Kurs für „Ford“geschrittene: Rheinland im Porträt

Keine Sorge, ich bin in meinem Blog nicht plötzlich auf Geografiethemen umgestiegen, wenngleich die Einbeziehung von Land und Leuten für mich von jeher das gewisse Extra ist, das ein gelungenes Autofoto ausmacht.

Wenn wir uns heute dennoch näher mit dem Rheinland befassen, hat das wie immer gute Gründe mit vier Rädern. Allein am legendären Loreleyfelsen im Mittelrheintal müssen einst tausende Benzinkutschen von einem Profifotografen festgehalten worden sein.

Ihnen begegnet man als Sammler alter Autofotos auf Schritt und Tritt, und tatsächlich sind Exemplare dabei, die mich seit Jahren rätseln lassen, um was es sich handelt. Mein Favorit in dieser Hinsicht ist dieser große Tourer der frühen 1920er Jahre:

unbekannter Tourenwagen an der Loreley; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Dem Größenverhältnis von Insassen und Karosserie nach zu urteilen, muss es sich um ein sehr großes und stark motorisiertes Fahrzeug gehandelt haben. Allein der Nabendeckel der Räder besaß einen enormen Durchmesser – vergleichen Sie den einmal mit den Köpfen der Insassen.

Hier ist vieles denkbar, inbesondere ein Hubraumgigant aus der Zeit vor dem 1. Weltkrieg mit modernisierter Karosserie – keineswegs ungewöhnlich – aber auch ein Importfahrzeug (speziell aus den USA) mit deutschem Aufbau.

So macht das Rheinland dem Enthusiasten zwar Freude, bereitet aber auch Verdruss.

Ganz anders verhält es sich mit dem Rheinland im heutigen Blogeintrag. Hier erfährt der geneigte Leser, wie das perfekte Porträt davon gelingt, das keine Wünsche offenlässt.

Ich weise ausdrücklich darauf hin, dass es sich hier um einen Kurs für „Ford“geschrittene handelt, das gezeigte Material also nicht für jedermann geeignet ist. Sollten Sie also an struktureller „Ford“schrittsskepsis leiden, schauen Sie sich bitte woanders um.

Sie sind noch dabei? Schön, dann beginnen wir jetzt mit unserem Kurs zum Thema „Rheinland im Porträt“. Zunächst möchte ich ein Beispiel dafür zeigen, wie man das Thema gründlich verfehlen kann:

Ford „Rheinland“; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Sie sehen, dass Sie fast nichts sehen.

Zwar lautet das Thema dieses verunglückten Porträts zwar unübersehbar „Rheinland“, aber mit Verlaub: Mit der bloßen Beschriftung wird man der Sache nun wirklich nicht gerecht.

Schauen wir uns das nächste Beispiel an, Hier haben zwei sehr von sich eingenommene „Künstler“ ihre eigene Interpretation des Themas „Rheinland“ gewagt:

Ford „Rheinland“; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Leider ist hier das Rheinland förmlich am Untergehen und droht hinter einer improvisierten Blende abzurutschen – soll das kreativ sein? Oder lustig?

„Mit diesem halbgaren Pennälerscherz kommen Sie nicht in die engere Auswahl, meine Herren!“ bleibt da nur zu sagen. Da hilft auch der Verweis auf die Not der Nachkriegszeit nicht, als man zusehen musste, wie man sich durchmogelte.

Kehren wir in die 1930er Jahre zurück und schauen, was sonst noch für Porträts des „Rheinland“ fabriziert wurden, damals ein ganz aktuelles Thema.

Hier haben wir eine Interpretation von jemandem, der das alte Thema „Mensch und Maschine“ in einer kühnen Collage zu verarbeiten suchte. Leider kommt dabei der Hauptaspekt „Rheinland“ zu kurz:

Ford „Rheinland“; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

„Thema verfehlt, durchgefallen“, lautet auch hier das Urteil. Es klingt hart, aber nur durch schonungslose Kritik kann am Ende wahre Qualität entstehen.

