Stets für eine Überraschung gut: Adler 6/25 PS

Mitte der 1920er Jahre schien die große Zeit der Automobile aus den Adlerwerken in Frankfurt/Main vorbei zu sein.

Die enorme Typenvielfalt der Zeit vor dem 1. Weltkrieg, die von Kleinwagen mit nur 1,3 Liter Hubraum bis zu 80 PS starken Giganten reichte, war ab 1920 einem deutlich geschrumpften Angebot gewichen.

Die großen Spitzkühlertypen wurden nur noch vereinzelt gebaut, der Schwerpunkt lag nun auf Wagen mit 6 bzw. 9 Steuer-PS, was etwa 1,5 bzw 2,3 Litern Hubraum entsprach. Doch auch diese blieben vergleichsweise selten.

1925 wurde die Produktion dann weitgehend auf das 6/25 PS-Modell konzentriert, welches zwar motorenseitig auf dem 6/18 PS bzw. 6/22 PS-Typ ab 1921 basierte, aber mit 4-Gang-Getriebe, Vorderradbremsen und innenliegender Schaltung deutlich moderner ausfiel.

Auch die Gestaltung entsprach nun ganz der neuen sachlichen Linie, mit der die meisten Hersteller von den charakterstarken Spitzkühler-Optik Abschied nahm. Allenfalls die aufpreispflichtige Adler-Kühlerfigur verlieh dem Wagen eine kühne Note:

Adler 6/25 PS Tourenwagen; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

So wie auf dieser schönen Abbildung aus meinem Fundus, die es immerhin in die Neuausgabe des Klassikers “Deutsche Automobile 1920-1945” von Werner Oswald geschafft hat, sehen die meisten Adler des Typs 6/25 PS aus.

Immerhin rund 6.500 Exemplare sollen davon bis 1928 enstanden sein – womit das Modell der bis dahin erfolgreichste Adler überhaupt sein sollte. Bei einer für deutsche Verhältnisse recht hohen Stückzahl sollte doch Raum für die eine oder andere Überraschung sein, oder?

Gewiss, und heute will ich einige Exemplare zeigen, deren Erscheinungsbild mehr oder weniger von der Norm abweicht. Dabei halte ich mich strikt an das Tourenwagenmodell – daneben gab es noch offene Zweisitzer und natürlich Limousinen.

Überraschend anderes wirkt der Adler 6/25 PS Tourer beispielsweise in dieser wohl noch ziemlich ladenneuen Ausführung:

Adler 6/25 PS Tourenwagen; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Dank des glänzenden Lacks und Nickels sowie der zahlreichen Accessoires wirkt der Adler hier beinahe wie ein anderes Auto. Besonders gut gefällt mir der auf Hochglanz polierte und auf Windschnittigkeit getrimmte Reservekanister auf dem Trittbrett.

Doch die Kühlergestaltung in Verbindung mit den Scheibenrädern verrät, dass auch dies ein Typ 6/25 PS sein muss.

Mit dergleichen Fotos von Tourenwagen des Adler 6/25 PS könnte ich noch eine Weile fortfahren: Hier beispielsweise hätten wir ein schon stark gebrauchtes Exemplar, das wohl mit der Aufnahme vor der überraschenden Kulisse eines Schlosses “geadelt” werden sollte:

Adler 6/25 PS Tourenwagen; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Weiß vielleicht jemand, um welche Schlossanlage es sich handelt? Als Hinweis mag die Tatsache dienlich sein, dass der Originalabzug von einem Fotogeschäft in Kassel stammt.

Nachtrag: Leser Peter Oestereich konnte die Lösung liefern: Der Adler parkte vor dem Eingang von Schloss Wilhelmsthal (Calden).

Wo aber bleiben die versprochenen Überraschungen, Herr Blog-Wart? Nun, die liefere ich nach und nach, keine Sorge. Zunächst machen wir erst einmal einen Ausflug unter die Motorhaube, denn wie es dort aussah beim Adler 6/25 PS weiß ja kaum einer mehr.

Zum Glück fand ich in meiner Ausgabe des “Handbuch vom Automobil” von Joachim Fischer (1927) diese Abbildung:

Adler 6/25 PS Motor; Abbildung aus: “Handbuch vom Automobil”, Joachim Fischer, 1927

Hier sieht auch der Laie einige interessante Details. So befinden sich die Pedale auf der rechten Seite (wie natürlich auch das hier nicht zu sehende Lenkrad). Das Gas befand sich zwischen Kupplung und Bremse.

Gut zu erkennen ist der mittig angebrachte Schalthebel (bei früheren Adler-Wagen noch außenliegend) und die ebenso hoch aufragende Handbremse. Rechts am Motorblock ist der über ein Stirnrad angetriebene Zündmagnet und der dahinterliegende Zündverteiler mit vier Zündkabeln zu sehen.

Ganz vorne haben wir den Antrieb von Lüfterflügel und Wasserpumpe. Die spiralförmige Welle am Vorderende des Motors unten ist die Aufnahme für die Starterkurbel, sollte einmal die Batterie leer sein.

Von der anderen Seite bietet sich der Motor des Adler 6/25 PS so dar:

Adler 6/25 PS Motor; Abbildung aus: “Handbuch vom Automobil”, Joachim Fischer, 1927

Allzuviel zu sehen gibt es hier nicht. Ganz oben erkennt man den Kühlwasserstutzen, über den das vom Motor erhitzte Wasser zum Kühler transportiert wurde. Vorne sieht man den Stutzen für den von unten kommenen Schlauch, über den das abgekühlte Wasser in den Motor zurücktransportiert wird.

