nahm der nette Herr Wagner von der DKW- Werkstatt im Nachbardorf vor Ostern mit der startbereiten Batterie den (dann nicht mehr aufgebockten) DKW in Betrieb. 1958 kam er im neuen, todschicken 1000er, chromblitzend, in Goldoliv mit Weisswandreifen – was für eine Schau !
Der erste B 14 zeigt die für Taxis der Zeit typische hohe Position der Stoßstange. Wäre interessant, den Grund hierfür zu erfahren – war aber sicher für alle Taxen wegen der Taxi- Stände in den Städten einheitlich.
Die erwähnte “Schublade” war vermutlich eher ein Wartungs-
Deckel für die Saugluft- Servo- Bremsanlage, die der B 14 ja bereits hatte. Ansonsten war ja knapp hinter der Fgst.- Schürze der Rahmenholm zu vermuten.
Werde mal bei dem bereits erwähnten B 14 eines Bekannten nachsehen.
An dem offenen Wagen sind selbstverständlich auch diese Deckel zu finden – man muß nur etwas suchen. Beim rechten Zopf des Mädels wird’ s heiß!
Dann kann’ s losgehen – halt: Abschmieren nicht vergessen !
Und Thempo Achtzig wäre doch sehr gewagt auf den Landstraßen dieser Tage, 60- 65 eher realistisch. Der B 14 hatte ja noch eine recht schmale Spurweite – anders als sein Nachfolger C 4.
Der Scheibenwischermotor war damals noch ungewöhnlich (1. Modell AVOG), wie auch die el. Winker eine neue Errungenschaft, von der Dewandre – Servo- Bremse ganz
zu schweigen. Wenn das kein Luxus war !
Ich wusste, dass ich etwas vergessen habe 🙂
Nicht vergessen sollte man regelmäßig, besonders nach einer längeren Standzeit, das Abschmieren der beweglichen Fahrwerksteile mit der Fettpresse.
Der Spitzkühlerwagen ist noch ein Mysterium.
Ein umfassend schöner und praxisgerechter Bericht von der Erweckung nach der Winterpause bis zu den Ausstattungsdetails eines Tourers am Beispiel des Citroën B14 ! Der Detailausschnitt vom Heck läßt hier auch die Abdeckung vor der Zusatzscheibe gut erkennen, die so ggfs. auch bei schneller Überlandfahrt dem Fond mehr Schutz vor Wind und Kälte bietet. Wer den Schlechtwetterschutz am Beiwagen des Gespanns oder beim Motorroller kennt, kann sich so auch den Sinn dieser Abdeckung vorstellen. Wie schnell auch da die Komfortverbesserung voranging, belegt nicht der 40 Jahre später erschienene Porsche Targa, sondern auch schon ein Jahrzehnt später der Peugeot 402 Eclipse decapotable, wobei so aber das Dach den Platz für den Schwiegermuttersitz beanspruchte. Für den familientauglichen Phaeton oder Tourer fand sich die marktgängige Fortführung in der Cabriolimousine. Zuletzt nochmal zum Anfang – denn für die in den Ecken abgeschrägte Spitzkühlerfront mit dem Kennzeichen M3780 fiele mir eine dritte französische Marke sein … oder ist es doch eine der einst hierzulande begründeten ?