Weiter geht’s mit dem nächsten „Rheinland“-Porträt, offenbar von jemandem verfertigt, der großen Wert darauf legte, dass das Ergebnis möglichst unvorteilhaft aussieht.

Jedenfalls ist außer einem Haufen Blech wenig darauf zu erkennen, was dem doch so reizvollen Thema ansprechende Gestalt geben könnten. Das mag mancher modern finden, dem strengen Urteil des Kenners kann dieses finst’re Machwerk indessen nicht genügen:

Ford „Rheinland“; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Herrje, will sich denn wirklich kein Talent einstellen, was ein angemessenes „Rheinland“-Porträt angeht?

Nun, mit etwas Geduld lässt sich tatsächlich etwas ausfindig machen, was dem Thema einigermaßen gerecht wird. Eine erste Spur von Begabung lässt das folgende Werk erkennen, wenngleich es ihm noch an der richtigen Balance mangelt.

So erzählt es zuviel von den Leuten und zu wenig vom Rheinland selbst, auch wenn beide unzweifelhaft zusammengehören. Doch immerhin ist dem Urheber eine gewisse Frische der Anschauung nicht abzusprechen:

Ford „Rheinland“; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Nett, nicht wahr? Schon, aber das kann doch nicht alles sein, was den Kreativen von einst zum Thema „Rheinland“ einfiel.

Gab es denn niemanden, der in der Lage war, ein Rheinland-Porträt abzuliefern, das allen seinen Facetten gerecht wird und seinen Reiz auf vorteilhafte Weise in Szene setzte?

Es musste ja nicht in der penetranten Weise einer Tourismus-Broschüre sein, aber die platte Einfallslosigkeit eines – sagen wir: – Automobil-Prospekts muss es auch nicht sein.

Ist es denn zuviel verlangt, das Thema „Rheinland“ ganz klassisch anzugehen? Aus günstiger, aber zugleich sachgerechter Perspektive, die allen wesentlichen Seiten gerecht wird? Mit einem behutsamen Seitenblick auf die menschliche Komponente?

Und das Ganze technisch blitzsauber, aber nicht steril umgesetzt? Ja, das geht. und so wird der „Ford“geschrittene Enthusiast hier genau das Erhoffte erblicken:

Ford „Rheinland“; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Ziemlich genau so sieht ein gelungenes Autofoto aus – sofern es nicht etwas ganz außer der Reihe sein soll – so schwer ist das doch gar nicht.

Doch obwohl ich lange darauf gewartet habe, hat mich erst kürzlich diese Flaschenpost in Sachen „Rheinland“ aus alter Zeit erreicht.

Ihren langen Weg durch’s Ungewisse hat sie vor knapp 90 Jahren im Landkreis Crossen (Brandenburg) begonnen und nun ist sie nach manchen Irrungen und Wirrungen wohlbehalten dort eingetroffen, wo sie geschätzt und bewundert wird.

Ist Ihnen aufgefallen, dass ich das Auto, das auf allen diesen Fotos zu sehen ist, überhaupt nicht im Detail beschrieben habe, wie das sonst mein Stil ist?

Dennoch werden Sie es nach dem Studium dieser Aufnahmen künftig zuverlässig identifizieren können, wenn Sie einem begegnen.

„Rheinland!„, so werden Sie dann unwillkürlich denken, und das wird Sie als erfolgreichen Absolventen dieses kleinen Kurs für „Ford“geschrittene ausweisen.

Die paar Fakten dazu sind schnell verinnerlicht: Bauzeit: 1934-36, 4-Zylindermotor mit 3,3 Litern Hubraum und 50 PS – ein später Nachkomme des Ford „Model A“ und auch sonst eher konservativ gestrickt. Mit gut 5.500 Exemplaren aus Kölner Produktion kein Bestseller, aber für Rheinland-Liebhaber damals und heute von eigenem Reiz…

Michael Schlenger, 2023. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

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