Mittig vor dem Zylinderblock (die untere Motorenhälfte beherbergt die Kurbelwelle) sieht man den kompakten runden Luftfilter vor dem Vergaser. Darüber läuft der Abgaskrümmer, der vorne zur Auspuffanlage hin nach unten abknickt.

Man sieht, sonderlich komplex ist so ein klassischer Vierzylindermotor mit Vergaser gar nicht. Für Verwirrung könnte allenfalls der hier nicht zu sehende seitliche Ventiltrieb sorgen.

Genug davon, ich wollte nur die Gelegenheit zu nutzen, dieses seltene Dokument zu zeigen. Eine weitere Überraschung ist dann die nächste Aufnahme, denn einen Adler 6/25 PS Tourer mit aufgespanntem Verdeck und montierten Steckscheiben findet man kaum:

Adler 6/25 PS Tourer; Orignalfoto: Sammlung Jürgen Klein

Diese ungewöhnliche Aufnahme verdanke ich Leser und Sammlerkollege Jürgen Klein, der auch sonst noch manches Vorkriegs-Schmuckstück aus seinem beeindruckenden Fundus beisteuern kann.

Die zweite Plakette rechts neben dem üblichen Adler-Typenschild dürfte vom Autohaus stammen, das einst diesen Wagen verkaufte. Leider wissen wir nichts Näheres zu Ort und Zeitpunkt der Aufnahme.

So überraschend anders der Wagen hier wirkt, so vertraut mutet die kunstlederne seitliche “Schürze” am Vorderkotflügel an. Sie findet sich an den meisten Adler-Wagen dieses Typs, was die Frage aufwirft, ob sie ein Werkszubehör war. Vielleicht weiß es jemand genau.

Eine Ausnahme – und damit eine Überraschung – stellt dieses Exemplar dar:

Adler 6/25 PS Tourenwagen; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Dieser 1929 in Dortmund aufgenommene Adler 6/25 PS Tourer wirkt ohne besagte Kotflügelschürzen und mit Adler-Kühlerfigur deutlich edler, oder?

Ansonsten ist alles konventionell an diesem Exemplar. Bei der Gelegenheit prägen Sie sich bitte den Abstand zwischen den beiden Türen ein. Dieser scheint beim Tourenwagenaufbau stets sehr knapp bemessen gewesen zu sein.

Der Radstand von 2,80 Metern bot auch nicht mehr Raum, soviel ist klar.

Doch was ist dann von dem Adler-Tourer auf folgender Aufnahme zu halten? Kühler und Scheibenräder sprechen doch eindeutig für das Modell 6/25 PS, nicht wahr?

Adler 6/25 PS Tourenwagen; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Zwei Dinge sind hier überraschend anders: Zum einem ist die Frontscheibe deutlich geneigt und vertikal unterteilt. Zum anderen ist der Abstand zwischen den Türen weit größer. Sollte es noch ein weiteres und größeres Adler-Modell mit Scheibenrädern gegeben haben?

Nun, Christian Rioth vom Adler Motor Veteranen Club lieferte mir die Erklärung: Hier sehen wir die die ganz frühe Ausführung des Typs 6/25 PS, bei der die Türen kürzer waren und die Frontscheibe sich noch am Vorgängermodell 6/24 PS (mit Spitzkühler) orientierte.

Beruhigt können wir fortfahren, doch eine weitere Überraschung hätte ich noch in petto. Die folgende Aufnahme aus der Sammlung von Matthias Schmidt zeigt nämlich eine deutliche Abweichung von allen bisher gezeigten Fahrzeugen des Typs Adler 6/25 PS:

Adler 6/25 PS Tourenwagen; Originalfoto: Sammlung Matthias Schmidt (Dresden)

Sehe ich es richtig, oder täusche ich mich, wenn das Lenkrad hier auf der linken Seite zu sein scheint?

Die (dürftige und veraltete) Literatur zur Marke Adler kennt nur Rechtslenkung, doch bei einer Bauzeit bis 1928 wird der Hersteller die damals fällige Umstellung früher oder später vorgenommen haben, aber wann?

Beweisfotos finden Sie – leider nur anhand von Limousinen – in meiner Adler-Galerie.

War das denn nun schon alles, werden die verwöhnten Leser meines Blogs denken? Nun, zwei Überraschungen zum Thema Adler 6/25 PS hätte ich noch.

Die erste verdanke ich Leser Klaas Dierks, der doch tatsächlich einen dieser braven Adler 6/25 PS-Wagen mit serienmäßigen Aufbau im Sporteinsatz zeigt:

Adler 6/25 PS Tourenwagen; Originalfoto: Sammlung Klaas Dierks

Für die zweite Überraschung am Ende sorgt eine Amerikanerin mit dem glamourösen Namen Karen Starr Venturini.

Ob das ihr echter Name ist, das dürfte in Zeiten, in denen man sich sogar sein Geschlecht nach Tagesform aussuchen darf, einigermaßen egal sein. Jedenfalls schickte sie mir vor einiger Zeit diese Aufnahme eines Adler 6/25 PS zu – die vollkommen für sich spricht:

Adler 6/25 PS Tourenwagen; Originalfoto via Karen Starr Venturini (USA)

Michael Schlenger, 2023. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

2 Gedanken zu „Stets für eine Überraschung gut: Adler 6/25 PS

  1. Das ist es, großartig – danke!

  2. Wie nahe kommt Schloss Wilhelmsthal, 34379 Calden? Viele Grüße Peter Oesterreich

Kommentar verfassen